Kapitel 16. Anastasia

Seine Flüssigkeit lief noch aus mir heraus und tropfte auf den Boden, als ich erst wegen des Orgasmus erzitterte und dann wegen der purer Panik.

»Satoru« flüsterte ich geschockt und sah die Tür lange mit aufgerissenen Augen an. Es vergingen ganz bestimmt Minuten, in denen ich nur die Tür anstarrte, bevor ich es endlich schaffte, mich zu rühren. Und dann rannte ich zu Tür und zog an dieser.

»Lass mich raus! Satoru!«, schrie ich panisch und rüttelte verzweifelt an der Tür. »Satoru!« kreischte ich wieder und wieder und wieder seinen verdammten Namen. Jegliche Lust war vergangen und nur noch panische Angst kroch in meinen Gliedern hoch. Ich begann zu taumeln und hielt mir den Kopf. Erinnerungen an damals tauchten auf und ließen mich erschaudern.

Ich mit einem Sack über den Kopf. Ich in der Dunkelheit. Lachende Männer. Und ich in einem verschlossenen und verdunkelten Raum. Keine Fenster. Kein Licht. Kein Sauerstoff. Ich griff mit beiden Händen meinen Hals und hatte plötzlich das Gefühl, als würde ich ersticken.

Bitte lasst mich gehen.
Das hatte ich damals gesagt und geweint.
Aber das einzige, das zu hören war, war ihr Lachen. Sie lachten mich aus.

Ich fiel auf meine Knie und dann beugte ich mich vor und drückte meine Stirn auf den Boden. Tränen sammelten sich in meinen Augen und hinzerließen auf dem Boden nasse Spuren. Mein ganzer Körper zitterte und ich kniff die Augen zusammen, als immer mehr von dem hochkam, von dem ich mich distanzieren wollte, was ich vergessen wollte. Ich schluchzte unkontrolliert und rollte mich genau in dieser Position zusammen. Auf dem Boden kniend und die Stirn ebenso auf dem Boden. Meine Arme um meinen Körper weinte ich alleine in der Stille und kämpfte gegen die grausamen Erinnerungen, die ich vor 10 Jahren erlebt hatte.

*****

Ich bekam erst nur halb mit, dass die Tür aufgerissen wurde und eine Decke um meinen Körper gelegt wurde. Ich glaube, ich lag immer noch auf dem Boden. Meine Augen leer und verheult. Erst als ich Damians ruhige sanfte Stimme hörte und er mich in die Decke rollte und hochhob, blickte ich auf. Er sah mich schockiert an. Er wusste, was mir damals passiert war. Denn er war der einzige Mensch auf diesem Planeten, dem ich alles anvertraut hatte. In einem schmerzhaften Moment in meinem Leben kam eins zum anderen, weshalb er alles erfuhr, was ich eigentlich niemals erzählen wollte. Genau deswegen sah er mich auch so schockiert an.

Seine starken Arme um mich gelegt, drückte er mich an seinen Körper und flüsterte, dass alles gut werden würde. Er würde nie wieder zulassen, dass ich entführt werde. Nie wieder. Er würde für immer an meiner Seite bleiben. Das waren die typischen Worte, die er mir immer wieder zuflüsterte, wenn ich eine Panik Attacke bekam.

Wie er mich hier gefunden hatte, war mir nicht klar. Vielleicht hatte Satoru ihm stolz davon erzählt, wie er mich hier eingesperrt hatte.
Möglich wäre es bei seinem Charakter.

Ich war müde.
Doch als Damian die Treppe hochlief, hielt ich ihn auf.
»Keine Schwäche«, murmelte ich nur und er verstand, was ich damit meinte. Langsam und sehr vorsichtig setzte er mich auf dem Boden ab. Ich drehte mich herum, hielt die Decke um meinen Körper und lief den Rest der Treppen hinauf.

Sei stark.
Sei stark.
Sei...

Mein Gehirn hörte auf zu funktionieren, als ich Satoru erblickte. Er redete gerade mit George und auch Atlas standen neben ihm. Er grinste dumm und da gingen bei mir die Sicherungen durch. Ich stampfte auf ihn zu und bevor ich überhaupt begriff, was ich tat, zerrte ich ihn zu mir herum und schlug ihm so fest ins Gesicht, dass der Schlag durch den Raum hallte. Ich wusste, er wollte zurückschlagen, doch als er mir in meine verheulten, geschwollenen Augen sah, hielt ihn etwas auf. Ich sah vermutlich aus, als hätte ich die Hölle erlebt und keinen harmlosen Scherz.
Und so war es auch.

Ich hatte die Nacht kein Auge zugemacht und die gesamte Nacht mit meinen Ängsten gekämpft. Meine Unterlippe begann zu zittern und Tränen sammelten sich wieder in meinen Augen.
Es war zu viel.

Sei stark, dachte ich wieder, aber das, was ich erlebt hatte, holte mich ein und zerstörte mich aufs Neue. Selbst George und Atlas sahen mich mit einem komischen Blick an.

Satorus Kiefer malte. »Verschwindet. Alle!«

Atlas tat sofort, was er sagte, George sah mich lange und besorgt an. Und Damian ...
Satoru sah ihn an. »Du auch.«

»Nein« bestimmte Damian und blieb, wo er war. »Ich werde dich nicht mehr mit ihr allein lassen« zischte er.

Ich nahm von Satoru Abstand und plötzlich packte mich Damian und hob mich mit den Armen am Rücken und Kniekehlen hoch. Er drückte mich an sich und starrte Satoru an, als wollte er ihn am liebsten töten, bevor er sich abwandte und zur Treppe lief.

»Lass«, eine Waffe klackte, »sie runter. Jetzt.«

Mein Leibwächter drehte seinen Kopf und sah Satoru an. »Damit du sie wieder einsperren kannst, du Wichser?«, fragte er wütend und biss die Zähne zusammen. »Du weißt, durch ihre Mutter, was ihr vor 10 Jahren passiert ist und dann sperrst du sie ein?! Sag mal, wie bescheuert bist du eigentlich, Boss?!« Er spuckte das Wort Satoru regelrecht entgegen.

Mein Mann blieb reglos. »Ich gebe dir drei Sekunden. Ist sie dann nicht auf dem Boden, bist du gefeuert und/oder tot. Eins ...« Er zielte zwischen seine Augen. »Zwei ...«

Ich befreite meine Hand aus der Decke und legte sie Damian auf die Brust, nun sah er mich an. Sein Blick starr und ich wusste, er würde für mich sterben. Ich schüttelte nur den Kopf und Damian verspannte sich. Doch er kam meiner Bitte nach und setzte mich vorsichtig mit meinen nackten Füßen auf die erste Treppenstufe ab. Wieder sah er mir tief in die Augen, beugte sich zu mir vor und küsste mein Scheitel.

»Wenn er dir wehtut, dann ruf nach mir.« Er wandte sich mit einem letzten, tödlichen Blick auf Satoru ab und verließ das Wohnzimmer.

Mein Mann sah ihm nach, ehe sein Blick auf mich fiel. »In mein Zimmer.«

»Nein« flüsterte ich heiser, weil ich in dem Keller etwas zu viel geschrien hatte. Ich wollte nicht in sein Zimmer. Ich wollte gar nicht mehr mit ihm allein sein. Und das ich mich gerade jetzt so verletzlich vor ihm präsentiert, nervte.
Keine Schwäche.
Sei stark.
Ich hatte es so gut hinbekommen und dieser Penner hatte alles kaputtgemacht. Ich drehte ihm den Rücken zu und streckte meine Hand aus, um mich am Geländer festzuhalten, als ich die Treppe langsam hochlief. »Lass mich einfach in Ruhe« sagte ich erschöpft.

Satoru knurrte, packte mich, warf mich über die Schulter und lief die Treppe hinauf.
Ich strampelte und haute ihm auf den Rücken. »Lass mich runter, du kranker Penner!«, Schrie ich wütend, trotz Erschöpfung.

Ein Schnauben entkam ihm. »Versuchs weiter, Sugar«, raunte er, als wir am Zimmer ankamen. Satoru öffnete die Tür via Fingerprint und trat ein. Dann warf er mich regelrecht auf das Bett, sodass der Lattenrost knarrte. Er sah zu mir. »Was war da untern los?«

Ich setzte mich auf und rutschte etwas weg. »Nichts Besonderes. Ich habe nur Klaustrophobie, also tue so etwas nie wieder« gab ich mich gefasster, als ich es wirklich war. Er hatte zwar schon zu viel gesehen, aber ich wollte auf keinen Fall vor ihm zusammenbrechen.

Er hielt einen langen Moment die Luft an, dann stürzte er sich auf mich. Mit seinem gesamten Gewicht drückte er mich auf die Matratze. Satoru packe mich an der Kehle und zwang mich damit, ihm direkt in die Augen zu sehen. Augen, die nun nur wenige Zentimeter von mir entfernt waren.
»Klaustrophobie? Für wie dumm hältst du mich? Dein Gorilla von Bodyguard und blöder Wichser, der dich liebt, hat klargemacht, das, was auch immer dich zu diesem Häufchen Elend hier machen lässt, mit der Tatsache zu tun hat, dass man dich entführt hatte. Also spuck aus, was dir passiert ist. Ich will es wissen.«

War er eigentlich total geisteskrank?! Er sperrte mich ein und statt mal ein normaler Mann zu sein, bedrohte er mich regelrecht und nutzte seine stärker, um mich hier festzunageln. Ich war am Ende meiner Kräfte. Die Nacht war beschissen gewesen und jetzt musste ich mich auch noch mit diesem Vollidioten herumschlagen. »Das geht dich einen Scheiß an! Geh von mir runter und lass mich verdammt noch mal in Ruhe.«

Er lachte wenig amüsiert. »Also gibst du es endlich zu?«

Ich blinzelte, bevor ich ihn wütend anstarrte. »Das Einzige das ich zugebe, ist, dass ich dich abgrundtief hasse und du ein bescheuert Penner bist, der in die Hölle gehört. Also Fick dich, Satoru Gojo, und pack mich nie wieder an!«, schrie ich so unfassbar laut, dass meine Stimme fast brach.

Er beugte sich vor und erstickte jeden Laut, jeden Schrei und jeden weiteren Fluch mit einem Kuss. Einem wilden Kuss. Seine Zunge glitt in meinen Mund und kämpfte mit meiner, ehe die Berührung ruhiger wurde und er letztlich von mir abließ. Satoru sah mich an. »Du wirst reden. Früher oder später, Sugar.«

Ich starrte ihn an. Mein Herz pochte schon wieder so komisch, aber durch die ganze Panik und Wut, nicht so stark wie die letzten Male. Wieso verdammt war ihm das so wichtig? Wieso? Er hatte doch deutlich gesagt, dass ich ihm egal war. Wieso also benahm er sich so. Ich begriff das einfach nicht. Genau deswegen sagte ich leise. »Geh von mir runter.«

Sein Mundwinkel zuckte. »Würdest du das auch noch verlangen, wenn ich meine Maske anhätte?« Er sah mich herausfordernd an. »Zwing mich doch dazu und hör endlich auf, die Starke spielen zu wollen. Ich weiß«, sein Griff wurde fester, »das es Show ist.«

Erinnerungen vom letzten Abend tauchten in meinem Kopf auf und meine Wangen färbten sich rot. Ich hatte es zwar nicht wirklich versucht, zu verheimlichen, aber das er es nun doch mitbekommen hatte, dass ich eine Schwäche für diese Art von Masken hatte, nervte.

»Wie soll ich dich zwingen, wenn du mich mit deinem gesamten Körpergewicht runter drückst. Du wiegst fast das Doppelte als ich« erwiderte ich sauer.

Sei stark.
Sei stark.
Du darfst keine Schwäche zeigen.
Mir war egal, ob er wusste, dass es Show war. Ich würde niemals vor ihm zusammenbrechen. Niemals!

Satoru lehnte sich vor und küsste mich federleicht. An meinen Lippen hauchte er: »Heb die Hand. Am Hals gibt einen Triggerpunkt im Schulter-Nacken-Bereich, meistens im rechten Musculus Trapezius«, erklärte er und zeigte auf einen Punkt. »Drück deinen Daumen da rein und mein Gewicht und meine Größe spielen keine Rolle mehr. Dieser Muskel entspringt vom Schädelknochen und den obersten Halswirbeln und setzt am äußeren Drittel des Schlüsselbeins an. Triggerpunkte in diesem speziellen Muskel verursachen immense Schmerzen im Nackenbereich und verspannen sofort die Schulter. Die Schmerzen strahlen bis in den Oberarm aus. Zusätzlich treten oft sofort oder danach heftige Kopfschmerzen und Schwindel auf.«

Ich sah ihn verwirrt an. Meine Lippen kribbelten unter seiner sanften Berührung. Wieso erzählte er mir das?
Das fragte ich mich wirklich. Ich verstand Satoru nicht, aber vermutlich verstand er mich auch nicht. Wir hatten beide unsere Gründe, wie wir uns benahmen.

Ich sah von einem Auge zu andern. Gestern Abend, bevor der Penner mich eingesperrt hatte, war es heiß gewesen. Auch, wenn er mich mit der beschissenen Leine und dem Halsband gereizt hatte, war es für mich in dem Moment okay. Nicht nur wegen seiner Maske, sondern weil es für mich in dem Moment ein Spiel war. Ein Spiel, um uns heißzumachen, auch, wenn es für ihn anscheinend nur war, um mich zu bestrafen. Und auch, wenn ich ihn nur für Sex benutzen wollte, sowie er mich, stieg in dem Moment die Sorge hoch, als ich seine Verletzungen auf seinem Körper gesehen hatte.

Das hatte mich schockiert, auch wenn er mir egal sein sollte, fühlte ich in dem Moment keine Gleichgültigkeit. Meine Hand hebend, legte ich meine Finger genau dorthin und drückte mein Daumen da rein.

Satoru fluchte und sein einer Arm gab unter ihm nach, sodass er auf mich kippte. Er kniff die Augen zu und biss die Zähne zusammen, ehe er sich umständlich von mir rollte und fast lächerlich bescheuert halb vom Bett fiel. Er fluchte erneut und hob sich dann wankend am Nachtschränkchen fest.

»Gutes Mädchen«, lobte er und sah mich an. In seinen Augen spiegelte sich Schmerz und er hob sich nun zu der Schläfe noch die Rippen.
Ich zog meine Hand weg und sah ihn an. Meine Mundwinkel hoben sich, weil ich es witzig fand, wie er halb vom Bett fiel. Und dass es wirklich funktioniert hatte, überraschte mich. Aber ...

Ich öffnete meine Lippen und wollte fragen, ob alles in Ordnung sei, doch bevor das passieren konnte, schloss ich sie wieder und rutschte stattdessen schnell von seinem Bett runter. Mich erhebend, blieb ich vor ihm stehen und sah auf ihn hinab.

»Es war nicht klug von dir mir so etwas zu zeigen. Und geh zum Arzt, wenn du Schmerzen hast. Immerhin ist heute das Dinner und du solltest niemanden außerhalb dieses Hauses deine Schwäche zeigen.«

Ich sah ihn noch einen Moment lang an, weil ich über meine Worte nachdachte. Ich hatte ihm indirekt gesagt, dass er mir seine Unterlegenheit zeigen konnte. Was dumm war, wenn ich ihm doch selbst nicht meine Schwäche offen zeigte.
Doch statt meine Worte zu korrigieren, wandte ich mich ab und verließ sein Zimmer.

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