Kapitel 53


Ich liebte ihr Temperament. Wie dieses kleine, zärtliche Wesen sich mir gegenüberstellte und versuchte mir die Stirn zu bieten. Als hätte sie auch nur einen Hauch von einer Chance.

Ich verstand auch, dass sie so aufgebracht war und sie so schnell wie möglich ihrer Schande von Mutter gegenübertreten wollte. Doch Aislinn war nie ein rachsüchtiger Mensch und sie hätte es zutiefst bereut, hätte sie Dinge getan oder gesagt, die sie später nicht mehr rückgängig machen konnte.

Wütend stampfte sie mit jeden Schritt auf den Boden, was mich innerlich amüsierte. Sie war, wie ein aufgebrachter Zwerg.

Sie steuerte geradewegs auf die Garage zu, entgegen meiner Erwartung, sie würde in das Haus gehen. Aber es war okay für mich. Sollte sie sich in der Garage beruhigen und wenn das Schrauben ihr dabei half, wollte ich sie nicht aufhalten.

Sie nahm sich Werkzeug und begann die restlichen Teile des Motors zu verschrauben, als mein Handy plötzlich ertönte.

Ich erkannte sofort die Nummer von dem Polizeirevier, weshalb ich einige Schritte vor die Garage machte, jedoch ohne Aislinn dabei aus den Augen zu lassen.

„Ja?“

„Hallo Ceiron, ich hatte eben Besuch von Christina. Sie hat Aislinn als vermisst gemeldet“, teilte mir der Polizeichef mit. „Sie weiß, dass sie bei dir ist und hat daher auch eine Anzeige wegen Freiheitsberaubung gegen dich veranlasst.“

„Sie ist echt unglaublich“, atmete ich tief ein.

„Ich wollte dich nur vorwarnen. Wegen der Lage in der Stadt können wir es natürlich nicht herunterspielen. Das würde ein schlechtes Licht auf uns werfen und die Einwohner würden misstrauisch werden.“

„Ich verstehe schon, aber ich kläre das. Aislinn wollte ohnehin heute noch zu ihrer Mutter“, sagte ich, als ich Aislinns Blick spürte.

„Es wäre dennoch gut, wenn du und Aislinn auf das Revier kommen könntet“, meinte der Polizeichef. „Sie wird ja sicherlich aussagen, dass sie freiwillig bei dir ist und somit steht es Aussage gegen Aussage.“

„Sicher. Ich regel das schon.“

„Habt ihr etwas von Lillith gehört?“, fragte er nach einer kurzen Zeit der Stille.

„Wir sind ihr dicht auf den Fersen. Ich denke mal, allzu lange kann sie nicht mehr davonlaufen“, informierte ich ihn.

„Gut. Wir hören voneinander“, verabschiedete er sich, ehe der Anruf von ihm beendet wurde.

Als hätte ich nicht schon genug Sorgen, musste sich ihre Mutter nun auch noch einmischen. Jedoch sah ich dies als kleinstes Übel, denn die Polizei wurde bereits vor vielen Jahren eingeweiht. Etwas, was uns ebenfalls von allen anderen Rudeln unterscheidet.

„Ist alles okay?“, fragte Aislinn, da ich noch immer draußen stand.

„Ja, aber deine Mom war bei der Polizei“, teilte ich ihr mit, was sie nur mit einem Schnauben quittierte.

„Soll sie behaupten, was sie will. Ich bin 18“, zuckte sie mit den Schultern.

Ich merkte, dass sie noch immer sehr wütend war, jedoch sagte ich nichts. Stattdessen half ich ihr weiter bei dem Motorrad, bis sie frustriert den Schraubenzieher gegen die Wand warf.

„Sie ist so eine verdammte Heuchlerin!“, schrie sie. „Sie wusste alles! Und hat mich dennoch nicht eingeweiht, stattdessen in mein Zimmer gesperrt, als ich ihr von Wölfen erzählt hatte!“

„Sie wollte dich sicherlich nur schützen“, murmelte ich, immerhin musste ich irgendwann etwas dazu sagen.

„So, wie sie meinen Vater schützen wollte?“

„Ich ... keine Ahnung, was in ihrem Kopf vor sich ging.“

„Sie hat mich doch mit Absicht von hier weggelotst, mit in diesem Typen. Wahrscheinlich wäre es ihr sogar noch recht gewesen, hätte er mich dort ertränkt!“, sagte sie, wodurch sich ihre Wut veränderte in Trauer. Sie weinte wieder und das war für mich schlimmer, als wenn sie emotional ausflippen und Dinge durch die Gegend werfen würde.

„Hey“, zog ich sie an ihrer Hand zu mir. „Behaupte nicht solche Dinge, wenn du es nicht weißt.“

„Geliebt haben, kann sie mich nicht, wenn sie mir meinen Vater genommen hat und dann auch noch meint, ich sollte endlich darüber hinwegkommen“, sagte Aislinn, ehe sie sich mit einer Hand die Tränen wegwischte.

„Ich glaube nicht, dass es etwas mit dir zu tun hatte. Vielleicht gab es einen anderen Grund“, meinte ich und nahm sie in den Arm. Sicher war ich mir da zwar nicht, aber wenn sie Aislinn überhaupt nicht geliebt hatte, hätte sie ihre Tochter nicht ebenso aus dem Weg geschafft?

Sie sagte nicht dazu, stattdessen legte sie ihrem Kopf an meine Brust und schlang ihre Arme fest um meinen Körper. Ich strich mit meiner Hand über ihren Rücken und lauschte ihrem kräftigen Herzschlag, welcher sich von Minute zu Minute zu beruhigen schien.

„Lass uns das Motorrad fertig machen“, meinte sie, als sie sich von mir löste und voller Tatendrang wieder an die Arbeit ging.

Nach einer Stunde waren wir fertig und ich reichte Aislinn das letzte Teil, welches sie mit 4 Schrauben befestigte. Sie strahlte mich zufrieden an und ich sagte, dass sie sich auf das Motorrad setzen soll, um es zu starten.

„Stunde der Wahrheit“, sagte ich und schaute Aislinn dabei zu, wie sie mit dem Fuß den Kickstarter durchtrat.

Dies tat sie einige Male und ich musste mich zurückhalten, um ihr das nicht abzunehmen. Es sah bei ihr aus, als müsste sie all ihre Kraft dafür aufwenden.

„Nimm mal den Choke weg“, sagte ich und trat direkt neben sie. „Hast du den Benzinhahn auf?“

Sie sah mich fast schon beleidigt an, als ich das fragte, weshalb ich meine Hände abwehrend hob.

„War nur eine Frage.“

„Ich fahre nicht zum ersten Mal“, meinte sie und stellte sich auf die Fußrasten, um im Stand das Motorrad anzukicken. Ich musste zugeben, dass ich es verdammt sexy fand.

„Genau genommen fährst du gerade auch nicht“, verkniff ich mir ein Lachen, um sofort einen giftigen Blick von ihr zu erhalten.

Diese Neckerein konnte ich nicht lassen. Sie war viel zu süß, wenn sie mich mit ihrem Blick versuchte zu erdolchen. Aislinn probierte es weiter, doch das Motorrad hörte sich jedes Mal an, als würde es nicht genügend Benzin bekommen.

„Gib mal Gas!“, sagte ich und holte einen kleinen Schraubenzieher. Ich drehte die Schraube für das Standgas und stellte dieses ein. Kurz darauf sprang das Motorrad an und Aislinn setzte sich mit einem breiten Grinsen.

„Fahr an. Ich glaube, die Einstellung ist etwas zu aggressiv.“

Sie tat, was ich sagte und das Motorrad machte einen Satz nach vorn.

„Ja, nimm ein wenig Gas weg“, stimmte sie zu.

Wenige Minuten und ein wenig Fummelei später schnurrte das Motorrad und war optimal für Aislinn eingestellt.

„Wir müssen unbedingt zusammen die erste Fahrt machen“, meinte sie aufgeregt, ehe sie die Cross wieder abstellte und freudig vor mir hüpfte.

„Das machen wir auch, aber wir müssen vorher noch einiges erledigen“, sagte ich, weshalb sie ihre Schultern hängen ließ.

„Wenn du nicht viel benötigst, können wir auch mit den Motorrädern in die Stadt fahren.“

Sie strahlte sofort und schüttelte verneinend ihren Kopf, um sich gleich darauf ihren Helm zu schnappen und wieder auf das Motorrad zu steigen.

Ungeduldig rutschte sie auf der Sitzbank hin und her, was mich nur leise zum Lachen brachte. Ich holte schnell meinen Schlüssel, schloss alles ab und nahm meinen Helm. Aislinn wartete bereits vor der Garage auf mich, als auch ich mein Motorrad nahm und es startete.

„Na dann! Zuerst zu deiner Mom!“

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