Kapitel 52
Als ich aufwachte, schien bereits die Sonne durch das Fenster hindurch. Ich streckte mich einmal und die Bilder und Emotionen der letzten Nacht blitzten vor meinem inneren Auge auf, wodurch ich wie eine Irre zu Grinsen begann.
Jedoch verging dieses, als ich realisierte, dass ich allein in dem Bett war.
„So ein Arsch“, fluchte ich leise, als ich mich aus dem Bett erhob und feststellte, dass ich noch immer nackt war. Schnell griff ich mir die Sachen, welche Ceiron mir letzte Nacht gegeben hatte, um dann in das anliegende Badezimmer zu verschwinden.
Es war komplett dunkel gehalten, aber wirkte dennoch sehr einladend mit den ebenfalls schwarzen Badezimmerschränken. Einzig die keramischen Teile waren im üblichen weiß.
Mir fiel dann über dem Waschbecken auf der Ablage ein kleiner Zettel auf, welchen ich umgehend in meine Hand nahm.
»Falls du duschen möchtest«, stand auf diesen mit schöner Schrift. Erst da fiel mir auch das Shampoo und das Duschgel auf, welches ebenfalls auf der Ablage stand. Es war dasselbe, welches ich auch zu Hause benutzte, weshalb auf meinen Lippen ein Lächeln entstand.
Ich nahm beides in die Hand und ging dann unter die Dusche, wo ich mich sorgfältig wusch. Frisch geduscht, stellte ich fest, wie viel besser ich mich fühlte, ehe ich mich abtrocknete und die Sachen von Ceiron anzog.
Ohne Unterwäsche war es ein mehr als seltsames Gefühl, allerdings hatte ich keine andere Wahl.
Ich verließ das Badezimmer und ging die Treppe nach unten, wobei mir bereits die ungewöhnliche Stille auffiel. Sonst war immer etwas los und man konnte bereits am Morgen etliche Gespräche gehören.
Zögerlich ging ich in die Küche, wo ich auch Ceiron vorfand, wie er gerade eine Tasse mit Kaffee füllte.
„Guten Morgen“, begrüßte ich ihn schüchtern. Er drehte sich mit der Tasse zu mir herum und schenkte mir sein schönstes Lächeln, was meinem Herzen wie immer schwer zu schaffen machte.
„Hey“, flüsterte er, ehe er mir die Tasse reichte. „Hast du gut geschlafen?“
Sein Lächeln verzog sich zu einem schiefen, frechen Grinsen, welches mich sofort erröten ließ. Die Bilder der letzten Nacht schwirrten wieder in meinem Kopf und sorgten abermals für ein Kribbeln in meinem Bauch. Stumm nickte ich und schaute in den Kaffee meiner Tasse, aus Angst Ceiron könnte sonst erraten, woran ich dachte.
Ich spürte seinen Blick, wich diesen aber weiterhin aus, ehe ich einen Schluck von dem wohltuenden Kaffee trank.
„Warum ist es so still hier?“, fragte ich, da es mir sichtlich unangenehm war, wie ruhig alles war.
„Alle anderen sind auf einer Art Weiterbildung“, informierte mich Ceiron, weshalb ich meine Augenbrauen hob.
„Weiterbildung?“
„Rea übt mit ihnen das Kämpfen“, erklärte er weiter, jedoch glaubte ich ihm dies nicht ganz.
„Das hätten sie doch auch in unmittelbarer Nähe üben können.“
„Hätten sie, aber dann hätte ich nicht mit dir allein sein können“, hauchte er nah an meinem Ohr. Mein Körper wurde von einer Gänsehaut überzogen und ich musste scharf Luft holen, um nicht allein von seinen Worten zu stöhnen.
„Du isst jetzt aber erst einmal und dann habe ich eine Überraschung für dich“, sagte Ceiron und küsste meinen Haaransatz.
Ich schaute ihn überrascht an, aber freute mich ebenso auf die Überraschung, weshalb ich mich eilig an den gedeckten Tisch setzte.
„Ich bräuchte dringend Unterwäsche“, wisperte ich kleinlaut und bekam von Ceiron augenblicklich ein schiefes Grinsen.
„Klar, ich kann dir welche besorgen.“
„Ich könnte auch einfach nach Hause und mir Sachen holen. Du musst mir keine neuen kaufen“, meinte ich, während ich konzentriert auf das Brötchen und dem Messer vor mir schaute.
„Hatte ich nicht vor“, erwiderte er mit schief gelegten Kopf.
„Oh.“
„Also wenn du neue möchtest, kaufe ich dir welche. Aber ich wäre sonst einfach zu dem Haus deiner Mom gefahren und hätte dir deine Sachen geholt“, erläuterte Ceiron eilig, als er sah, wie geknickt ich schaute.
„I-ich kann das auch allein“, sagte ich hastig. Bei der Vorstellung, wie Ceiron meinen Schrank leer räumte und vielleicht noch meine Unterwäsche genaustens betrachtete, breitete sich ein mulmiges Gefühl in mir aus.
„Ich halte es für keine gute Idee, wenn du einfach da hinein stolzierst, nachdem sie dich bereits vermisst gemeldet hat“, meinte er nachdenklich.
„Sie ist nur meine Mom“, lachte ich, während ich mein Brötchen aß. „Sie ist zwar nicht die beste Mutter, aber auch kein Ungeheuer. Zudem bin ich 18 und kann selbst entscheiden, wo ich mich aufhalte.“
„Naja“, murmelte Ceiron und plötzlich fiel mir die Unterhaltung am Lagerfeuer wieder ein. Ian wollte etwas über meine Mom erzählen, wurde jedoch von Ceiron unterbrochen. Ich musste dieses Thema dringend noch einmal bei ihm ansprechen, denn ich war mir sicher, dass er ebenso mehr wusste, als er preisgab.
„Ansonsten fahren wir später gemeinsam“, schlug er dann einen Kompromiss vor, mit welchen ich mehr als zufrieden war. Ich aß in Ruhe auf und trank meinen Kaffee, wobei es zwischen Ceiron und mir eher still blieb. Die Stimmung war ziemlich bedrückend und ich war mir nicht sicher, ob es etwas mit dem gestrigen Abend zu tun hatte. Ich hoffte, dass er es ebenso schön fand, wie ich auch, aber vielleicht hätte ich etwas mehr tun sollen? Hätte ich ihn auch berühren sollen?
Bereute er es vielleicht?
„Fertig?“, fragte er, als ich nur noch traurig auf den leeren Teller starrte. Ich nickte und rang mir ein Lächeln ab, bevor wir beide aufstanden und Ceiron meine Hand in seine nahm.
„Dann kommen wir jetzt zu deiner Überraschung“, waren seine Worte, ehe wir von der Küche aus direkt in die Garage gingen.
„Ich habe heute früh das letzte Teil für das Motorrad besorgt. Heißt, wenn du Lust hast, können wir alles gemeinsam zusammenbauen“, teilte er mir mit, woraufhin ich ihn mit riesigen Augen ansah.
„Oh mein ... Ja! Unbedingt!“, presste ich aufgeregt hervor und sprang in seine Arme. Ceiron lachte herzlich über meine Reaktion. Er konnte sich nicht vorstellen, wie viel mir das bedeutete, aber ich war unendlich froh, dass er es mir ermöglichte.
„Gut, dann lass uns keine Zeit verlieren“, meinte er, als er mich wieder auf die Beine stellte und einmal enthusiastisch in die Hände klatschte.
„Aber der Rahmen ist noch immer verzogen“, stellte ich geknickt fest. Mit wenigen Schritten ging ich auf das Gestell meines Motorrades zu, zumindest von dem, was noch übrig war.
„Das ist das kleinste Übel.“
Ceiron schwang ein Bein über den Rahmen und hielt dieses mit seinen Oberschenkeln fest, ehe er einfach so und ohne große Anstrengung das Gestell verbog, sodass dieses wieder vollständig gerade war.
„Danke?“, hauchte ich, als ich dichter trat und verwundert den Rahmen ansah, welchen man den Aufprall mit dem Baum überhaupt nicht mehr ansah.
„Hör auf, Löcher in das Metall zu starren und hilf mir lieber“, stupste er mich an.
Wir waren daraufhin für einige Stunden beschäftigt und es machte unheimlich viel Spaß, mit Ceiron gemeinsam an dem Motorrad zu basteln, auch wenn er mich einige Male aufzog oder ärgerte.
„So, da haben wir das hübsche, neue Teil“, sagte Ceiron, als er mir einen kleinen braunen Karton reichte. Ich öffnete diesen umgehend und stellte mit einem Blick fest, dass es der neue Kolben war. Diesen montierte ich augenblicklich, während Ceiron sich um die Kabel der Bremse und der Elektronik kümmerte.
Ich bewunderte, mit welcher Ruhe er dies tat. Für mich waren die Fummelaufgaben nichts, da ich schnell die Geduld bei so etwas verlor.
„Darf ich dich etwas fragen?“, nahm ich meinen Mut zusammen. Die Sache mit meinem Dad und meiner Mom ließ mir einfach keine Ruhe. Nur die halbe Wahrheit zu kennen, war, als würde auch nur eine Hälfte von mir existieren. Ich fühlte mich unvollständig.
„Klar, aber erst, nachdem du mir die Ratsche und eine 8-er Nuss gegeben hast“, meinte Ceiron, welcher konzentriert vor dem Motorrad saß.
Ich ging zu der Werkzeugbank und nahm, was er benötigte, um ihn dieses dann zu reichen.
„Was meinte Ian gestern Abend an dem Lagerfeuer?“, fragte ich. Ceiron sah weiterhin fokussiert auf seine Hände und schenkte mir keinen Blick.
„Ich weiß nicht, worüber ihr geredet habt“, meinte er kühl, doch ich wusste, dass er mich belügt.
„Erzähl mir doch keinen Blödsinn!“, entfuhr es mir wütend. „Du warst in unmittelbarer Nähe und hast sicher alles gehört von der Unterhaltung und du weißt auch, was Ian gemeint hat!“
Ceiron seufzte, eher er aufstand und mit seiner Hand durch die schwarzen Haare fuhr.
„Du hättest das nicht auf diese Art und Weise erfahren sollen“, sagte er und schüttelte seinen Kopf. „Aber ich möchte dir auch nichts vorenthalten.“
Ich antwortete nicht, stattdessen schaute ich abwartend.
„Der Unfall, mit deinem Dad, war in dem Sinne kein Unfall. Die Bremsen an dem Motorrad wurde manipuliert, sodass er im Wald nicht bremsen konnte und die Kontrolle verlor“, erklärte er mir. Ich merkte bereits, wie mir Tränen in die Augen stiegen, bei dem Gedanken an meinem Dad. Er wäre noch am Leben und diese Tatsache schmerzte viel mehr.
„Du weißt bereits, dass er ein Wolf war, bevor er deine Mom kennengelernt hatte. Vor 2 Jahren gab es einen Aufstand mit dem schottischen Rudel und es starben viele Wölfe. Dein Dad wollte helfen und überlegte, dem Rudel ein letztes Mal beizutreten, doch deine Mom war ...“
Ceiron brach ab und ich sah ihn mit meinem verschwommenen Blick an, als ich bereits ahnte, was er mir erzählen wollte.
„Nein“, hauchte ich fast schon bittend.
„Sie hat das Motorrad manipuliert, sodass er nie bei uns ankam.“
Ich schluchzte laut auf und hielt mir mein schmerzendes Herz. Niemals im Leben hätte ich geglaubt, dass meine eigene Mutter zu so etwas fähig war.
„Jetzt ergibt alles einen Sinn“, stellte ich unter Tränen fest. „Sie hat nicht getrauert und absolut kein Mitleid mit mir gezeigt. Ich dachte, es wäre ihre Art damit umzugehen, dabei ist sie vermutlich sogar froh, dass er nicht mehr da ist!“
„Es tut mir leid, dass du es so erfahren musst“, meinte Ceiron leise, ehe er vorsichtig auf mich zuging.
„Er hat alles für sie aufgegeben! Und als Dank, schickt sie ihn ins Jenseits?“, wütete ich laut los. In mir war so viel Hass, gegenüber dieser Frau, die mir das Leben schenkte. Sie noch als meine Mutter zu bezeichnen, wäre falsch.
„Sie hat mir alles genommen, was mir wichtig war! Wie konnte sie das nur tun? Und mir dann noch die Schuld geben, dass ich ihr Leben schwer machen würde!“, redete ich mich immer weiter in Rage. Atemlos lief ich raus an die frische Luft, wo ich tief die kühle Luft in meinen Lungen aufnahm.
Ich wollte es einfach nicht glauben.
„Hat sie mich überhaupt jemals geliebt? Wer tut seiner eigenen Tochter so etwas an?“, schrie ich, als ich Ceiron hinter mir spürte.
„Ich muss sie zur Rede stellen!“, sagte ich fest entschlossen, ihr meine Meinung zu geigen. Wie von Sinnen lief ich auf das Motorrad von Ceiron zu, wurde jedoch von ihm am Arm gepackt.
„Du fährst jetzt ganz bestimmt nirgends hin! Du beruhigst dich erst einmal“, meinte er bestimmend. Wäre ich nicht so sehr in meiner Wut gefangen, hätte sein Ton mich vermutlich eingeschüchtert, doch ich sah nur noch rot.
„Du hast mir gar nichts zu sagen!“, schrie ich und entriss mich seinem Griff. Ich stieg auf das Motorrad und wollte es starten, als Ceiron sich jedoch davor stellte und den Lenker mit seinen Händen fest umschloss.
„Aislinn, steig bitte ab“, bat er vollkommen ruhig. Während in mir ein Sturm wütete, schien er absolut gelassen. Ich schüttelte meinen Kopf und startete die Cross, trotz Ceirons Bitte.
„Nimm deine Pfoten da weg!“, schrie ich ihn an, als Ceiron noch immer den Lenker festhielt. Er löste die Kupplung, ohne Gas zu geben, wodurch das Motorrad ausging.
„Ich verstehe, dass du wütend bist! Aber du beruhigst dich jetzt erst einmal und wir fahren nachher zusammen zu deiner Mom! Dann kannst du machen, was du willst. Ich werde dich unterstützen“, sagte er wieder, mit diesem Befehlston in der Stimme, welcher mich allerdings kaltließ. Ohne Mateverbindung hatte er keine Kontrolle über mein Handeln, geschweige denn über mich. Er konnte mich nicht unterwerfen.
„Geh mir endlich aus den Augen! Ich gehöre weder deinem Rudel an, noch bist du mein Mate! Du hast mir somit überhaupt nichts zu befehlen“, zischte ich wuterfüllt. Er sah mir tief in die Augen und ein gefährliches Knurren entkam seiner Brust, welches mich doch ängstlich zusammenzucken ließ.
„Du steigst jetzt ab und gehst ins Haus! Ansonsten bringe ich dich dazu“, knurrte er. Um seine Aussage zu unterstreichen, lehnte er das Motorrad leicht zur Seite, wodurch ich beinahe heruntergefallen wäre.
Ich rührte mich nicht, sah ihn nur herausfordert und mit über schränkten Armen an.
„Du willst es also auf die harte Tour?“
„Ich will, dass du mich in Ruhe lässt!“
Er ließ den Lenker los und ging den einen Schritt um das Motorrad herum, ehe er sich meinen Arm schnappte und diesen über seine Schulter warf, als wäre er aus Gummi.
„Okay, okay!“, schrie ich, als Ceiron mich schon fast von dem Motorrad gepflückt und über seine Schulter geworfen hatte.
„Ich kann allein gehen!“
Er sah mich wütend an und ließ mich dann aber los, damit ich absteigen konnte. Mit schnellen, wütenden Schritten ging ich auf das Haus zu.
„Eingebildeter Proll!“
„Ich kann dich hören!“, rief er mir hinterher und entlockte mir damit doch ein kleines Schmunzeln.
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