Kapitel 41

Eine Zeit lang war es still in dem Raum und jeder von uns schien in seinen Gedanken gefangen zu sein. Erst als Ceiron langsam aufstand, schaute ich zu ihm auf.

Er ging zu der Gitarre und nahm sich diese, um damit zurück zum Bett zu kommen. Ceiron ließ sich auf der Bettkante nieder und legte sein eines Bein angewinkelt auf die Matratze, um darauf die Gitarre abzulegen.

Mein Herz klopfte schnell bei dem Anblick, welchen Ceiron mir bot. Seine Finger strichen ganz langsam und behutsam über die Saiten, sodass leise und langsame Klänge entstanden.

„Ich hoffe, ich kann das noch“, murmelte er, ehe er auch seine zweite Hand richtig an den Griff und seine Finger auf die Saiten legte.

„Meine Mom hat mir damals immer dieses Lied vor dem Schlafen vorgespielt“, lächelte Ceiron, ehe der Raum von einer wunderschönen Melodie erfüllt wurde. Sie war ruhig und besänftigend und zärtlich zugleich.

Meine Augen ruhten fasziniert auf Ceiron, welcher konzentriert auf seine Finger schaute. Auf seinen Lippen entstand ein kleines Lächeln und es schien, als hätte er diese Leidenschaft, welche er vor langer Zeit verloren hatte, zurückgefunden zu haben.

Ich lauschte friedlich den sanften Tönen und merkte, wie mein Körper davon zur absoluten Ruhe fand.

Viel zu schnell schlug Ceiron den letzten Ton an und dieser klang langsam aus, ehe alles verstummte. Es entstand eine Stille, welche angenehm war, während ich meine Augen wieder behutsam öffnete.

„Das war wunderschön“, lächelte ich Ceiron aufrichtig an.

„Das ist so peinlich“, lachte er und stellte die Gitarre neben sich ab.

„Nein! Ich finde es faszinierend und du spielst wirklich gut“, widersprach ich ihm aufmunternd. „Außerdem hat man dir angesehen, dass es dir Freude bereitet.“

„Nicht so sehr, wie damals“, schüttelte er seinen Kopf. „Für sie habe ich es geliebt, weil sie es geliebt hat. Das Glänzen in ihren Augen war immer das Schönste am Spielen.“

Ein letztes Mal schüttelte er seinen Kopf, als wollte er die Erinnerungen damit aus seinen Gedanken verjagen, ehe er eilig aufstand.

„Das ist so schnulzig“, verdrehte er seine Augen und stellte die Gitarre wieder an ihren Platz in der hintersten Ecke.

„Finde ich nicht“, meinte ich und legte mich gemütlich auf die Seite, um dann einmal ausgiebig zu gähnen. „Es zeigt nur, wie sehr du deine Mom geliebt hast und Liebe ist niemals peinlich oder zeugt von Schwäche.“

Er kam zu mir an das Bett und hauchte mir einen Kuss auf meine Stirn. Ich konnte nicht verhindern, dass meine Lippen sich zu einem Lächeln verzogen.

„Du wirst eine wundervolle Luna“, flüsterte er, bevor er sich wieder aufrichtete. „Aber jetzt wird geschlafen.“

Ich nickte nur schwach und gähnte nochmals, wobei mir meine Müdigkeit auch mehr als deutlich wurde. Dass Ceiron mich anscheinend allein ließ, störte mich, aber ich traute mich nicht etwas zu sagen. Immerhin wollte ich auch nicht zu anhänglich oder nervig rüberkommen.

Allzu lange konnte ich mir darüber auch keine Gedanken machen, da ich schnell zurück in einen tiefen, aber zum Glück traumlosen Schlaf glitt.

***

Als ich erneut aufwachte, schien bereits die Sonne durch die riesige Glasfront. Zumindest die wenigen Strahlen, die es durch das dicke Walddickicht schafften. Von Ceiron war erneut keine Spur, obwohl ich wusste, dass er auch hier geschlafen hatte. Ich bekam es nämlich mit, wie er leise ins Zimmer schlich und sich behutsam neben mich legte.

Seine Lippen berührten meinen Arm und zum ersten Mal empfand ich wieder diese bekannte und angenehme Wärme in meinem Körper. Obwohl er gefühlte Meter von mir entfernt lag, spürte ich seine Anwesenheit und auch die Hitze, welche sein Körper abgab.

Niedergeschlagen, dass er schon wieder weg war, stand ich auf und hörte trotz meiner Menschenohren von unten bereits lautes Stimmengewirr.

Mit tapsigen Schritten ging ich mit meinen nackten Füßen die Treppe aus Marmor herunter und je dichter ich die Küche kam, umso lauter wurden die Stimmen. Ebenso hörte ich mit jedem Schritt mehr Stimmen, was mich schüchtern um die letzte Ecke biegen ließ.

„Guten Morgen, Aislinn“, strahlte mich Rea sofort freudig an, was ich nur halbherzig erwiderte. Viel zu viele Wölfe befanden sich an der riesigen Frühstückstafel, welche reichlich gedeckt war. Von Cornflakes aller Art, Brot und Belägen, bis hin zu Obst war alles auf diesem Tisch angerichtet. Und die Wölfe fielen über das Essen her, wie die wilden Tiere, was mich dann doch zum Schmunzeln brachte.

Enya war ebenfalls mit an dem Tisch, jedoch schaute sie energisch weg, woraufhin ich mich demonstrativ neben sie setzte.

„Morgen“, begrüßte ich alle in der Runde und bekam von Rea sofort eine heiße Tasse Kaffee gereicht.

„Hast du gut geschlafen?“, informierte er sich bei mir. Ich schaute wieder befangen in die Runde. Es war seltsam, dass so viele mithörten, jedoch schienen sie entweder höflich wegzuschauen, oder es interessierte sie absolut nicht.

„Ja, danke und du?“, erwiderte ich höflich.

„Auch ganz gut.“

„Weißt du, wo Ceiron ist?“

„Ist er nicht oben?“, fragte Rea und schien darüber wirklich überrascht zu sein, was in meinem Magen direkt für ein ungutes Gefühl sorgte. Ich schüttelte mit dem Kopf und bemerkte dabei den Blick von Enya, welchen sie mir von der Seite aus zuwarf.

„Weißt du etwas?“, fragte ich auch sie. Sie schaute mich mit großen Augen an, als wäre sie überrascht, dass ich mein Wort an sie richtete. Sie verhielt sich absolut komisch.

„N-nein“, stotterte sie.

„Können wir nachher reden?“, fragte ich sie, da mich diese Situation zwischen uns beiden wirklich nervte. Ihr Blick wanderte für eine Millisekunde zu Rea, als hätte sie nun, wo der Alpha nicht da war, den Beta um Erlaubnis gebeten.

Hatte sie keine eigene Meinung mehr?

Sie nickte nur stumm, ehe sie sich noch eine Banane nahm und ganz plötzlich verschwand, als könnte sie meine Anwesenheit nicht ertragen.

„Rea, hast du eine Ahnung, wo ich Ceiron dann finden kann?“

„Ich wüsste nur den Wald oder eben im Rudeldorf“, erwiderte er, als er seine Schüssel, wie auch bei dem letzten Mal, mit allen Sorten Cornflakes mischte.

„Aber Aislinn, ich kann es dir nicht erlauben, allein in den Wald zu gehen“, meinte er dann noch streng, als säße ich meiner Mutter gegenüber.

Ich lachte unerwartet laut auf und hielt mir schnell meine Hand vor den Mund. Doch konnte ich meine Belustigung über diese Absurdität nicht verstecken.

„Du weißt, dass mich das nicht interessiert“, zuckte ich mit den Schultern und stand ebenfalls auf. „Und wenn du mich aufhalten willst, nur gewaltsam.“

Ich zischte ihm die Worte entgegen, als ich mich zu ihm herüber lehnte und konnte leichte Wut in seinen Augen aufblitzen sehen, weil er ebenso wusste, wie ich, dass es für ihn unmöglich war, mich gegen meinen Willen hier festzuhalten.

„Ciao, Ciao“, zwinkerte ich und verließ eilig die Küche, um wieder nach oben zu sprinten und mich umzuziehen und meine Haare notgedrungen mit meinen Fingern zu kämmen.

Eine Zahnbürste fand ich eingepackt noch im Waschschrank, weshalb ich mir auch noch meine Zähne putzte. Im Spiegel betrachtete ich mich selbst und seufzte frustriert.

Warum Ceiron dennoch an mir festhielt, verstand ich nicht. Ich hatte schlimme Augenringe und mein Gesicht sah aus, als wäre es von all dem Stress und dem Schmerz nur so in sich eingefallen. Meine blauen Augen sprühten ebenso wenig kein Funken Leben aus. Sie wirkten kalt und kraftlos, so wie ich mich auch fühlte.

Mein Blick wanderte meinen Körper entlang und selbst diesem war es anzusehen, wie gebrochen ich war. Von mir war nichts mehr übrig, außer Knochen und Haut.

Also, was sah Ceiron in mir?

Mit einem letzten Kopfschütteln, ging ich wieder nach unten und schlüpfte in meine Sneaker, aber nicht ohne nochmals auf Rea zu treffen, der mich mit einem bösen Blick musterte.

„Warum könnt ihr Mädels nicht einfach mal das tun, was man euch sagt? Ceiron wird sicherlich bald zurück sein, also wieso, möchtest du dich solchen Gefahren aussetzen? Du bist doch nicht so dumm.“

Wahrscheinlich hatte Rea recht damit, dass es dumm und naiv war, aber ich hatte das Gefühl Ceiron lief nicht ohne Grund einfach davon. Wenn ich ihn hätte helfen können, dann wollte ich auch für ihn da sein, so wie er für mich da war.

Warum verschwand er einfach, wenn er nicht vor etwas oder jemanden davonlief?

„Sorry, aber es geht nicht anders“, sagte ich und öffnete dann die Tür, um nach draußen zu treten.

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