Kapitel 26
Mein Verstand konnte einfach nicht glauben, was meine Ohren hörten. Doch als ich Ceiron einen letzten flehenden Blick zuwarf, in der Hoffnung er würde es einfach wieder zurücknehmen, ging er weiter die Treppe nach oben.
Allein von all den Wölfen umzingelt, welche mich anstarrten, schaute ich Ceiron traurig und perplex hinterher.
Wie konnte er nach alldem, was vor wenigen Stunden war, nun wieder so abweisend und kalt zu mir sein?
"Ich bekomme bald einen Herzkasper", säuselte Rea, als er sich von der Stelle löste.
"Habt ihr alle nichts zu tun?", schrie er in die Runde, woraufhin alle wild im Haus herumwuselten, wie die Ameisen. Einer der Jungs rempelte mich mit der Schulter an, woraufhin er sich flüchtig entschuldigte und mit gesenkten Kopf an mir vorbeiging.
Nur wenige Augenblicke später stand ich mit Rea allein im Wohnzimmer. Dieser schien alles andere als erfreut über diese Tatsache und er machte sich nicht einmal die Mühe seine Verärgerung zu verstecken.
"Ach scheiße! Dann soll er doch zusehen", fluchte Rea und ging in die Küche, um sich aus dem Kühlschrank ein Bier zu nehmen.
"Ich ... Soll ich sonst mal mit ihm reden?", stammelte ich unsicher. "Wenn wir allein sind, ist er ganz anders."
Ich wusste nicht, woran es lag, aber wessen ich mir absolut sicher war, war, dass Ceiron, wenn wir allein waren, mir gegenüber nicht mehr so sein würde.
Trotz dessen, dass ich sauer war, wollte ich helfen, denn ich konnte nicht einfach tatenlos zusehen, wie all die Wölfe so verzweifelt ihren Alpha hinterher winselten. Ceiron gegenüber empfand ich nur noch Wut. Was er tat, betraf schon lange nicht mehr nur mich!
Er ließ sein Rudel im Stich, nur weil sein Stolz ihm im Weg stand.
"Ich kann ihn verstehen. Das tue ich wirklich, weil es eine echt beschissene Situation ist, aber uns läuft die Zeit davon", sprach Rea in Rätseln. "Wenn Lillith nun auch den Kristall für Feuer oder Wasser in ihre Finger bekommt ... glaube mir, dann endet es nicht mehr so glimpflich."
Sagte er glimpflich?
Auf dem Schrottplatz war ein riesiges Loch und der Wald war auch noch immer verwüstet. Ceiron war verletzt und wer wusste schon, was die Verrückte sonst noch anstellen würde?
"Sag mir, was ich tun kann", forderte ich, da ich sah, wie verzweifelt Rea wirkte. Und er hatte recht. Wir mussten es verhindern, dass die übrigen Kristalle nicht in falsche Hände geraten würden.
Rea fuhr sich mit seiner Hand frustriert über das Gesicht, ehe er kaum merklich den Kopf schüttelte.
"Ich bringe dich nach Hause", seufzte er und stellte das Bier weg, welches er zwar geöffnet, aber noch nicht getrunken hatte. Ich wollte gerade protestieren, da er nahm er mich aber am Arm und zog mich bereits aus dem Haus.
"Lass mich los!", befahl ich barsch, als ich ihm meinen Arm entriss. Was sollte der Mist? Dachte er, ich könnte nicht allein gehen?
"Steig ein", sagte er, woraufhin ich meinen Mund öffnete. Jedoch drückte Rea mir eilig die Hand auf den Mund, weshalb ich ihn nun vollkommen verwirrt ansah. Er nahm seine Hand weg und hielt sich seinen Zeigefinger an die Lippen, um mir zu signalisieren, dass ich keinen Mucks von mir geben soll.
Drehte er inzwischen komplett durch?
Dennoch sagte ich nichts und stieg in das Auto, mit welchen wir auch hergekommen waren. Rea startete den Motor und fuhr den Plattenweg entlang, wobei ich mich nicht traute etwas zu sagen. Erst als wir den Wald verließen und ich die Laternen der Stadt sah, sagte Rea etwas.
"Tut mir leid, aber er hätte uns sonst gehört."
Ich sah ihn einfach nur entgeistert an und fragte mich, wie um alles in der Welt, Ceiron uns vor dem Haus hätte reden hören können.
"Wölfe haben ein ausgesprochen gutes Gehör", beantwortete Rea meine stumme Frage, woraufhin ich nur kurz nickte.
"Worüber wolltest du denn reden, was Ceiron nicht hören sollte?", fragte ich neugierig. Rea parkte das Auto neben dem Haus meiner Mutter und drehte sich zu mir herum. Es war fast komplett dunkel, einzig die kleine Laterne auf der anderen Straßenseite gab ein wenig Licht in den Innern des Autos.
Rea antwortete nicht, stattdessen schaute er mich an, was die Stimmung in diesem Wagen fast unerträglich machte.
"Er wird mich umbringen", säuselte er, ehe er plötzlich meine Wangen mit seinen Händen umschließt und seine Lippen hart auf meine treffen. Schockiert darüber riss ich meine Augen auf.
Was zur Hölle passierte hier gerade?
Rea bewegte seine Lippen an meine, ließ seine Zunge über meine Lippen gleiten und löste sich, als ich keine Anstalten machte den Kuss zu erwidern.
"Was soll der Scheiß?", rief ich empört, ehe ich mit meiner Hand über meinen Mund strich.
"Das wirst du sicherlich bald erfahren", meinte er nur, als er sich zu mir lehnte und ich direkt auswich, aus Angst, er würde es nochmals tun. Jedoch öffnete er nur meine Tür und signalisierte mir, dass ich aussteigen sollte.
Sein Verhalten war absolut inakzeptabel, weshalb ich ihm auch nur einen bösen Blick zuwarf.
"Willst du Ceiron eins auswischen?", fragte ich, da es für mich das naheliegendste war.
"Ich öffne ihm nur die Augen", zuckte er mit den Schultern und schien das Ganze als ein dummes Spiel zu sehen.
"Das wird er dir aber nicht glauben! Und ich streite alles ab", sagte ich hartnäckig. Was dachte er sich? Er konnte mich doch nicht einfach überfallen und dann behaupten, dass was zwischen uns wäre!
"Er wird es auch so wissen", meinte Rea nur trocken, ehe er auch noch meinen Gurt löste und mich nochmals ohne Worte darauf, hinwies das Auto zu verlassen.
"Du bist wirklich unterste Schublade", zischte ich sauer, als ich aus dem Auto sprang.
"Du kannst mir später danken", erwiderte er, ehe er die Tür zuhaute und einfach davonfuhr.
Als ob ich ihm diesen scheiß, jemals danken würde!
Ich hoffte, Ceiron würde ihn dafür den Kopf abreißen!
Wütend über diese dumme Aktion von Rea ging ich in das Haus, wo meine Mutter allerdings keine Notiz von mir nahm. Ich ging an ihr vorbei, direkt in mein Zimmer, um mich, mit den Tränen kämpfend, in das Kissen sinken zu lassen.
Warum hatten es alle auf mich abgesehen?
Ceiron schien einen mordsmäßigen Spaß dabei zu haben, meine Gefühle zu verletzen. Er schmiedete sicherlich schon den nächsten Plan, wie er mich innerlich weiter zerbrechen konnte.
Und Rea war der einzige, dem ich vertraute. Zumindest tat ich es bis zu dem Zeitpunkt, wo er mich für seine Zwecke ausnutzte.
Sauer über diese Erkenntnisse liefen mir meine Tränen doch über die Wangen. Ich wollte doch nicht sehnlicher, als einfach meinen Frieden finden und glücklich werden.
War dies etwa zu viel verlangt?
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