Kapitel 20

„Hast du einen totalen Schaden?", schrie ich, während ich mir an mein rasendes Herz fasste.

Ceiron stand gegenüber von meinem Bett an der Wand gelehnt, mit verschränkten Armen.

„Tut mir leid, ich wollte dich nicht erschrecken", flüsterte er, ehe er sich von der Wand abstieß und vorsichtig auf mich zukam.

„Hattest du einen Albtraum?", fragte er, während ich ihn einfach nur perplex ansah. Sein Blick schweifte über meinen Körper und erst da bemerkte ich, dass ich nur ein knappes T-Shirt anhatte. Schnell griff ich meine Decke und zog mir diese über meine nackten Beine.

„Was. Tust. Du. Hier?", fragte ich leise, aber so langsam, dass es hoffentlich in seinem winzigen Wolfshirn ankam.

Was dachte er sich denn dabei? Einfach in mein Zimmer einzudringen und mich beim Schlafen zu beobachten?

„Ich musste einfach nach dir sehen", erklärte er, wobei es für mich keinerlei Erklärung war, sondern nur noch mehr Fragen aufkommen ließ.

„Und da denkst du, du könntest einfach so hier stehen und mich begutachten, wie ein dummes Fossil im Museum?", fragte ich vollkommen außer mir. „Wie bist du überhaupt hier hereingekommen?"

„Du solltest nicht mit offenen Fenster schlafen", maßregelte er mich, was mich nur noch wütender machte. Ich wollte gerade etwas erwidern, da bewegte Ceiron sich jedoch so schnell durch den Raum, dass ich ihn nur verwundert ansah.

„Leg dich hin!", herrschte Ceiron mich an, weshalb ich tat, was er verlangte.

Ich hörte Geräusche, welche vermutlich aus dem Wohnzimmer kamen, ehe die Tür aufging, hinter der Ceiron stand.

„Liebes, mit wem redest du?", fragte meine Mom, die nur in einem Nachtkleid im Türrahmen stand.

„Ich habe nur schlecht geträumt", murmelte ich leise und hoffte, sie würde nicht noch zu meinem Bett kommen. Jedoch tat sie genau das, um sich dann auf meine Bettkante zu setzen und mich besorgt zu mustern.

Mit rasendem Herzen schaute ich zu der Tür, wo Ceiron stand, jedoch war dieser dort nicht mehr.

Hatte ich mir das alles nur eingebildet?

„Möchtest du mir von dem Traum erzählen?", fragte meine Mom und strich mir eine Strähne hinter das Ohr. Noch immer durcheinander schüttelte ich nur meinen Kopf.

„Okay, wenn was ist, komme einfach zu mir", sagte sie, ehe sie mir einen Kuss auf die Stirn gab, mich wie ein Kleinkind zudeckte und dann mein Zimmer wieder verließ.

Eilig sprang ich aus dem Bett und lief mit leisen Schritten zu meinem Fenster, um neugierig aus diesem zu schauen. Allerdings konnte ich nichts sehen, außer Dunkelheit.

„Suchst du was?", hörte ich Ceiron leise fragen, weshalb ich mich erschrocken zu ihm herumdrehte.

„Hast du noch alle Latten am Zaun?", fragte ich, da er mir zum zweiten Mal einen halben Herzinfarkt in kürzester Zeit verschaffte. Er antwortete nicht, stattdessen legte er seinen Zeigefinger an meinem Mund, um mir zu signalisieren, dass ich leise sein soll. Meinen Lippen durchfuhr ein angenehmes Kribbeln und das, obwohl ich sauer auf ihn war.

„Okay, die Luft ist rein", flüsterte er, nachdem er angestrengt lauschte und seinen Finger von meinen Lippen nahm, aber nicht ohne einmal zärtlich über meine Unterlippe zu streifen.

„Bist du high?", fragte ich, ehe ich an ihm vorbeiging und mich wieder auf mein Bett setzte. Ich verschränkte meine Beine und zog mir wieder die Decke darüber.

„Schön wärs", murmelte Ceiron. Er ging zu dem Fenster, wo er sich gegen das Fensterbrett lehnte und seine Arme vor der Brust verschränkte. Seine Augen ruhten seelenruhig auf meinem Gesicht und ich stellte mir abermals die Frage, was er hier wollte.

„Kannst du mir jetzt bitte mal verraten, warum du wirklich hier bist?", fragte ich daher.

„Weil ich deine Angst gespürt habe. Erzählst du mir von dem Traum?"

„Was meinst du damit, du hast meine Angst gespürt?", harkte ich misstrauisch nach.

„Ich fühle die Dinge, die du fühlst. Erzählst du mir nun von dem Traum?", verlangte er noch ein Mal. Ich sah ihn allerdings nur perplex an und verstand überhaupt nichts mehr.

„Du bekommst deine Antworten, wenn du mir von dem Traum erzählst", meinte er.

„Das ist Erpressung", motzte ich beleidigt, da er mir tierisch auf die Nerven ging. Was juckte es ihn überhaupt, was ich geträumt hatte?

Als ich nichts erwiderte, löste Ceiron sich und wollte bereits wieder aus dem Fenster klettern.

„Warte", sagte ich eilig und versöhnlicher. Er drehte sich zu mir herum und schaute mich abwartend an, weshalb ich ihm dann von meinem Traum erzählte. Es war mir unangenehm, ihm zu zeigen, wie schwach ich war.

„Du brauchst keine Angst vor Lillith haben", versicherte Ceiron mir, als er langsam auf mich zukam und sich vorsichtig zu mir auf das Bett setzte.

„Ich hatte auch keine Angst vor ihr", erklärte ich mit gesenktem Blick. Als ich aufsah, hatte Ceiron seinen Kopf schief gelegt und schaute mich wieder nur abwartend an, weshalb ich ergänzend hinzufügte: „Ich hatte Angst vor dir."

„Vor mir?", harkte er mit gehobenen Augenbrauen nach.

„Ja. Du bist für mich das reinste Rätsel. Ich weiß nicht, was ich fühlen soll oder was ich von dir halten soll. Du bist mal nett und ich glaube dir vertrauen zu können, aber im nächsten Moment bist du eiskalt zu mir und verletzt mich", erklärte ich. „Ich habe Angst vor dir, weil ich Angst habe, du könntest mich noch mehr verletzen."

Den Rest flüsterte ich nur noch und ich merkte, wie mir die Tränen aufstiegen, weshalb ich eilig nach unten sah und verlegen mit dem Saum der Decke spielte. Ich spürte seine warme Hand unter meinem Kinn, während er behutsam meinen Kopf hob, damit ich ihn ansah. Sein Duft benebelte all meine Sinne und ich fragte mich, ob er in dem Moment dasselbe fühlte, wie ich.

Geborgenheit.

„Es ist nie meine Absicht, dich zu verletzen", sagt Ceiron leise, während seine dunklen Augen auf mir lagen und die Stelle, wo seine Finger meine Haut berühren, anfing zu prickeln.

„Und dennoch tust du es immer wieder", flüsterte ich, während die erste Träne meine Wange herunterlief. Ich konnte die Traurigkeit fühlen, welche meine Seele benetzte, weshalb ich meinen Kopf zur Seite neigte. Ceiron ließ mein Kinn daraufhin frei und sah mich nur bestürzt an.

Die Stille in dem Raum war unerträglich und doch sagte keiner von uns etwas. Mein Herz schlug kräftig in meiner Brust und ich konnte das Rauschen meines Blutes spüren.

„Was fühlst du gerade?", riss mich Ceiron aus meinen Gedanken.

„W-was?", stotterte ich, da ich die Frage nicht verstand.

„Was empfindest du jetzt gerade?", wiederholte er. Jedoch sah ich ihn weiter nur perplex an. Ceiron hob seine Hand leicht und ich beobachtete ihn dabei, wie er meine behutsam nahm und diese zu sich an den Körper zog.

Er legte meine Hand auf seine Brust und ich konnte seinen Herzschlag an meiner Handfläche spüren. Mein Körper durchzog eine angenehme Wärme und ich beobachtete ihn dabei, wie er die Augen schloss.

„Ceiron", flüsterte ich und verstand noch immer nicht, was genau er mir damit mitteilen wollte.

„Du wolltest eine Antwort", erklärte er. Ich musste ganz tief in meinem Gedächtnis kramen, um zu verstehen, was er damit meinte. All meine Sinne waren nur noch darauf aus, ihn zu spüren.

„Also was fühlst du?", fragte er noch mal, weshalb nun auch ich meine Augen schloss und tief in mich ging. Meine Hand ruhte noch immer auf seiner Brust und er hielt diese mit seiner fest.

„Wärme und Geborgenheit", flüsterte ich und kehrte noch tiefer in mein Inneres.

„Zuneigung und Hingabe", kam es leise von ihm, weshalb ich nickte, denn auch dies fühlte ich.

Ich fühlte mich von der Welt losgelöst, als wäre ich komplett frei.

„Sicherheit und Hoffnung", zählte ich weiter meine Gefühle auf. Ceiron's Daumen strich zärtlich über meine Fingerknöchel, wodurch mich wieder ein sanftes Kribbeln durchzog.

„Verlangen", rutschte es mir heraus, ehe ich hätte darüber nachdenken können. Ich schlug meine Augen auf und schaute in die von Ceiron, welche mich anscheinend die ganze Zeit gemustert hatten. Ich spürte, wie mir das Blut in die Wangen schoss und war froh, dass mein Zimmer dunkel war und er es somit nicht sehen konnte.

„Und jetzt Scham", flüsterte er, wobei ich sein Grinsen heraushörte und ich mein Blut noch schneller in meinen Kopf steigen spürte. Ich entzog ihm eilig meine Hand und strich mit dem Daumen über die Innenfläche, welche von seiner Wärme pochte.

„All die Empfindungen verspüre auch ich", sagte er leise. „Alles, was du fühlst, fühle ich und andersherum, wobei es bei dir nicht allzu ausgeprägt ist. Aber wenn du, so wie eben, in dich hineinfühlst, dann spürst du, wie es mir geht."

„Warum?", hauchte ich, als Ceiron's Gesicht nur noch wenige Zentimeter von meinem entfernt war.

„Wegen des Mateband", klärte er mich auf. Mir blieb von seiner Nähe und all diesen positiven Emotionen die Luft weg. Es war, als hätte es den Hass zwischen uns und meine Wut auf ihn nie gegeben. Ich schloss meine Augen in der Erwartung er würde mich küssen, allerdings blieb dies aus. 

Als ich meine Augen wieder öffnete, war Ceiron nicht mehr vor mir auf meinem Bett, weshalb ich mich schnell umsah. 

„Aber du bist nur ein Mensch", hörte ich ihn sagen. Ich konnte ihn nicht sehen, weshalb ich vorsichtig aufstand und durch die Dunkelheit meines Zimmers ging. „Du wärst mir nur eine Last."

Ich schloss meine Augen und folgte seiner Stimme, bis ich bei ihm ankam und meine Hand auf seine Brust legte. Mich durchzog Wut und in dem Moment begriff ich, dass es seine war und nicht meine. Ich nahm meine Hand schnell weg, als hätte ich mich an ihm verbrannt, als ich plötzlich wieder seine Berührung an meinem Kinn bemerkte. 

„Ich werde dennoch immer in deiner Nähe sein", hauchte er mir leise in das Ohr. Ich spürte seine warmen, weichen Lippen an meiner Wange, ehe er so plötzlich verschwand und ich einzig mit meinem rasenden Herzen zurückblieb. 

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