Kapitel 15

Einfach alles war verwüstet, weshalb die Einwohner der Stadt auch bereits seit Tagen versuchten die Schäden des Sturmes zu beseitigen.

Auch ich half meiner Mom dabei unser Haus und Garten wieder herzurichten. Unser Dach hatte einige Löcher und auch ein Fenster ging zu bruch, aber im Großen und Ganzen kamen wir relativ glimpflich davon, wenn ich daran dachte, wie der Wald aussah.

Dass dieses Unwetter irgendeinem Stein zu verdanken war, interessierte mich im wesentlichen überhaupt nicht mehr und auch was dort im Wald abging, war für mich zur Nebensache geworden. Stattdessen half ich fleißig bei dem Wiederaufbau der Stadt und hoffte einfach, dass sich alles zum besseren wenden würde.

Was auch immer die ganzen Jungs und Mädchen in dem Wald waren  sie wussten anscheinend, was zu tun war. Also wollte ich sie dabei auch nicht weiter stören, denn so wie Ceiron schon sagte: Er schaffte das auch alleine!

Ich war gerade in der Stadt und wollte für meiner Mom den Einkauf erledigen, als mir an einem Schaufenster ein Zettel auffiel.

"VERKAUFE HUSQVARNA! 450ccm"

Ich schaute mir den Zettel genauer an und sah auf dem kleinen Bild ein wirklich schönes Motorrad, welches in mir sofort die Sehnsucht weckte wieder ein eigenes zu besitzen.

"Hast du Interesse?", fragte mich auf einmal jemand, weshalb ich erschrocken herumwirbelte und den Sohn von der Bäckerei gegenüber erkannte. Er hatte noch immer blonde, etwas längere Haare und trug immer ein Cap auf seinen Blondschof. Sein Name war mir leider entfallen, aber es spielte auch überhaupt keine Rolle.

"Ist das deins?", stellte ich eine Gegenfrage und bekam von ihm ein stolzes Nicken. Seine Lippen verzogen sich zu einem Schmunzeln und ich erkannte zwei niedliche Grübchen auf seinen Wangen.

"Ist echt hübsch, aber ich kann mir das zur Zeit nicht leisten", sagte ich wahrheitsgemäß, wobei ich natürlich das Motorrad meinte. Allerdings wusste ich, selbst wenn ich es mir hätte leisten können, hätte ich es mir nicht gekauft. Irgendwie würde mir das ein schlechtes Gewissen geben das alte Motorrad meines Dad's einfach so auszutauschen.

"Ich bin mir sicher, wir können einen guten Deal machen. Willst du es sonst mal sehen?", fragte er und schlug mich tatsächlich weich, so dass meine Neugier wieder gewann.

"Du bist mit deinem Dad früher immer gefahren, richtig?", fragte er, als wir gemeinsam die enge Straße entlang gingen zu seinem Zuhause.

"Ja, bis vor kurzem bin ich auch noch mit seiner KTM gefahren", erzählte ich niedergeschlagen. Dieser Verlust schmerzte mich noch immer.

"Ist echt scheiße jemanden zu verlieren", stimmte er mir leise zu und ich fühlte mich auf Anhieb auf einer Wellenlänge mit ihm.

Fionn! Richtig! Aber alle nannten ihn nur Finn... er bekam den Namen, weil er so helle, blonde Haare hatte. Denn Fionn bedeutete auf irisch "der Blondschopf".

"Du hast deine Mom vor einigen Jahren verloren, richtig?", fragte ich, denn ich erinnerte mich daran, wie sie uns als Kinder immer frische Brötchen schenkte, wenn wir an der kleinen Bäckerei vorbeikamen. Sie war eine herzensgute Frau und ich konnte erahnen, wie schlecht es Finn mit diesem Verlust erging. Sie starb an den Folgen einer schweren Krankheit, was nicht weniger schlimm ist, als jemanden durch einen Unfall zu verlieren.

"Ja, aber weißt du das Leben muss weitergehen", sagte er und lächelte mich wieder mit seinen Grübchen an, was auch mich unwillkürlich zum Lächeln brachte.

Finn blieb vor einer Garage stehen und öffnete diese, ehe wir beide hinein gingen und ich die schwarz/gelbe Husqvarna betrachtete.

"Das wäre die Gute", sagte er und strich mit seiner Hand einmal darüber. "Ich fahre eigentlich nicht mehr und es wäre zu schade sie hier so verlassen stehen zu lassen."

Er sprach über das Motorrad als wäre es seine Freundin, was ich auf eine Art gruselig fand, aber widerrum auch lustig.

"Ist wirklich hübsch", erwiderte ich, ehe ich etwas dichter heran ging und mir das Motorrad genauer ansah. Es schien absolut keine Mängel zu haben und wirkte auch auf den zweiten Blick sehr gepflegt.

"Aber ich kann mir das dennoch nicht leisten."

"Verstehe schon. Der Sturm hat nicht nur Löcher in unsere Dächer gefegt, sondern auch in die Portemonnaies, aber wir könnten auch eine Ratenzahlung vereinbaren", schlug er vor.

Es klang wirklich verlockend, aber konnte ich das Motorrad in meiner Garage einfach so austauschen?

"Finn das ist wirklich nett, aber vielleicht werde ich das Motorrad meines Dad's irgendwann reparieren", gab ich ihm zu verstehen, weshalb er nickte. Er schien über etwas nachzudenken und als ich mein Blick nochmal über das Motorrad schweifen ließ, kam er plötzlich etwas näher.

Mein Blick fiel auf seine muskulösen Arme und ich erkannte die Adern, welche unter seiner Haut entlang verliefen.

"Wir könnten uns aber auch anders einig werden", sprach er leise, aber dennoch in einem Ton, welchen man nicht falsch deuten konnte.

"Oh Gott, nein, aber trotzdem danke für das Angebot!", lachte ich, da es für mich überhaupt nicht zur Diskussion stand mich in irgendeiner Weise zu verkaufen, wegen einem Motorrad, dass ich wahrscheinlich sowieso nie gefahren wäre.

Der Klang meines Lachens erschreckte mich beinahe und als ich sah, dass Finn es wohl gar nicht spaßig meinte, verstummte mein Lachen.

"Das war kein Angebot", sagte Finn ausdruckslos, ehe er noch dichter kam und ich seinen Atem auf meiner Haut spüren konnte.

Mein Herzschlag verschnellerte sich und ich wusste nicht, wie ich Fionn einschätzen sollte. Ich belächelte sein Verhalten und ging einige Schritte zurück. Für mich war er noch immer der nette Junge von nebenan, aber irgendwas reizte mich auch an ihm, doch diesen Gedanken verwarf ich sofort.

"Ich habe wirklich kein Interesse. Weder an dir, noch an dem Motorrad", versuchte ich ihm nochmals freundlich zu verstehen zu geben.

"Doch ich denke genau das hast du", sagte er und sah mich mit seinen grünen Augen eindringlich an. Ich wollte meinen Blick abwenden, aber irgendwas hinderte mich. So oft habe ich mich in letzter Zeit schlecht gefühlt wegen einer gewissen Person. Konnte jemand anderes meine Dämonen verjagen und mich wieder ein Gefühl von Glück empfinden lassen?

Ich sah, wie seine Augen kurz zu meinen Lippen schweiften und verspürte den Drang es mir selbst zu beweisen. Ich war nicht das gebrochene Mädchen!

"Ich würde mich aber niemals für ein Motorrad verkaufen", sagte ich leise, wobei es mehr ein Flüstern war. Ich spürte die sanften Fingerspitzen von Finn, welche meine Wange und meinem Unterkiefer umschlossen, als er nur noch wenige Millimeter von meinem Gesicht entfernt war.

Die Luft um uns herum wurde gefühlt mit jeder Sekunde dünner und die Spannung stieg bis ins unermessliche. Ich wusste nicht, wo das auf einmal herkam, aber zum ersten Mal seit Wochen war Ceiron nicht mehr in meinem Kopf. Zum ersten Mal konnte ich ihn endlich vergessen.

"Unabhängig von dem Motorrad", hauchte er und legte seine Lippen sanft auf meine. Ich fühlte ein leichtes Kribbeln an meinem Mund, aber das war es auch schon. Es gab keine Glücksgefühle, keine Explosion und die Enttäuschung darüber, dass ich wohl nie glücklich werden würde, trieb mir die Tränen in die Augen.

"Aislinn?", wurden wir auf einmal unterbrochen und ich zuckte erschrocken zusammen, weshalb ich mich eilig von Finn löste. Ich war sogar froh, die Stimme meiner besten Freundin zu hören, wobei ich mir nicht mal ganz sicher war, ob sie denn noch meine beste Freundin war.

"Enya! Was machst du hier?", fragte ich überrascht und wirkte dabei leicht nervös, als hätte sie mich bei etwas verbotenem erwischt. Als hätte sie etwas gesehen, was sie nicht sehen sollte.

"Das selbe wollte ich dich gerade fragen", sagte sie misstrauisch und schaute zu Finn, welcher sich einige Schritte von mir entfernte.

"Wir haben uns nur über das Motorrad unterhalten", sagte ich und konnte das nervöse Beben in meiner Stimme nicht unterdrücken. Ich ging nach draußen zu Enya, welche vor der Garage stand und wollte sie am liebsten von hier wegziehen, allerdings blieb sie wie angewurzelt stehen.

"Mit seiner Zunge in deinem Mund?", fragte sie und hob dabei abwertend ihre Augenbraue.

"Wenigstens habe ich nicht zwei bissige Hunde auf mir drauf, während alle anderen im Glauben sind, dass ich tot wäre", giftete ich zischend zurück.

Sie wollte darauf etwas erwidern und hatte auch ihren Mund bereits geöffnet, als aus dem Wald ein lautes Heulen ertönte, welches nur so vor Verzweiflung schrie. Ich bildete mir ein den Schmerz herauszuhören, obwohl es ein Tier war und dieses vermutlich nur wegen einer kleinen Lapalie aufheulte.

"Was suchst du überhaupt hier? Musst du nicht im Wald bei den ganzen verrückten sein?", fragte ich und wusste nicht, warum ich plötzlich so wütend war.

War es weil sie den Kuss unterbrach, weil ich nichts außer Enttäuschung dabei empfand, oder weil ich nun wieder einen solch starken Drang verspürte ihn wiederzusehen?

Es war doch einfach nur zum verrückt werden!

"Wir müssen reden und zwar unter vier Augen", sagte Enya uns sah Finn dabei ernst an, welcher sich daraufhin rührte.

"Ich muss eh weitermachen. Melde dich einfach solltest du es dir nochmal überlegen", sagte er zwinkernd und ließ den Satz mehr als zweideutig klingen, ehe er dann die Garage schloss und Enya und mich stehen ließ.

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