3.
Oscar
„Komm doch mit. Gesellschaft wird dir gut tun und nahe dem Rennen auf jeden Fall. Carlos wird sich hier wohl auskennen",schaut Lando mich auffordernd an.
„Sowas besprecht ihr also im Cool-Down-Room?",kann ich mir den trockenen Kommentar nicht verkneifen, ehe ich mir meine letzten Tränen aus den Augenwinkeln wische.
Das Rennen hier in Spanien lief eher...passabel, so würde Caio es zumindest ausdrücken.
Lance hatte mich in der zweiten Runde abgeräumt und mein Rennen wurde im Kiesbett beendet.
Doof, aber immerhin bestand dadurch nicht länger die Gefahr, dass ich eigene Fahrfehler einbaue, die mir das Rennen kosten.
Im ersten freien Training habe ich den Boliden schon grandios in der Wand versenkt und das sollte mir ja gerade nicht passieren.
Wenn ich aber ehrlich bin, dann ist mein Kopf noch immer nicht komplett bei der Sache, sondern dreht sich noch immer um Robert.
Hat er wohl zugesehen?
Was macht er gerade?
Wo befindet er sich gerade?
Ist er noch in Italien, oder schon auf dem Weg nach Israel oder Russland?
Über das gesamte Wochenende schwirrten mir viel zu viele Fragen, die ich mir eigentlich nicht stellen sollte, durch den Kopf.
Im Auto habe ich es zu meinem Glück die meiste Zeit unter Kontrolle gehabt, jedoch ist all das, was ich sonst zurückgehalten habe, über mich hereingebrochen, als ich alleine in meinem Fahrerzimmer war.
Die Tränen liefen erneut.
Zuerst laut und gepaart mit Schluchzern, ab Mitte des Rennens jedoch nur noch stumm und seitdem das Rennen sein Ende gefunden hat, wurde auch die Intensität immer geringer.
Irgendwann muss dieser dummen Tränenspeicher sich doch auch mal geleert haben...
„Ja, genau das besprechen wir im Cool-Down-Room. Max, Carlos und ich sind sicher dabei und wir wollten noch ein paar andere Fahrer fragen und ich frag nun unteranderem dich. Des Weitern hast du auch keine Wahl, denn du kommst einfach mit. Gegessen hast du in den letzten Tagen auch nicht wirklich etwas Richtiges und du brauchst die Energie. Bitte, wenn du es selbst nicht willst, dann mache es wenigstens für mich."
Bittend, fast ein wenig verzweifelt mustert Lando mich.
Tief schlucke ich.
Recht hat er.
Wirklich etwas herunterbekommen habe ich nicht, denn mein Magen fühlt sich die ganze Zeit einfach nur flau an und meine Speiseröhre wie zugeschnürt.
Bei der Lust zu essen gar nicht angefangen.
„Und was ist, wenn sie mich auf das Thema Robert ansprechen? Lando, ich will beim besten Willen nicht im Restaurant los flennen. Die Artikel über den Flughafen waren schlimm genug",bringe ich ein durchaus gutes Argument.
„Alle wissen doch eh Bescheid. So doof wie es klingt, aber jeder hat die Artikel gelesen.",zuckt Lando mit den Schultern,"und ob du es nun glaubst oder nicht, sehr viele Leute machen sich Sorgen um dich."
„Sie machen sich nicht über mich lustig?",runzle ich die Stirn.
„Nein, wieso sollten sie auch? So eine Sache ist alles, aber nicht lustig. Jeder, der in so einer Situation schon einmal gewesen ist, kann das verstehen.",argumentiert Lando weiter,"also was ist, kommst du jetzt mit?"
Eine Stunde später befinde ich mich auch schon in einer großen Traube von Rennfahren, die zu einem spanischen Restaurant schlendert, welches Carlos für uns rausgesucht hat.
Außer Checo, Fernando, Kevin und Nico sind alle Fahrer des jetzigen Starterfeldes dabei, dazu noch Mick, Jack und Fred, die als Ersatzpiloten ebenfalls an der Strecke sind.
Im Moment Stecke ich zwischen meinen beiden Teamkollegen aus der Formel 3 damals, die so stark auf mich einreden, dass ich nicht einmal eine Minute Zeit dazu habe, über Robert nachzudenken.
Logan ist nun endlich auch ein wenig positiver gestimmt, seitdem das Auto ein wenig leichter zu handeln ist.
Auch Fred ist bester Laune, weshalb ich mich leicht von den beiden mitreißen lasse.
So ist es aber auch schon immer gewesen.
Wir als Trio waren echt immer eine andere Hausnummer.
„Ich hatte reserviert auf Sainz",meldet Carlos uns an, ehe wir durch das Restaurant geführt werden und uns an einem sehr lange Tisch wieder finden.
Sofort werde ich zwischen Fred und Logan in die weiche Bank an der Wand gedrängt.
Lando nimmt gegenüber von mir Platz.
„So haben dich alle gut im Blick",kommentiert die Stimme in meinem Kopf die ganze Sache.
Schnell schüttle ich diese weg, denn sie hat in den letzten paar Tagen schon oft genug mit mir kommuniziert und mich auch oft genug zum Weinen gebracht.
Nicht heute, und gerade nicht jetzt.
„Ist ja lustig. Carlos, hat du dich mit Pepe zusammen gesetzt?",lacht Max, als hinter uns lautes Stimmengewirr ertönt und im nächsten Moment ein riesengroßer Haufen an Formel 2 und Formel 3- Fahren eintritt und an den Tisch neben uns geführt wird.
„Eigentlich nicht, aber anscheinend gefällt es nicht nur mir hier gut",grinst Carlos, dreht sich zu seinem Landsmann um, wechselt ein paar Worte in deren Muttersprache mit ihm, ehe er sich wieder zu uns dreht.
„Ja, auch er hat es vorgeschlagen"
Lautes Gelächter bricht aus, in welches ich mehr oder weniger halbherzig mit einstimme.
So richtig in der Lage dazu fühle ich mich noch nicht.
Spätestens, als alle Getränke bestellt sind, gehen die Gespräche munter los.
Logan und Fred versuchen mich einzubinden, genau wie Lando, der mir nicht ganz so sanft einen Tritt gegen das Schienbein verpasst.
Unsicher hebe ich meinen Blick, der zuvor noch auf dem blubbernden Mineralwasser gelegen hat, und mustere zuerst Lando, dann allerdings eine andere Person, die mich aus hellen, besorgten Augen mustert, jedoch von mir ablässt, als sie meinen Blick bemerk.
Sofort fühle ich mich Unwohl.
Die starren mich doch eh alle nur an.
Zum Glück kommt unser Essen, in meinem Fall ein Salat, dann auch ganz schnell.
Unter Logan's und Landos mahnendem Blick würge ich auch die ersten Blätter herunter, lege nach der Hälfte mein Besteckt kurz zur Seite.
„Oscar",macht auch Fred schon seinen Mund auf, Doch ich unterbreche ihn schnell;"Es ist ja lieb und nett und so, dass ihr euch um mich sorgt, aber ich bin erwachsen und kann gut auf mich allein aufpassen. Ich habe einfach keinen Hunger mehr und ja, das mag an der Situation liegen, aber es ist schon mehr, als ich die letzten Tage gegessen habe, also würde ich es als Fortschritt betiteln"
Stille breitet sich aus und dieses Mal liegen alle Augen auf mir.
„Tut mir leid, wenn das gerade fies war",entschuldige ich mich dann noch schnell, doch Fred winkt genauso schnell ab.
„Alles gut, ich kann auch verstehen, dass du es nicht magst, wenn alle Augen auf dir liegen, gerade in so einer Situation nicht, aber wir machen uns auch nur Sorgen um dich."
„Ich weiß, aber ich...Ich stecke nun einmal in der Situation, in der ich stecke und bin kein kleines Kind oder ein Pflegefall, auf den man die ganze Zeit aufpassen muss. Trotzdem danke, dass du für mich da sein willst".
Ein leichtes Lächeln schiebt sich auf meine Lippen.
„Gern, wenn du was brauchst, dann melde dich bitte",flüstert Fred mir noch zu.
Stumm nicke ich, ehe Fred seinen Arm um meine Schultern legt und mich kurz an sich drückt.
Meine Worte haben Wirkung gezeigt, denn keine mitleidigen Blicke treffen mich mehr und ich kann mich normal mit den anderen unterhalten.
Schön war es, jedoch atme ich auch erleichtert aus, als wir das warme Restaurant endlich verlassen.
Dies gestaltet sich allerdings auch als ein wenig Chaotischer, denn die Junioren verlassen auch gerade in dem Moment das Restaurant.
„Hat noch wer Lust, mit in einen Club zu gehen?",ruft Dino plötzlich in die Runde.
Die meisten der Junioren ist natürlich sofort dabei, doch von uns Älteren gehen im Endeffekt nur Jack, Logan und Fred mit.
Nur zu gut, dass Lando nicht mitgeht, sonst wüsste ich auch, wo ich gelandet wäre.
Stumm richte ich meinen Blick auf die Straße, ehe ich in der Ferne das Flughafengebäude aufblitzen sehe.
Sofort steigen die Tränen wieder nach oben.
Wie soll das denn erst werden, wenn ich da wieder rein muss, um nach Spielberg zu kommen?
Werde ich auch sofort wieder weinen?
„Oscar"
Sanft zieht Lando mich an sich, während auch Daniel eine Hand auf meinen Rücken legt.
Aufgrund dieser Nähe und Fürsorge, kann ich die Tränen erst recht nicht mehr stoppen und lasse sie einfach laufen, bis Landos McLaren-Shirt durchgenässt sein müsste.
„Tut...tut mir leid.",entschuldige ich mich mit brüchiger Stimme.
„Alles okay. Weinen ist gut bei sowas und du bist ein guter Freund von mir. Wie du weißt, bin ich immer für dich da und das auch jetzt. Wie Fred auch schon gesagt hat: Du kannst dich immer melden. Du musst da nicht allein durch Oscar."
„Danke",nuschle ich leise und lasse meine Tränen verschwinden, sodass ich, als ich in den Spiegel im Hotelzimmer schaue, keine Tränenspuren mehr sehen kann.
Trotzdem sind meine blasse Haut und die dunklen Augenringe dich deutliche Indizien dafür, dass es mir nicht gut geht.
Ganz und gar nicht.
Aber das darf es auch.
Und wenn es einmal zu schlimm wird, dann habe ich ja immer noch Freunde, auf die ich bauen kann.
••••
Einen schönen Donnerstag wünsche ich euch 🩷
Oscar geht es noch immer schlecht...aber wer weiß, was die Zukunft bringen wird...
Ich hoffe, dass euch das Kapitel gefallen hat 🩷
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