12.


Luke

Am nächsten Morgen mache ich mich dann doch wirklich auf den Weg weg aus London, jedoch führt mich mein Weg nicht zurück nach Oxford, sondern nach Milton Keynes, wo meine besten Freunde aus dem Junioren-Paddock jetzt sein sollten.

Ich muss einfach mit Pepe und Sebas reden, denn es sind meine besten Freunde und außerdem waren sie maßgeblich daran beteiligt, dass ich mich überhaupt getraut habe, mit Nelly zu reden.

So verdankte ich ihnen im Endeffekt die Beziehung und sollte ihnen dann auch mitteilen, dass sie zu Ende gegangen ist.

Auch vor den beiden werde ich mich  outen, denn bei ihnen habe ich die Sicherheit, dass sie nicht wegrennen und mich allein lassen.
Dazu kommt, dass ich in Oscars Worten auch Kraft dazu gefunden habe.

So schlimm kann es also nicht werden.
„Hey",werde ich auch sofort, als ich aus dem Zug ausgestiegen bin, von den beiden empfangen.

„Also, wir wollen ja nicht unhöflich sein",beginnt Sebas direkt,"Aber wieso warst du in London?"
„Ja, es hat uns nur gewundert, weil du ja meintest, dass du wirklich direkt nach Hause willst und dort entspannen willst. Oder bist du seit Neustem umgezogen und hast uns nichts davon erzählt?",ergänzt Pepe den Jüngsten.

„Nein, es lief alles ein wenig anders, als ich es geplant hatte. Dazu kommen wir, wenn wir bei einem von euch sind. Es ist keine Sache, die ich so in der Öffentlichkeit erzählen sollte, denn es könnte schon Auswirkungen für mich haben, sollte eine falsche Person dies mitbekommen."

„Wow wow wow...Luke, was hast du getan?",schaut der Amerikaner mit kolumbianischen Wurzeln mich geschockt an.
„Gar nichts, echt nicht. Also nichts schlimmes. Zumindest ich nicht...ach, lasst es mich gleich am besten erklären, so verwirre ich euch nur"
„In der Tat. Wirklich schlau bin ich aus deinen Worten gerade nicht geworden" lacht Pepe auf, der sich nach vorne auf die Fahrerpostion schwingt, während mein ehemaliger Teamkollege und ich uns auf die Rückbank verkrümeln.

Während der Fahrt tauschen wir uns überwiegend über das vergangene Rennwochenende aus, sodass bei Meinhard keine negativen Gedanken an Nelly aufkommen können.
„So",fällt auch der Deckel der letzten Bierflasche auf den Wohnzimmertisch,"Was ist denn nun los, dass du so dringend mit uns reden wolltest?",fragt Sebas noch einmal neugierig nach.

Kurz nehme ich mir einen Moment, gehe in mich.
Okay Luke, es sind deine besten Freunde.
Wenn Oscar, der praktisch ein Fremder für dich ist, nicht böse war oder dich abstoßend fand, dann tun deine besten Freunde dies auch nicht.

„Also",beginne ich, die Bierflasche in meinen Händen zu drehen,"Als ich zurückgeflogen bin, bin ich zufällig neben Oscar im Flugzeug gelandet"
„Neben Oscar? Dem Oscar?",werden Pepes Augen ganz groß.
„Was ist denn nun so besonders an Oscar?",mustert Sebas den Spanier mit hochgezogenen Augenbrauen.
„Nur, weil du ihn gefühlt aus 2021 persönlich kennst",lässt der Formel-2 Pilot die Arme verschränkt für seine Brust senken.

Unterbrechend räuspere ich mich.
„Tut mir leid",murmelt Pepe,"Weiter geht's."

„Genau. Ihm ging es nicht so gut und da habe ich ihm mein offenes Ohr angeboten. Also hat er sich alles von der Seele geredet, was mich dazu animiert hat, dies auch zutun, denn es gibt da eine Sache, die ich schon eine ganz Weile allein mit mir ausgemacht habe.",fahre ich fort.

„Aber du hättest dich zu uns kommen können.",unterbricht Sebas mich dieses Mal, beginnt unter dem bösen Blick von Pepe allerdings wieder zu schweigen.
„Ich musst das erst mit mir allein ausmachen und mach dem Gespräch war es für mich eben klar, weshalb ich glücklich war. Sehr glücklich. Ich habe für mich selbst erkannt, dass ich bi bin und da die Last der Unwissenheit nun einmal weg war..."
Unsicher schaue ich zuerst nach links, dann nach rechts, sehe allerdings nur strahlende Gesichter.

Okay, sie rennen nicht weg.
Wie du es dir logisch erdacht hast.
Alles gut also.

„Ich habe mich dann auch vor Nelly geoutet. Sie meinte daraufhin, dass ich ekelhaft sei und ist abgehauen, hat die Beziehung beendet. Es hat mir in dem Moment den Boden unter den Füßen weggerissen und ich wusste nicht wohin mit mir. Ihr beide wart noch in Österreich, also ging das nicht. Die einzige Person, die ich in England wusste, war Oscar also bin ich nach London. Von wo ich gerade gekommen bin",fasse ich mich dann erst einmal so kurz, wie nur möglich.

„Luke...das tut uns wirklich leid",findet Sebas zuerst seine Worte wieder und zeiht mich fest in seine Arme.
Als Pepe seine Arme auch noch um mich schlingt, merke ich, wie die Tränen wieder aufsteigen.

Wie bei Oscar lasse ich sie einfach laufen, finde aber auch relativ schnell wieder zur Ruhe.
Vielleicht sind die meisten Tränen ja wirklich schon getrocknet.

„Hätten wir damals gewusst, dass sie so ist...",schluckt auch Pepe schwer.
„Hey, alles gut. Ihr konntet das nicht wissen, also sucht nicht die Schuld bei euch. Es ist jetzt nun einmal so, wie es ist",bin ich sonst verwundert, wie resigniert ich doch bin.

„Aber nur um das klarzustellen. Für uns bist du immer noch Luke. Daran hat sich nichts geändert.",werde ich vom beiden Seiten noch einmal fest gedrückt.

„Danke Leute",murmle ich leise.
„Wie wäre es....wenn wir hier schon Bier haben, dann können wir auch gleich ein wenig zocken, wie wärs?",schlägt Sebas vor.
„Wie sollen wir da bitte nein sagen?",lacht Pepe und läuft schon nach vorne, damit er Controller für uns holen kann.
Im Endeffekt ist es Mario Kart, denn das ist immer lustig und hebt die Stimmung ungemein.

Nachdem wir ein paar Runden gespielt haben, muss ich mich aber auch wieder auf den Weg nach Oxford machen, denn morgen müssen wir auch schon wieder nach Silverstone und meine Koffer dafür sind beim besten Willen noch nicht gepackt.

Also setze ich mich in den nächsten Bus, was überraschenderweise schneller geht als eine Zugfahrt und bin,ehe ich mich versehe, wieder zurück in Oxford.

Nun heißt es wieder zurück in die Wohnung...
Ein wenig mulmig ist mir aufgrund dessen doch, jedoch ist es gar nicht so schlimm, als ich in den Flur trete.
Nelly hatte ihren Schlüssel wohl auf die Anrichte gelegt, denn ich kann mich nicht daran erinnern, einen dorthin gelegt zu haben.

Dann war sie also schon hier...ist auch gut so, denn ich will ihr nicht unter die Augen treten.
Tief einatmend trete ich ins Schlafzimmer, packe meine Koffer aus Österreich aus, packe ihn dann direkt wieder ein.

Dabei fällt mir auf, dass ich noch immer Oscars Pulli trage.
Scheinbar habe ich ihn wieder angezogen, nachdem ich aufgestanden bin.

Oscar hat auch nichts gesagt, also sollte es genügen, wenn ihm diesen Morgen wieder gebe.
Der weiche Stoff fühlt sich aber auch unglaublich weich auf meiner Haut an und riecht wirklich...er riecht nach Oscar.

Für einen kurzen Moment atme ich den Duft ein und merke, wie ich mich ein wenig beruhige.
Das macht keinen Sinn.

Schnell schüttle ich den Kopf, ehe ich weiter einpacke und danach mir etwas zu essen mache.
Noch immer habe ich nicht wirklich Hunger, aber ein simpler Salat geht immer und passt auch in den Ernährungsplan, den ich in den letzten paar Stunden wirklich grandios missachtet habe.

Damals geht es, aufgrund dieser Tatsache, noch einmal Joggen, ehe ich mich nach einer schnellen Dusche aufs Sofa werfe.
In genau diesem Moment überrennt mich noch einmal alles, was passiert ist.
Tränen fließen erneut und frustriert schlage ich in eines der Sofakissen.

Wieso muss das alles so Scheiße wehtun?
Luke, beruhigen.
Tief ein und ausatmen.

Als ich mich einigermaßen wieder beruhigt habe, trete ich ins Schlafzimmer, wo ich erst einmal das Bett ab beziehe um Nelly endgültig aus diesem Zimmer, aus dieser Wohnung, ja aus diesem Leben zu streichen.

Vielleicht ist es auch gut so.
Vielleicht habe ich das gebraucht.

Meine Gedanken werden durch eine aufkommende Nachricht unterbrochen.

Hey Luke, ich wollte noch einmal fragen, ob es dir besser geht oder wie die Lage allgemein so ist?

Sofort merke ich, wie meine Wangen leicht rot werden.
Oscar denkt an mich.

Es fühlt sich gar nicht so schlimm an, wie ich gedacht habe. Das habe ich aber auch dir zu verdanken, also danke

Ach, das ist doch nicht der Rede wert. Ich habe dir gerne geholfen, wirklich. Und denke dran, melde dich, wenn was ist :)

Werde ich, danke dafür Oscar. Das geht für dich auch.

Damit ist das Gespräch auch schon so gut wie beendet und ich lege mein Handy beiseite.
Ich sollte jetzt wirklich schlafen.
Die letzten Tage war doch alles ein wenig viel und ich brauche die Ruhe für Silverstone.

Mein Heimrennen.
Sofort beginnt mein Herz aufgeregt zu klopfen.
Es ist einfach etwas anders, als bei den anderen Rennen.

Und wenn ich da nicht performe...oder mich nicht anstrenge...
Ich sollte mich da wirklich drauf fokussieren.

Das sind alle anderen Sachen erst einmal zweitrangig.
Das Rennen fahren ist das, was nun wichtig ist.

Schlafen.
Das sollte ich auch wirklich, denn eine Welle der Müdigkeit überrollt mich und schickt mich ins Land der Träume.

🩷

So, und jetzt wissen auch die besten Freunde Bescheid 🩷

Einen schönen Start in den Donnerstag wüsche ich euch und hoffe, dass es euch gefallen hat 🩷

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