Dein (stiller) Herzschlag

Jimin P.o.V

Ich rieb mir erneut über die müden Augen. Mein fiebriger Blick glitt trübe über den schmutzigen Tresen, welcher mich von den zahlreichen Kunden abgrenzte. Ich hatte tatsächlich heute noch gar nicht geschlafen. Gestern war ich bei Yoongi gewesen. Wegen dem Model-Shooting seines neuen Winter-Katalogs. Ich erinnerte mich eigentlich nur noch wage an alles was danach passiert war. Ich wusste jedoch ganz genau, dass mir Mr. Min einen Job angeboten hatte. Und ich wusste auch noch, dass ich daraufhin im Halbschlaf verneint hatte.
Ich würde gut über die Runden kommen, mit meinen zwei Jobs und sie wären eigentlich gar nicht so anstrengend, hatte ich gesagt. Das war jetzt einen Tag her. Meine Heizungen funktionierten immer noch nicht und ich hatte ungelogen eine halbe Stunde geschlafen. In 24 Stunden. 

Mein Leben war die pure Hölle.

Erneut spielte ich mit der schwarzen Karte in meiner Hand. Mittlerweile kannte ich die darauf abgedruckten Nummern auswendig. Ich seufzte tief und schloss für einen kurzen Moment meine müden Augenlider. "Drei Tequila-Shots", schnauzte ein älterer, dicker Herr unfreundlich und schmiss mir die Bezahlung auf den Tresen. Ich nickte, verkrampft lächelnd, und  griff zittrig nach dem Geld. Fast verschwammen die verschiedenen Geldmünzen vor meinen müden Augen, doch ich bekam genug Hirnzellen angeschaltet, um die Bezahlung nachzurechnen. "Sir, es fehlen 700 Won", stellte ich murmelnd fest und nahm einen kräftigen Schluck des Energy-Drinks in meiner wackelnden Hand. Eigentlich durfte ich während meiner Arbeit nicht Trinken und Essen, doch entweder das, oder ich würde schlafend umfallen.

"Wie es fehlen 700 Won?", knurrte der wütende Mann und fixierte mich aus tiefliegenden blauen Augen. Energielos deutete ich hinter mich, auf die große Tafel auf welcher die verschiedenen Preise standen. "Ein Shot kostet 9000 Won. Sie haben drei bestellt und mir nur 26300 Won gegeben..." "Denkst du etwa, du kannst mich verarschen, Kleiner?!", schreiend stand der Mann auf und lehnte sich über den Tresen. Die drei meiner noch nicht eingeschlafenen Hirnzellen schienen die eindeutige Warnung anscheinend nicht zu verstehen. "Nein, Sir. Ich weiße sie nur daraufhin, dass-", eine dicke Faust umschloss den Kragen meines letzten sauberen Shirts. Sein purpurrotes Gesicht, welches sich meinem gefährlich näherte schien auf einmal doch mein Hirn aufzuwecken. 

"I-Ich meine... Ähm... Natürlich nicht, das ist wohl mein Fehler, Sir! E-Entschuldigen sie!", stotterte ich panisch und zappelte wild um mich aus seinen dicken Wurstfingern zu befreien. Einige Kunden hatten sich um den Mann versammelt und sahen gespannt zu uns. Anscheinend schien jedoch niemand von ihnen nüchtern genug, um die Polizei zu verständigen, oder mir zu helfen. "Das will ich auch hoffen. Jetzt gib mir Entschädigung." Verwirrt und ein wenig -na gut, ziemlich viel- ängstlich legte ich den Kopf schief. "W-Was meinen sie? Was für Entschädigung?" Der Mann umgriff mein Shirt noch ein wenig fester und zog mich näher zu sich. "Du hast meinen Tequila umgestoßen!", raunte er zähnefletschend. Verwundert blickte ich auf die Bar, dort standen unversehrt die drei Gläser. "Was..."

Das erste Glas voller Alkohol wurde mir über dem Kopf ausgeleert. Ich schnappte entsetzt nach Luft, als mir der brennende Gestank die Kehle zuschnürte und meine Augen zu tränen anfingen. Das nächste Glas schmiss er mir ins Gesicht. Ich spürte, wie das Glas hart gegen meine Zähne schlug und meine Lippe aufriss, der Alkohol gelangte in meine Luftröhre und ich hustete verzweifelt. Schreiend wand ich mich in dem festen Griff, spürte wie mein Shirt dabei anfing zu reißen. Ich verschluckte mich, würgte, hustete und weinte vor Erschöpfung und purem Entsetzen. Natürlich war es nicht das erste Mal, dass ich während meinem Job körperlich belästigt wurde, doch es war das erste mal, dass jemand so vehement an mir festhielt.

Tränen rannen meine benetzten Wangen hinab, mischten sich mit dem beißenden Alkohol, mit dem Blut meiner aufgeplatzten Lippe und tropften auf die Hände, des Mannes, welcher mich immer noch fest umklammert hielt. Ich wartete darauf, dass das letzte Glas seinen Weg zu mir fand.

"Wenn sie mich kurz entschuldigen würden, ich übernehme ab jetzt", knurrte jemand. Ich wimmerte leise und hielt die Augen fest zusammen gekniffen. Die Stimme kam mir merkwürdig vertraut vor. Zögerlich öffnete ich eines meiner geschwollenen Augen. Dort stand ein finster rein blickender Taehyung. "Und was willst du Zwerg gegen mich ausrich...", mein Peiniger ließ abrupt von mir los, als Taehyungs Faust blitzschnell gegen seinen Kiefer knallte. Irritiert blickte ich hoch, als ich erneut auf dem Boden landete, wegen dem plötzlichen loslassen. Der Rothaarige schien kurz tief einzuatmen ehe er sich wieder an mich wandte. Ich glaubte etwas rotes in seinen Augen funkeln zu sehen, doch alsbald ich mich näher darauf konzentrierte, war es verschwunden.

Der Junge lächelte und streckte helfend die schmale Hand über den Tresen. Zitternd ergriff ich die schlanken Finger und ließ mich von ihm hochziehen. Dabei fiel mir auf, wie eiskalt die Haut meines Gegenübers war. "Also, wie ich sehe, könnten sie Hilfe gebrauchen?", er lächelte immer noch, doch ich sah ein gefährliches Glitzern in seinen Augen. Ich rieb mir mit dem Shirt soviel Alkohol wie möglich aus meinem schmerzenden Gesicht, wobei mir auffiel, dass meine Kleidung während dem Fall gerissen war und nun etwas nutzlos an meinem viel zu mageren Oberkörper herunter baumelte. Toll. Das war eines meiner letzten sauberen Shirts. Ich nickte sanft. "Na dann, Mr. Min hat mich geschickt, ich solle ihnen erneut das Angebot einer Arbeitsstelle bei uns anbieten, wir haben eure Nummer nicht und da mein Chef sie letztens schon hier hinaus lassen musste", ich erinnerte mich daran, wie Yoongi mich hergefahren hatte. Ich war eine Stunde zu früh hier gewesen, doch ich wollte einfach nicht, dass er meine Wohnung sah. "Also, kam ich hierher! Im richtigen Moment, wie ich sehe...", sein Blick glitt angeekelt über die ohnmächtige Person am Boden.

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"Es dauert nicht lange, wenn überhaupt sind es nur 10 Minuten", breit lächelnd stieg Taehyung in seinen Wagen und deutete mir, in den Beifahrersitz zu steigen.
Kaum war er losgefahren, schien jedoch alle Farbe aus seinem Gesicht zu weichen. Sein Blick streifte meinen und erneut dachte ich etwas rotes flimmern gesehen zu haben. Andererseits war ich so müde und geschockt, das konnte auch bloß Einbildung sein. "Sie... Sie bluten", presste der Rothaarige zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor und richtete den Blick schon fast zwanghaft auf die Straße vor uns. "Oh...", erstaunt fuhr ich über mein Gesicht und zischte leise, als ich über die Wunde an meiner Lippe fuhr. "Ja..."

"Tut mir leid, ich habe eine starke Phobie gegen Blut!", erklärte Taehyung gepresst, als seine Knöchel weiß hervortraten, weil er das Steuer so fest umklammerte. "Entschuldigung...", murmelte ich leise, als wäre es meine Schuld, dass meine Lippe blutete. "Ist doch nicht ihre Schuld", er lächelte zwanghaft, wand den Blick jedoch keine Sekunde von der Straße. Er schien schon fast innerlich zu sterben, als wir vor einem großen Haus stehen blieben. Mein Blick fiel zu Taehyungs Armbanduhr. 4 Uhr am Morgen. Waren sie etwa extra wegen mir aufgeblieben?

"So, hier wären wir, das ist Mr. Mins Haus!", erklärte der blasse Mann und sprang schon fast panisch aus dem Auto. Ich folgte etwas zögernd. Warum hatte er mich nicht im Büro rausgelassen? "Die Firma hat gerade geschlossen, deshalb bat mich Mr. Min, sie hier rauszulassen." Mir klappte der Mund auf. Das Haus war riesengroß, ich konnte von außen drei verschiedene Stöcke ausmachen, ein großer Garten ummantelte alles und gab dem Haus einen gewissen alten Touch. 

Es war wunderschön.

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Nervös von einem Bein auf das andere tretend stand ich vor Yoongis Haustür. Taehyung war wieder verschwunden, mit der Ausrede, er hätte noch etwas wichtiges zu erledigen. Ich hatte eher das Gefühl, er wollte so schnell von mir weg, wie irgend möglich. Ich hatte bereits geklingelt, doch Yoongi war immer noch nicht erschienen. Gerade wollte ich erneut anklopfen, als die Tür abrupt aufging. Vor mir stand Min Yoongi.
Ziemlich nass und ziemlich nackt.

Seine Hüfte wurde von einem weißen Tuch bedeckt, doch der perfekte, muskulöse Oberkörper war mehr als frei. Mein Blick klebte praktisch an der sich sanft hebenden Brust. Kleine Wassertropfen perlten von seinem Oberkörper und verschwanden unter dem flauschigen Tuch. 

"Jimin! Ich habe bereits auf sie gewartet. Taehyung brauchte etwas länger, als ich dachte, um sie holen zu...", er stockte. Seine Nasenflügel bebten, während er mich auf einmal hinein zog. Hektisch schloss er die Tür hinter sich. "Sie bluten! Was ist passiert?", er führte mich in einen großen offenen Raum, welcher anscheinend das Wohnzimmer war. Besorgt hielten seine elektrisierenden , kalten Finger meinen Arm fest. Seine Augen glitten über mein beschmutztes Gesicht. "Ich...", ohne Vorwarnung traten auf einmal Tränen in meine Augen und ich schluchzte trocken. Yoongi riss panisch die Augen auf und zog mich an seinen muskulösen Körper. "Ganz ruhig, Jimin", er strich mir besänftigend durchs Haar. "Erzählen sie alles von Anfang an!"

Ich nickte leicht, lehnte mich dabei näher an den kalten Körper meines Gegenübers. War er etwa kalt duschen? Oder wie war es sonst möglich, dass er so eisig war? Seine langen Finger massierten sanft meine Kopfhaut und die andere Hand umschlang beschützend meine Taille. Mir stockte der Atem, als mir bewusst wurde, wie nahe wir uns waren. Würde ich jetzt hochsehen, könnte ich ihn küssen... Ich schüttelte den Kopf über diese Gedanken und schmiegte mich unauffällig näher. "Da war dieser Mann in der Bar... Er hat nicht genug bezahlt und als ich ihm das sagte... Ist er etwas ausgeflippt", murmelte ich erschöpft. Der Schock saß mir immer noch tief in den Knochen, doch langsam nahm die Müdigkeit wieder Oberhand.

Yoongi nickte verstehend, presste mich dabei noch etwas fester gegen seine nackte Gestalt. Ich seufzte leise und schloss kurz die Augen, als das weiche Sofa unter uns mich nahe zu zum einschlafen zwang. Yoongi schnupperte erneut etwas und hob mein Kinn leicht, sodass ich ihn ansehen konnte. Er inspizierte genauestens meine Wunde und schluckte einmal kräftig. "Dein Blut ist ziemlich hell...", stellte er überrascht fest, wobei mir auffiel, dass er mich angefangen hatte zu duzen. Ich nickte, bereits halb eingeschlafen. "Ja, es ist ein seltener Gendefekt...", murmelte ich schläfrig und ließ mich ganz in die beschützende Umarmung gleiten, "Mein Blut hat viel zu viele weiße Blutkörperchen. Die verhindern das ich schnell krank werde", erklärte ich und gähnte laut.

"Tatsächlich?", Yoongi klang ein wenig überrascht und sogar etwas nervös. Ich brummte zustimmend. Ich kuschelte meine Wange fester gegen seine Brust und zog die Beine an. Langsam driftete ich ab. Das letzte was ich mitbekam, war komische Stille. Erst als ich bereits halb am träumen war, realisierte ich, was an der Stille nicht stimmte. 

Ich hörte Yoongis Herz nicht pochen.

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Bitte sehr, ein neues Kapitel! Ich hoffe es hat euch gefallen und noch viel Spaß! Bis dann, eure M&M's ;)

1754 Wörter




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