5. 2.


Unentschlossen werfe ich ihr einen Blick zu und sie nickt wie aufs Stichwort. „Es stimmt. Er kann ganz anders sein. Ihr seid euch nur auf dem falschen Fuß begegnet. Und er schuldet mir was."

Bevor ich antworten konnte, erscheint plötzlich unsere Schwester Katie mit ihrem echten Verlobten, die auf uns zu hasten. Dahinter entdeckt ich einen gut aussehenden blonden Typen, der sich ebenfalls unserem Tisch nähert, den ich aber nicht kenne. Langsam wird es richtig voll hier. Katie ringt nach Atem, sobald sie bei uns angekommen ist. „Tut mir leid, dass wir zu spät sind. Draußen haben wir Dad und Mum getroffen. Sie sind die Mäntel aufhängen. Haben wir etwas verpasst?"

Ich antworte mit „Nein", Cam mit „Und ob", während sich Caiden vorstellt und anschließend meint: „Nur ein wenig Spaß. Da kommt aber sicherlich noch mehr bei dieser lustigen Runde."

„Wie nett", freut sich Katie und scheint gefallen an Caidens plötzlich schleimiger Art zu finden. „Sie gehören zu wem? Cam oder Ilvie?"

Cam deutet mit dem Daumen auf mich. „Wir sind befreundet, aber er ist ihr Verlobter."

Ich verziehe das Gesicht, das Caiden mit einem feixenden Kopfschütteln abtut. Wie sich das schon anhört. Sein übertrieben freundliches Lächeln, das er meiner älteren Schwester schenkte, tut sein Übriges.

Katie merkt von der Anspannung nichts und fragt Cam munter weiter. „Wie aufregend. Und von wo kennt ihr euch?"

„Von der Arbeit", antwortet Caiden und ich spitze die Ohren. Von der Arbeit? Bevor ich nachhaken kann, mischt sich Cam ein. „Also von einem Benefizkonzert, wisst ihr. Er war damals ein Sponsor und seitdem halten wir Kontakt."

Aha, das klingt ja überhaupt nicht verdächtig. Die beiden wechseln einen Blick. Irgendetwas verschweigt mir meine jüngere Schwester, aber im Moment ist keine Zeit dem näher nachzugehen.

„Oh, ein Sponsor, ist ja interessant", murmelt Katie und ich kann nicht dahin bei dem Wort Sponsor zu grinsen. Vermutlich von Sex Toys oder Gleitgel. Das würde zu dem Kerl passen. Caiden antwortet etwas, das ich nicht verstehe, dann fragt Katie auch schon weiter: „Und wo ist dein quasi Verlobter, Cam?"

Bei dessen Erwähnung sehe ich zu Cam, die jetzt ähnlich wie ich zuvor das Gesicht verkneif, als hätte nun sie in eine Zitrone gebissen. Willkommen im Club. „Er müsste jeden Moment hier sein."

Da fällt mir der blonde Typ von vorhin ein, der punktgenau hinter uns erscheint und den Mund aufmacht. „Hi, bin da. Ich wollte das Gespräch nicht unterbrechen. Ich bin Logan. Sorry für die Verspätung. Mein Motorrad hat gestreikt und ich musste ein Taxi nehmen."

Bei genauerer Betrachtung wirkt sein leicht gewelltes Haar etwas heller, wie von der Sonne gebleicht und scheint ihm womöglich bis zum Kinn zu reichen. Was schwer zu sagen ist, da er es zusammengebunden trägt. Gepaart mit dem kurzen Dreitagebart, dem kantigen Kiefer und den blitzenden blauen Augen wirkt er beinahe wie der junge Brad Pitt aus „Legenden der Leidenschaft". Ich kenne Cams geheime Vorliebe für seine Filme, aber ich hätte nie gedacht, dass sie ein beinahe Brad Pitt Double engagieren würde. Ich muss zwei Mal hinsehen, um sicher zu gehen, dass es nicht der Schauspieler oder ein jüngerer Verwandter ist. Nach den ausgefüllten Klamotten zu schließen, hat er nicht nur das Gesicht, sondern auch den ähnlichen muskulösen Körperbau. Interessant. Und ich dachte, nur mein Vater würde heute überrascht werden.

Anders als ich, hat Cam kein Problem, einen Mann für diese Schauspielerei vor meinen Eltern anzuheuern. Mein Blick fällt auf mein Blind Wedding Date Caiden. Er sieht so verboten attraktiv aus, mir wird davon beinahe übel, ähnlich wie bei Zucker. In Maßen ist es okay, aber zu viel davon kann einem rasch den Magen verderben. Caiden ist genauso. Ein Zuckerüberschuss, der näher herangerückt ist und mir soeben ein umwerfendes Lächeln mit Zwinkern schenkt, was andere Frauen wohl zum Hyperventilieren bringt. Bei mir hat es eine gegenteilige Wirkung. Ich täusche ein Würgen vor und greife mir übertrieben an den Hals, das nur er bemerkt. Sofort bereute ich meine Entscheidung mit dem unbezahlten Date. Vielleicht hätte ich, statt auf einen Freundschaftsdienst zu bauen, genauso einen Typen für die Scharade bezahlen sollen. Dann würde alles professionell abgelaufen. Der Blick in Caidens verschmitzt, dunkelbraun funkelnden Augen zeigt keinen Funken Professionalität. Diese Augen verheißen vieles: sexy Bettgeflüster, Welten verändernde Küsse, heiße Nächte – für mich jedoch vor allem Probleme. Ich seufze tief und widerstehe dem Drang, meine Hände zu kneten.

Nachdem sich alle untereinander vorgestellt haben, blickt Katie zwischen Caiden und Logan hin und her, dann wendet sie sich verwirrt an uns. „Wolltet ihr nicht normale Jungs nehmen? Unauffällige? Wo habt ihr denn diese Männer her – aus einem Modelkatalog?"

„Sag ich doch", werfe ich schnell ein, ganz der Meinung meiner älteren Schwester. Sofort seufzt Cam und wirft sichtlich frustriert die Arme in die Luft. „Nicht das schon wieder."

Ich wittert meine Chance und prompt zähle ich alle Punkte auf, warum das nicht funktionieren wird. Ganz bestimmt nicht mit diesen Männern. Wir müssen oder zumindest ich muss einen anderen Mann finden, sonst kann ich diese Nummer nie im Leben durchziehen. Wir stehen alle drei zusammen und diskutieren über die für und wieder. Dabei konzentriere ich mich vor allem auf Cam, die so stur wie ich ist. Beide geben wir keinen Zentimeter nach. Da kommt wohl unser italienisches Blut zum Vorschein. Plötzlich zieht mich jemand an seine Seite. Ein starker, wohlig warmer Männerkörper presst sich an mich und ein herb männlicher Geruch, gemischt mit einem kühlen After Shave, erobert meine Nase. Hm, lecker. Für eine Sekunde bin ich von dem angenehmen Körperkontakt und dem unwiderstehlichen Duft wie benebelt. Doch statt an Caidens Hals zu lecken, wie mir diese irrwitzige Idee für eine Millisekunde durch den Kopf schisst, will ich ihn zur Seite schieben und zur Rede stellen. Das hat er geahnt. Denn er fängt geschickt meinen Ellbogen ein und zieht mich sogar noch näher an sich heran. Als nächstes spüre ich seine Lippen an meiner Wange, was meinen Herzschlag beschleunigt. In diesem Griff gefangen kann ich nichts tun, als tief einzuatmen. Natürlich nur, um Luft zu holen, um ihm anschließend den Kopf zu waschen, und nicht, um seinen Duft noch tiefer zu inhalieren. Warum muss ein Typ, der so gut aussieht, auch noch so gut riechen? Das Leben ist nicht gerecht.

Das ganze dauert vielleicht vier Sekunden, bevor ich wieder zu mir komme und ich mich daran erinnere, dass eine gespielte Verlobung mit diesem Kerl ein Unding ist. Dabei werde ich auf lange Sicht bestimmt einen Schlaganfall bekommen, oder zumindest einen kleinen Hirnschaden.

Dennoch hat mein hormongesteuerter Körper eine ganz andere Meinung zu der Nähe dieses Mannes. Aufgeregt kribbelt mein Magen und eine Gänsehaut wandert über meine nackten Arme bis zu meinem Nacken hinauf. Na toll, und das ganze nur, weil er mich an seine Seite gezogen hat. Das ist schon fast traurig. Mitten in meine Gedanken, fragt Caiden plötzlich mit besorgter Stimme. „Ist dir kalt? Du hast eine Gänsehaut. Warte..."

In nächsten Moment legt er mir sein Jackett um die Schultern und zieht mich in seinem noch intensiveren Duft gehüllt an sich heran. Ich fühle mich gefangen wie ein verschrecktes Rehkitz, gleichzeitig sicher und geborgen, was ich normalerweise nie verspüre, geschweige denn zulasse. Man kann sich nur auf sich selbst verlassen, auf niemanden sonst. Das ist mir oft genug bewiesen worden. Die Erinnerungen an Dr. Arschloch und an das musikalische Arschloch, das mich vor Jahren beschämt hat, kommen in mir hoch. Dennoch vermisse ich menschliche Nähe. Vor allem die Wärme eines männlichen Körpers an der Seite. Wie im Moment. Kopfschüttelnd verscheuche ich diese Gedanken. Dann räuspere ich mich und schlucke den überraschten Kloß in meinem Hals hinunter. „Danke."

„Gern geschehen."

„Du kannst mich jetzt loslassen."

„Geht nicht." Erneut streichen bei den Worten seine festen Lippen über mein Ohrläppchen, was einen weiteren Schauer im Nacken auslöst. Seine Stimme ist ein leises, tiefes Murmeln. „Dein Dad kommt. Auf vier Uhr."

Schlagartig werde ich wieder klar im Kopf und spanne mich an. Nervös hebe ich den Blick und ignoriere die Frage, was gleich passieren wird. Denn jetzt gibt es keine Ausflüchte mehr. Mein Dad ist da und nun muss ich dieses Ding durchziehen. Ich kann Dad schwer erklären, dass dieser Mann an meine gesamte Seite gepresst niemand besonderes ist und ihm später einen anderen Typen als meinen Verlobten präsentieren. Ich sitze mit Caiden fest, ob ich will oder nicht.

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