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Den restlichen Tag verbringe ich mit meinem Bruder, erkundige mich nach seiner Verletzung, gehen einfach nur spazieren oder albern herum. Am Abend liege ich im Bett und bin überglücklich, wieder in meinem eigenen Bett zu liegen. Ich presse mein Kissen an mich und bin kurz vor dem Einschlafen, als das plötzliche Vibrieren meines Handys mich wieder wach werden lässt. Ein wenig irritiert und müde taste ich nach dem Gerät auf meinem Nachttisch und schaue auf den Bildschirm. Es ist eine Nachricht von Mikey. Mit neugierigen Augen, die noch vom Schlaf benommen sind, öffne ich sie und beginne zu lesen.
Mikey
Komm in 10 Minuten in den Park, wenn du nicht kommst, werde ich bei dir auftauchen. ;)
Sofort sitze ich Kerzengrade im Bett, meine Augen weit aufgerissen und starre ungläubig auf die Nachricht. Es ist halb elf in der Nacht, und er erwartet, dass ich jetzt noch nach draußen gehe? Ein ungläubiges Lachen entweicht meinen Lippen, als ich daran denke, dass Kenny mich niemals gehen lassen wird. Wie denkt er sich das?
Seufzend lasse ich mich wieder ins Bett fallen und überlege, doch komme zu keinem Entschluss. Letztendlich stehe ich auf und ziehe mir Sportkleidung an. Falls Kenny noch wach ist und fragen sollte – und ich weiß, dass er es tun wird –, werde ich ihm einfach sagen, dass mich das Bedürfnis packt, noch eine Runde joggen zu gehen. So unglaubwürdig klingt es letztendlich nicht. Ein letzter Blick auf das Handy in meiner Hand, ein tiefer Atemzug, und ich bin bereit, das Haus zu verlassen.
Als ich mich wortwörtlich auf Zehenspitzen aus der Tür schleiche, liegt meine Hand bereits auf dem Metall des Türgriffs, als plötzlich das Licht im Flur angeht. Der Schock lässt meinen Puls rasant in die Höhe schnellen, als ich mich umdrehe und in das düstere, wenig einladende Gesicht von Kenny sehe, der mit verschränkten Armen dasteht.
"Was denkst du, wo du um diese Uhrzeit hingehst?", fragt er mich. Die Kälte in seiner Stimme lässt mir einen unangenehmen Schauer über den Rücken laufen, als ich leises: "Joggen?", hervorbringe und es mehr wie eine Frage klingt.
"Joggen? Um diese gottverlassene Uhrzeit?", wiederholt er skeptisch und hebt dabei vorwurfsvoll eine Augenbraue. Meine Unsicherheit nimmt zu, doch ich versuche sie mit einem stummen Nicken zu überspielen und erwidere: "Kann nicht schlafen, nach dem Laufen bin ich sicherlich müde genug!" Mein Bruder seufzt schwer, tritt mir gefährlich nahe und beugt sich vor, um mir intensiv, fast drohend, in die Augen zu schauen. Allerdings kann ich seinem dominanten Blick nicht standhalten und lasse meinen Blick in der Gegend umherschweifen.
"Du lügst", stellt er eiskalt fest, was mich erneut zusammenzucken lässt.
"N-nein, echt nicht", stottere ich, während ich bemerke, wie vor Nervosität die Innenfläche meiner Hände anfängt zu schwitzen. Mein Bruder verengt seine Augen und sieht mich noch skeptischer an als zuvor und sagt: "Und wieso zum Teufel willst du dich dann rausschleichen?"
Wieder zucke ich kaum merklich zusammen und schlucke erneut schwer, bevor ich vor mich hin stammle: "Wollt... dich nicht wecken...?"
"Gut, wenn das der Fall ist, dann begleite ich dich. Ich muss ohnehin wieder in Form kommen, die Verletzung hat mich lange genug außer Gefecht gesetzt", sagt er, löst sich von mir und beginnt sofort, seine Schuhe anzuziehen. Ungläubig und mit weit aufgerissenen Augen schaue ich ihn an und schüttele den Kopf, während ich erwidere: "Das musst du echt nicht, ich kann schon auf mich aufpassen."
"Es wäre unverantwortlich von mir, dich um diese Uhrzeit allein hinauszulassen. Oder hast du vor, dich heimlich mit jemandem zu treffen?", konfrontiert er mich direkt und schaut mich irgendwie wütend an. "Hast du in diesem Camp etwa jemanden kennengelernt? Jemand, der dich nun zu solch unvernünftigen Entscheidungen drängt, mitten in der Nacht das Haus zu verlassen?", bohrt er weiter, mit einem scharfen Blick. Ich schlucke den Kloß in meinem Hals herunter, der sich plötzlich bildet. Wie in Zeitlupe schüttele ich den Kopf und murmele leise, fast verzweifelt: "Ich will einfach nur joggen gehen."
Daraufhin tritt er wieder vor mich und klopft mir mit einem Lächeln auf die Schulter. "Dann ist ja gut, auf geht's", sagt er fröhlich, schnappt sich noch den Schlüssel und öffnet die Tür, um bereits hinauszugehen. Ich kratze mich am Kopf und seufze und folge ihm anschließend, jetzt noch einen Rückzieher zu machen wäre definitiv zu auffällig. Draußen strecken wir beide uns kurz, bis er mich fragt: "Wo lang?"
Ich zucke leicht mit den Schultern und sehe mich um, bevor ich sage: "Ich wäre meine übliche Route durch den Park gegangen." Es ist nicht ganz gelogen; tatsächlich gehe ich immer durch den Park laufen. Doch der Gedanke daran, dass Mikey dort auftaucht und Kenny ihn sieht... Meine Gedanken werden abrupt unterbrochen, als mein Bruder mich mit einem spielerischen Schubs in Bewegung setzt - mir damit symbolisch zu verstehen gibt, dass ich anfangen soll zu laufen. Und das tue ich. Ich fange an, Richtung Park zu joggen, und mein Bruder mühelos neben mir. Wir sagen beide nichts, aber in meinem Inneren überschlagen sich meine Gedanken. Ich mache mir wirklich extreme Sorgen darüber, wie mein Bruder reagieren wird.
Da der Park nicht sonderlich weit von uns ist und wir durch das Joggen noch schneller am Ziel sind, kommen wir schnell an. Mit jedem Schritt, den wir näherkommen, wächst meine Nervosität. Ich versuche so unauffällig wie möglich nach Mikey Ausschau zu halten. Es dauert nicht lange, bis ich ihn aus dem Augenwinkel entdecke: Er sitzt auf einer Bank und schaut auf sein Handy. Ein stechender Schmerz durchfährt mein Herz bei dem Gedanken, dass ich nicht einfach zu ihm gehen kann.
"Mei, warte mal", reißt mein Bruder mich aus meinen Gedanken. Er hält mich am Oberarm fest, was unser beider Tempo verlangsamt und uns schließlich zum Stehen bringt. Ich schaue ihn fragend an, während ich versuche, meine hektische Atmung zu beruhigen.
Er zeigt mit seinem Finger direkt auf Mikey und meint: "Lass kurz rübergehen", bevor er direkt auf ihn zugeht. Angespannt schaue ich ihm nach, und mein Herz beschleunigt sich schlagartig. Ich bete inständig, dass Mikey blitzschnell eine gute Ausrede findet, warum er um diese Uhrzeit im Park ist. Mit zögerlichen Schritten folge ich meinem Bruder, und wir bleiben schließlich direkt vor Mikey stehen.
Verwirrt und überrascht schaut er auf uns. Ich verstecke mich ein wenig hinter meinem Bruder, schenke Mikey ein unsicheres Lächeln und zucke entschuldigend mit den Schultern. Offensichtlich versteht er schnell, was vor sich geht.
"Was machst'n du hier um die Uhrzeit?", fragt mein Bruder direkt, während er sich neben Mikey auf der Bank niederlässt.
"Hab' mich um ein paar Leute in der Nähe gekümmert. Du hast schließlich nachgelassen, als ich für läppische zwei Wochen abwesend war", erwidert Mikey mit überraschender Gelassenheit und ohne groß darüber nachzudenken.
"Ich wurde erstochen, falls du das vergessen hast", argumentiert Kenny und scheint ihm das ohne zu zögern abzunehmen.
Kopfschüttelnd stehe ich vor beiden und sehe sie unglaubwürdig an. Einer dümmer als der andere, meiner Meinung nach.
"Es ist schon spät, du kannst bei uns pennen. Allerdings wollte mein Schwesterchen erst noch etwas joggen gehen", beginnt mein Bruder und zieht damit meine volle Aufmerksamkeit auf sich. Meine Augen schweifen abwechselnd zwischen ihm und Mikey hin und her, und Mikey scheint darüber nachzudenken.
"Wieso nicht, bis zu mir ist es so weit, hab' ich eigentlich kein Bock drauf", antwortet Mikey, steht mit einem Ruck auf und streckt sich.
Daraufhin beenden wir zusammen die Runde Joggen und gehen anschließend zurück.
"Jetzt bin ich müde und kann schlafen. Gute Nacht", verabschiede ich mich direkt von beiden und gähne gespielt, da ich einfach nur so schnell wie möglich in mein Zimmer will. Kaum habe ich die Tür hinter mir geschlossen, lehne ich mich erschöpft dagegen und seufze gestresst aus. So hatte ich mir das nicht vorgestellt, aber jetzt ist es zu spät, um etwas zu ändern. Ich ziehe mich um und lasse mich auf mein Bett fallen. Etwas traurig bin ich schon, dass unser Treffen nicht geklappt hat, weil mein Bruder unbedingt dabei sein wollte.
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