57

Und so begann mein eigentlicher Arbeitstag, an dem ich sogar tatsächlich noch etwas zu tun hatte. Die Anderen trieben sich im Wohnzimmer oder in ihren Zimmern herum, Jongin und Taemin saßen mal wieder draußen auf dem Rasen, während ich im Esszimmer an dem großen Tisch saß und mich erneut durch den Papierkram arbeitete. Ich hatte für heute extra ein leeres Notizheft mitgenommen, das jetzt zum Einsatz kam.

Kyungsoo und Joonmyun waren an meiner Seite und halfen mir ungemein. Denn was auf den Zetteln stand, war nicht alles, was ich wissen musste. Es gab mehr und mehr, dass Platz in meinem Heft fand, ob Kontaktdaten oder Adressen von wichtigen Orten. Telefonnummern von scheinbar wichtigen Personen, Termine der einzelnen Mitglieder, Geburtstage und so weiter. Es war ein Haufen von Sachen und Daten, doch es brachte mir Spaß mit den beiden.
Irgendwann kam Chanyeol herein und brachte uns etwas zu essen und zu trinken, doch er wurde von Kyungsoo sofort wieder herausgeschmissen, da er es schaffte uns ständig von der Arbeit abzuhalten.

Wir arbeiteten mit Sicherheit vier Stunden, die Jungs waren komplett bei der Sache und nichts schien die beiden aus der Ruhe bringen zu können. Dann klingelte mein Handy und wir drei hoben gleichzeitig den Kopf.
Schnell ging ich ran um den Lärm zu unterbrechen.

"Hallo?"

"Hallo Kairi, hier ist Jiho. Wie läuft es?", fragte mein Bruder.

"Gut, wir sind noch mitten am arbeiten."

"Immer noch? Es ist schon ziemlich spät, nicht wahr?"

"Spät?", fragte ich und blickte auf die Uhr auf dem Display. "Es ist halb eins."

"Oh."

Er sagte nichts mehr und ich schwieg ebenfalls, erntete seltsame Blicke von Kyungsoo und Joonmyun, auch wenn sie versuchten nicht zu interessiert zu wirken.

"Was gibt's? Wieso rufst du wirklich an?"

Wieso hatten heute alle ein Problem mit der Sprache herauszurücken? Es war doch nicht meine Aufgaben, jedem die Informationen aus der Nase zu ziehen! Ich wusste bis jetzt nicht, was Jongin mir hatte sagen wollen, was ein mulmiges Gefühl in mir auslöste.

"Ich hab den Job."

Ich hielt die Luft an, mein Atem setzte kurz aus.
"Was?!"

"Ich hab den Job bei Jongins Bekannten. Ich war bis eben beim Probekochen und er möchte, dass ich heute Abend nochmal komme um richtig für Kundschaft zu kochen. Aber eigentlich steht meiner Einstellung nichts mehr in Weg..."

"Oh mein Gott, Jiho! Das ist großartig", schrie ich förmlich ins Telefon und veranstaltete einen kleinen Freudenstanz. "Herzlichen Glückwunsch, großer Bruder!"

"Ich kann es gar nicht richtig fassen", sagte er leise, doch ich hörte heraus, dass er grinste. Er musste überglücklich sein. "Es ist ein Vier-Sterne-Restaurant, Kairi."

Ich fuhr mir mit der freien Hand übers Gesicht, unmöglich noch etwas zu sagen. Ich war sprachlos, freute mich zu sehr um es auszudrücken. Wirklich. Ich hatte mich noch nie so für meinen Bruder gefreut.

"Ich bin so stolz auf dich", flüsterte ich noch immer ganz fassungslos und ich hörte ihn selig lachen. Nun musste soviel von ihm abfallen.

"Heute Abend gibt es ein Festessen! Also so bald ich vom Aushelfen wieder da bin."

"Sehr gut! Ich freue mich schon!"

"Ich mich auch. Kannst du Jongin meinen Dank aussprechen?"

"Natürlich! Bis später", hauchte ich zurück und bekam das Grinsen nicht mehr aus dem Gesicht.

"Bis später."

Er legte auf und ich konnte nich aufhören zu quietschen vor Freude.
"Alles okay?", fragte Kyungsoo lachend.

"Mein Bruder hat endlich einen ordentlichen Job, ich freue mich so!"

Dann würde mir klar, was Jongin mit mir hatte besprechen wollen. Deshalb hat er mich beiseite genommen, deswegen hatte er im Fahrstuhl mit mir alleine sein wollen! Jiho hatte endlich einen Job, ich konnte es gar nicht fassen.
Ich sprang vom Stuhl auf und warf dabei fast meine Kaffeetasse um, so aufgeregt war ich. Ich hüpfte flink um den Stuhl herum und hastete auf die Tür zu.

"Gleich wieder da! Ich muss mich kurz bei Jongin bedanken!"

Und schon war ich hinaus gestürmt, hetzte schnell durch das Wohnzimmer und lief zum leeren Probenraum. Dort riss ich die Tür zum Garten auf und überraschte drehten die beiden die Köpfe. Sie saßen auf zwei Handtüchern in der Sonne und genossen die überraschend warme Septembersonne.

"Jongin!", rief ich und er machte große Augen, als ich auf ihn zu gerannt kam und mich förmlich auf ihn stürzte.
Taemin lachte, als ich meine Arme fest um den Körper seines Freundes schlang und Jongin war noch immer etwas verwirrt und rührte sich nicht. Er starrte mich verwirrt und vielleicht auch etwas erschrocken an.

"Danke, danke, danke, danke, danke!"

Etwas zögerlich erwiderte er die Umarmung. Kurz war all die Anspannung und die Verwirrung vergessen, die der Junge sonst in mir auslöste. Ich war gerade zu glücklich um an all das zu denken, ich wollte ihn nur noch vor Freude zerdrücken.

"Ich gehe mal kurz auf die Toilette!", murmelte Taemin grinsend und machte sich schnell vom Acker, während ich Jongin immer noch umarmte.

"Wofür danke?", fragte er atemlos.

"Dass du Jiho den Job besorgt hast! Er hat eine so gut wie feste Zusage, heute Abend muss er sich noch einmal beweisen! Du hast keine Ahnung, wie glücklich ich bin!"

Er lachte und schloss nun auch die Arme um mich, so saßen wir einen Moment auf dem Rasen und ich bekam das Grinsen nicht mehr aus dem Gesicht.

"Danke", flüsterte ich erneut.

"Es freut mich, dass er den Job bekommen hat", antwortete er und ich hörte ihn Lächeln.

Dann wurde mir etwas an seinen Worten bewusst und ich krauste nachdenklich die Stirn. Ich löste meinen Kopf von seiner Brust und blickte zu ihm hoch, die dunklen Haare hingen ihm ins Gesicht und ein hübsches Lächeln zierte sein Gesicht.

"Warte, du wusstest gar nichts davon?"

"Nein, mein Bekannter hatte es mir noch nicht erzählt. Aber ich freue mich für euch beide."

"Das heißt, das war es nicht, was du mir im Fahrstuhl hattest sagen wollen?"

Sofort verschwand sein Lächeln und sein Gesichtsausdruck wurde wieder die schwer zu interpretierende Fassade. Als hätte er gehofft, ich hätte das Gespräch vergessen.

"Jongin, was hattest du mit mir bereden wollen."

"Nicht wichtig", wich er sofort aus.

"Es schien wichtig."

"Es ist egal."

Er mied meinen Augenkontakt und löste seine Umarmung, ich saß noch immer halb zwischen seinen Beinen. Sofort war die gute Stimmung verflogen. Etwas bedrückte ihn, wieso sagte er mir nicht einfach was los war? Das würde alles viel einfacher machen.

"Sag es."

"Nein."

"Du bist anstrengend", murmelte ich und legte mich neben ihm ins Gras, den Blick gen Himmel gerichtet.

Er legte sich neben mich und ich spürte, dass er mein Profil musterte, doch ich schaute ihn nicht an. Wieso wollte er es mir nicht sagen? Hatte ich etwas falsch gemacht?

Ich drehte meinen Kopf in seine Richtung, so dass wir uns anschauten, doch unsere Nasenspitzen berührten sich und erschrocken drehten wir sie beide wieder zurück. Das war nah gewesen. Ich roch sein Perfum.

"Jongin... Vielen Dank nochmal."

"Gerne. Es freut mich, wenn ich dich glücklich machen konnte."

"Mich?"

"Ich meine Jiho", fügte er schnell hinzu und räusperte sich.

"Kann ich das irgendwie wieder gut machen? Ich bin dir wirklich was schuldig, wann immer du etwas brauchst, komm zu mir!"

"Das weiß ich doch. Darf ich den Gefallen auch jetzt schon einlösen?", fragte er nach einer kleinen Stille.

Ich drehte meinen Kopf wieder zu ihm, doch er mied meinen Blick. Er hatte so ein hübsches Profil, wirklich. Seine Stirn, seine Augen, seine Nase, seine Lippen, sein Kinn. Alles schien perfekt.

"Kannst du mich nochmal so umarmen?"

Ich lachte auf und schlang sofort meine Arm um ihn, er tat es mir gleich und so lagen wir dort. Er platzierte meinen Kopf auf seiner Brust und ich schloss kurz die Augen um die Umarmung intensiver zu fühlen.

"Nehmt euch ein Zimmer verdammt! Das ist ja nicht auszuhalten!", schrie Baekhyun plötzlich und wir fuhren auseinander.

Zusammen mit Taemin stand er an der Tür zum Probenraum und und grinste uns an, als hätte er uns bei irgendetwas erwischt. Ich erhob mich, strich mein Businessoutfit glatt und blickte noch kurz zu Jongin runter. Er nahm meine ausgestreckte Hand an und ich half ihm hoch, zusammen gingen wir zurück zu den beiden.

"Ich hatte euch nicht unterbrechen wollen! Schlabbert euch ruhig weiter ab, nur vielleicht drinnen und nicht hier draußen, wo Singles ihr Leben genießen wollen", bemerkte Baekhyun grinsend und beim Vorbeigehen verpasste ich ihm einen leichten Schlag gegen die Brust.

"Halt die Klappe", murmelte ich verlegen und ging schnell wieder rein.

Ich ließ die drei Jungen schnell alleine, auch wenn ich aus dem Augenwinkel sah, wie sie Jongin die Schultern klopften. Und wie hatte ich das jetzt zu verstehen?

Ich hatte die beiden schon viel zu lange alleine gelassen, stellte ich fest. Als ich das Esszimmer betrat, saßen Kyungsoo und Joonmyun noch immer über dem Papierkram und Kyungsoo hatte mit seiner sauberen Handschrift weitere Notizen in mein Heftchen geschrieben. Sie sagten nichts dazu, dass ich so lange weggeblieben waren und ich konzentrierte mich schnell wieder auf das, was getan werden musste.

Nach weiteren dreißig Minuten beendeten wir die Arbeit und ich bedankte mich ehrlich für die ganze Hilfe und Unterstützung.

"Jetzt wirst du noch nach Hause gefahren!", meinte Kyungsoo. "Wir sind heute Abend bei Freunden zu Besuch und hier gibt es nichts mehr zu tun. Sollte noch etwas sein, schreiben wir dir."
Sie hatten mir von allen Mitgliedern der Gruppe die Handynummern gegeben.

"Ihr braucht mich nicht fahren."

"Wir bestehen drauf", sagten beide aus einem Mund.

Es war gerade einmal Mittag, vielleicht hatte Jia Zeit und wir könnten noch etwas unternehmen! Endlich mal wieder Zeit für meine beste Freundin, das klang super!

Wir gingen ins Wohnzimmer, unter dem Arm hatte ich den ganzen Papierkram und mein fast gefülltes Heft. Ich würde mir noch eins zulegen müssen!

"Wer bietet sich an, Kairi nach Hause zu fahren?"

So gut wie alle waren im Wohnzimmer versammelt und redeten oder lasen in Büchern. Die Gruppe blickte auf und sofort erhob Jongin sich von der Couch.

"Ich mach das!"

Ich errötete bei so viel Eifer und er kassierte leises Gelächter seiner Freunde. Kyungsoo zog die Autoschlüssel aus seiner Hosentasche und warf sie seinem Bandkollegen zu, der sie mit einer Hand auffing und mich anlächelte. Wieso war er plötzlich wieder so gut drauf? Irgendwie hatte er Stimmungsschwankungen.

Ich verabschiedete mich und ich folgte ihm zur Garderobe, als sich starke Arme um mich schlossen und ich erschrocken zusammen zuckte. Ich erkannte ihn an seinem Geruch und seinem leisen Lachen im Ohr.

"Wo willst du denn schon hin?", fragte Jongdae und auch Jongin drehte sich um.

Die beiden tauschten Blicke, führten ein lautloses Gespräch, in das ich keine Einsicht hatte.

"Ich dachte schon, du sagst mir nicht Auf Wiedersehen", spielte ich beleidigt und er knuffte mir in die Seite.

"Wie könnte ich bloß?"

Dann blickte er erneut zu Jongin, dessen Lächeln wieder verschwunden war. Jongdaes Blick flog zu den Schlüsseln in der Hand seines Freundes, dann wieder zu mir. Mit ein paar Schritten war er bei Jongin angelangt.

"Weißt du was, ich kann sie fahren."

"Brauchst du nicht, ich mache das schon."

"Taemin ist hier und er ist dein Freund. Findest du es nicht unhöflich ihn hier zu lassen? Er wird später auch rumgefahren werden wollen, willst du wirklich zweimal fahren? Außerdem muss ich sowieso noch Minji abholen, das weißt du."

"Jongdae, wieso gehst du nicht zurück zu den anderen und lässt mich in Ruhe? Dann fahre ich halt zweimal. Und Minji ist gerade doch völlig egal."

Autsch.

"Wieso bist du schon wieder so gereizt? Ich versuche nur dir das hier abzunehmen."

"Ich brauche deine Hilfe nicht. Geh zurück ins Wohnzimmer."

"Sind wir wieder an dem Punkt angelangt, an dem du mich herum kommandierst?"

Die beiden blickten sich herausfordernd an, meine Muskeln spannten sich. Was passierte hier gerade? Wieso redeten sie so miteinander?

Schnell trat ich dazwischen und legte beiden eine Hand auf den Arm.
"Ist schon okay, ich muss auch gar nicht gefahren werden! Ich kann mir auch ein Taxi rufen oder Jia fragen, ob sie mich-"

"Erzähl keinen Unsinn, ich fahre dich", unterbrach Jongin mich sofort, funkelte aber noch immer den kleineren an.

Ich schluckte, wusste nicht wie ich die Situation noch weiter auflockern sollte.

"Ignorier ihn einfach, Kairi. Jongin ist manchmal ein starrköpfiger Idiot", murmelte Jongdae, seine eine Hand griff nach meiner, während die andere die Schlüssel schnappte.

Er zog mich leicht hinter sich her, den Flur entlang und zur Tür hinaus. Er hielt noch immer meine Hand, bis wir in PoTo einstiegen und ich beklommen auf meine Fingernägel nieder schaute. Ich wollte nicht, dass sie sich wegen mir stritten. Das war so... seltsam. Ich sollte der letzte Grund für einen Streit sein.

"Tut mir Leid", murmelte Jongdae.

"Schon gut. Danke fürs Fahren."

"Gerne."

Er startete den Wagen und fuhr auf die Straße. Er schaltete das Radio ein und sang leise mit, während ich noch immer an die selbe Situation denken musste. Doch sobald wir an der ersten Ampel stehen blieben, unterbrach der Junge meine Gedanken.

"Ich sag es jetzt, weil ich später wahrscheinlich nicht mehr den Mut dazu finde."
Ich hob überrascht den Kopf.

"Möchtest du mit mir ausgehen?"

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