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Er holte mich pünktlich am nächsten Tag an, rannte mit mir quer durch den Stadtteil und ließ mir nur eine Verschnaufpause von zwanzig Minuten, als wir in einem Park halt machten. Trotzdem konnten wir nie lange an einem Ort bleiben, da das Risiko zu hoch war, dass er erkannt werden würde. Er kaufte mir ein Eis, als ich unaufmerksam war und ich hatte es abgelehnt, doch er war stur wie ein Esel und nun hockten wir auf einer Parkbank und ich aß mein Eis, während er dem Treiben zuschaute.

Dann geschah es, dass ein etwa fünfzehn jähriges Mädchen Jongin an die Schulter tippte und ihn schüchtern ansprach, ob sie ein Bild mit ihm haben könnte.

Er zeigte sich erstaunlich gelassen, unterschrieb auf ihrer Handyhülle und nahm extra noch die Sonnenbrille für das Foto ab, das sie schossen. Die Kapuze behielt er über, damit nicht noch mehr Fans auf uns aufmerksam wurden. Ich aß unbeteiligt mein Eis und tat, als würde ich nicht dazu gehören.

Sie verabschiedete sich freundlich und Jongin setzte sich schnell wieder die Sonnenbrille auf.

"Die war ja süß", sagte ich und blickte dem schüchternen Mädchen hinterher.

"Wenn bloß alle Fans so wären. Dann bräuchten wir auch keine Bodyguards und Absperrbänder...", meinte er leise und zupfte an meinem Ärmel. "Können wir vielleicht weiter laufen, während du dein Eis isst? Sie könnte jemanden sagen, dass sie mich gesehen hat und dann kann es hier schnell voll werden."

"Gar nicht eingebildet, der Herr", meinte ich lachend auch wenn ich wusste, dass er recht hatte. Dann erhob ich mich aber und er grinste nur.

Wir verstanden uns gut und mittlerweile hatten wir die Art von Beziehung erreicht, in der wir uns nur noch gegenseitig foppten. Er machte Kommentare über meine Unsportlichkeit und ich kritisierte, was mir gerade in den Sinn kam. Das war manchmal gar nicht so einfach, denn er sah nun mal gut aus, war schlau und schien in allem gut zu sein.
Erst gingen wir gemütlich, doch sobald ich mein Eis aufgegessen hatte, spornte er mich wieder an und ich quälte mich den ganzen Weg zurück zu meiner Wohnung. Meine Beine brannten, ich hatten Seitenstiche und mein Atem ging nur stoßweise. Aber es tat gut, dass ich mich bewegte und die frische Luft klärte meinen Kopf. Ich hatte seit gestern Vormittag nicht mehr getrunken.

"Ich hatte meinem Bekannten gestern noch geschrieben und er würde sich freuen, wenn Jiho mit einer Bewerbung mal vorbeikommen würde. Er könnte sich die Küche anschauen und auch etwas für den Inhaber kochen, so eine Art als Probe", sagte Jongin, als wir direkt vor dem Gebäude hielten.

Ich hatte mich auf meine Knie gestützt und versuchte meinen Atem unter Kontrolle zu bringen, während ich mir den Schweiß von der Stirn wischte. Doch als er sprach, hob ich den Kopf und konnte ein Lächeln nicht zurück halten.

"Danke vielmals, dass du das für ihn tust!"

"Gerne doch. Er muss den Job nur wirklich wollen, mein Bekannter hat genug Anfragen und kann sich jemanden Halbherziges nicht leisten..."

"Natürlich nicht! Ich rede nochmal mit ihm, ich bin mir sicher er wird zu Vernunft kommen. Kann ich dir dafür irgendeinen Gefallen tun? Kann ich das irgendwie gut machen?"

Jongin nahm die Kapuzu und die Sonnenbrille ab und wuschelte sich durch die dunklen Haare, die etwas platt gedrückt waren.

"Ja, da gäbe es etwas, das du tun könntest."

Ich richtete mich aus meiner gebückten Haltung auf.

"Und das wäre?"

"Erst musst du versprechen, dass du es tun wirst!"

Ich legte den Kopf schief und blickte auf seine ausgestreckte Hand.

"Ich weiß doch jetzt noch nicht, ob ich es halten kann."

"Komm schon!"

Ich rollte mit den Augen, strich meine verschwitzte Hand an der Sporthose ab und reichte sie ihm. Wir gaben uns einen festen Händedruck.

"Du fängst nächsten Montag bei uns an."

Ich bereite sofort das Versprechen gegeben zu haben, biss mir auf die Lippe und drehte mich in Richtung Hauswand. Ich antwortete nicht und das verwirrte ihn.

"Ist es so schlimm für uns zu arbeiten? Ich weiß, dass wir anstrengend sind, aber ich habe das Gefühl, du würdest das hinkriegen. Wir brauchen doch unsere Noona im Haus", meinte er grinsend und setzte ein flehendes Gesicht auf.

Mich hatte noch nie jemand angefleht und schon gar nicht, dass ich einen Job annehmen sollte. Ich hatte einmal um meinen Job gefleht, doch anders herum war neu für mich. Ich wiegte den Kopf in meinen Händen. Er hatte ja recht, sie waren wahrscheinlich die besten Arbeitgeber, die ich haben könnte. Und es würde ganz bestimmt nicht langweilig werden!

"Na gut. Kannst du ein Vorstellungsgespräch mit eurem Manager vereinbaren?"

"Er hat das Angebot doch selber angesprochen. Sobald du zusagst, stellen wir dich ein und du bekommst den Vertrag zu geschickt."

"Vertrag?"

"Du weißt schon: Schweigepflicht so einen Kram."

Ich nickte langsam, seufzte und drehte mich zu ihm.

"Okay."

"Okay?"

"Ich mache es. Ich fange Montag an."

Er grinste und zog mich in eine Umarmung. Ich zuckte zusammen, spannte mich an, doch ihn störte das nicht und als er nicht los ließ, sagte ich leise: "Ich bin völlig verschwitzt."

"Ich doch auch", antwortete er.

"Nein, das da ist kein Schweiß. Du riechst immer noch, als kämest du direkt aus der Dusche."

"Das kann man von dir aber nicht gerade sagen."

"Hey!"

Ich stieß ihn von mir weg und er lachte, blickte dann aber in Richtung PoTo, der direkt vor dem Haus geparkt war. Der schwarze Familienvan wirkte hier fehl am Platz zwischen all den kleinen, veralteten Autos.

"Ich empfehle dir nicht, mit reinzukommen. Meine Schwester ist da und meine Mutter wahrscheinlich auch und ich würde am liebsten jede peinliche Situation vermeiden..."

"Ich muss jetzt sowieso wieder los! Ich habe den anderen versprochen noch Sachen für Baekhyuns kleine Party zu kaufen. Du und Jia kommt, nicht wahr?"

Ich nickte.

"Gut, dann bis morgen."

"Schon wieder joggen?", fragte ich erschöpft.

"Ja und dann mehr als fünf Kilometer. Ich hole dich um sieben ab."

"Morgens?!", entfuhr es mir erschrocken.

"Ja, Langschläfer."

"Ich bin kein-"

Da hatte er bereits die Tür des Wagens zugeknallt, startete den Wagen und fuhr dann los. Ich schüttelte den Kopf, lächelte und drehte mich dann zurück zum Haus um, als plötzlich ein lautes Piepen erklang. Ich brauchte einen Moment, bis ich erkannte, dass es der Nachrichtenton meines Handys war.

Ich fischte es aus meiner Jackentasche, entsperrte den Bildschirm und öffnete die Chats, doch es war zu meiner Überraschung nicht Jongin, der mir geschrieben hatte. Es war Jongdae.

Ich öffnete den Chat, damit ich seine Nachricht lesen konnte. Ich las sie einmal, zweimal und brauchte einige Zeit um zu verstehen, was er mir geschrieben hatte.

'Meine Noona fehlt. Wann kommt sie wieder?'

Ich grinste und blieb noch kurz auf dem Bürgersteig stehen, um ihm eine Antwort zu tippen.

'Deine Noona hat Sport gemacht. Wir sehen uns bei Baekhyuns Geburtstagsparty.'

'Wehe, sie schenkt mir keinen Tanz.'

'Du wirst deiner Noona sehr viel Alkohol geben müssen, damit sie tanzt.'

'Das kriege ich wohl hin. Werde ich sie danach öfters zu Gesicht bekommen?'

'Sie wird ab Montag jeden Tag da sein um dich zu nerven.'

'Dann habe ich ja etwas, auf das ich mich freuen kann.'

[Das Bild zeigt Jongdae]

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