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Ich lag mit geöffneten Augen im Bett und starrte auf das EXO Poster über meinem Kopf. Die Gedanken brausten durch mein Kopf wie einer der Schnellzüge, mit denen ich oft meine Eltern besuchen fahren ging.

Der Manager hatte wieder nur wenig Zeit gehabt, es war auch der von unserem letzte. Treffen und nicht der ganz Unhöfliche. Trotzdem war die Stimmung angespannt und mir war die ganze Zeit über unwohl gewesen. Er hatte viel geredet und wenig gesagt. Ich würde meine Accounts löschen müssen und auch Bilder von Freunden, auf denen ich verlinkt war. Sie würden ein Statement veröffentlichen, dass ich lediglich eine Freundin war und nichts an der Sache dran war. Chanyeol würde ein Statement veröffentlichen. Jongin würde ein Statement veröffentlichen. Und das alles so schnell wie möglich, damit nicht noch mehr Menschen davon mitbekamen.

Minseok hatte sich angeboten mir zu helfen und ich hatte ihm nur mein nun wieder angeschaltetes Handy in die Hand gedrückt, damit er meine Accounts lahm legen konnte. Ich war ihm mehr als dankbar dafür, denn mir war übel geworden, als ich die Anzahl der Nachrichten gesehen hatte.

Wer hielt es schon für möglich fast vierundzwanzig Tausend Nachrichten an einem Tag zu bekommen?

Ich hätte jedenfalls niemals damit gerechnet, so viel Aufmerksamkeit zu bekommen. Minseok meinte, die Nachrichten wären immer noch nicht sonderlich nett und es bildeten sich Gruppen, die systematisch Hassnachrichten an meine Accounts verschickten. So hatte er es beschrieben und das war mir genug gewesen. Ich würde das nicht so schnell wieder anfassen.

Nun lag ich hier mit pochender Schläfe, einen unnachgiebigen Knoten in der Brust. Am liebsten würde ich kotzen. Aber auf keinen Fall in Minseoks Bett, generell nicht hier. Das war nur ein derzeitiges Gefühl, dass sich hoffentlich schnellstmöglich legte. Ich wollte das nicht länger, wollte nich länger im Mittelpunkt stehen. Sie hatten auch meine Email-Adresse heraus bekommen.

Der Manager würde dafür sorgen, dass niemand auch noch meine Adresse heraus bekam, das wäre wohl der Supergau. Schon nur wenn ich darüber nachdachte, dass Menschen die Adresse meines Zuhause wissen könnten, ließ das Zimmer drehen.

Das Gespräch hatte mir nichts gebracht. Es fielen jede Menge "hoffentlich", "bald", "in nächster Zeit musst du" und "wir werden uns schon darum kümmern", doch ich fühlte mich kein Stück besser. Die Jungs hatten es den ganzen Tag geschafft mich aufzuheitern, ich hatte die Sache beinahe wieder vergessen. Aber das kurze Gespräch mit dem Manager hatte alles wieder zurück gebracht und nun lag ich hier im Halbdunkel, starrte auf das EXO-Poster und wusste nichts zu tun. Ich fühlte mich hilflos.
Ich wünschte, Jia wäre hier.

Es klopfte an der Tür und ich brachte ein "Herein" hervor, während ich mich tiefer in die Decken und Kissen kuschelte. Einen Moment erwartete ich tatsächlich meine beste Freundin, doch stattdessen blinzelte Kyungsoo mir entgegen.
Schon nur an diesem einem Tag hatte ich mehr über die Jungen kennen gelernt, als in der ganzen letzten Woche. Ich hatte mehr Seiten an Ihnen gesehen, als ich erwartete hatte. Und was ich über Kyungsoo gelernt hatte: Er war immer zur Stelle und spürte Unbehagen sogar durch Wände. Er war wie eine sich sorgende Mutter.

"Alles okay bei dir?", fragte er und lehnte sich in den Türrahmen.

Er wollte wohl nicht in meine Privatsphäre eindringen und irgendwie war ich dankbar für seine Zurückhaltung. Er konnte wahrscheinlich wirklich Gedanken lesen...

Ich zuckte nur mit den Schultern zur Antwort. Er blickte auf seinen Handydisplay um die Uhrzeit zu checken.

"Schlaf ruhig schon. Wenn wir zu laut sind, sag ich den anderen, dass sie die Lautstärke runterdrehen sollen", murmelte er, im Hintergrund hörte ich wieder den Fernseher laufen.

"Danke."

"Gerne. Sollen wir dich morgen irgendwann wecken? Was möchtest du zum Frühstück?"

Ich setzte mich im Bett ein wenig auf und konnte mir ein Lächeln nicht verkneifen bei all der Fürsorglichkeit. Er konnte es einfach nicht leiden, wenn jemand schlecht drauf war.

"Ihr braucht mir nichts zu machen. Außerdem bin ich Frühaufsteherin, wahrscheinlich wache ich noch vor euch allen auf."

"Das werden wir ja sehen! Gute Nacht und schlaf schön. Und wenn was ist, kannst du immer kommen."

"Das weiß ich. Danke."

Damit schloss er die Tür hinter sich und ich hörte ihn noch kurz in Flur reden, doch es war zu undeutlich, als dass ich hätte etwas verstehen können. Daraufhin antwortete eine andere Stimme und ich war mir ziemlich sicher, dass es Jongins war.

Ich drehte mich auf die Seite, zwang meinen Blick in eine andere Richtung und sehnte den Schlaf herbei, doch es funktionierte nicht. Es ging einfach nicht, der Schlaf schien nie ferner.

Es fühlte sich wie Stunden an, die ich nur da lag und über Dinge nachdachte. Über die Jungs, über meine Geschwister, über Jia, über meinen Job. Es gab zu viele Dinge, über die ich es mir schaffte den Kopf zu zerbrechen. Die Geräusche aus dem Wohnzimmer wurden immer leise und verlagerten sich auf die Zimmer, bis es auch in diesen still wurde. Doch anstatt müde zu werden, wurde ein plötzlicher Bewegungsdrang immer stärker.

Ich drehte mich immer wieder im Bett, zog die Decke über den Kopf oder strampelte sie vollkommen weg. Irgendwann setzte ich mich im Bett auf und starrte minutenlang in die Schwärze. Vielleicht war ich einfach zu frustriert um zu schlafen.

Schließendlich gab ich nach, schwang die Beine aus dem Bett und tapste vorsichtig in Richtung Tür. Ich gab mir Mühe so leise wie möglich zu sein, als ich durch den dunklen Flur tapste um ins Wohnzimmer zu kommen. Der Mond spendete überraschend viel Licht und erhellte die Couch, der Fernseher spiegelte das weiße Licht. Ich ging weiter zur Küche um mir etwas zu trinken zu holen, auch wenn ich ein leises Klappern des Geschirrs nicht verhindern konnte. Ich trank einen Schluck, füllte mir kaltes Wasser nach und tupfte es mir ins Gesicht. Wurde man dadurch nicht noch wacher? Denn eigentlich hatte ich genau das Gegenteil vorgehabt.

Die Uhranzeige am Ofen zeigte 2:57 Uhr morgens. Verdammt.

Mit einem Glas kalten Wasser ließ ich mich auf der Couch wieder, die in Richtung Fenster zeigte. Es war eine klare Nacht und ich hoffte von dem Mondlicht etwas schläfrig zu werden. Ich saß mit dem Rücken zum Raum, hatte die Beine fest an den Körper gezogen und den Kopf auf die Knie gestützt.

Ich zuckte zusammen und konnte einen Aufschrei nur knapp verhindern, als etwas auf meine Schultern fiel. Ich wirbelte herum, doch ich erkannte das Gesicht der Person nicht, denn sie stand im Halbdunkel. Jede Faser meines Körpers war angespannt, nur um zu handeln, wie auch immer der nächste Schritt des Fremden war.

"Psssst", machte Jongdae und sofort entspannte sich mein Körper, während mein Herz mir noch immer vor Schreck aus der Brust springen wollte.

"Mach das nie wieder! Bist du bescheuert?", fauchte ich und merkte erst dann wie ruppig dies klang.

Aber er hatte mich zu Tode erschreckt! Und beinahe hätte ich das gesamte Haus geweckt, weil ich dachte jemand wäre ins Haus eingebrochen. Es hätte sogar einer dieser kranken Fans sein können, die mich umbringen wollen...

Er schien zu bemerken, dass ich ganz und gar nicht Angetan von seinem kleinen Streich gewesen war und so fielen seine hochgezogenen Mundwinkel sofort wieder herunter. Er kam schnell und leise um die Couch herum und setzte sich neben mich.

"Tut mir Leid, ich wollte dich nicht erschrecken", flüsterte er und konnte ein Lachen aber nicht verhindern. "Du hättest dein Gesicht sehen müssen!"

"Das ist nicht lustig", murmelte ich beleidigt und wandte mich von ihm ab, um wieder dem Mond entgegen zu blicken.

"Dann sind wir quitt. Du hast so einen Lärm veranstaltet, dass ich auch dachte, hier wäre ein Einbrecher! Ich war gerade aufgestanden um zu sehen, wer hier herum tapst", meinte er mit einem spielerisch anklagenden Tonfall.

"Tut mir Leid... Ich kann nicht schlafen."

"Das habe ich mir schon gedacht."

Er rückte an mich heran und richtete das, was er auf mich fallen lassen hatte. Erst jetzt bemerkte ich, dass es eine Decke war. Sie war warm und flauschig und hüllte mich in Geborgenheit. Mein Herzschlag beruhigte sich wieder und ich nahm die Ecken der Decke, um sie um mich zu Schlingen. Ich hörte sein leises Lachen.

"War das eine gute Idee gewesen?"

"Ja. Danke..."

"Immer noch deprimiert?"

Ich nickte und nahm noch einen Schluck Wasser, stellte das Glas aber extra lautlos ab, damit ich nicht noch mehr um ihren Schlaf brachte. Ich wollte ihm gerade sagen, dass er ruhig wieder ins Bett gehen könnte. Dass es mir gut ging und ich selber auch wieder schlafen gehen würde.

Doch Jongdae flüsterte nur ein "Komm her", schlang die Arme um meine Taille und zog mich an sich heran. Ich war völlig überrascht, spannte mich an, als seine Hände mich berührten. Doch ich ließ es geschehen.

Er platzierte mich direkt zwischen seinen Beinen, zog mich an seine Brust, bis mein Kopf darauf lag und schlang beide Arme um mich. Ich erinnerte mich nicht derartig intim mit ihm gewesen zu sein, doch ich genoss den Trost, den er mir spendete. Ich schloss die Augen, zog den Körper eng an mich und lauschte seinem Herzschlag.

Er legte seinen Kopf auf meinen, den einen Arm fest um mich geschlungen, den anderen an meinem Rücken. Ich spürte, wie er mit einzelnen Strähnen meiner Haare spielte.

"Kairi?", flüsterte er so leise, dass ich es beinahe nicht gehört hätte.

"Hmm?", antwortete ich, plötzlich von der Müdigkeit übermannt.

"Alles wird wieder gut."

"Ja."

Ich glaubte ihm. Alles würde wieder gut werden. Ich öffnete die Augen, drehte den Kopf und schaute zu ihm hoch. Und er blickte mich an. Wir schauten uns in die Augen.

Kennt ihr diese Momente, die perfekt für einen ersten Kuss wären? Mondlicht. Alleinsein. Intime Umarmung. Mitten in der Nacht. Es wäre perfekt. Es war romantisch. Es war die perfekte Stimmung. In diesem Moment wollte ich es.
Jongdae zog seine süßen Mundwinkel hoch, die mir so sehr gefielen.

"Ich glaube, du solltest jetzt schlafen gehen."

Und er zerstörte es.


[Das Bild zeigt Jongdae]

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