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Ich wurde durch Jia geweckt, die mir beim Drehen die Hand ins Gesicht schlug. Ich stöhnte auf und schob ihren Arm weg, öffnete aber widerwillig die Augen. Ich hob den Kopf, blickte auf meine Freundin nieder und seufzte.

Sie hatte mich gestern gefragt, ob sie nicht übernachten könnte und ich hatte zugesagt. Und weil sie sich für die Couch zu schade war, schlief sie wie immer mit mir in meinem großen Bett. Obwohl wenn man mit Jia in einem Bett schlief, schien es als würde man es mit einem Elefanten teilen. Sie breitete sich aus, nahm dreimal so viel Platz ein wie es bei ihrer schmalen Statur eigentlich sein sollte und dazu schlief sie unfassbar unruhig.

"Mhmm", grummelte sie, als ich mich aus ihrem Würgegriff befreite und die Beine aus dem Bett schwang.

Wie spät war es? Wir hatten gestern die Rollos nicht zugezogen und daher schien die Vormittagssonne in mein Zimmer und blendete mich direkt im Bett. Ich erhob mich, streckte meine schmerzenden Glieder und gähnte herzhaft.
"Ich mach Frühstück", murmelte ich und wieder kam nur ein Grummeln als Antwort.

Müde tapste ich ins Wohnzimmer, das direkt an die Küche angrenzte. Es war noch ganz ruhig im Haus und meine Geschwister schliefen mit Sicherheit noch.

Dabei erinnerte ich mich an das Gespräch, dass Jia und ich gestern schon bei ausgeschaltetem Licht geführt hatten:

"Jongin oder Jongdae?", hatte sie gefragt.

"Wie bitte?"

"Wen magst du mehr?"

"Ähm... Ich weiß nicht... Wieso fragst du?", hatte ich verwirrt zur Antwort gegeben.

"Mit Jongdae hast du dich den ganzen Abend unterhalten und ihr wart euch die ganze Zeit so nahe. Er hat dich ständig in den Arm genommen."

"Wir sind halt gut befreundet..."

"Komm, Kairi. Läuft da was zwischen euch?"

"Nein! Er ist einfach so, er mag Körperkontakt und ich hab einfach kein Problem damit."

Kurz herrschte Stille.

"Und was ist mit Jongin?"

"Was soll denn mit dem sein? Der hat doch seine Minji."

Vielleicht klang ich etwas zu angefressen.

"Echt jetzt? Bist du eifersüchtig?"

"Nein!"

"Das klang gerade anders."

"Jia, lass mich in Ruhe. Ich will schlafen."

"Komm schon! Ich bin deine beste Freundin, also klär mich gefälligst über dein Liebesleben auf", meckerte sie und ich seufzte resigniert.

"Welches Liebesleben denn", meinte ich frustriert und dann herrschte eine kleine Pause.

"Wann hattest du das letzte Mal Sex?"

"Jia!"

Sie stöhnte, als ich ihr das Kissen ins Gesicht pfefferte und brauchte noch einen Moment um sich wieder an die Oberfläche zu wühlen.

"Du bist nicht der Typ für One Night Stands. Also gehe davon aus, dass du das letzte Mal mit Sungha geschlafen hast", analysierte sie und ich schwieg.

Mit Sungha war ich zusammen gekommen, als ich gerade 19 wurde. Ich lernte ihn in einem Café kennen und verliebte mich wie eine Doofe in ihn. Die Beziehung hielt aber nur ein Jahr, denn er zog nach Japan und nach mehren Versuchen eine Fernbeziehung zu führen, machte er mit mir Schluss. Und mit Allem, was sie sagte, hatte sie Recht. Seit Sungha hatte ich keine Beziehungen mehr gehabt, keinen Sex gehabt, nicht einmal jemand anderen geküsst. Das war nun zwei Jahr her.

"Du solltest langsam damit abgeschlossen haben, findest du nicht?"

"Hab ich doch."

"Dann solltest du vielleicht wieder anfangen dich umzusehen, oder? Auf Dates gehen?"

"Ich hab genug mit der Arbeit zu tun."

Sie schwieg einen Moment.
"Wie praktisch, dass du für die neun wahrscheinlich begehrtesten Männer in Korea arbeitest, allesamt gutaussehend und super nett. Und zwei von denen haben eindeutig Interesse an dir."

"Da hat niemand Interesse an mir. Das bildest du dir in deinem Wahn nur ein!"

"Verarsch mich nicht. Jongdae mag dich und Jongin auch!"

"Nein und nein."

"Doch."

Wir schwiegen uns an wie zwei bockige Kleinkinder, die sich darum stritten, welche Eissorte die leckerste war. Und auch wenn ich stark dagegen argumentierte, ließen ihre Worte meine Gedanken im Kopf kreisen und ich ließ den gesamten Abend Revue passieren um mich an mögliche Momente zu erinnern, die sie meinen könnte.

"Jongin hat den ganzen Abend versucht mit dir Augenkontakt aufzunehmen."

"Jia, lass es einfach", murmelte ich zur Antwort und rollte mich im Bett zu ihr herum.

"Und er hat mir einen Korb gegeben."

Ich hielt kurz die Luft an.
"Korb?"

"Ich wusste, du würdest dich dafür interessieren", meinte sie und ich hörte ihr Grinsen und sofort warf ich ihr wieder das Kissen ins Gesicht.

"Nein, aber ernsthaft. Ich hab ihn gefragt, ob er mal einen Kaffee trinken gehen will und er hat abgelehnt. Er meinte, er hätte zu viel zu tun. Wenigstens war er nett."

"Das tut mir Leid."

Und das war ehrlich gemeint. Ich schlang einen Arm um sie und sie zuckte nur mit den Schultern.
"Ich glaube wirklich, dass er dich mag."

Ich antwortete nicht, sondern schloss die Augen und kuschelte mich an meine beste Freundin. Und dann schlief ich ein.

Zurückblickend auf diese Unterhaltung, wusste ich nicht was ich darüber denken sollte. Ob sie es sich tatsächlich nur eingebildet hatte oder wirklich etwas dran sein könnte.

"Morgen", erklang es und ich fuhr völlig verschreckt zusammen.

Jiho streckte seinen Kopf aus der Küche und ich ging auf ihn zu, küsste ihn auf die Wange und schaute über seine Schulter.

Frühstück. Perfekt.

Ich setzte mich aufs Sofa und schaltete gewohnheitsgemäß den Fernseher ein, während mein Bruder sich wie selbstverständlich neben mich fallen ließ und mir Pfannkuchen reichte. Ich strahlte ihn an.

"Schläft Jia noch? Ich hab euch gestern Abend noch kommen hören."

"Ja, aber du kennst sie ja. Sie ist nun mal ein Langschläfer."

Ich wusste nicht, wie lange ich mit Jiho auf der Couch saß, Pfannkuchen aß und Fernsehen schaute. Es hätte eine halbe Stunde aber auch zwei sein können, jedenfalls kam irgendwann Jia aus dem Zimmer, machte eine Handbewegung und wir schafften etwas Platz für sie und sie warf sich auf den frei gewordenen Sitz zwischen uns.

Kurze Zeit später stellte Jiho sich wieder in die Küche um auch ihr noch zwei Pfannkuchen zu machen, während Jia und ich uns über den gestrigen Abend unterhielten und Weekly Idol* im Fernsehen schauten. Leider war nicht EXO in der bekannten Show zu Besuch, sondern BTS, aber auch diese Gruppe konnte ich relativ gut leiden. Ich war froh, dass Jia nicht noch einmal das Thema von gestern Abend ansprach, schließlich stand Jiho in der Küche und konnte uns hören. Und ich würde ihm nichts erklären wollen...

Irgendwann öffnete sich die Haustür und ich krauste die Stirn. Yoora war noch vor mir wach gewesen? Was war denn mit der los? Hastiges Klackern ihrer High Heels erklang und die Haustür fiel wieder zu, dann stürmte sie mit weit aufgerissenen Augen ins Wohnzimmer und auch Jiho erschien, weil er wissen wollte, was vor sich ging.

"Morgen", meinte ich, doch Yoora starrte mich nur an. "Was ist los?"

"Ich bin heute morgen los um mir die Zeitschrift zu kaufen, in der mein Artikel gedruckt wurde. Und wer hätte das gedacht? Da teile ich mir die Seite doch glatt mit meiner Schwester!"

Sie klatschte mir eine Zeitschrift vor die Nase und ich blickte verwirrt drauf, denn ich hatte noch nicht ganz realisiert, worüber sie sprach. Artikel?

"Seite elf."

Ich rührte mich nicht und so packte Jia die Zeitung, übersprang den ersten Teil und schlug dann die genannte Seite an. Ich blickte zu Yoora, die ihre Hände in die Hüften gestützt hatte und irgendwie wütend wirkte.

"Oh", kam es von Jia. "Kairi, ich glaube wir haben ein Problem."

"Ein Problem?! Ich kann es nicht fassen, dass du mir das nicht erzählt hast!"

Ich verstand nur Bahnhof, doch dann drehte meine Freundin die Zeitschrift um, so dass auch ich reinlesen konnte und ihr Finger zeigte auf einen ganz bestimmten Artikel. Ich starrte drauf, realisierte nicht, was ich vor meinen eigenen Augen sah.

"Das bin ich", stellte ich fest.

Und wie ich das war. Es war ein Bild von mir und Chanyeol unter dem Regenschirm, als wir gestern shoppen gewesen waren und auf dem Bild beugte er sich zu mir herunter. Ich wusste, wieso er das getan hatte: Weil ich so klein war und er mich wegen dem Lärm des Regens und der Menschenmengen nicht hatte verstehen können, doch der Winkel des Fotos schaffte eine völlig neue Situation. Aus diesem Blickwinkel sah es aus, als wolle er mich küssen.

"Das war gestern", stellte ich fest.

Dann laß ich die Überschrift des Artikels: Chanyeol und seine neue Freundin?!

"Woah, also da haben sie aber was falsch verstanden!", meinte ich laut und drückte die Zeitschrift weit von mir weg.
Jia riss sie an sich und laß den Artikel mit großen Augen durch, während Yoora ungeduldig und mit anklagender Miene zu mir herunter schaute.

"Was bist du so sauer? Chanyeol und ich sind Freunde und das Foto ist nur aus einem schlechten Winkel fotografiert! Wir waren gestern zusammen einkaufen, mehr nicht."

Und meine Schwester glaubte mir nicht. Sie drehte sich schnaubend um und ging in ihr Zimmer, die Tür schmiss sie zu wie ein pubertierender Teenager, der Handyverbot hatte.

"Du hast einen Freund?", fragte Jiho leise aus der Küche.

"Nein", antwortete ich bissig und er wirkte dankbar.

Was machten alle so einen Wirbel darum? Und wenn schon, ich war 22 und hatte schon mehrere Freunde gehabt, drei um genau zu sein. Zwar war das hier ein riesiges Missverständnis, trotzdem verwirrte mich das Verhalten meiner Geschwister.

"Gestern wurde Chanyeol mit seiner neuen Freundin in Seoul beim Shoppen beobachtet. Die Beiden schienen sich sehr Nahe zu sein und schon lange zu kennen, auch wenn man sie noch von keinen anderen Fotos der Gruppe kannte. Hat er sie vielleicht auf der letzten Tour kennengelernt oder sind sie bereits länger befreundet? Bisher war nicht bekannt, dass ein Idol aus EXO eine Freundin hätte und auch SM Entertainment zeigte keine Reaktion auf Anfragen zu einem Interview diesbezüglich", las Jia vor.

"SM Entertainment?!", quietschte ich und hielt mir die Hände vor den Mund. "Scheiße."

"Wieso scheiße?", fragte Jiho aus dem Hintergrund.

Ich ließ mich zurück aufs Sofa sinken und bedeckte mein Gesicht mit den Händen. Das konnte doch nicht wahr sein! Die hatten doch nicht wegen einem so bescheurten Bild das Label eingeschaltet?

"Wir dürfen keine Beziehungen zu Kunden haben. Das kann sie ihren Job kosten", murmelte Jia tonlos zur Erklärung, während ich am liebsten in die tiefen Ritzen des Sofas verschwinden und nie wieder zurück kehren würde.

"Das kann doch nicht wahr sein...", murmelte ich.

"Willst du noch einen Pfannkuchen?", fragte Jiho.

"Ich glaube, ich brauche eher einen neuen Job."

"Also damit kann ich nicht dienen. Ich find ja selber nicht mal einen."

Und damit verschwand er in sein Zimmer und ließ mich völlig geschockt zurück. Jia nahm mich in den Arm und riet mir, tief durchzuatmen.

"Hast du dein Handy an? Vielleicht hat Chanyeom geschrieben. Oder der Chef..."

Ich sprang auf, spurtete in mein Zimmer, riss das Handy vom Ladekabel und stürmte wieder zurück ins Wohnzimmer. Es schien Jahrzehnte zu dauern, bis es endlich hoch gefahren war und dann bekam ich die Nachrichten. Klar, hätte man immer mal wieder ein paar Benachrichtigungen auf Twitter oder Instagram, doch das was gerade mit meinem Handy passierte, war mit nichts vorherigem zu vergleichen. Das gesamte Handy wurde überlastet, der Bildschirm wurde kurzzeitig schwarz.

"Fuck", murmelte Jia.

Dann hatte es sich beruhigt und ich starrte geschockt auf die Anzeige. 6400 neue Nachrichten auf Twitter, 3000 Benachrichtigungen auf Instagram. Und zwei SMS.

Ich öffnete die SMSen zuerst, meine Finger zitterten vor Anspannung. Die erste war von Chanyeol.
'Bin mir sicher, du hast es schon gehört. Tut mir Leid für so viel Trubel, ich kläre das.'

Und die zweite war von meiner Agentur.

'Wir müssen reden. Komm Montag um acht ins Büro.'

Mein Kopf war voller Flüche, die ich am liebsten herausgeschrien hätte in diesem Moment, doch ich war noch viel zu geschockt um irgendetwas zu sagen.

Dann machte ich den Fehler und öffnete Twitter. Ich hatte unfassbar viele private Nachrichten und ich war auf tausenden Bildern verlinkt. Ich scrollte durch die Bilder und meistens war es das selbe, dass ich bereits in der Zeitschrift gesehen hatte, doch dann gab es Bilder, wo zusätzlich mein Profilbild von Twitter eingefügt war. Sie hatten meinen Namen heraus gefunden, die Fans. Und hatten mich mit Nachrichten bombardiert. Und diese Nachrichten waren nicht nett.

"Ließ die nicht! Schau, ob es noch irgendetwas Wichtiges gibt!"

Ich folgte ihrem Rat und übersprang die bösen Worte und die Drohungen, bis ich auf ein neues Bild stieß, dass mich kurz zum Stocken brachte. Es war das Bild, das Chanyeol für seinen Instagram Account geschossen hatte und rückblickend betrachtet, war das wohl keine gute Idee gewesen. Auf diesem Bild sah man mein ganzes Gesicht und dass ich bei den Jungs mit im Auto saß, zeigte nur noch mehr, wie nah ich ihnen stand.

Dann kam ein weitere Foto: Ich im Auto vergrößert und daneben ein Ausschnitt von Jongin an irgendeinem Flughafen. Und wir trugen auf den Bildern den gleichen Pullover.

Darauf folgten Spekulationen von wem ich nun die Freundin war und was für ein hinterhältiges Spiel spielte. Mehr als einmal wurde ich eine Schlampe genannt. Und ich konnte gar nicht fassen, was da vor sich ging.

Noch während ich am Handy saß, bekam ich immer neue Nachrichten, Leute kommentierten meine Bilder und verbreiteten neue Gerüchte.

"Ach du heilige Scheiße...", flüsterte ich.

*Weekly Idol ist eine der bekanntesten Shows in Korea, bei dem KPop Stars eingeladen werden um Interviews zu führen und Spiele zu spielen. Auch EXO war der mehrmals zu Besuch.

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