Kapitel 7

Aaliyah's Sicht

"Aaliyah, mach bitte die Tür auf.", ertönt die Stimme meines Bruders Mike, als ich nach dem Krankenhausbesuch Zuhause ankomme und mich einfach nur in meinem Zimmer einschließe.

Den ganzen Tag sehne ich mich schon nach diesem Moment und als ich endlich in meinem Bett liege, merke ich erst, wie erschöpft ich bin.

Die Stimme meines Bruders nervt mich und auch wenn ich weiß, dass er sich entschuldigen will, für heute Nachmittag, möchte ich ihm die Tür nicht öffnen.

Heute ist mir nur wieder bewusst geworden, wie sehr sich mein Bruder doch für mich schämt und ihm jetzt falsch ins Gesicht lächeln, packe ich einfach nicht.

"Verschwinde, Mike.", rufe ich nur und stehe auf, um mich umzuziehen. "Snow, es tut mir leid. Ich habe dich gesehen, aber ich konnte-", "Ich sagte, du sollst verschwinden, Michael.", unterbreche ich ihn, versuche nicht komplett den Verstand zu verlieren, denn nach so einem langen Tag, weiß ich nicht, wie lange mein Fass der Geduld noch braucht, bis es überläuft.

"Bitte, tu dir nichts an, Aaliyah.", sagt er jetzt um einiges ruhiger und ich erstarre als er den Satz beendet.

Natürlich wissen auch meine Brüder von meinen Narben, aber noch nie habe ich mit einem von den dreien, offen darüber gesprochen.

"Verpiss dich, Mike!", schreie ich jetzt und die Tränen rollen meine Wange herunter, noch bevor ich überhaupt realisiere, dass ich weine.

Mein Kopf brummt und ich atme tief durch, bevor ich mir den Pullover vom Kopf ziehe, mir die Hose vom Leib reiße und dann in meinem Pyjama ins Bett schlüpfe.

Der Drang nach der Klinge zu greifen wird abartig und doch halte ich es ganz gut durch und gerade als ich im Land der Träume verschwinden will, klopft es erneut an meiner Tür.

"Aaliyah, ich bin's Nate, mach bitte die Tür auf, Love.", die tiefe Stimme von Nate ist wie ein Beruhigungsmittel und ich bin froh, dass er hier ist.

Er lebt zwar schon seit mehreren Jahren allein, aber er kommt regelmäßig nach Hause, um nach den Rechten zu sehen. Da Dad Chefarzt ist, verbringt er viel Zeit im Krankenhaus und mit den Jahren haben Mike und ich uns an dieses Leben gewöhnt.

Ich erhebe mich nur schwer und irgendwann komme ich dann auch bei der Tür an. Als ich sie öffne, blicke ich in diese bekannten blauen Augen und erneut fällt mir auf, wie hübsch meine Brüder doch sind.

Nate ist am ganzen Körper tätowiert und genau das macht ihn so einzigartig. Zudem ist er zwei Meter groß und durchtrainiert. Er ist der einzige in der Familie mit blauen Augen, welche er von meiner Mutter bekommen hat, während meine anderen Brüder und ich die grünen meines Vaters geerbt haben.

Ich gucke lange in Nate's Gesicht, bevor ich ihm um den Hals falle und erbärmlich das Schluchzen anfange.

"Es ist okay, Love.", flüstert er und streicht über meinen Rücken, was mich sonst beruhigt hätte, doch heute ist einfach zu viel passiert.

"Was hat Mike getan?", fragt er als ich mich von ihm löse und die Ärmel meines Pullovers bis über die Fingerspitzen ziehe.

"Es war nicht nur Mike. Der Tag hat einfach kein Ende genommen und ich bin so erschöpft.", erwidere ich seufzend und setze mich auf mein Bett, während Nate auf meinem Sessel Platz nimmt.

"Warum? Also was hat dich so ausgelaugt?", "Wolf.", antworte ich genervt und gucke Nate in die Augen. "Ein Wolf?", fragt er verwirrt und fährt sich durch die schwarzen Haare. "Nein, der neue Junge in meiner Klasse heißt Wolf. Er ist so - aufdringlich und nervig. Auf der anderen Seite jedoch gefällt es mir auch irgendwie, dass er mir Aufmerksamkeit schenkt, weil das bis jetzt noch kein Junge getan hat, aber mir gefällt nicht, wie er es tut, verstehst du?"

Die Worte verlassen meine Lippen schneller als ich sie selbst überhaupt realisiere.

Ich bin froh, dass es Nate ist, mit dem ich rede und nicht Chuck oder Mike.

Charles hätte mich nicht nur aufgezogen, sondern mich euch Stunden damit genervt. Michael hingegen wäre komplett ausgeflippt, denn ich bin ja seine kleine Schwester, um die er sich kümmern muss. Nathaniel ist einfach der reifste von allen und darüber bin ich froh.

"Jungs in diesem Alter wissen oft nicht, was sie tun, Aaliyah. Sie mögen ein Mädchen und denken, dass sie durch Douchebag-Gehabe an das Mädchen rankommen können. Bei manchen klappt das, leider Gottes, aber es gibt auch Mädchen wie dich, bei denen nicht nur ein paar schöne Worte reichen. Bis er das versteht, wirst du dich noch ein wenig gedulden müssen, denn wie du weißt, sind Männer etwas schwer von Verstand.", erklärt mir mein Bruder und lächelt, bringt auch mich zum Grinsen.

"Und jetzt erzähl schon, was Mike getan hat.", verlangt Nate zu wissen und auch wenn ich Michael nicht verraten möchte, habe ich zu viel Respekt vor Nate.

"Er schämt sich für mich und das ist okay, aber nur weil seine Mätressen mich jedes Mal beleidigen, wenn ich zu ihm will, musste ich heute zu Fuß nach Hause laufen. Er hat mich nicht einmal angerufen oder mich auf dem Weg abgeholt. Ich war erst zwei Stunden später Zuhause und bin zu spät ins Krankenhaus gekommen. Mich nervt nur seine Verantwortungslosigkeit. Er weiß, dass ich kaum Zeit mit den Kindern verbringe, da ist es doch nicht zu viel verlangt, dass er mich dorthin pünktlich fährt, oder?", beschwere ich mich seufzend und doch enttäuschter als ich dachte, bei meinem Bruder, über meinen Bruder.

"Erstmal ist es überhaupt nicht "okay", dass er sich für dich schämt, Aaliyah. Er ist dein Bruder. Mike sollte vor Stolz trotzen, wenn es um dich geht und nicht den Schwanz einziehen. Ich weiß einfach nicht mehr, was ich mit diesem Jungen tun soll.", erwidert Nate verzweifelt und ich bemerke erst jetzt, dass Nate wirklich am Ende seiner Kräfte zu sein scheint, wenn es um Mike geht.

"Ich habe die Vermutung, es liegt an seinen Freunden. Sie sind alle so arrogant und überheblich, denken sie wären die tollsten, dabei können sie nicht einmal einen gescheiten Satz bilden. Ist nur die Beobachtung eines Außenseiters.", meine ich und in dem Moment schlägt Mike die Tür auf.

"Meine Freunde sind nicht arrogant! Du kennst sie nicht einmal, also hat du kein Recht, sie zu verurteilen.", faucht er mich an und der Ausdruck in seinen grünbraunen Augen sagt was ganz anderes.

"Aber sie dürfen über mich urteilen, ach stimmt ja, ich bin so ein Looser, weil ich immer noch Jungfrau bin. Tut mir leid, manchmal vergesse ich das. Ich werde mich nicht auch noch Zuhause von dir fertig machen lassen, Mike, also wenn du nichts positives zu sagen hast, verlass bitte mein Zimmer. Lasst mich einfach beide in Ruhe.", sage ich und die Müdigkeit ist mir regelrecht ins Gesicht geschrieben.

"Wo ist deine Klinge?", fragt Mike streng und blickt mich an.

"Das geht dicht überhaupt nichts an!", fauche ich sauer und nervös.

"Welche Klinge? Aaliyah, ich dachte du hast aufgehört!", schreit Nate aufgebracht und ich zucke plötzlich zusammen.

"Warum lasst ihr mich nicht einfach in Ruhe?!", brülle ich, einfach weil ich keine Ahnung habe, wie ich mich verteidigen soll.

"Weil du uns wichtig bist, Aaliyah. Ich kann nicht auch noch dich verlieren!", ruft Mike und überrascht blicke ich ihn an.

"Du hast mich schon längst verloren, Michael. Jedes Mal, wenn diese Mädchen und deine angeblichen Kumpels mir einen neuen Namen gegeben haben, hast du mich ein weiteres Mal verloren. Ich habe versucht mich an dir festzuhalten, weil wir zusammen aufgewachsen sind, aber ich habe einfach realisiert, dass es sich nicht lohnt, sich an einem sinkenden Schiff Zuflucht zu suchen. Du warst so lange mein Anker aber mit der High School haben wir einander beim Versinken zugeguckt. Also verpiss dich jetzt aus meinem Zimmer und lass mich in Ruhe. Wenn ich mir die Arme aufschlitzen will, dann tue ich das, dich hat es nichts anzugehen.", sage ich streng und als meine Augen durch den Tränenschleier ihre Sicht verlieren, blicke ich schluchzend zu Boden.

"Geh du bitte auch, Nate, mehr Drama schaffe ich heute nicht.", seufze ich und warte bis auch er das Zimmer verlässt bevor ich einfach zusammenbreche.

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