Kapitel 69
Aaliyah's Sicht
Das nervige Vibrieren meines Handys weckt mich mitten in der Nacht und seufzend gucke ich auf den viel zu hellen Display, wo ich den Namen meines Bruders erblicke.
Schlaftrunken und total übermüdet nehme ich ab und steige aus dem Bett, bevor ich das Zimmer verlasse.
Die plötzliche Kälte jagt mir Gänsehaut über den Körper und ich erschaudere kurz, denn ich bin eindeutig viel zu schnell auf den Beinen gewesen.
"Was willst du, Mike?", frage ich angespannt und bis ins Mark genervt.
"Liebst du mich denn überhaupt nicht, Snow? Hasst du mich so sehr?", ertönt die tiefe Stimme meines Bruders und ich höre an jedem Buchstaben, wie betrunken er ist.
Augenblicklich füllt Sorge und Überforderung meinen Körper, sodass ich spüre wie mein Herz langsam in meinem Hals zu schlagen beginnt.
"Was redest du da, Mike?", sage ich nervös, fahre mir durch die Haare.
"Du bist alles was ich noch habe, Snow. Erst habe ich Mum verloren und jetzt verliere ich dich. Ich kann nicht mehr.", seufzt die jüngere Version meines Vaters und Gänsehaut bedeckt meinen Körper.
"Wo bist du, Mike?", frage ich schluckend, betrete langsam wieder das Zimmer, bevor ich in meine Schuhe schlüpfe und mit meinem Autoschlüssel die Wohnung verlasse.
Seit Wochen habe ich nicht mehr so viel mit meinem Bruder gesprochen und natürlich tut es mir weh, aber ich habe es einfach satt, Menschen hinterherzurennen, die mich nicht wollen.
"Keine Ahnung, wen interessiert das auch schon? Du kommst seit Tagen nicht nach Hause und es ist so leer ohne dich. Ich bin so leer ohne dich. Dir ist das nicht bewusst, aber du bist das Licht in mir, Aaliyah. Ich brauche dich.", als ich höre, wie er langsam zu schluchzen beginnt, überkommt mich Panik und ich habe keine Ahnung, wie ich mich in meinem Auto wieder finde.
Er ist betrunken und traurig, niemals könnte ich ihn jetzt allein lassen.
"Wo bist du, ich werde zu dir kommen.", sage ich erneut, versuche irgendwie die Ruhe in meiner zittrigen Stimme beizubehalten.
Noch nie habe ich Mike so erlebt, letztendlich war er für mich immer der kalte, unerreichbare Bruder.
"Keine Ahnung, ich wollte irgendwo Alkohol besorgen und jetzt sitze ich auf dem Parkplatz von irgendeinem Pub.", lallt er mir ins Ohr und seufzend verdrehe ich die Augen.
"In welchem Pub?", frage ich nervös, irgendwo aber auch genervt.
"Bleib bei deinem Freund, Lia. Der kümmert sich sowieso besser um dich als wir.", murmelt er nur, während ich angespannt sein Handy orten lasse.
"Bleib wo du bist, ich hole dich jetzt ab.", sage ich ohne das von ihm gesagte zu beachten.
Ohne ein weiteres Wort lege ich auf, konzentriere mich auf die Straße, doch das ist schwerer als gedacht, denn der Gedanke, dass mein Bruder betrunken auf dem Parkplatz im nirgendwo rumsitzt, lässt mein Herz bluten.
Zudem mache ich mir unheimlich große Sorgen um seinen psychischen Zustand, sowie um die Tatsache, dass wenn ein Polizist ihn findet, er für Minderjähriges Trinken verhaftet wird. Auch mein älterer Bruder ist kein unschuldiger Engel, genau so wie Wolf, aber daran kann und will ich nichts ändern.
Beide waren und sind eben sehr impulsiv und das kann niemand irgendwie stoppen oder abkühlen.
Knapp fünfzehn Minuten brauche ich, bis ich bei dem besagten Pub ankomme und als ich den leeren Parkplatz erreiche, erbliche ich sofort die braunen Haare meines Bruders, was mich mit Erleichterung erfüllt.
Wenn er verschwunden wäre, wüsste ich wirklich nicht, was ich tun sollte.
Besorgt und seufzend steige ich aus dem Wagen, bevor ich auf Mike zulaufe und bereits den Alkohol tief in meiner Nase rieche.
Der Geruch lässt mich nach letzter Nacht erschauern und schluckend starre ich die zwei leeren Flaschen puren Alkohol an.
"Komm Mike, wir fahren jetzt nach Hause.", sage ich ruhig, denn von oben sieht es so aus, als würde er schlafen und falls dem so ist, will ich ihn nicht wecken.
"Warum bist du hergekommen?", fragt er leide, nuschelt schlimmer als ein kleines Kind, das neu Sprechen lernt.
"Um dich nach Hause zu bringen. Steh auf.", verlange ich angespannt und erst jetzt spüre ich, wie die Müdigkeit mich wieder übernimmt.
"Dieses Haus ist nicht mein Zuhause, ohne Mum. Ich hasse es dort. Am liebsten würde ich es abfackeln und Amerika verlassen, aber - dann gibt es ja noch dich.", sagt er plötzlich viel klarer und verständlicher als vorher, wobei die Erwähnung meiner Mutter mir Gänsehaut über den Rücken jagt.
"Du bist betrunken, lass uns nach Hause fahren, Mikey.", sage ich immer noch ruhig, obwohl mein ganzer Körper zittert und meine Brust schmerzt.
"So hast du mich nicht mehr genannt, seit du zehn warst. Muss ich mich jetzt betrinken, damit du mich liebst?", fragt mein Bruder amüsiert, doch in seinem Gesichtsausdruck ist nichts außer purer Schmerz zu sehen.
"Hör auf so einen Bullshit zu reden, Mikey. Ich liebe dich mehr als alles andere auf dieser Welt. Du bist mein Bruder. Wir teilen dasselbe Blut, du gehörst zu mir.", sage ich streng, halte es kaum noch aus und da rollen auch schon die ersten Tränen.
"Du hast dich verändert, Snow. Aber nicht seit Mum's Tod, sondern seitdem du ihn kennst.", erwidert er nur, ohne meine Worte irgendwie auch nur zu beachten.
"Wen?", frage ich verwirrt.
"Wolf. Am Anfang mochte ich ihn nicht, aber als er diese vier Jungs mit einem Baseballschläger verprügelt hat, weil sie dir einen weiteren Spitznamen gegeben haben, da wusste ich, dass er perfekt für dich ist. Du hast es nicht nötig, beschützt zu werden, aber er kümmert sich so um dich, wie wir es nicht auf die Reihe bekommen.", antwortet Mike und ich merke, wie er immer ruhiger zu sprechen beginnt.
Ich bin mir sicher, dass er mit dem Alkohol auch seinen täglichen Joint geraucht hat und deswegen so ist.
Seine Worte hallen lautstark in meinem Kopf und bringen mich zum Nachdenken, doch der Parkplatz eines Pubs ist nicht gerade der perfekte Ort für solche tiefgründigen Gespräche.
"Bitte, lass uns gehen, Mikey. Ich verspreche dir, dass wir morgen, wenn du deinen Rausch ausgeschlafen hast, alles miteinander bereden werden.", "Ich will in Mum's Bett schlafen.", sagt er geschlagen, während er sich erhebt.
Sofort greife ich nach seinem Arm und seufze, als ich mir die Tränen aus dem Gesicht wische und ihm ins Auto helfe.
"Du darfst schlafen, wo du willst.", murmle ich und gebe ihm einen Kuss auf die Stirn, bevor ich ihn anschnalle und die Tür zumache.
Das die Distanz zwischen uns ihn so sehr stört, hätte ich niemals gedacht und wer weiß, wie oft er sich schon wegen mir betrunken hat und ich ihn einfach weggedrückt habe.
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