Kapitel 52

Aaliyah's Sicht

Die Leere die einen Körper füllt, wenn wie aus dem Nichts eine sehr wichtige Person fehlt, ist kaum zu beschreiben.

Es ist wie ein endloses, schwarzes Loch, das mit Schmerz, Wut, Enttäuschung, Sehnsucht und so vielen anderen Emotionen in Verbindung kommt.

Seit fast einer Woche stecke ich nun schon in jenem Loch und jede Stunde scheint wie vier Wochen zu vergehen.

Ich habe keine Ahnung, wo Wolf ist, was zur Hölle mit seiner Mutter passiert ist und warum er sich nicht wenigstens einmal per SMS bei mir gemeldet hat.

Jeden Tag bin ich zu ihm nach Hause gegangen, aber nie hat mir jemand aufgemacht.

Einerseits denke ich, dass er vielleicht einfach nicht mit mir sein will, aber warum sagt er mir das dann nicht?

Ohne irgendwas zu wissen oder überhaupt zu ahnen, sitze ich stundenlang sehnsüchtig wartend in meinem Zimmer mit der Hoffnung, dass ich endlich wieder in seine schönen Augen gucken kann; doch vergeblich.

Nach dem dritten Tag habe ich aufgehört zu weinen, da einfach keine Tränen mehr zum Vergießen vorhanden waren.

Wie ich mich jeden Tag in die Schule geschleppt habe, weiss ich selbst nicht und es ist mir auch ein Rätsel, wie ich in dieser ganzen Wiche jedes Mal heil zuhause angekommen bin.

Da ich niemanden mehr zum Reden habe, bin ich die ganze Woche immer wieder zu Kian ins Krankenhaus gefahren.

Er hat mir zugehört, mich getröstet und mir bis heute immer wieder Mut zugesprochen aber ich kann nicht annähernd so zuversichtlich sein wie er.

Die Ungewissheit über Wolf's Aufenthaltsort und allgemein die Frage, ob er überhaupt wieder zurückkommt, verfolgt mich bis in meine Träume.

Mein Kopf ist schwer und ständig habe ich Migräne.

Die Art wie schwach und erschöpft ich mich fühle, kann ich nicht beschreiben.

Das einzige, was mich wirklich ablenken kann, ist ein Gespräch mit meiner wunderschönen Mutter.

Bei ihrem Grab abgekommen lege ich die weißen Rosen auf den Stein, kann kaum atmen, denn jedes Mal wenn ich an diesem Ort zurückkehre, taucht das Bild von ihrem schrecklichen Tod vor meinen Augen auf.

Was würde ich nicht alles tun, damit sie wieder bei mir ist, doch das ist das Leben. Menschen kommen und gehen; niemand bleibt für immer und manchmal müssen eben Herzen gebrochen werden, damit sie ein anderer heilen kann.

Verzweifelt streiche mir die Haare aus dem Gesicht, lächle schief, während Tränen meine Wangen herunter rollen.

"Hey, Mum.", beginne ich seufzend, ohne zu schluchzen.

"Es tut mr leid, dass ich jetzt erst wieder herkomme, aber es war viel los, die letzten drei Wochen.", fahre ich fort, spiele mit dem Saum meines Pullovers und lese mir währenddessen immer wieder die eingravierten Zahlen auf dem Stein durch.

"Ich liebe ihn, Mum. Er bedeutet mir alles, aber er tut mir so weh. Wie soll ich ihn denn lieben, wenn er vor mir wegläuft und sich nicht aus seinem Käfig begibt? Seit genau neun Tagen hat er nichts von sich hören lassen und ich weiß, dass ab heute auch nichts mehr kommen wird. Aber - es schien so - echt. Alles. Jedes Wort, jede Sekunde, jeder Kuss, jede Träne. Wie kann er ohne auch nur ein Wort einfach so gehen und mich hier zurücklassen? Bin ich der Grund? Habe ich ihn zu sehr eingeengt, ihn zu sehr psychisch belastet? Vielleicht hat er auch einfach genug von diesem ganzen Warten und hat sich jetzt jemanden gesucht, die ihm das geben kann, was er braucht.", schluchze ich verzweifelt und total verloren in den Wellen des Lebens.

"Es sind so viele Fragen in meinem Kopf, Mum und ich bin hier, weil ich einfach weiß, dass du auf alles eine Antwort hast. Du fehlst mir unheimlich, meine Rose und viel zu oft habe ich mit dem Gedanken gespielt, die Klinge senkrecht über meine Arme gleiten zu lassen, damit wir endlich wieder vereint sind."

Mein Herz schmerzt, blutet, weint vor Sehnsucht und am meisten, weil ich einfach nichts dagegen tun kann.

Ich sehne mich nach ihm, aber ich kann den Schmerz den ich wegen ihm erleiden musste, nicht einfach so vergessen.

Wenn ich ihm weiterhin immer einfach so verzeihe, dann wird er sich solche Dinge öfter erlauben, mit dem guten Gewissen, dass ich ihm sowieso wieder vergeben werde.

Nein, das kann er mit der anderen machen, aber nicht mit mir.

Während meines Gedankengangs gucke ich auf die Erde vor dem Stein meiner Mutter, beobachte wie meine Tränen gegen das Marmor prallen und sofort einfrieren. "

"Du hast immer gesagt, dass Liebe etwas tolles ist, aber du hast niemals erwähnt, dass es so sehr weh tut.", schluchze ich angespannt.

"Ich bin so einsam, Mum, ich brauche dich gerade so sehr.", meine Stimme bricht mittendrin und verschämt verstecke ich mein verweintes Gesicht hinter meinen Händen.

Wenn meine Mutter noch da wäre, dann wäre wahrscheinlich alles ganz anders gekommen und ich wäre glücklich; natürlich besteht auch die Möglichkeit, dass ich noch trauriger sein könnte als jetzt.

Als ich mit geschwollenen Augen im Krankenhaus ankomme, halte ich mich nur schwer auf den Beinen, denn es war einfach eine sehr anstrengende Woche.

Ich bin so froh, endlich Wochenende zu haben, denn so kann ich den ganzen Tag in meinem Kummer verschwinden und die Schmerzen genießen ohne Menschen falsch ins Gesicht lächeln zu müssen.

Ohne bei meinem Vater vorbeizuschauen laufe ich in die Station der Kids und höre bereits die lebensfreudigen Lachen der kleinen Menschen, die trotz so viel Leids, so glücklich sind.

Ich fahre mit meinen Händen nochmal über mein Gesicht und betrete dann den großen Spielraum, wo sich sofort alle Augen auf mich richten.

Gerade als ich meinen Blick über die kleinen gleiten lasse, bleibe ich wie angewurzelt an diesem einen Augenpaar hängen und das kristallgrün dieser einzigartigen Iris frisst mich auf, während es mich heilt.

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