Kapitel zwei

"Eun-han, ist alles gut in Seoul? Wir kommen bald wieder, ja?"
An der Stimme meiner Mutter hörte ich, dass sie besorgt war. Sie ließ mich ungern alleine, dabei war ich die meiste Zeit nichtmal zuhause und außerdem war ich schon erwachsen.
"Alles ist gut. Ist alles gut in Busan? Wie gehts Papa?"
"Alles gut. Wir müssen noch einpaar Dinge wegen Oma regeln. Weißt du, ich– Was? Oh. Ja, ja."
"Mama?"
"Sorry, wir müssen weiter. Ich rufe dich später an. Bis dann."
Bevor ich mich von ihr verabschieden konnte legte sie auf. Ich sah noch eine Weile auf mein Smartphone bevor ich es in meine Jackentasche steckte.
Langsam setzte ich mich auf die Parkbank und nahm einen Schluck von meinem Wasser.
"Gelb steht dir gut, es gefällt mir."
"Ich sagte doch, geh lauter!" sagte ich, langsam genervt davon, "Was machst du hier? Gehst du mir hinterher?"
"Hey, nein! Ich warte eigentlich auf jemanden hier. Gehst du mir hinterher?" fragte Yixing und sah mich schmunzelnd an. Sein Grübchen kamen zum Vorschein und ich erwischte mich dabei, wie ich dachte, dass es niedlich aussähe.
"Ja, sicher gehe ich meinem Stalker hinterher."
"Stalker?" er sah mich verwirrt an.
"Die letzten zwei Male kamst du zu Orten wo ich als erstes war und hast mich angesprochen." entgegnete ich.
"Auch wieder wahr. Aber ich stalke dich nicht." sagte er. Wieder bemerkte ich wie sanft seine Stimme war wenn er redete.
Irgendwie war es mir unangenehm, dass er vor mir stand während ich da rumsaß aber ihn darauf hinzuweisen, dass er dich neben mich setzen kann, traute ich mich nicht.
"Du wartest also auf jemanden?"
"Ja."
"Deine Freundin?"
Yixing sah mich plötzlich mit großen Augen an. Weniger schockiert, mehr überrascht.
"Willst du wissen ob ich eine Freundin habe?"
Mein Gesicht errötete aber ich ignorierte es einfach.
"Nein. Ich will einfach nicht, dass du da so komisch rumstehst und schweigst." antwortete ich.
"Ich warte auf Baekhyun, einen Freund von mir. Wir treffen uns hier weil ich eben wo anders war und es näher an dem Ort ist, den Baekhyun besuchen will. " sagte er, "Oh und ich habe keine Freundin." Er lächelte mich breit an beim letzten Satz und setzte sich hin.
"Und du?"
"Ob ich eine Freundin habe?" sagte ich grinsend und überraschenderweise rollte Yixing nicht seine Augen, wie ich es sonst von meinen Freunden so kannte.
"Oder Freund. Ich bin bei sowas ziemlich offen. Hast du einen Partner?" entgegnete er.
"Wer ist jetzt neugierig?"
Kalter Wind wehte und ich zog meinen Mantel enger. Dieses Mal hatte ich meinen Schal nicht vergessen.
"Yixing!" hörte ich eine männliche Stimme rufen. Als ich hoch blickte sah ich vier Jungs auf uns zukommen, ganz vorne der kleinste von ihnen.
Yixing stand auf, ging aber kein Schritt auf sie zu und ließ sie zu ihm kommen.
"Ou, deine Freundin? Warum hast du mir nichts erzählt? Sie sieht niedlich aus." sagte der Junge ganz vorne und sah auf mich und dann wieder zu Yixing.
"Nein, nein. Nur eine gute Freundin. Wohin wolltest du, Baekhyun?"
Der braunhaarige Junge ganz vorne bekam nun einen Namen. Baekhyun.
"Ich wollte mit Baekhyun bowlen gehen aber er sagte es wäre lustiger wenn wir mehr mitnehmen also kommen die anderen auch mit." erklärte ein Junge, der ziemlich groß war und leicht abstehende Ohren hatte, für Baekhyun.
"Vielleicht will deine kleine Freundin auch mit?" fragte Baekhyun und sah mich grinsend an. Vielleicht versah ich mich, aber mir schien es, als hätte er mich an gezwinkerte.
"Es ist lustiger, wenn mehr mitmachen." sagte ein anderer Junge, der neben Baekhyun und dem großen Jungen stand.
Yixing drehte sich zu mir mit einem fragenden Blick. Wahrscheinlich, weil er wissen wollte ob ich mit wollte, immerhin kannte ich weder ihn noch die anderen.
"Komm mit, als Wiedergutmachung für das Foto, was du nicht bekommen konntest?" flüsterte er mir zu. Eine Wiedergutmachung? Ich hatte mich eigentlich schon damit abgefunden, aber einen Tag mal rauszugehen und mit Menschen was zu machen wäre vielleicht nicht allzu schlimm. Und wenn sich doch herausstellen soll, dass sie Perverslinge sind, würde ich einfach zutreten und loslaufen.
"Es wäre schön, wenn ich mitkommen dürfte." antwortete ich und alle vier, und auch Yixing, sahen mich überrascht an. Baekhyun lächelte breit und nickte.
"Gut gut, dann los."

Wie es sich herausstellte hieß 'die anderen' vier weitere Jungen, was neun unbekannte Personen für mich machte.
Yixing stellte mir jeden vor und plötzlich bekamen auch all die anderen Gesichter Namen. Der Große hieß nicht mehr der Große sondern Chanyeol und schien wirklich nett zu sein. Und anscheinend war Chanyeol wirklich gut im bowlen, während Sehun einpaar Probleme hatte. Es war spaßig zuzusehen wie Baekhyun versuchte Sehun zu helfen.
"Du bist also eine gute Freundin von Yixing?" fragte Xiumin, der mich leicht schmunzelnd ansah. Seine Augen sahen so unschuldig und groß aus.
"Nein, nicht wirklich. Ich kenne ihn kaum." erklärte ich und Xiumin nickte nur verstehend, als wäre es normal, dass Yixing eine Unbekannte mitbringt.
"Yixing ist ein netter Junge. Er sorgt sich viel um andere Menschen." informierte mich Xiumin. Anscheinend wollte er, dass ich mich nicht allzu komisch fühle, da ich ja nichts über Yixing weiß.
"Woher kennt ihr euch alle?" fragte ich und sah kurz weg von Xiumin, um zu sehen wie Sehun seine Kugel 'warf'.
"Ah, irgendwie war jeder von uns mit jemandem befreundet und so haben wir uns kennengelernt." Was Xiumin mir erklärte verwirrte mich leicht aber ich redete nicht rein und hörte einfach zu.
"Yixing ist Chinese und nur nach Seoul gekommen, weil er hier studiert. Es fällt ihm schwer koreanisch zu lernen, aber er gibt sich Mühe." sagte Xiumin und sippte an seinem Getränk, "Aber, weißt du was ziemlich komisch ist?"
"Hm?"
"Weißt du, bis eben kannte Yixing nichtmal deinen Namen und bringt dich trotzdem mit." sagte Xiumin und lachte, "Erzähl mir was über dich."
"Ich heiße Park Eun-han." sagte ich spontan, weil mir nichts einfiel.
"Ah, was du nicht sagst, Eunhan-ah." sagte Xiumin grinsend. Er sah soviel jünger aus und doch war er der älteste unter uns.
"Ich, eh, ich fotografiere."
"Fotografieren? Sowas wie Natur? Oder Menschen?"
"Alles was ich schön finde oder eine Bedeutung hat."
"Hast du deine Kamera dabei?" fragte er und ich schüttelte den Kopf, "Weißt du, ich hatte nicht geplant mit neun unbekannten Jungs bowlen zu gehen. Ich wollte mir nur einen Kaffee holen und dann zuhause ein Drama schauen."
Xiumin wollte gerade was sagen, da stand Baekhyun vor mir.
"Eunhan-ah, sitz nicht hier so rum. Spiel eine Runde!"
Baekhyun hatte eine sehr offene und positive Art, ich fühlte mich als würde ich ihn schon Jahre lang kennen.
"Ich bin nicht wirklich gut."
"Ah pff, Kyungsoo hat Chanyeol eben fast ausversehen eine Kugel an den Kopf geworfen."
"Ausversehen?" hörte ich Kyungsoo leise grinsend murmeln, als er eine weitere Kugel nahm und sie perfekt rollen ließ.
"In Ordnung, ich versuch es."
Ich nahm eine blaue Kugel und versuchte sie mit meinen Fingern zu halten. Schwankend ging ich vor, während ich bemerkte wie Chanyeol mich beobachtete.
"Deine Kugel ist glaub ich zu schwer für deine kleinen Hände." erklärte er mir und nahm sie mir vorsichtig ab, "Die Kugeln sind verschieden schwer, weißt du?"
Er gab mir eine grüne, die viel leichter war, und lächelte mich an. Auch er hatte Grübchen. "Versuchs."
Ich nahm ein wenig Anlauf und rollte die Kugel, die daraufhin so gut wie alle Kegel wegschob.
"Woah, Eunhan-ah, du bist gut! Und ich dachte ich müsste dir alles zeigen." sagte Chanyeol und sah mich verblüfft an. Ich drehte mich zu ihm um und grinste breit. Gerade, als ich mich selbst loben wollte, rutschte ich auf der Bahn aus. Ich hatte durch die Freude nicht bemerkt, dass ich sie betreten habe, doch ehe ich mich versehen konnte lag ich auf der Bahn.
Sofort schossen Milliarden Gedanken durch meinen Kopf und ein klares Gefühl: Scham.
Ich wollte mich nichtmal aufsetzen um in die Gesichter von neun lachenden Unbekannten zusehen.
Um ehrlich zu sein, wollte ich nur nachhause.
"Eunhan-ah! Alles okay?"
"Hey, hast du dir wehgetan?"
Plötzlich hörte ich einpaar Stimmen die auf mich einredeten. Yixing packte mich vorsichtig am Arm und zog mich hoch. Als ich wieder stand hielt er mich fest, damit ich langsam von der Bahn runtergehen konnte.
"Alles in Ordnung?" fragte Suho und sah mich mit besorgten Augen an, "Hast du dich irgendwie verletzt?"
Ich schüttelte den Kopf und lächelte milde, damit sie nicht so besorgt waren.
Yixing hielt mich immer noch im Arm, obwohl ich schon von der Bahn runter war. Er sah mich nichtmal an, oder sagte was. Er tat so als wäre es das normalste der Welt, was es für ihn vielleicht sogar war.
"Oi, Yixing, hilf ihr sich hinzusetzen." forderte Suho ihn auf.
Er ging mit mir zur Sitzbank und setzte sich dann neben mich.
Erst nach einpaar Minuten sagte er endlich was.
"Hast du dir wehgetan?" fragte er und sah mich von der Seite an. Sein Gesicht trug nicht wie üblich ein Lächeln und irgendwie war das beunruhigend.
"Nein. Mir tut nur etwas der Kopf weh."
"Bist du auf den Kopf gefallen?"
"Nein, nein! Ich habe Kopfschmerzen von meiner eigenen Dummheit bekommen." lachte ich und Yixing schmunzelte etwas.
"Möchtest du nachhause?" fragte er, "Vielleicht wäre es besser, wenn du dich hinlegst."
"Oh ja, sie sollte sich hinlegen. Bring sie nachhause, Yixing." sagte Xiumin, der neben mir saß.

Während des ganzen nachhause Weges hielt Yixing meinen Arm um seinen Nacken, wohlmöglich weil er Angst hatte, dass ich durch den möglichen Kopfsturz irgendwelche Schäden haben könnte. Jedoch sah das etwas merkwürdig aus, da er bestimmt zehn Zentimeter größer war als ich.
"Ich kann normal gehen, Yixing. Ich bin ja nichtmal umgefallen." erklärte ich ihm und erntete nur ein Schmunzeln.
"He, warum schmunzelst du? Ich kann gehen, Yixing, nimm mich–"
"Shh, ich weiß." sagte er plötzlich zu meiner Überraschung.
"Was?"
"Ich weiß, dass du gehen kannst." erklärte er.
"Aber warum hältst du meinen Arm weiterhin so?"
"Weil es angenehm so ist. Also lass mich dich einfach sicher nachhause bringen und dann lass ich dich für immer inruhe."
"Für immer? Und ehe ich mich versehe, kommst du wieder angeschlichen, nicht wahr?" konterte ich lächelnd.
Ich nahm meine Schlüssel aus der Tasche und schloss auf. Er begleitete mich hoch bis ich mich auf die Couch in unserer Wohnung setzte.
Yixing tat zwar so als würde er alles rund um sich ausblenden um nicht unhöflich zu wirken, aber ich merkte, dass er neugierig war.
"Du kannst dir ruhig alles ansehen." sagte ich und stand nochmal auf um in die Küche zu gehen.
Yixing beobachtete mich bis ich in der Küche verschwand.
"Möchtest du was trinken?" fragte ich und er bejahte dies.
Ich brachte ihm ebenfalls ein Glas Wasser und setzte mich wieder. Seine Augen wanderten von einer Wand zur anderen. Er sah sich die vielen Bilder an während er an seinem Wasser nippte.
"Tut mir leid, übrigens." sagte er, gerade als er sich ein Foto ansah was ich in Japan vor drei Jahren schoss.
"Was tut dir leid?"
"Das mit deinem Bild, das ich dich mitgenommen habe und du dann hingefallen bist." erklärte er.
"Ist schon gut. Ich werde schon was finden, was ich fotografieren kann. Außerdem hat es mir wirklich Spaß gemacht. Deine Freunde sind wirklich nett."
"Ja, das sind sie. Sie sind wie eine Familie für mich." sagte er und sah mich wieder an, "Lebst du alleine hier?"
"Nein." entgegnete ich.
"Mit deinem Freund?" sagte Yixing und klang etwas geschockt.
Ich warf ihn mit einem Kissen ab, "Was für ein Freund?"
"Sagtest du nicht, dass du ein Freund hast?" Er hob das Kissen vom Boden auf und legte es wieder auf die Couch.
"Nein." antwortete ich woraufhin Yixing leicht grinste.
"Gut." sein Grinsen wurde breiter, "Eunhan-ah, hab eine gute Nacht."
Er winkte mir nochmal zu und ging dann aus der Tür raus.
Gut?

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