Kapitel drei
Fünf Tage lang hörte und sah ich nichts von Yixing. Er antwortete nicht auf meine Nachrichten und ab dem dritten Tag fing ich an wütend zu werden.
Es war eine Sache später zu antworten, aber überhaupt nicht zu antworten war einfach nur unhöflich. An einem Punkt an fragte ich mich warum ich überhaupt wütend wurde - wir waren ja nichtmal wirklich befreundet. Also was wollte ich schon?
Ich lag auf dem Boden und starrte den Fernseher an, während ich gerade nachdachte, was ich schauen könnte. Gefühlt hatte ich so gut wie alle Dramen, die ich schauen wollte, durch. Ehrlich gesagt, waren Dramen das einzig' spannende in meinem Leben weshalb ich wirklich daran hing.
"Aish, du hast W nicht zu Ende geschaut!" sagte ich zu mir selber aber bewegte mich trotzdem kein Zentimeter. Meine Faulheit war angestiegen und meine Motivation war gesunken. Der Fakt, dass ich auch noch zwei Wochen frei hatte macht es schlimmer. Ich würde wahrscheinlich für die nächsten zwei Wochen auf dem Boden rumliegen.
Plötzlich klingelte es an der Tür und in solchen Momenten vermisste ich meinen kleinen Bruder. Ihn hätte ich schicken können. Jetzt musste ich mich erstmal vom Boden hochkriegen und zur Tür gehen.
Ich öffnete einfach unten und machte die Tür oben auf und legte mich wieder auf den Boden, in der Hoffnung, dass es Unnie war die mich von meiner Langweile retten wollte.
"Aiyo, lieg nicht auf dem Boden." Er schloss die Tür hinter sich und zog seine Schuhe aus.
"Yah, Yixing, was soll das?"
Er setzte sich neben mich auf den Boden und hob eine weiße Plastiktüte hoch.
"Ich habe Ramen dabei."
"Was?"
"Ich hatte die letzten Tage Stress das Projekt fertig zu stellen, aber jetzt haben wir Herbstferien und da dachte ich mir, ich sehe mal nach dir immerhin hast du dir ja ganz schön wehgetan." erklärte er und lächelte. Ich erinnerte mich an meine blauen Flecken die meinen Rücken verzierten, als er da sagte.
"Yixing, ich habe dir geschrieben. Warum antwortest du mir nicht?"
Er lachte auf.
"Yah, Eunhan-ah, bin ich dein Freund oder was? Ich hatte zutun, tut mir leid, dass ich dir nicht geschrieben habe."
"Hab ich gesagt, dass du mein Freund bist?" sagte ich und hob meine Faust, woraufhin er seine Hände schützend hob.
"Tut mir leid. Bitte, nimm meine Ramen an." Er verbeugte sich leicht und hob die Instant Ramen in die Luft.
"Fein. Setz dich, ich koch sie schnell." gab ich nach mit knurrendem Magen und er setzte sich auf die Couch während er mit neugierigen Blick rumschaute.
Ich ließ das Wasser kochen und tippte ungeduldig auf dem Teil der Platte, der nicht erhitzt war, herum.
Als ich die Ramen fertig gekocht hatte, stellte ich sie auf den Wohnzimmertisch und holte die Stäbchen. Yixing setzte sich auf den Boden um besser zu essen, und ich setzte mich an die gegenüberliegende Seite des Tisches.
"Isst du nicht?" fragte er und drückte mir Stäbchen in die Hand.
"Ich wollte eigentlich nicht–"
"Iss, los." sagte er und fing an, während er das Wohnzimmer weiter musterte. Er sog die Luft scharf ein, als er anfing zu essen, da es noch zu warm war aber das störte ihn nach einpaar Sekunden eher weniger und er aß einfach weiter.
"Schaust du Dramen oft?" sagte er, als er meine Sammlung von DVD's sah, die unter dem Fernseher standen.
"Ja."
"Warum?"
"Ich mag sie. Die Geschichten sind gut." erklärte ich und aß auch etwas von den Nudeln. Ich nahm, dass sie abgekühlt wären, aber der Schmerz in meiner Zunge sagte etwas anderes.
"Alles gut?" Yixing legte die Stäbchen auf den Tisch und stand auf, "Soll ich dir was zu trinken bringen?"
Ich nickte leicht, woraufhin ich ihm sagte wo das Wasser stand, und er brachte mir ein Glas und setzte sich neben mich.
"Ist wieder alles gut?"
"Es tut nicht mehr so weh aber ich werde wahrscheinlich die nächsten Stunden nichts schmecken." erklärte ich und setzte das Glas ab.
"Ist in Ordnung. Ich werd es dir beschreiben wie es schmeckt." Er nahm seine Stäbchen und aß wieder etwas von den Ramen, "Sie schmecken.. sehr gut."
Ich lachte wegen der detaillierten Beschreibung von Yixing und er grinste nur als Antwort.
"Also, was schaust du so für Dramen? Was für ein Genre?"
"Meistens Liebesdramen." erklärte ich und trank etwas vom Wasser, weil mein Hunger vergangen war.
Er nickte und setzte seine Stäbchen endgültig ab.
"Du solltest dich fertig machen, ich will heute all für einmal meine Schuld begleichen."
"Was?"
"Zieh dich einfach um. Oder, warte, dein Pyjama ist wirklich niedlich." sagte er belustigt und ich seufzte.
"Yah, Yixing, machst du dich lustig über meinen Bärchen Pyjama?"
"Nein, nein. Er ist wirklich niedlich." sagte er und hob seine Hände in die Luft, "Ich meine es ernst."
—
Yixing ging mit mir spazieren. Er bat mich meine Kamera mitzunehmen woraufhin ich einfach nachgab und sie um meinen Hals hängte. Während wir die Straße runter gingen redeten wir kaum jedoch war die Stille zwischen uns nicht unangenehm. Wir bogen nach links ab und Yixing blieb stehen.
"Mach ein Foto." sagte er ganz plötzlich. Verwirrt sah ich ihn an. Ohne wirklich viel nachzudenken, hob ich meine Kamera und schoss ein Foto von ihm. Er sah mich überrascht an, während seine Wangen etwas erröteten und räusperte sich.
"Ich meinte.. von der Aussicht hier. Es ist nebelig aber man sieht, wie die Sonne versucht sich durchzukämpfen und–" Er stoppte sich selbst und sein Blick verriet mir, dass er versuchte herauszufinden, was ich dachte.
"–und die Wolkenkratzer im Hintergrund machen das Bild noch bedeutender." fügte ich hinzu und schoss einpaar Fotos von verschiedenen Blickwinkeln, in verschiedenen Einstellungen.
Nach bestimmt neun Minuten stellte ich mich wieder hin und erwartete einen gelangweilten Yixing, jedoch blickte ich nur in seine lächelnden Augen als er mich fragte, ob ich fertig mit dem Motiv sei.
Als ich leicht nickte, schob er mich leicht mit seiner Hand um zu zeigen, wohin wir gehen.
"Heute morgen habe ich gesehen, dass es nebelig ist. Ich wollte unbedingt, dass du ein Foto davon bekommst." erklärte er mir als wir weiter gingen.
Es machte mich auf eine Art und Weise glücklich, dass er direkt an mich gedacht hatte, damit ich doch noch ein gutes Foto bekommen würde.
Irgendwann fing er an mich, ab und zu, zu fragen ob ich ein Foto von ihm machen könnte. Er sagte, dass es sein könnte, das ich berühmt werde und dann könnte er damit prahlen, dass ich ich fotografiert habe.
Es war eine Abwechslung für mich gewesen Menschen zu fotografieren, denn meistens war es anstrengend eine Person zu befriedigen wenn man sie fotografierte, da die meisten sehr skeptisch waren und oft die Fotos nicht mochten.
Doch Yixing posierte nur und lachte mich oder die Kamera an. Ihn kümmerte es wenig, ob er gut aussah oder das Bild perfekt war, für ihn ging es um den Moment. Mit ihm machte es mir Spaß, Menschen zu fotografieren. Mir machte es Spaß ihn zu fotografieren.
—
"Hier." sagte Yixing und setzte sich neben mich auf die Bank.
"Woah, woher hast du die?" fragte ich und nahm meinen Bungeoppang in die Hand.
"Glaubst du mir, dass ich das noch nie zuvor gegessen habe? Aber ich habe sie eben gesehen und ich fand ihre Fischform cool. Iss." sagte er. Ich gab ihm meine Kamera damit ich essen konnte und als ich fertig war, bot er mir seins an.
"Nein, du hast es noch nie gegessen." lehnte ich ab.
"Ich habe jedoch viel mehr Ramen als du gegessen. Bitte, iss es auf." sagte er und gab mir die kleine Tüte. Seufzend nahm ich es an und biss rein. Sie waren wirklich gut, so gut, dass ich meine volle Konzentration auf sie legte. Ganz plötzlich hörte ich ein Fotogeräusch und richtete direkt meine Augen auf Yixing.
"Hast du gerade ein Foto von mir gemacht?" sagte ich und er nickte.
"Yixing– Ugh, nein, nein. Bitte, ich sehe schrecklich aus." entgegnete ich und verschlang den letzten Bissen meines Fischbrötchens.
"Nein." sagte er und hob die Kamera, "Sieh mal wie niedlich du aussiehst."
"Yah, Yixing–"
"Schau mal, so niedlich!" sagte er und grinste dabei breit. Genervt vergrub ich mein Gesicht in meinem Schal und seufzte.
"Nervt es dich wirklich so sehr, wenn ich Bilder von dir mache? Tut mir leid."
"Nein, nein. Ist in Ordnung. Wenn ich später die Bilder ansehe, kann ich es ja immer noch löschen." beruhigte ich ihn damit er sich nicht schlecht fühlte.
—
Wir gingen langsam durch den Park und beobachteten die rot-gelben Blätter wie sie auf den Boden fielen. Während des Gehens schob ich einpaar mit meinen Füßen weg. "Weißt du, noch nie war ein Herbst so kalt wie dieses Jahr.. jedenfalls habe ich es nicht in Erinnerung."
Yixing richtete sein Blick von dem Boden, der mit den Blättern bedeckt war, auf mich.
"Tatsächlich? Ich lebe erst seit fast zwei Jahren hier."
"Zwei Jahre? Wie kommt es, dass ich dich nie gesehen habe?"
Er fing an breit zu grinsen.
"Du tust so, als wäre Seoul ein winziger Ort. Ich war mal hier und dort während du dort und hier warst." erklärte er. Was er sagte, war merkwürdig formuliert und leicht verwirrend aber ich verstand was er meinte. Sein koreanisch war nicht das beste, aber er gab sich Mühe und selbst wenn er Fehler machte, bemerkte er es meistens nicht mal.
"Zwei Jahre und du kannst so gut koreanisch sprechen?" fragte ich und spielte sehr überrascht, dabei hatte mir Baekhyun schon erzählt, dass er und die anderen Yixing am Anfang sehr viel helfen musste.
"Glücklicherweise habe ich sofort Freunde gefunden die mir geholfen haben." erzählte er, "Hast du viele Freunde?"
"Viele Freunde? Eher nicht. Nein." Ich machte eine kurze Denkpause und zählte an meinen Fingern ab, wen ich als Freund zählte und wen nicht. Meine Definition von Freunden war anscheinend anders als die von anderen Menschen.
Yixing umschloss meine Hand, mit der ich die Freunde gerade abzählte, mit seiner.
"Woah, woah, deine Hände sind eiskalt. Schau, wie rot sie sind."
"Yixing–"
Bevor ich meinen Satz beenden konnte, schloss er wieder an der Freundschaftssache an.
"Ich hoffe du zählst du mich als Freund. Ansonsten wäre diese Hand-Wärme-Sache etwas komisch."
"Ja." murmelte ich.
"Ich bin dein Freund, der sich um deine Hände sorgt." sagte er mit einem kleinen Lächeln und ich bemerkte, dass seine Ohren leicht rot waren durch die Kälte.
"Mit dir.. wären es.. dann vier Freunde." sagte ich leiser als gewollt.
"Weißt du, man braucht nichtmal viele Freunde. Im Leben braucht man ein, vielleicht zwei Personen denen man alles anvertrauen kann. Eine Person, die immer da ist, weißt du? Wenn du sowas hast, dann brauchst du auch nichts mehr." Wahrscheinlich dachte er, dass es mir unangenehm war nicht soviel Freunde zu haben, aber das war es nicht. Als kleines Kind wurde mir bewusst, dass es mir schwerfiel Menschen nah zu kommen und Freundschaften zu schließen. Und da andere Menschen das selbe Problem hatten, blieb ich sehr oft alleine.
Ich aß alleine, ich spielte alleine, ich ging raus alleine, ich war allein. Aber das war kein Problem denn es war normal für mich. Deshalb fühlten sich meine Eltern nicht so schrecklich, nach Busan zu gehen und mich hier zu lassen.
Mir ging es gut.
Yixing riss mich aus meinen Gedanken, als er meine Hand zog und los ging.
"Warte.. wohin gehen wir?"
"Bevor ich dich nachhause bringe sollte ich dir was warmes zu trinken besorgen." sagte er.
Ich kämpfte nichtmal dagegen an. Komischerweise wollte ich mit ihm noch mehr Zeit verbringen, ihn mehr kennenlernen und mehr mit ihm reden. Um ihn herum fühlte ich mich wohl, als wäre er schon seit Jahren mit mir befreundet. Vielleicht würde er ja dieser eine Freund sein den ich brauchte. Vielleicht würde ich nicht mehr allein sein.
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