Ein Märchen in Scharlachrot
Boah keine Ahnung Mann.
Ich bin halt dumm ne.
Aber wenigstens ist das Moriarty the Patriot Cover für dieses Buch jetzt Mal gerechtfertigt. Es ist zwar eher ne Sherlock Holmes FF, aber stellt euch die Charaktere im MtP, also Anime Style vor, dann ist es weniger Cringe.
Außerdem gibt es BBC Anspielungen.
Und Hobbit Anspielungen.
Yeah let me just add some Tags:
#teenlock
#großgeratenerhobbit
#eurusistausnahmsweisekeinpsycho
#idkiwrotethisinsteadofsleeping
#johnlock
#sherliam
#albertxmycroft
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Ich möchte euch ein Märchen erzählen.
Wobei das wahrscheinlich der falsch Ansatz ist.
Richtig wäre wohl, es war ein Mal vor langer Zeit, ja sogar vor sehr langer Zeit, da regierte eine Familie über England, die sonderbarer nicht sein konnte. Die Eltern, der König und die Königin, waren normale Menschen, die von Gott auserwählt wurden über ihr Land zu herrschen, doch ihren Kindern wurde unterstellt Wechelbälger zu sein, also Kinder, die gegen Teufelsbrut eingetauscht und den ahnungslosen Eltern in die Wiege gelegt wurden. Es begann mit Mycroft, den ältesten Sohn, der da war so intelligent, dass er seine Privatlehrer belehrte und alles mit einem Blick durchschaute. Das war den Leuten nicht geheuer und sie sagten dem Jungen nach vom Teufel besessen zu sein. Wäre er kein Prinz, man hätte ihn, genau wie viele Andere, lichterloh brennen lassen.
Doch damit nicht genug, denn gerade Mal acht Jahre nach seiner Geburt kam Sherlock zur Welt und schon nach wenigen Jahren zeigte er die selben erschreckenden Fähigkeiten wie sein Bruder. Die Wahrheit ist, dass keiner dieser Jungen verflucht, verhext oder vom Teufel geführt war, sie waren einfach nur schlauer als die meisten Menschen ihrer Zeit und vermutlich auch unserer Zeit. Wenn sie einem sagten, wo man sich am Vortag aufgehalten hat, dann nicht, weil sie von schwarzer Magie Gebrauch machten, sondern weil sie beobachteten.
Ja, sie beobachteten auch wie ihre Mutter starb, erkannten die Anzeichen früher als jeder Medicus im Palast, doch jede Hilfe kam zu spät und die Königin verstarb. So ist das nämlich in Märchen - Es gibt meistens nur ein Elternteil und wenn es doch zwei gibt, muss eines nun Mal sterben. Außer in Hänsel und Gretel vielleicht, doch das ist eine andere Geschichte. Sherlock und Mycroft würden außerdem niemals eine Spur aus Brotkrumen legen, sondern sich den Weg einfach einprägen, so wie alles andere auch. So wie den Anblick der letzten Atemzüge ihrer Mutter.
Nun wäre es Zeit für die böse Stiefmutter, könnte man meinen, doch in diesem Märchen läuft einiges anders. Der König hatte eine Mätresse, zwei Jahre nach Sherlocks Geburt, und diese Mätresse gebar ein Mädchen, Sherlock und Mycrofts uneheliche Halbschwester von der niemand etwas wissen sollte. Dieses Kind war noch unheimlicher als ihre großen Brüder, so seltsam und apathisch in ihrer ganzen Verhaltensweise, das man bei ihr doch vermuten könnte, dass der Teufel seine Finger im Spiel hat. Ihr Name war Eurus und der König fürchtete sich so sehr vor ihr, dass er auf keinen Fall mit ihr in Verbindung gebracht werden wollte. Nicht mit diesem Wechselbalg, nicht nach dem Fehler den er begann, als er das Bett mit einer Anderen als seiner Gemahlin teilte.
Doch jemand erfuhr von Eurus und ihrer Herkunft. Dieser Jemand besaß den Mut und die Dreistigkeit zum König zu gehen und folgendes zu sprechen:
„Euer Majestät, mein Name ist August Milverton und ich komme mit einem wichtigen Anliegen zu Euch. Ich weiß über Euer uneheliches Kind bescheid, das noch viel dämonischer und obszöner ist, als es Eure Söhne je sein werden und sollte das Volk jemals herausfinden, dass ihr König von Gott und dem Teufel mit drei Wechselbälgern gestraft wurde, werden Sie ihn und seine Nachkommen als unwürdig betrachten. Sie werden Euch vom Thron stürzen, Euch und Eure Kinder abschlachten und Eure gesamte Blutlinie auslöschen. Solltet Ihr aber mir die Krone überlassen und Euch ins Exil begeben, verspreche ich Euch kein Wort über Eurus zu verlieren und die Prinzen auf die Thronfolge vorzubereiten. Auf die Weise kann ich regieren, doch Eure Blutlinie wird fortbestehen. Klingt nach einem fairen Deal, oder?"
Der König war geschockt und er suchte nach einem Weg einem Desaster zu umgehen. Selbst Eurus zu töten war einer seine Überlegungen, doch als er sein Schwert griff und er sich vorstellte das kleine Herz seiner Tochter damit zu durchbohren, wurde ihm ganz mulmig. Vielleicht war sie wirklich ein Werk des Teufels, doch sie war sein Fleisch und Blut und er konnte es nicht tun.
Er verschwand in einer Nacht und Nebel Aktion, ohne dass jemand wusste, wohin er ging. Alles was die Leute wussten war, dass er August zu seinem Nachfolger erklärte, bis Mycroft alt genug zum regieren war.
Jedenfalls bis auch er verschwand.
Ihr dürft nicht vergessen, es ist ein Märchen. Am Anfang wird eine glückliche Familie solange zerstückelt, bis nur noch der Held der Geschichte und sein Feind übrig blieben und Mycroft ist nicht der Held dieser Geschichte, also musste er gehen. Allerdings nicht um Prinzessinen aus Türmen zu befreien, so wie andere Märchenprinzen, das ist nämlich nicht so sein Ding, sondern um jemanden zu suchen. Mycroft hat seine Eltern früh verloren und Augusts diktatorischer Regierungsstyle raubte ihm die Luft zum atmen, also ging er, als Sherlock gerade Mal acht Jahre alt und plötzlich der neue Kronprinz seines Landes war. Mycroft verabschiedete sich nicht Mal, er war einfach weg.
Da waren sie also, der Held und der Bösewicht dieses Märchens. Doch August war kein Superschurke, der den Helden sofort los werden wollte, er ignorierte ihn einfach. Sherlock war acht Jahre alt, still und gut darin sich selbst zu beschäftigen. Der neue König störte sich nicht an dem Jungen und fand sich mit den Gedanken ab, dass er dem jungen Prinzen halt eines Tages seine Krone überlassen und sich in einem stattlichen Landsitz in Wales niederlassen würde. Nein, schuld daran, dass August zu einem blutrünstigen Bösewichten wurde, war seine Gier nach Macht, dem Gefühl allen anderen überlegen zu sein und die Tatsache, dass jeder Tag seiner Regentschaft den Gedanken eines Tages an Sherlock abzutreten unerträglicher machte.
Jahre gingen in's Land und mit jedem weiteren Tag wuchs Sherlocks Wissensdurst. Er verkroch sich in die Bibliothek und förderte, was bei ihm und seinen Geschwistern schon immer sehr ausgeprägt und gefürchtet war - Seine Intelligenz. Er war fünfzehn, als seine Kompetenzen die von August überragten, der da noch weniger alles an dieses unheimlich schlaue Kind verlieren wollte.
Einen Ausweg, den gebe es da, so riskant er auch sein mochte.
Es würde ihm ja doch keine Ruhe lassen und niemand würde ihm etwas nachsagen können, wenn er jemand anderen die Drecksarbeit erledigen lies.
Und ehe er wusste was er tat, lies er den Jäger rufen, ein junger, ehrgeiziger Bursche, Lestrade hieß er. George oder Garfield oder Geritt Lestrade, aber was spielt sein Name schon für eine große Rolle. August wusste nur eins - Dieser Mann würde Sherlock den Tod bringen oder selber sterben.
„Entschuldigt Euer Majestät, ich fürchte ich habe Euch nicht ganz richtig verstanden. Bitte widerholt Euch, denn ich glaube kaum zu dem in der Lage zu sein was Ihr von mir verlangt, sollte ich mich nicht verhört haben“, sagte der Jäger langsam und respektvoll, doch seine Stimme klang scharf und sogar ein klein wenig drohend. Das gefiel August gar nicht. „Ich habe gesagt, du sollst den Prinzen in den Wald bringen und dich dort seiner entledigen. Er kann sich nicht Mal deinen Namen merken, also wo ist das Problem?“
Natürlich gab es ein Problem, denn Sherlock war eine Plage. Er hatte die Fähigkeit so unsympathisch zu wirken, dass jeder gerne jetzt an Georges Stelle stehen würde, um ihn den Dolch durch die vor Arroganz angeschwollene Brust zu stoßen, doch ausgerechnet der Jäger machte sich nicht viel aus den Unverschämtheiten seines Prinzen. Im Gegenteil, er hatte Gefallen daran gefunden sich die schlauen Schlussfolgerungen anzuhören, auch auf die Gefahr hin beleidigt zu werden und ja, er genoss es, wenn er vom Weiten mit dem falschen Namen angesprochen wurde und doch wusste, dass er gemeint war. All das wusste auch August und deswegen hatte er den Jäger ausgewählt, um den Prinzen zu ermorden. Der Moment, in dem man das Messer in den Rücken gestoßen bekommt, ist bloß ein kurzweiliger Schreck.
Viel schlimmer ist der Moment, in dem man sich umdreht und sieht, wer das Messer hält.
„Der alte König lebt im Exil“, sagt Geritt langezogen, „Ex Kronprinz Mycroft ist längst über alle Berge.“ Er kommt August einen Schritt näher. „Die Königin ist tot und irgendwo gibt es wohl eine illegitime Prinzessin, die durch ihre bloße Herkunft niemals als Regentin akzeptiert werden würde.“ Nun standen sie sich ganz Nahe, doch der König zuckte nicht Mal mit der Wimper, „als der König ging, verspracht Ihr ihm, dass eines seiner Kinder nach Euch herrschen wird und der Einzige der diesen Wunsch jetzt noch erfüllen kann ist Sherlock. Tötet Ihr ihn, tötet Ihr auch die Zukunft dieses Landes und ich werde nicht dabei helfen, indem ich mir in Euren Namen die Hände schmutzig mache.“
Der König schnappte nach Luft, entsetzt über diese Dreistigkeit. „Ich mache dir einen Vorschlag, George“, zische er, „du gehst mit Sherlock in den Wald spazieren, damit ihr Beide mal einen freien Kopf bekommt. Solltest du ihn lebendig und unbeschadet zurück an den Hof bringen, lasse ich nicht nur dich, sondern deine ganze Familie dran glauben.“ August legte eine Pause ein, um die Wirkung seiner Worte einsinken zu lassen. Gareth starrte ihn fassunglos und verzweifelt an, genauso wie August es am meisten genoss. „Solltest du ihm aber stattdessen sein Herz aus der Brust schneiden und es mir als Beweis zurück bringen, wirst du reich entlohnt und ich lasse die Finger von deiner Verwandtschaft. Aber im Wald wirst du genug Zeit haben dir darüber Gedanken zu machen.“
Es dauerte einige Sekunden bis George begriff, dass das alles gerade wirklich passierte und seine Moralvorstellung auf eine Probe gestellt wurde, wie noch nie zuvor. „Nun gut, ich bringe ihn in den Wald und werde dann gucken was sich machen lässt, aber Ihr solltet seine Haltung mir gegenüber nicht davon abhängig machen, ob er sich an meinen Namen erinnert, wenn Ihr es selber nicht könnt. Ich heiße Greg, nicht George!“
Und noch bevor August zu einer schnippischen Antwort ansetzen konnte, verlies George den Saal.
Es war nicht schwierig Sherlock für Ausflüge zu begeistern, wenn man ihn nur in der richtigen Stimmung traf. Es gab Tage, da formte er einen Kokon aus Decken um sich, dachte nach, sprach mit niemanden und weigerte sich seine Gemächer zu verlassen, doch es gab auch Tage an denen er vor Lebensenergie nur so strotzte und in genau dieser Laune traf der Jäger ihn auf den Gängen des Palastes an. „Du kommst heute mit auf die Jagd und wir gehen nicht zurück, eher du nicht mindestens drei Rehe geschossen hast“, sagte er beiläufig und drückte dem Jungen eine Armbrust in die Hand, ohne auch nur den Anschein zu erwecken, dass Widerreden erwünscht waren. „Oh schon? Das Bogenschießen Training läuft aber noch nicht so gut. Sebastian sagt ich muss an meiner Treffsicherheit üben“, gab der Schwarzhaarige zu bedenken, doch ein Funkeln in seinen Augen, als er die Armbrust ansah, sagte Greg eindeutig, dass Sherlock einen Pfiff auf Sebastians Worte gab und nichts lieber tun würde, als ihn auf diesen Ausflug zu begleiten. „Das schlimmste was passieren kann ist, dass du nicht triffst und in der Natur schießt es sich besser als im Schlossgarten. Jetzt zieh dich um und sei in 20 Minuten unten, sonst müssen wir im Wald übernachten.“ Das lies Sherlock sich nicht zwei Mal sagen und noch während er um die Ecke bog, tastete der Jäger schweren Herzens nach dem Dolch an seinem schweren Ledergürtel. Sherlock war ein Mistkerl, aber dennoch nur ein Kind. Er würde Kinderblut an den Fingern kleben haben.
Tagsüber war der Wald ein beinahe vollkommener Ort, hell und freundlich und vor allem perfekt fürs Jagen. An einem Felsvorsprung legten sie sich auf die Lauer, ausschauhaltend nach Rehen oder anderen Waldtieren. Sherlock legte sich mit dem Bauch auf die Erde, winkelte die Armbrust an und lies die Muskeln locker, damit Greg seine Haltung korrigieren konnte. „Streck den linken Arm mehr und komm mit den Kinn näher in Richtung Boden. Der Daum muss den Abzug gerade so streifen, sonst kannst du nicht rechtzeitig abdrücken, wenn du ein Reh kommen siehst. Die Viecher sind verdammt flink", erklärte er. Er fragte sich wie viel Mühe es den Prinzen kostete sich ein Mal belehrern zu lassen anstatt andere zu belehren und war positiv überrascht. Seine Hand wanderte erneut zu dem Dolch und erneut wurde ihm klar, dass er das nicht tun konnte, niemals! Seine Familie würde sterben, einfach nur weil er zu feige war einen einzigen Jungen zu töten.
Da drückte Sherlock plötzlich ab und der Jäger sah, wie etwas von ihnen entfernt ein Reh zu Boden ging. Er grinste zufrieden. „Na, da müssen wir Sebastian wohl sagen, dass deine Treffsicherheit doch besser ist, als er denkt“, lobte er und wollte schon los gehen um den Rest zu erledigen, als Sherlock plötzlich aufstand und ihn ernst ansah. „Wieso hast du es nicht gerade getan? Ich lag auf den Bauch und konnte nicht sehen, was du hinter mir machst... Das wäre die beste Gelegenheit gewesen mich zu erstechen.“
Greg hätte sich selbst ohrfeigen können, weil er es nicht Mal in betracht gezogen hatte, dass Sherlock bescheid wissen könnte. Natürlich wusste er bescheid, so wie immer! „Wie hast du es herausgefunden?“, fragte er aus ehrlicher Neugier, bereit trotz der angespannten Lage verblüfft zu werden.
„Da ist Bohnerwachs an deinen Schuhen. Das Schloss wird alle zwei Wochen gebohnert, doch August Gemächer zwei Mal wöchentlich, einmal Montags und heute. Der Wachs ist getrocknet, doch noch nicht gebröckelt, was bedeutet, dass du heute bei August warst. Was könnte der König so dringliches vom Jäger wollen, dass er ihn persönlich zu sich kommen lässt, anstatt ihm eine Nachricht überbringen zu lassen? Keine fünf Minuten später kamst du zu mir und wolltest urplötzlich jagen gehen, die Hand ständig in der Nähe deines Dolches, oh bitte guck nicht wie ein Reh, wenn es donnert, denkst du das wäre mir nicht aufgefallen? August hat meinen Vater weg geschickt und meinen Bruder vergrault, also war es nur eine Frage der Zeit, bis ich an der Reihe war. Als du mich zum jagen eingeladen hast, musste ich bloß eins und eins zusammen zählen.“
Es klang so einfach. Wie lies er es nur immer so plausibel klingen? Greg lies sich auf die Erde nieder und wagte es nicht für eine Sekunde den Blick zu heben, nicht Mal als Sherlock sich neben ihn setze und geduldig wartete. „Du wusstest es von Anfang an und bist trotzdem mitgekommen“, sagte er schließlich verwirrt. Der Prinz nickte schulterzuckend. „Ja, ich denke ein Teil von mir wusste, dass du mich nicht töten wirst und der andere Teil hat sich einfach damit abgefunden zu sterben. Ermordet im tiefen Wald, das wäre aufregend gewesen... Sag Mal, was passiert eigentlich, wenn du mich nicht ermorderst?“
„Dann ermordet er meine Familie“, antwortete Greg knapp.
„Und wie viel August überprüfen, ob ich wirklich tot bin?“
„Ich soll ihm dein Herz bringen.“
„Oh wie babarisch, aber irgendwie auch nett, dass er denkt ich hätte ein Herz.“ Sherlock grinste, als ob er seit langem mal wieder einen guten Witz gehört hätte. Greg fragte sich, wie lange der Schwarzhaarige schon auf seinen Tod vorbereitet war, dass er nun dazu in der Lage war es so leichtfältig hinzunehmen. „Hey George, ich habe noch nie ein echtes menschliches Herz gesehen. Wie sehr würde es sich von dem eines Rehs unterscheiden?“
Greg machte sich keine Mühe den Jüngeren im Bezug auf seinen Namen zu korrigieren, das hatte er schon vor Jahren aufgegeben, stattdessen folgte er Sherlocks Blick zu dem Leichnam des kürzlich erschossenen Rehs. Sofort schüttelte er den Kopf. „Das würde uns zwar Zeit verschaffen, aber August ist ein schlauer Mann, der den Betrug früher oder später bemerken würde. Außerdem, wo willst du dich denn verstecken?“
„Wer spricht denn von verstecken? Ich werde Mycroft suchen und bei ihm bleiben. Um die Thronfolge reden wir dann in ein paar Jahren, aber klar ist, dass ich das nicht tun kann. Politik ist... Etwas was ich gerne beobachte, aber aktiv daran teilhaben kann ich nicht.“
Bevor der Jäger darauf etwas erwidern konnte, hatte der Prinz sich den Dolche von seinem Gürtel geschnappt und kletterte den Felsvorsprung hinunter zu dem toten Reh. Greg folgte ihm und half ihm dabei das längst stillstehende Herz aus der felligen Brust zu schneiden. „Ich halte immer noch nichts davon. Dann geh wenigstens durch die Dörfer, denn dieser Wald ist alles andere als freundlich, sobald die Sonne untergegangen ist“, gab Greg zu bedenken, woraufhin er allerdings diesen Blick zugeworfen bekam, den er nur zu gut kannte. Es war der ungläubige Blick, den Sherlock immer dann aufsetzte, wenn er mit der durchschnittlichen Intelligenz eines normal Sterblichen konfrontiert wurde und nicht damit umzugehen wusste. „Ins Dorf. Der Prinz von Wales, Kronprinz der britischen Nation, soll einfach in seiner teuren Kleidung durch die Dörfer spazieren ohne aufzufallen? Es würde höchstens zwei Stunden dauern, bis August bescheid wüsste und ob ich jetzt im Wald sterbe oder auf offener Straße hingerichtet werde macht keinen Unterschied. Außer, dass ich in der Natur eine Chance habe, in der Stadt allerdings nicht.“ Kopfschüttelnd wickelte er das Herz in ein Leinentuch, das sich nach wenigen Sekunden rot verfärbte und drückte es den Jäger in die zitternden Hände. „Herzlichen Glückwunsch, George Lestrade. Sie haben gerade einen Prinzen ermordet“, rief er noch sarkastisch, ohne auch nur eine Sekunde zu verbergen wie aufregend er das alles fand. Für ihn war das alles wahrscheinlich bloß ein spannendes Spiel, doch Greg hatte das Gefühl, dass der Wald und seine Bewohner beenden würden, worum August ursprünglich ihn gebeten hatte.
Sherlock verlies die Lichtung, etwas zerknirscht über seine Spontanität. Er hatte es kommen sehen, doch seine Berechnungen liefen darauf hinaus, dass Geritt ihm den Gar aus machen würde. Er hatte den Jäger unterschätzt und war mit dem Leben davon gekommen, allerdings ohne Proviant oder Waffen. Er hätte zumindestens den Dolch mit nehmen sollen! „Es war ein großartig dramatisches Abgang, aber zumindestens daran hätte ich noch denken sollen. Ich werde in der Schande sterben, dass George recht hatte“, murmelte er bitter, während er sich den Weg durch Äste und Gestrüpp kämpfte. Er war längst vom Weg abgekommen, lief in einer Zeitspanne, die sich über Minuten, vielleicht aber auch Stunden ziehen konnte. Er versuchte die Tageszeit anhand des Sonnenlichtes im Blick zu behalten, doch das Blätterdach wurde dichter je weiter er ging und jeder Lichtstrahl wurde sofort verschluckt. Da waren Spinnennetze, die so groß und dicht waren, dass er sie mit einen Stock kaputt machen musste, um durchzukommen. Seine Neugierige Seite konnte nicht anders als sich zu fragen, welches Tier solche Netze webte.
Alles in einem war er sich allerdings ziemlich sicher, dass es mittlerweile tiefste Nacht war, als er an dieser kleinen Waldhüte ankam. Eine kleine, bescheidene Hüte, mit einer bröckelnd weißen Fassade und einem Dach aus Stroh. Das ganze Konstrukt umrangt von einem Gartenzaun, der längst hätte erneuert werden müssen. Sherlock trat über den Zaun und klopfte an der Tür des kleinen Häuschens. Er war zu erschöpft um seine Gedanken an der albernen Sorge zu verschwenden, dass er womöglich an der Tür eines Kannibalen, einer Hexe oder eines Räubers klopfte.
Niemand öffnete, also klopfte er energischer, bis schlurfende Schritte sich der Tür näherten. „Hast du eine Ahnung wie spät es ist? Verschwinde!“, rief jemand durch die geschlossene Tür. Der Prinz gab sich alle Mühe höflich zu bleiben, denn mit Unhöflichkeiten hat er es sich oft bei einigen Menschen verschanzt. „Verzeihen Sie, ich wollte auf keinen Fall stören, aber ich habe mich im Wald verlaufen und suche nach einer Unterkunft für die Nacht. Könnten Sie bitte aufmachen?“
Kurz passierte nichts, dann ein leises seufzen, gefolgt von einem metallischen Klacken. Die Tür sprang auf und Sherlock stand angesicht zu angesicht mit einem Jungen, ungefähr in seinem Alter, der mit seinen blonden Locken und den spitzen Ohren aussah, als ob er einer Sage entsprungen wäre. „Komm rein“, murrte er und das lies Sherlock sich nicht zwei Mal sagen. Er trat in die Hüte und das erste was ihm ins Auge sprang war ein Tisch mit sieben Stühlen. „Die anderen sechs sind unterwegs“, behauptete der blonde Junge, nachdem er Sherlocks Blick gefolgt war, doch der schüttelte den Kopf. „Wieso lügst du? Du wohnst hier alleine und das kann selbst ein Blinder erkennen.“
„Wie-?“
„Ganz einfach. Sieben Stühle sollen den Anschein erwecken, dass hier sieben Menschen leben, doch wenn man sich den Fußboden anschaut, befinden sich die Kratzer des täglichen Stuhl rückens nur an einer Stelle, vermutlich deinem Platz. Die anderen Stühle werden kaum gebraucht. Du lebst alleine, willst aber den Anschein erwecken, dass hier sieben Personen leben. Wieso?“
Der Junge mit den spitzen Ohren blinzelte kurz verwirrt, bevor er gestresst seufzte. „Ich halte nicht viel von Besuch, also habe ich das Gerücht verbreitet, dass hier sieben Zwerge leben. Die meisten mögen Zwerge nicht gerade und meiden sie gekonnt, so dass ich durch diese Lüge meine Ruhe hatte. Aber in letzter Zeit scheinen Menschen in der Not gerne meine Hüte aufzusuchen.“
Das brachte den Schwarzhaarigen zum aufhorchen. Neugierig setzte er sich an den Esstisch und starrte seinen Gegenüber an. „Hier waren noch andere Menschen?“
„Joa und die hatten so komische Namen. Microsoft und Youross oder so“, sagte der Blonde genervt, „Er war vielleicht so um die zwanzig und trug seine Schwester, ich würde sie auf zwölf oder dreizehn schätzen, auf dem Arm. Sie waren mit gerissenen Spinnenfäden bedeckt und als ich sah, dass das Mädchen eine Einstichstelle der Giftzähne am Bein hatte, habe ich eins und eins zusammen gezählt und sie behandelt.“
Er brach kurz ab, als er Sherlocks verwirrten Gesichtsausdruck sah.
„Riesenspinnen, so groß wie Häuser, die leben hier im Wald und suchen nach frischen Fleisch. Du scheinst ihrer Jagdzeit nur knapp entkommen zu sein.“ Er zupfte weiße Fäden aus Sherlocks Ebenholzfarbigen Locken, dem es dabei eiskalt den Rücken hinunter lief.
„Microsoft und Youross. Meinst du vielleicht zufälligerweise Mycroft und Eurus?“, fragte er den Jungen, der inzwischen aufgestanden war und begann Tee zu kochen. „Ach du kennst sie?“
„Sie sind meine Geschwister. Auch wenn ich Mycroft zuletzt vor sieben Jahren gesehen habe und Eurus nur aus Erzählungen kenne. Sie war das uneheliche Kind unseres Vaters und wir wussten nicht wo sie lebt.“
Sein Gesprächspartner pfiff erstaunt. „Nun, wenn sie deine Schwester ist, freut es dich vielleicht zu hören, dass ich das Spinnengift entfernen konnte, bevor es sich in ihrem Körper ausbreitete. Sie hat auch schon ganz andere Sachen überlebt, den Narben nach zu urteilen.“
„Narben?“, hakte Sherlock nach. Der Junge nickte.
„Als dein Bruder hier mit ihr ankam, war Eurus bereits ganz kalt und blass am ganzen Körper. Ich legte sie auf eines meiner sieben Betten und begann damit sie zu heilen, du musst nämlich wissen, dass ich mich selbst im Handwerk des Medicus gelehrt habe. Bei der Untersuchung fiel mir auf, dass sie mit Narben gezeichnet war, die Narben einer längst ausgestorbenen Pest Infektion, an den Stellen, an denen einst die Eiterbeulen wuchsen. Ich war erstaunt und fragte Mycroft, ob seine Schwester einer der wenigen Menschen war, die immun gegen die Pest waren, doch seine Antwort fiel ganz anders aus als erwartet. 'Sie war nicht immer immun', sagte er, 'ich musste lange mach Eurus suchen, weil ihre Familie vor einem halben Jahr in ihr eigenes Haus gesperrt wurde, da ihr Stiefvater sich mit der Pest infiziert hatte. Als ich die Barrikaden der Tür Aufriss und das nach Verwesung stinkende Haus betrat, war ich mir sicher Eurus sei tot, doch sie lebte noch und schmiss den Haushalt über die Leichen ihrer Eltern und Geschwister hinweg, als ob nie etwas gewesen wäre. Sie war leicht abgemagert, weil die Vorräte knapp wurden, doch sie hat überlebt. Als ich sie fragte wie, sagte sie mir, dass sie herausgefunden hatte, dass Rattenflöhe den Virus übertrugen und um sich selbst immun zu machen, hat sie zwischendurch Ratten eingefangen und sich in einer kontrollierten Menge von den Flöhen beißen lassen, um ihr Immunsystem daran zu gewöhnen.'
Ich war verstört, das kann ich dir sagen.
Die Beiden blieben für zwei Wochen, stärkten sich und zogen dann weiter. Mir sagten sie, sie wollen ins nördliche Königreich.“
Sherlock saß eine Weile nur geschockt da und bekam nur am Rande mit, wie der Junge ihm eine Tasse Tee hinstellte. Was seine Halbschwester getan hat, war gefährlich und verrückt, doch es hatte funktioniert! Sie musste eine Art Genie sein!
„Nördliches Königreich“, sagte er schließlich, „Meinst du etwa Schottland?“
Sein Gesprächspartner setzte sich ihm gegenüber an den Tisch und schlang die langen Finger um seine eigene Teetasse. „Keine Ahnung, menschliche Geografie ist nicht gerade mein Spezialgebiet.“
„Heißt das du bist nicht menschlich?“
Kurz herrschte Stille, dann tippte der Blonde gegen seine spitzen Ohren, als ob das alles erklären würde. „Sieht das etwa menschlich aus für dich? Ich bin ein Hobbit und ich lebe gerne alleine.“
„Nun und ich bin ein Mensch auf der Flucht vor dem Mann, der mir die Kehle aufschlitzen will. Mein Name ist übrigens Sherlock und wie heißt du? Oder soll ich dich lieber mit Hobbit ansprechen?“ Gelassen als würden sie über das Wetter quatschen, nippte er an seiner Tasse, ohne seinen Gegenüber aus den Augen zu lassen, der leicht irritiert zu sein schien. „...John“, sagte er schließlich verdutzt, „und ich kann mir vorstellen, dass es genug Menschen gibt, die dir die Kehle aufschlitzen wollen.“
Der Schwarzhaarige grinste und sah sich in dem kleinen Wohnraum um, der für sieben Personen ziemlich eng wäre. Wie gut, dass die anderen sechs Bewohner nur Johns Erfindung waren.
„Alsooo hättest du was gegen einen Mitbewoh-“
„Definitiv. Deine Geschwister waren kurz hier, um sich von dem Angriff einer Riesenspinne zu erholen und ich biete dir gerne auch ein Bett an, doch sobald ich merke, dass du wieder vollständig bei Kräften bis, werfe ich dich raus. Dass ich dich überhaupt schon bleiben lasse ist viel zu nett von mir, immerhin wissen wir nichts voneinander.“
Darauf hatte er nur gewartet. Mit einem selbstgefälligen Grinsen lehnte er sich zurück und raterte runter was er bereits über John in Erfahrung bringen konnte. „Du lebst seit mindestens fünf Jahren in Isolation und verdienst dir deine Brötchen im Bergbau. Kohle? Nein, etwas viel wertvolleres. Du baust Diamanten aus Mienen ab und verkaufst sie an die Königreiche. Meistens kann man gut davon leben, auch wenn deine Ausbeute in letzter Zeit eher mager war und du den Gürtel enger schneiden musstest. Oder du bist so knapp bei Kasse, weil du die Trinkschulden deines Bruders beglichen hast, offenkundig der letzte Gefallen, den du ihm tun wirst. Schulterverletzung, doch nicht etwa von der Riesenspinne? Und du hinkst am rechten Bein, weshalb du beim spazieren immer einen Stock vom Boden aufliest und als Gehhilfe benutzt. Reicht das fürs Erste?“
„Beeindruckend“, murmelte John, „aber dein Bruder war besser. Er wusste, von den Trinkproblemen meiner Schwester, denn ich habe keinen Bruder.“
Sherlock schnaubte. Er hasste es, wenn Mycroft ihm zuvor kam, denn dann war es immer viel schwieriger dumme Menschen und Hobbits aus den Socken zu hauen. Schwester, wie sollte man auch darauf kommen? „Kann ich trotzdem bleiben? Ich könnte helfen, in dem ich den Haushalt mache, während du in die Miene gehst. Ich kann putzen und kochen und so“, log der Schwarzhaarige, woraufhin John zweifelnd die Stirn runzelte. „Ach wirklich?“
„Nein, nicht wirklich, ich gelte als schlechtes Omen in der Küche und habe noch nie eine Putzkammer von innen gesehen, aber ich dachte wenn ich das behaupte, darf ich vielleicht bleiben.“
John lächelte das erste Mal, seit Sherlock das Zimmer betreten hatte. Die meisten Menschen gingen ihm auf die Nerven, weshalb er auch so isoliert lebte, doch Sherlock hatte etwas an sich, das John neugierig und wütend zugleich machte, eine Gefühlskombi von der er nie gedacht hätte, dass sie so gut funktioniert. „Zwei Wochen“, sagte er streng, „zwei Wochen in denen du unter meinem Dach leben, dich von deiner bisherigen Reise erholen und deinen nachfolgenden Weg planen kannst. Ich denke Mal du willst deinen Geschwistern hinterher nach Schottland und das wirst du spätestens nach Ablauf dieser zwei Wochen tun!“
„Ay ay, Captain!“, rief Sherlock grinsend, noch nicht ahnen, dass so eben die aufregendsten zwei Wochen seines Lebens anbrachen.
John ging morgens in die Mienen und rechnete nicht damit, dass Sherlock auch nur einen Finger krum machen würde. Womit er allerdings auch nicht rechnete war, dass dieser Mensch sein Zuhause noch unordentlicher machen würde als ohnehin schon. Das erste was ihm nach seiner ersten Heimkehr mit Sherlock als Mitbewohner auffiel, war ein kleiner Schädel, gut sichtbar auf seiner Kommode platziert. „Ein Schädel“, kommentierte er, weil ihn nichts anderes einfiel. Sherlock, der es sich mit einem Buch am Esszimmer Tisch bequem gemacht hatte, sah daraufhin lächelnd auf. „Mir war langeweilig, während du weg warst, also habe ich mir einen Gesprächspartner gesucht.“
„Ich weiß nicht was ich schlimmer finde, dass du draußen warst oder dass du einen Schädel auf meinen Schrank gestellt hast. Lass uns gleich Mal eines klar stellen: Du kennst dich in diesem Wald nicht aus, ein mordlustiger König ist hinter dir her und vielleicht darf ich dich daran erinnern, dass deine Schwester vor wenigen Monaten beinahe durch den Biss einer Spinne getötet wurde, die mit ihren Artgenossen hier in diesem Wald wohnt. Vielleicht täte es dir also gut daran im Haus zu bleiben und dich zu erholen, während ich weg bin!"
Um seiner Predigt Eindruck zu verleihen, knallte er die Tür zu seiner Hüte zu und deutet auf ein kleines Loch in der Mitte der Holzdielen. „Siehst du dieses Loch? Ich habe es Mal da rein gehämmert um die Menschen vor meiner Tür zu sehen, bevor ich auf mache. Wenn ich morgen das Haus verlasse, will ich dass du hinter mir abschließt und mich später wieder rein lässt. Nur mich, sonst niemanden, verstanden? Ansonsten bleibt diese Tür zu!“
Der Schwarzhaarige sah ihn verblüfft an, erstaunt wie schlau die Idee mit dem kleinen Loch in der Tür war. So viel Intelligenz hatte er John gar nicht zugetraut. „Und was wenn mir wirklich super langweilig ist?“
„Ich kann dich hier nicht einschließen, aber es ist ein freundlich gemeinter Rat, damit du nicht stirbst.“
„Also könnte ich theoretisch gehen?“
„Wenn du gerne von Spinnen betäubt, in einen Kokon gewickelt und bei lebendigen Leib gefressen werden willst.“
„Ja, aber theoretisch.“
„Theoretisch, ja. Aber in der Praxis...“
„In der Praxis?“
„In der Praxis. Bleibt. Diese. Tür. Zu!“
Sherlock seufzte genervt und beugte sich wieder über das einzige Buch in Johns Haus, das nicht in alten Runen geschrieben war. Vor ihm auf dem Tisch lagen Landkarten ausgebreitet und nach vier Stunden des Überlegens und Ausschließens wohin genau Eurus und Mycroft gegangen waren (Schottland ist immerhin nicht gerade klein) hatte er erst Mal aufgegeben.
John holte Obst aus seinem Schrank, schnappte sich das kleine Messer, das Sherlock, weshalb auch immer, in den Kaminsims gestoßen hatte, setzte sich ihm gegenüber an den Tisch und begann einen Apfel zu schälen. „Sag Mal, liest du da gerade mein Tagebuch?“, fragte er kurz verwirrt. Er hatte nichts dagegen, weil er nicht das Gefühl hatte je etwas in dieses Buch geschrieben zu haben wofür er sich genieren müsste, doch allein schon Sherlocks Dreistigkeit dahinter machte ihn stutzig. „Oh, ich habe mich schon gewundert, dass bei dem abschreiben dieser Zeilen so schlampig vorgegangen worden ist, aber das erklärt natürlich alles. Es war die Einzige Lektüre in diesem Haus, die ich verstehen kann, auch wenn du eine ziemliche Sauklaue hast!“
Der Blonde verdrehte die Augen, schnitt einfach weiter und schob Sherlock Teile der Frucht hin, der sie allerdings argwöhnisch musterte. „Danke, aber nein danke. Ich reagiere nicht so gut auf Äpfel“, erklärte er und schob die Stücke zurück.
„Ach, du bist Allergiker? Gut, dann weiß ich ja was ich dir ins Essen mische, wenn du mir auf die Nerven gehst“, konterte John, bevor er in eines der Stücke biss. Sherlock schüttelte den Kopf. „Nicht, wenn du gedenkst mich so umzubringen. Ich bekomme davon bloß einen kratzigen Hals und einen kleinen Ausschlag an den Lippen. Dennoch verzichte ich dankend und ziehe das Brot im Vorratsschrank vor. Wenn du mich umbringen willst, empfehle ich ein dickes Seil und einen festen Griff.“
Den letzten Teil ignorierte John und sah stattdessen zu dem angesprochenen Vorratsschrank hinüber. „Du hast das Brot doch wohl nicht etwa gegessen? Das war schimmelig, Sherlock, ich wollte das heute weg werfen!“
„Oh wirklich? Nun ich schätze ich bin einfach anders gebaut“, entgegnete Sherlock schulterzuckend, ohne den Blick von Johns Tagebuch zu heben. Interessant war es, interessant wie ein einziger Mensch, beziehungsweise ein einziger Hobbit, die Fakten eines Textes durch unnötige Romantisierungen und ausgeschmückten Sätzen komplett verkorksen konnte.
„Erzählst du mir gerade, dass du dich weigerst einen Apfel zu essen, weil dein Hals davon ein wenig gereizt wird, aber verschimmeltes Brot macht dir nichts aus?“, fragte der Blonde stirnrunzelnd, woraufhin sein Gegenüber leicht grinste. „Wie gesagt: Anders gebaut.“
John leckte das restliche Fruchtfleisch von dem kleinen Messer, ohne den missbilligenden Blick des Jungen zu beachten, der zwar ziemlich unhöflich war, aber dennoch die Erziehung eines Prinzen genossen hatte und lehnte sich seufzend zurück. Er war ein Einsiedler, seit einigen Jahren schon, und bis jetzt hatte er das Gefühl allein am glücklichsten zu sein, doch Sherlocks Gesellschaft war mehr eine angenehme Abwechslung als eine triste Zumutung, auch wenn manch einer vermutlich etwas anderes behaupten würde. „Hey ähm, wegen den zwei Wochen, wenn du bis dahin noch nicht bereit bist nach Schottland zu gehen, können wir auch noch eine Woche hinten dran hängen, wenn du magst“, sagte er da plötzlich. Nicht Mal das bewegte den Schwarzhaarigen dazu das in Leder gebundene Buch Mal kurz runter zu nehmen, doch an seinen Augen erkannte John, dass dieser Bastard zufrieden grinste. „Nun, wir werden sehen.“
Und dann schwiegen sie wieder und das war völlig okay, denn sie verstanden sich auch so und schätzten die Schweigsamkeit des jeweils anderen.
Währenddessen hat August Greg laufen lassen. Er wusste, dass er belogen und hintergangen wurde in der Sekunde, in der der Jäger nervös eintrat und ihn das angebliche Menschenherz vor die Füße warf. Er zeigte die Symptome eines Menschen der log und da wusste der König - Sherlock war noch am Leben.
Doch er spielte mit, entließ Greg und folgte dem Jäger jedes Mal unbemerkt, wenn er die Mauern der Burg verließ.
Nach drei Tagen ging Greg erneut in den Wald und August folgte ihm leise, bis sie an einer Waldhütte ankamen. Der König versteckte sich in dem Gestrüp, als der Jäger auch schon anklopfte. Kurz darauf öffnete sich das Fenster und tatsächlich, Prinz Sherlock beugte sich über den Fenstersims und grinste den Jäger frech an. „Sorry, aber der Kerl, der hier eigentlich lebt hat mir verboten Fremden die Tür aufzumachen“, erklärte er selbstgefällig. Greg schnaubte.
„Ich bin ja wohl kaum ein Fremder, obgleich du dir meinen Namen nicht merken kannst!“
„Das vielleicht nicht, aber vor nicht Mal einer Woche wolltest du mir noch mein Herz aus der Brust schneiden. Mein Misstrauen ist wohl kaum unbegründet.“
August lehnte sich interessiert vor, um besser hören zu können, als der Jäger ein Blatt Papier aus der Westentasche holte, es über seinem Oberschenkel glatt strich und dann laut vor las:
"Mein Lieber George,
es freut mich dir mitteilen zu dürfen, dass ich meine Wanderung alleine im Wald heil überstanden und bei einer vertrauenswürdigen Person Unterschlupf gefunden habe.
Warst du schon Mal hinter den sieben Hügeln? Fünf Meilen nördlich von dort liegt eine kleine Hüte, nicht mal ein Idiot wie du sollte sie übersehen.
Ich habe Hinweise die auf Mycrofts Aufenthalt schließen lassen und brauche jetzt deine Hilfe, also komm her.
SH."
„Das Idiot hättest du dir sparen können und jetzt mach die Tür auf. Ich rede nicht mit dir zwischen Tür und Angel, außerdem war mein Messer nicht mal in der Nähe deiner Brust“, schnaubte Lestrade. Sherlock verschwand vom Fenster und nur Sekunden später öffnete sich die Tür zu dem kleinen Cottage, in das Greg auch sofort verschwand. Die Tür schloss sich und August war sich sicher, dass die Chancen erwischt zu werden höher waren, wenn er sein Versteck verlassen und am Fenster lauschen würde. Er hatte sowieso schon alles was er wissen musste und zog durch das Gestrüpp zurück in sein Königreich.
Sherlock lies Greg derweil an den für sieben gedeckten Tisch platz nehmen und setzte sich ihm gegenüber, wobei er die Landkarten von Schottland und England zur Seite schieben musste. „Also zu aller erst“, begann der Jäger, „wüsste ich gerne wie du es geschafft hast diesem Vogel beizubringen Nachrichten zu übermitteln!“
„Oh das war recht leicht. Die Tiere in diesem Wald sind viel harmloser und schlauer als mancher Mensch“, erklärte der Schwarzhaarige schulterzuckend. „Gegen Johns Verbote habe ich mich sogar in das Nest der Riesenspinnen vor gewagt und war dabei gefressen zu werden, doch nachdem ich diesen völlig unterschätzen Tieren Seelen- und Herzschmerz von den glasigen Augen ablas, waren sie völlig deprimiert und verschonten mich. Dann traf ich einen Drachen, der mir das Gefühl gab, dass es sowas absurdes wie Seelenverwandte vielleicht doch gibt, denn unsere Denkweisen waren sich sehr ähnlich.“
„Riesenspinnen, Drachen, Sherlock, was faselst du denn da?“
„Ja und der Drache hat den Namen Smaug von den Menschen bekommen, doch in Wahrheit heißt er Benedict.“
Gerade als der Jäger anfing zu glauben Sherlock würde in einer Art Fieberwahn sprechen oder den Verstand verlieren, öffnete sich die Tür erneut und John kam herein, gerade fertig mit seiner Schicht in der Miene. Seine Spitzen Ohren gaben Greg den Rest.
„Was wird das hier? Wieso sitzt da ein Fremder an meinem Tisch? Wieso ist die Tür nicht abgeschlossen? Sherlock, wenn du weiterhin so fahrlässig bist, werden hier andere Seiten aufgezogen“, drohte er, anstelle einer Begrüßung und blickte dann wütend zu Greg, der immer noch wie gebannt auf die spitzen Ohren starrte.
„George ist kein Fremder, sondern ein alter Bekannter und ich habe ihn kommen lassen, damit er mir sagt, wohin genau Mycroft gegangen sein könnte. Er kennt meinen Stammbaum besser als ich selbst, also... Habe ich Verwandtschaft in Schottland, Lestrade?“
Es war wohl der erste Moment in der Geschichte aller Fabeln, Märchen und Sagen, dass ein Mensch und ein Hobbit sich in einer Sache einig waren, jedenfalls war das von John und Gregs Gesichtern abzulesen - Sherlock war sonderbar.
„Es ist deine Familie, die wirst du ja wohl besser kennen als irgendwer sonst“, entgegnete der Blonde an Gregs Stelle, Sherlock allerdings schüttelte den Kopf.
„Unsere Familien Chroniken haben mich nie groß interessiert, zu sehr in die Politik dieses Landes verwickelt. Mycroft war da schon eher hinterher.“
„Euer Onkel ist der momentane König von Schottland, das solltest sogar du wissen“, sagte Greg bestimmt, allerdings ohne erwünschtes Ergebnis. „Ich habe einen Onkel?“
„Himmel Herr Gott noch eins, Sherlock!“
Gegen seine Willen musste John schmunzeln und obgleich er keine Ahnung hatte wo auf der Landkarte Menschen Grenzen gezogen hatte, zog er die Karte von Schottland zu sich heran und überflog sie interessiert. „Also ist Mycroft zu seinem Onkel gegangen“, mutmaßte er, doch Greg schüttelte entschieden den Kopf. „Prinz Mycroft war für seine Aufgabe als Thronfolger geboren. Interessiert an Politik, im Land aber auch außerhalb des britischen Königreiches. In seinem Onkel sah er immer einen Stümper, der Schottland in die Ruinen treibt. Er würde sich nie dazu herablassen bei ihm unterzukommen, egal in welcher Situation er sich befindet. Es ist mir sowieso ein Rätsel, weshalb er ging und auf seinen Anspruch verzichtete, wo er immer ganz wild auf's regieren war.“
„Er wollte unsere Schwester finden und das hat er. Jetzt nehme ich an, dass er mit ihr England verlassen hat und sich vermutlich in Schottland befindet. Dort wartet er, bis die Lage sich entspannt hat und eines Tages wird er zurück kommen und Anspruch auf den Thron erheben, was mir von Anfang an klar war. Mycroft hätte niemals zugelassen, dass ich, sein idiotischer, kleiner Bruder, über England regiere. Jetzt ist nur die Frage wo genau er hingegangen ist.“
„Moment Mal!“, rief John da plötzlich und tippte dabei auf die Landkarte. „Als dein Bruder ging, nannte er auch den Ort zu den er wollte. Ich habe ihn erst vergessen, aber jetzt wo ich den Namen lese, weiß ich es wiede, er wollte hierhin!“
Moray Firth, darauf zeigte John, eine große Bucht am nördlichen Ende Schottlands. Sherlock runzelte die Stirn. „Was könnte er dort wollen?“, murmelte er, die Frage eher an sich selbst als an seine Gesprächspartner gerichtet. Ein Antwort darauf fand er an diesem Tag nicht mehr und so schickte er Greg unzufrieden zurück, um dort für ihn die Situation auszukundschaften.
Der Jäger ging also zurück und als er eines der dichten Spinnennetze durchbrach und an Johns spitzen Ohren dachte, kam ihn ein komischer Gedanke - Wenn es Riesenspinnen, Hobbits und Drachen wirklich gab, wer vermochte dann schon noch daran zweifeln, dass Mycroft, Sherlock und Eurus Kinder des Teufels waren.
Einige Tage später hatte John ein ungutes Gefühl, wie ein Instinkt der böses erahnen lies. Er ging erneut alle Vorsichtsmaßnahmen mit Sherlock durch, bis dieser schon völlig genervt war und versicherte nach Verlassen des Hauses, dass Sherlock hinter ihm abschloss, bevor er den Weg zu den Mienen einschlug. Sechs Stunden reichen für heute, und dann würde er wieder nachhause gehen, sagte er sich. Er fühlte sich sowieso nicht wohl.
Sherlock trank derweil Tee und brütete einige Stunden über der Karte, um die beste Route nach Moray Firth zu finden, als es an der Tür klopfte. War John etwa schon zurück?
Die Regeln des Hobbits befolgend schaute Sherlock zuerst durch das kleine Loch an der Tür und taumelte vor Schreck einige Schritte zurück.
Draußen stand niemand anderes als August Milverton.
„Nun sei nicht kindisch und mach auf! Ich will nur reden“, rief der König, der in diesem Wald absolut nichts zu suchen hatte und hämmerte erneut an die Tür, im selben Takt wie das Schlagen von Sherlocks Herzen. Nur reden? Der Kerl wollte ihn umbringen lassen!
„Ich weiß dass du da bist. Zwing mich nicht die Tür einzutreten, Sherly.“
Oh das würde John gar nicht gefallen. Zähne knirschend öffnete der Schwarzhaarige das Fenster und streckte den Kopf hinaus. „Wenn du mir etwas zu sagen hast, dann gefälligst hier. Ich bin nicht dumm genug dir die Tür zu öffnen, Milverton“, zischte er, woraufhin die Lippen des Königs sich zu einem schelmischen Lächeln verzogen. „Nein, du bist nicht dumm, du bist eher unfassbar schlau und auf diese Intelligenz legst du doch so viel, nicht wahr? Wie wäre es, wenn wir deine Intelligenz ein wenig testen?“
Kaum hatte er das letzte Wort ausgesprochen, zog er einen blutroten Apfel und ein kleines Messer hervor. Sherlock runzelte die Stirn, auf einmal neugierig, was der Kerl vorhatte. Nachdem sie über zehn Jahre zusammen gelebt hatten, hatte Milverton natürlich mitbekommen, das Sherlock keine Äpfel vertrug, aber er musste doch wissen, dass es ihn nicht töten würde.
Milverton bemerkte den zweifelten Blick und grinste noch mehr.
„Oh dass ich den Apfel gewählt habe, hat nichts mit deiner Unverträglichkeit zu tun, mein Junge. Da Äpfel allerdings für Sünden und die Verführung der Menschen stehen, fand ich sie symbolisch viel zu passend, als dass ich eine andere Frucht hätte wählen können. Ich hoffe du nimmst einen zeitweilig kratzigen Hals in Kauf für das, was ich dir jetzt anbiete.
Ein Spiel, das deinen Verstand erproben wird, denn was wäre, wenn ich dir sagen würde, dass ich eine, nur eine, Seite dieses Apfels vergiftet hätte?“
Das Messer stach in die Frucht und ehe Sherlock sich versah, war sie in zwei geteilt. Sie glichen sich wie ein Ei dem anderen, beide von roter farbe, innerlich allerdings gefüllt von einem Gehäuse und blassgelben Fruchtfleisch. Oberflächlich war kein Gift zu erkennen.
„Egal für welche Hälfte du dich entscheidest, ich nehme die Andere, dann beißen wir Beide ab und einer von uns wird sterben. Klingt das nicht verlockend?“
Verlockend war gar kein Audruck, es war aufregend, aufregender als einfach ein Messer in die Brust gestoßen zu bekommen. Er bekam die Chance sich zu beweisen, den Kick nachdem er lange gesucht hatte und wenn er sich richtig entschied, könnte er auch August los werden.
"Tu' es nicht, das ist eine Falle!", rief eine Stimme in seinem Kopf, die verdächtig nach John klang. Vielleicht hatte die Stimme recht, aber ein aufregender Tod war immer noch besser als ein langweiliges Leben.
Nein, stopp, falscher Gedanke, so durfte er nicht denken!
Aber wenn er sich richtig entschied...
„Was ist denn Sherlock? Bist du etwa doch nicht so schlau wie alle sagen? Nun nimm schon!“
Zum Teufel mit den Risiken! Er würde es tun, schon allein um dieses dumme grinsen aus Augusts Gesicht zu wischen. Wütend griff er nach einer Hälfte und sah den König herausfordernd an. „Interessante Wahl... Wollen wir?“, fragte Milverton und hob sein Stück bereits an die Lippen.
Sherlock nickte, dann nahmen sie Beide einen herzhaften Biss und warteten.
Eine Minute.
Zwei.
Sherlock spürte das leichte Kribbeln an seinen Lippen und das Kratzen in seinem Rachen, doch er ignorierte es.
„Ich verrate dir ein Geheimnis“, sagte Milverton da plötzlich kühl und bevor Sherlock von dem Fenster weg treten konnte, vergruben lange Finger sich in schwarze Locken und zogen ihn näher zu dem Älteren heran, der dann flüsterte: „Der ganze Apfel war vergiftet. Eine Substanz die nur in Kombination mit einer allergischen Reaktion wirkt. Wir haben deine Intelligenz getestet du bist durchgefallen, mein Lieber.“
Er lies los und Sherlock taumelte benommen zurück, auf einmal ziemlich wackelig auf den Beinen. „Du verdammter Mistkerl!“, rief er röchelnd, versuchte sich an dem Tisch abzustützen, rutschte allerdings ab und fiel auf die Knie. Milverton lehnte sich durchs Fenster und sah mit einem Ausdruck purer Grausamkeit zu ihm hinab. „Keine Sorge, du wirst ohnmächtig, bevor du stirbst, also kriegst du nichts davon mit. Grüß deine Mutter von mir.“
Die Apfelhälfte glitt ihm aus der Hand und er sah noch wie der König vom Fenster weg trat, ehe alles schwarz wurde.
Zur selben Zeit ritten zwei junge Gestalten durch den Wald, der eine mit blonden Haaren und roten Augen, gut und gerne Anfang 20, in Begleitung eines Mädchens, dem die Haare in schottischer Mode geflochten wurden und die nicht älter als 14 sein konnte. Sie hatte die Arme um den Hals des Pferdes geschlungen, während der Mann hinter ihr die Zügel hielt. „Nützt alles nicht. Wir haben uns verlaufen, Eurus“, stellte der Mann nüchtern fest, während seine Begleiterin wachsam umher spähte. „Wir können hier nicht bleiben. Das ist der Wald in dem mein Bruder und ich von den Riesenspinnen angegriffen wurden“, flüsterte sie benommen, was wohl auch der Grund dafür war, dass sie augenblicklich einen Dolch aus der Satteltasche zog, als es im Gebüsch raschelte.
Wer sich ihnen allerdings dann in den Weg stellte war kein Riesenspinne, sondern ein blonder Hobbit, der verwundert zu ihnen hoch sah, allerdings positiv überrascht grinste, als er dem Mädchen in die Augen schaute. „Na sowas, wenn das nicht Prinzessin Eurus ist. Habt Ihr Euren Aufenthalt im nördlichen Königreich verkürzt?“, fragte er scherzend. Eures schüttelte den Kopf, vor allem wegen den Titel mit dem sie angesprochen war. Die Tochter eines Königs zu sein machte einen noch lange nicht zur Prinzessin, schon gar nicht, wenn man sein uneheliches Kind war. „Gut dass wir dich treffen, John. Wir sind in Mycrofts Auftrag gekommen meinen anderen Bruder zu holen, doch wir haben uns etwas verlaufen“, gab sie zähneknirschend zu, während der Hobbit bereits nach den Zügeln des Pferdes griff, um sie zu führen. „Er wohnt bei mir. Ist ne lange Geschichte, die ich euch am besten auf dem Weg erkläre. Wer ist dein Begleiter?“
„William. Mein großer Bruder hat dem ehemaligen König von England und nun auch seinen Kindern ein angenehmes Exil geboten. Mycroft und sein Vater sind geblieben, um die Machtrückeroberung zu planen, also sind Eurus und ich alleine gekommen, um das letzte zurückgebliebene Familienmitglied zu holen“, antwortete der junge Mann an Eurus Stelle.
John musterte den Fremden argwöhnisch, führte sie dann aber unbeirrt weiter zu seinem Haus.
Dort musste John allerdings seine eigene Haustür aufbrechen, da Sherlock nicht auf sein Klopfen reagierte. Die Tür berstete und ehe er realisierte was passiert war, stellte er sich so in den Türrahmen, dass Eurus nicht an ihm vorbei schauen konnte. Sie hatte zu viel mitgemacht, als dass sie das auch noch sehen müsste.
„John, was ist los?“, wollte sie wissen. Ihre Stimme war höher als sonst, da sie wahrscheinlich ahnte was los war. William zog sie sanft zurück, bevor der Blonde plötzlich aus seiner Starre erwachte, in sein Haus stürmte und sich neben Sherlocks reglosen Körper kniete.
„Er atmet noch. Kommt rein, ich brauche hier Mal Hilfe!“, rief er seinen beiden Besuchern zu und ehe er sich versah, knieten William und Eurus neben ihm und halfen dabei Sherlock zu untersuchen. Schwacher Puls, doch er war noch da. Die Schwarzhaarige langte nach dem angebissenen Apfelstück, und roch daran. Neutraler Geruch, nichts auffälliges.
„Wieso sollte er einen Apfel essen? Er hasst Äpfel“, sagte John irritiert, als er die Frucht in Eurus Hand sah, „aber damit kann er sich nicht umbringen, seine Allergie war nicht so schlimm.“
„Allergie“, wiederholte William, plötzlich ziemlich aufgeregt, „Mycroft wusste, dass August zu Mitteln greifen würde, um an der Macht zu bleiben, aber das ist in der Tat boshaft.“
John verstand nicht was er damit meinte, bis Eurus anfing kleine Fläschchen und Kräuter aus ihrer Rocktasche zu holen und erklärte: „Ich glaube William redet vom Partington Gift, eine Subztanz die von Assasinen erfunden wurde, um vom selben Essen wie sein Opfer zu nehmen, ohne dabei selbst zu sterben. Es verstärkt allergische Reaktionen.“
„Er meinte sein Hals wird kratzig, wenn er Äpfel ist. Wie soll ihn das umbringen?“, hakte der Blonde zweifelnd nach. William grinste leicht. „Wer weiß, vielleicht schwillt sein Rachen an bis er erstickt oder der allergische Schock sorgt für einen Herzstillstand. Da er aber noch lebt und der aufgeschnitte Apfel noch von frischer Farbe ist dürfte das Einsetzen des Giftes noch nicht lange her sein.“
„Dennoch hätte ein Herzstillstand ihn sofort getötet. Wir können davon ausgehen, dass er über kurz oder lang ersticken wird, also müssen wir die Schwellung im Rachenbereich lindern“, führte Eurus Williams Gedanken fort.
John wollte nicht sagen, dass er sich in der Gegenwart dieser Genies dumm fühlte, aber er fühlte sich schon ziemlich dumm.
Die Schwarzhaarige breitete ihr kleines Labor auf Johns Tisch aus, schnitt Kräuter klein, mixte Substanzen zusammen und erklärte dabei jeden ihrer Schritte, als ob der Hobbit auch nur einen ihrer Gedankengänge folgen könnte.
„Also gut“, sagte Eurus schließlich und hielt dabei ihren schnell gebrauten Trank hoch, „jetzt kommt der unangenehme Teil. Das Zeug muss Oral verabreicht werden.“
„Logisch“, entgegnete John.
„Allerdings von Mund zu Mund.“
Wenn sie vorhatte die beiden Männer zu schocken, dann war es ihr gelungen. Sie sahen erst sich an, dann Sherlock, bevor sie Eurus entgeistert anstarrten. „Was guckt ihr denn so? Das ist ganz wichtig, um das bereits verlorene Oxigen zurück in seine Lunge zu kriegen. Ich kann das allerdings nicht machen, weil diese neuartige Methode der Wiederbelebung einem Kuss sehr ähnlich ist und ich werde definitiv nicht meinen Bruder küssen!“
Nun, das war wohl ein vertretbares Argument, also würden John und William das unter sich ausmachen müssen.
„Du kennst ihn länger“, rief William, nahm Eurus das Gefäß ab und hielt es John hin, der leicht widerstrebend danach griff. Vor zwei Wochen lebte er abgeschieden von jeder Zivilition, ohne auch nur einen Hauch an Sorgen und jetzt das!
„Also schön... Aber wehe jemand erfährt davon“, zischte er, nahm den Trank entgegen und trank einen großen Schluck. Dann drehte er Sherlock auf den Rücken, beugte sich über ihn und beförderte die Substanz in seinen Mund wie von Eurus angeordnen.
Gott, war das komisch, machte er das überhaupt richtig? Nachdem er sich sicher war den ganzen Trank los zu sein, löste er sich und hob Sherlocks Oberkörper leicht an, damit er schlucken konnte. „Jetzt sollten wir ihn in ein Bett legen, beten und warten. Wenn der Trank wirkt, wacht er bald auf“, erklärte Eurus, dann hielt sie inne und bedachte John mit einem Grinsen, das auch dem Teufel hätte gehören können. „Du magst kein Mensch sein, doch du bist so leichtgläubig wie die meisten von ihnen.“
Drei Sekunden brauchten William und John sicherlich, bis sie den Sinn dieser Worte begriffen, dann begann William laut zu lachen, während John das leere Fläschchen am liebsten gegen die Wand geworfen hätte. „Du verdammte Hexe!“, schleuderte er Eurus entgegen, die vor lachen mittlerweile Seitenstiche bekam. „Und du hast es auch noch geglaubt, du hast ihn geküsst! Oh Gott, ich kann nicht mehr!“
John beschloss die Beiden auskichern zu lassen und hob Sherlock hoch, um ihn rüber ins Schlafzimmer zu bringen, blieb dann allerdings noch stehen und schaute sich William genau an. „Wie war Ihr Name noch gleich?“, fragte er und wartete geduldig, bis der Kerl sich wieder einkriegte.
„William.“
„Und weiter?“
„William James Moriarty.“
Moriarty. Das war es! Kein Ort, nicht Moray Faith, Moriarty, das hat Mycroft gesagt. Der Name des Clans bei dem sein Vater untergekommen war. Der Gedanke, dass Sherlock beinahe umsonst in die falsche Richting gelaufen wäre war belustigte und erschreckend zugleich.
Der Hobbit legte Sherlock in eines der sieben Betten und überprüfte seine Atmung die sich, wenn er sich nicht täuschte, langsam wieder stabilisierte. Niemals würde er irgendwem verraten, das er nie etwas besser gefühlt hatte, als diesen vermeintlichen Kuss mit dem wohl arrogantesten Jungen, der ihm je untergekommen war.
August saß in seinem Büro und überflog einen Brief des preußischen Königs, als die Tür förmlich aufflog und einer seiner Wachen sichtlich aufgewühlt hereintrat. „Euer Majestät, der Prinz... Er ist zurück!“, rief er.
Dem König wäre vor Schreck beinahe das Tintenfass umgefallen, doch er schaffte es äußerlich die Ruhe zu bewahren und folgte der Wache zum Thronsaal. Das war unmöglich, Sherlock konnte auf keinen Fall überlebt haben!
Der Wache befahl er draußen zu warten, bevor er in den Saal stürmte und abrupt stehen blieb.
Dort auf seinem Thron saß niemand geringeres als Prinz Mycroft, als ob er nie weg gewesen wäre. Etwas älter ist geworden, aber ansonsten sah er noch genauso aus wie an dem Tag an dem er ging.
„Ich habe dieses Schloss und meinen Bruder verlassen, um meine Schwester und meinen Vater zu finden. Sherlock lies ich hier, im Glauben er sei fürs erste sicher, doch ich habe Eure Gier nach Macht unterschätzt, Milverton. Als ich den zweitältesten Sohn der Moriartys und Eurus los schickte, um Sherlock zu holen, fanden sie ihn erstaunlicher Weise nicht hier in seinem Zuhause, sondern halbtot in einem Cottage mitten im Wald. Greg Lestrade wurde in den Kerker geworfen, mein Vater wurde erpresst, ich war gezwungen meine Heimat zu verlassen und Ihr? Ihr hattet lediglich die Aufgabe meinen Bruder zu schützen. Stattdessen habt Ihr-“
„DAS IST EINE LÜGE! ICH HABE NICHTS DERGLEICHEN GETAN!“, rief August entzürnt, doch Mycroft hob einfach beschwichtigend eine Hand, um ihn zum schweigen zu bringen.
„August, es tut mir leid, doch meine Familie ist wieder vereint. Mein Vater hatte das Glück Eurus kennenzulernen und wird sich ihretwegen nie wieder genieren oder erpressen lassen, ich bin alt genug zum regieren und Ihr werdet dem Henker euren Kopf geben müssen für den versuchten Mord an den Prinzen von Wales!“
„Versuchten?“, murmelte der König, als er auf einmal Schritte hinter sich hörte. Als er sich umdrehte, war die Spitze von Sherlocks Schwert nur wenige Zentimeter von Seiner Brust entfernt. „Na hast du mich vermisst? Ich muss sagen ich habe viel an dich gedacht, als ich da erstickend am Boden lag. Mycroft, wäre es nicht zu viel Aufwand den Scharfrichter kommen zu lassen? Ich kann das jetzt und hier zuende bringen“, sagte Sherlock mit einem frechen Grinsen. Mycroft lachte, ein ohnehin schon seltenes Ereignis. „Oh nein, da gebe ein zu großes Aufsehen. Ich schätze Milverton hat einen fairen Prozess verdient... Aber danach verliert er mit sicherheit seinen Kopf, nur keine Sorge, kleiner Bruder.“
In diesem Moment war Milverton sich sicher, dass die Gerüchte stimmten - Diese Brüder waren Ausgeburten der Hölle.
Er wartete kurz, dann stieß er Sherlock zur Seite und ergriff die Flucht nach vorne. Vor der Tür erwartete ihn allerdings eine viel größere Überraschung - Der alte König stand dort, in Begleitung seiner Tochter und drei junger Männer, die ihrer Kleidung nach zu urteilen schottischer Abstammung waren. Milverton schluckte, denn das erste Mal in seinem Leben spürte er etwas, was ihn völlig fremd war - Angst.
„Du widerst mich an, August. Wachen, nehmt diesen Mann fest!“, rief der ehemalige König und da alle unstehenden die Situation begriffen hatten, gehorchten sie und führten Milverton ab, der leise vor sich hinfluchte. Sherlock schaute beinahe enttäuscht auf sein Schwert.
England ohne König, das konnte nicht lange gut gehen und so sah man schnell zu, dass Mycroft die Krone aufgesetzt wurde. Bekannt als das asexuelle Wesen das er war, hofften nicht viele auf einen Thronerben, doch man munkelte, dass das Clan Oberhaupt der Moriartys, Albert James Moriarty, dem jungen König schöne Augen machte. Eurus, Sherlock und William jedenfalls standen bei der Krönungsfeier eher am Rande und sahen dabei zu, wie ihre Brüder sich unterhielten.
„Es hat schon zwischen ihnen gefunkt, als wir in Edinburgh ankamen. Der König von England heiratet einen Schotten seines Geschlechtes, also das wäre doch Mal ein Skandal nach meinem Geschmack“, kommentierte Eurus grinsend. William nickte abwesend, wobei seine Finger die von Sherlock unauffällig streiften. Unsicher was er von dieser Geste halten sollte, zog der Schwarzhaarige seine Hand lieber zurück und sah grinsend zu seinem Bruder hinüber.
Vorsichtig ging er auf ihn und Albert zu und klopfte Mycroft anerkennend auf die Schulter. „Ah Sherlock, du kommst genau richtig. Albert erzählt gerade den größten Humbug, den sich ein menschliches Gehirn nur ausdenken kann!“
„Das ist kein Humbug!“, widersprach Albert, „ich sage dir, in Frankreich soll ein Prinz eingschlafen und danach nicht mehr zu wecken gewesen sein. Angeblich kann ihn nur ein Kuss der wahren Liebe wecken. Apropros wahre Liebe, mein Bruder scheint Gefallen an dir gefunden zu haben, Sherlock. Wenn du ihn das Herz brechen willst, dann sei bitte sanft, ja? Er ist schrecklich emotional.“
Sherlock hörte insgeheim nur mit einem Ohr zu, doch da musste er schmunzeln und antwortete: „Solange du das Herz meines Bruders auch heile lässt.“
Und dann ging er, bevor Mycroft ihn anmotzen konnte.
Er ging bevor William seine Nähe suchte.
Bevor sein Vater unangenehme Fragen stellen konnte.
Er ging zu dem einzigen Ort an dem er sich wirklich wohl fühlte.
John war milde überrascht, als Sherlock vor seiner Tür stand und er war glücklich und überrascht zugleich, als der Schwarzhaarige ihn in eine schnelle Umarmung schloss. Er wollte es sich nicht eingestehen, doch er hatte alles an Sherlock vermisst, selbst seine arrogante und selbstgefällige Art.
„Ich könnte etwas Erholung gebrauchen... Sind zwei Wochen okay?“, fragte der Prinz leicht verlegen, ein seltener, aber schöner Anblick.
„Zwei Wochen...“, begann John lächelnd, „oder einfach solange du willst.“
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