Szene Zwanzig

Szene Zwanzig (Jax)

Es war spät abends und ich war gerade auf dem Weg zu meinem Haus. Laut meinem Stiefvater war meine Mutter immer noch nicht zu Hause und auch von Katherine hörte ich nichts. Und so wie ich es mir dachte, fand ich die beiden auch dort, wo ich sie vermutet hatte.

„Putzt ihr immer noch?", fragte ich irritiert und blickte zu meiner Mom, die gerade den Tisch abwischte.

„Ja, wenn es hier so aussieht, als hätte Putin hier Atomtests durchgeführt...", murmelt Mom.

„Das hast du von Katherine", bemerkte ich belustigt. „Wo ist sie überhaupt?"

„Sie ist hinten in Abels Zimmer", sagte Mom und machte eine Kopfbewegung in Richtung Flur. „Mach bloß nicht auf mich und flieg über das ganze Chaos was die Kleine hinterlassen hat."

„Chaos?", fragte ich Mom und bevor ich von ihr die Antwort erwarten konnte, war ich schon in Richtung Kinderzimmer verschwunden. „Verdammt!", ich flog über irgendeinen Karton rüber und hielt mich an dem Türrahmen fest, bevor ich noch ganz auf die Fresse flog. Irritiert blickte ich ins Zimmer und runzelte die Stirn. „Was machst du hier?", fragte ich Kat, die gerade dabei war, Fotorahmen mit Harley Davidson Bildern an die blaugestrichene Wand zu hängen. Ich blickte auf die anderen Kartons, auf denen die Sachen abgebildet waren, die noch aufgebaut werden mussten.

„Ich richte Abels Zimmer ein", bemerkte sie trocken und schob das Bild hin und her, damit es gerade an der Wand hing. Sie ging ein Stück zurück, begutachtete es und nickte zufrieden.

Ich schluckte nur. „Katherine, das musst du nicht machen", sagte ich.

„Doch muss ich. Abel braucht ein schönes Zimmer, wenn er aus dem Krankenhaus kommt."

„Wenn!", schrie ich sie an. Erschrocken fuhr sie zusammen und blickte mich mit großen Augen an. „Wenn er das überlebt! Er ist noch nicht über den Berg! Und wir wissen alle, dass er das nicht schaffen wird. Er wird das nicht schaffen. Dafür ist dieser kleine Körper einfach zu schwach. Also hör auf damit, sein Zimmer einzurichten, und suche lieber einen Sarg aus."

„Jackson!", hörte ich meine Mutter rufen und wenige Sekunden stand sie neben mir. Katherine pfefferte sauer den Hammer auf den Boden und schnappte sich ihre Handtasche.

„Ich meinte, dass eigentlich nur gut", sagte Katherine. „Gemma und ich sind wohl die einzigen, die glauben, dass es Abel schaffen wird."

Sie warf mir einen enttäuschten Blick zu, ehe sie sich an meiner Mutter und mich vorbei quetschte und in Richtung Haustür lief.

„Katherine, er meinte das nicht so!", rief meine Mutter hinter her.

„Ja klar, er meinte das nicht so", schnaubte sie sauer, verschwand aus dem Haus und ließ die Tür so heftig zu knallen, dass einer der Bilderrahmen von der Wand krachte.

Mom drehte sich zu mir. „Was soll das, Jackson? Wieso gehst du so mit ihr um?"

„Abel wird das nicht packen, wie oft muss ich das noch sagen?"

„Wie oft muss ich dir sagen, dass du an deinen Sohn glauben sollst. Er ist ein Teller. Die kriegt man nicht so schnell kaputt. Sie sterben nicht so schnell. Was soll denn dein Vater sagen? Er wurde von einem gottverdammten Truck etliche hundert Meter mitgezerrt und hat drei Tage weiter gelebt. Tellers sterben nicht so schnell, Jax."

„Aber blutig", grummelte ich und ging in Richtung Küche, wo ich mich an dem Esstisch setzte. Meine Mutter ließ mich immer noch nicht in Ruhe und setzte sich gegenüber von mich. Dann machte sie sich eine Zigarette an und musterte mein Gesicht.

„Jeder malt sich seine Fantasie aus", fing sie wieder an. „Jeder setzt seinen Glauben an was anderem fest. Kat und ich daran, dass mein Enkel das schaffen wird. Aber sein eigener Vater sieht es nicht so. Abel braucht dich, Jax. Er muss wissen, dass wenigstens sein Vater daran glaubt, dass er stark ist, wenn es die Mutter nicht kann."

„Du hast den Arzt gehört, dass es nicht gut für ihn aussieht."

„Die Chancen sind von 12 Prozent auf 22 Prozent gestiegen, Jax. Und das in weniger als drei Tagen. Wenn es so weiter geht, dann können sie ihn diese Woche noch operieren. Und dann wird er seinen ersten Geburtstag miterleben. Nur, du musst ehrlich den Gedanken loswerden, dass er ein schwaches kleines Ding ist."

„Das ist nicht gerade einfach", murmelte ich und spielte mit dem Feuerzeug herum. „Vor allen, wenn es mein erstes Kind ist."

„Ja, das ist Gewiss nicht einfach", nickte Mom. „Ich musste da auch durch. Aber, wie du gerade mit Katherine umgegangen bist, das war ziemlich beschissen." Mom machte eine Pause. „Sie will dir nur zeigen, dass sie für dich da ist, dass sie daran glaubt, dass dein Sohn gesund wird. Sie strengt sich so sehr an, dass du den beschissenen Glauben daran verlierst und zeigt dir, wie schön es sein kann, wegen Abel glücklich zu sein."

„Ja, ich weiß, dass das gerade ziemlich scheiße von mir war", nickte ich. „Und es war falsch, wie ich reagiert habe. Ich meine, dass ist ziemlich lieb von ihr, dass sie das alles auf sich nimmt. Für Abel und mich. Dass sie sich die Zeit dafür nimmt, dass Zimmer zu machen und für mich da ist."

„Fang mir bloß nicht an zu schwärmen, Jackson."

„Mom", meinte ich peinlich berührt. „Glaubst du, ich soll sofort zu ihr fahren und mich entschuldigen, oder noch warten, bis sie sich abgekühlt hat? Ich meine, sie hat fast die Haustür aus der Verankerung gerissen."

Gemma lachte leise. „Das zeigt doch schon, dass du dich lieber nie wieder mit ihr anlegen solltest. Und das musst du wissen, wann du dich entschuldigen willst."

„Dann mach ich das jetzt. Und du fährst auch nach Hause. Wir machen morgen den Rest, okay?"

„Ja, okay", sagte Mom und drückte die Zigarette im Aschenbecher aus.

  Nachdem meine Mom gefahren war, ging ich zurück in Abels Zimmer und hang den Bilderrahmen wieder auf. Dann fahre ich mal zu Katherine und entschuldige mich bei ihr. Aber ich musste feststellen, dass Katherine nicht da war, oder sie mir einfach nicht die Zimmertür auf machen wollte. Ich konnte klopfen, wie ich wollte. Und nach fünfzehn Minuten hatte ich keine Lust mehr, hinterließ eine Nachricht bei dem Inhaber des Motels und machte mich dann wieder auf den Weg zum Clubhaus, wo ich mich endlich in mein Bett schmeißen konnte.

     Am nächsten Morgen wartete ich vergeblich in der Werkstatt auf Katherine, die eigentlich hätte Arbeiten müssen. Selbst meine Mutter schien sich sorgen zu machen. So sah nämlich ihr Gesichtsausdruck aus, als sie auf mich zukam.

„Hast du was von Katherine gehört?", fragte ich meine Mom sofort. Diese nickte nur.

„Das Krankenhaus hat mich gestern angerufen. Die meinten, dass Katherine sich gestern Nacht ins Zimmer von Abel geschlichen hat. Bevor die Sicherheitstypen auftauchen konnten, war sie aber schon wieder weg."

„Woher wussten die, dass es Katherine war?", fragte ich und runzelte die Stirn.

„Wendy hat das gesehen. Was glaubst du wie sauer sie ist, wieso Katherine zu Abel kann, aber sie nicht."

„Das soll sie sich selbst mal fragen. Okay, ich fahre noch mal zum Motel. Deshalb war sie gestern nicht da gewesen. Ich melde mich, Mom."

„Alles klar."

„Aber sie kriegt doch keinen Ärger, weil sie nicht da war, oder?"

„Nö, das ist ja nicht ihre Schuld", antwortete Mom und verschwand im Büro.

„Aber meine", murmelte ich und machte mich auf dem Weg ins Hotel. Wieder stand ich vor verschlossenen Türen. Selbst auf meine Anrufe reagierte sie nicht. Mensch, mach keinen Scheiß.

   Mein letzter Gedanke, bewies sich dann doch als Glücksgriff. Als ich Katherine fand, musste ich schmunzeln. Sie lag auf dem Sofa im Wohnzimmer meines Hauses und war am Schlafen. Die Schlüssel zum Haus lagen auf dem Küchentisch.

Ich runzelte die Stirn und ging in Richtung Kinderzimmer. „Wow", bemerkte ich, als ich das fertig eingerichtete Zimmer sah. Sie hatte in der Nacht sämtliche Möbel aufgebaut. Ein weißes Babybett, die Kommode mit integrierten Wickeltisch, sämtliche Regale, die alle noch leer waren und einen kleinen Kleiderschrank. Über den Babybett, hing aus angemalten Holz Abels Namen. Ich ging wieder zurück ins Wohnzimmer, wo Katherine immer noch am Schlafen war. Ich kniete mich neben der Couch und legte meine Hand auf Katherines Wange- streichelte ihr vorsichtig mit dem Daumen rüber.

„Katherine?", fragte ich vorsichtig. „Hey."

„Hm? Was?", murmelte sie und zuckte kurz zusammen. Sie öffnete die Augen und blickte mich an. Erschrocken fuhr sie hoch und suchte nach ihrem Handy. „Scheiße, wie spät ist es?"

„Gem meinte, dass ist nicht schlimm, wenn du zu spät kommst", sagte ich schnell.

Katherine blickte mich irritiert an. „Echt jetzt?"

„Ja, mach dich erstmal frisch und dann fahre ich dich."

„Ich gehe zu Fuß", brummte Katherine und riss die Decke von sich weg. Dann stand sie auf und ging in Richtung Badezimmer.

„Katherine", sagte ich und lief hinter her. Ich hielt sie am Handgelenk fest und drehte sie zu mir. „Es tut mir leid, wie ich gestern reagiert habe. Ich weiß es war falsch. Aber du musst mich verstehen, ich bin mit der Situation einfach überfordert. Ich bin zum ersten Mal Vater geworden und dann bekomme ich noch einen kleinen kranken Jungen, wo die Chancen, dass er überlebt nicht gut aussieht."

„Ich kann mich nicht in deine Situation reinversetzen. Aber ich versuche, dass Positive daraus zu ziehen, und dich damit anzustecken, damit du endlich diesen Irrglauben loswirst. Er ist dein Sohn und er brauch dich, Jax. Und er merkt das, ob du an ihn glaubst, oder nicht."

Ich blickte nachdenklich auf den Boden und seufzte. „Ja, wäre es nur der Herzfehler, würde ich mir gar nicht den Kopf machen. Aber das noch mit dem offenen Magen. Das ist mir zu viel, wenn ich weiß, mit welchen Medikamenten ich meinen Sohn noch vollpumpen darf, damit er endgültig über den Berg ist."

„Du bist damit nicht alleine", sagte Katherine. „Du hast deine Mutter, deinen Stiefvater, den Club und mich. Und ich habe dir gesagt, dass ich dich in der Zeit ganz sicherlich nicht alleine lasse."

„Und dafür bin ich dir unendlich dankbar. Weißt du, wie ich mich wegen gestern gerade fühle?"

„Ich hoffe mal, dass du das bereust."

„Das tu ich und ich weiß gar nicht, was ich dir zurückgeben kann, für das was du alles für Abel und mich machst."

„Ein Danke und Schokolade reicht mir aus", sagte Katherine spöttisch. Sie zog ihren Arm aus meinem Griff los und verschwand darauf hin ins Badezimmer.

„Dann fahre ich dich, Katherine", rief ich und ging wieder in Abels Zimmer. Ich war immer noch verblüfft, dass sie das alles für mich getan hat. Und für Abel. Und ich hatte echt keinen Plan, wie ich ihr das alles zurückgeben kann.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top