Szene Neun

Szene Neun (Kat)


Als ich am nächsten Morgen aufwachte, war ich ziemlich verwundert, dass ich einen verpassten Anruf von Jax hatte, der mich vor einer Stunde angerufen hatte. Es war laut Handyuhr 10 Uhr Morgens gewesen und ich musste erstmal wach werden, bevor ich mich großartig bewegte.

Nachdem ich wieder geduscht hatte, rief ich Jax eine halbe Stunde später zurück.

"Alles in Ordnung?", fragte er mich sofort, nachdem er abgehoben hatte.

"Ja, alles in Ordnung. Was gibt es denn?"

"Kannst du mal gucken, wo du genau bist?"

"Warte, hier lag irgendwo ein Flyer vom Hotel." Ich schnappte mir den Flyer von der Kommode, wo der Fernseher drauf stand und las mir die Adresse vom Motel durch. "Okay, Santa Maria Motel in Biola."

"Das ist unten bei Fresno. Ich bin in zweieinhalb Stunden da."

"Wieso, ich kann auch alleine nach Charming fahren, Jax."

"Könntest du. Aber das wäre um einiges sicherer."

"Wieso, was ist los?", fragte ich und bei mir schrillten einfach alle Alarmglocken.

"Wir haben von einem Spitzel erfahren, dass die Frau von Brands dich sucht. Da gab es einen Überlebenden beim Brand in der Werkstatt. Richards Sohn Nico. Sie hat sämtliche Nazi-Söldner beauftragt nach dir zu suchen. Ein Kopfgeld in Höhe von 10.000 Dollar ist auf dich ausgesetzt. Bleib bitte einfach im Motel, bis ich da bin. Ich melde mich vorher noch mal, okay?"

"Das darf doch nicht wahr sein", brummte ich und ließ mich aufs Bett fallen. Ich fuhr mir durchs Haar und seufzte. "Was ist, wenn hier einer von den Leuten auftaucht?"

"Wenn du dich ruhig verhältst und die Vorhänge zuziehst, dann nicht. Ich beeile mich, Kat."

"Okay."

Damit war das Gespräch beendet und ich klappte das Handy zu. Ich schmiss es auf das Bett und ging zum Fenster, wo ich die Vorhänge zugezogen hatte. Ich zog dieses ein wenig auf, um rausschauen zu können. Doch außer mein Auto und ein paar anderer, konnte ich nichts Verdächtiges erkennen. Ich machte die Vorhänge wieder zu und packte schon einmal alle meine Sachen zusammen.

Ich hielt kurz Inne, als ich mir ein Ultraschallbild in die Hände fiel. Nein, dass hatte die Person, die vor mir im Zimmer war nicht vergessen. Es war meins.

Katherine Shaw, 36 Schwangerschaftswoche und meine kleine Tochter. Mir schossen Tränen in die Augen und versuchte, dass ich den Verlust so schnell wie möglich wieder vergesse. Ich stopfte das Ultraschallbild zwischen die Unterlagen, die ich sowieso am wenigstens brauchte und packte weiter meine Sachen ein. Nachdem das alles fertig war, saß ich noch eine Weile auf dem Bett und schaute Fernsehen. Bis 13 Uhr sollte ich das Zimmer verlassen und bezahlt haben. Ich hatte noch eineinhalb Stunden und Jax war auch spät dran, weshalb ich mir langsam Sorgen machte. Mein Handy checkte ich auch immer wieder, da ich Angst hatte einen wichtigen Anruf, oder eine wichtige SMS von ihm zu verpassen.

Als ich draußen Türen zufallen hörte, zuckte ich zusammen. Bitte lass es Jax sein. Aber in einem Auto? Auch, wenn ich ein ungutes Gefühl dabei hatte, ließ ich mir nicht nehmen, am Fenster zu spionieren. Ich zog ein wenig die Gardine bei Seite und spähte heraus. Erleichtert fuhr ich einen leichten Atemzug aus, als ich Jax sah, der aus einem Geländewagen stieg. Mit im Schlepptau war Tig. Die beiden schauten sich angespannt um und blieben stehen. Jax zückte sein Handy und wollte mich gerade anrufen, als ich zur Tür ging, und diese erleichtert aufriss.

Die beiden blickten zu mir. "Alles okay?", fragte Tig panisch.

"Nein, wieso?", stellte ich die Gegenfrage.

"Weil du die Tür aufgerissen hast?"

"Nee, ich bin einfach nur ungeduldig, was Warten betrifft", sagte ich.

Die beiden kamen zu mir und betraten das Zimmer. "Hast du alles gepackt?", fragte Jax mich. "Ja, hab nur die zwei Taschen", antwortete ich und zeigte auf die riesige Reisetasche und meine Handtasche.

"Gut, musst du noch Tanken?"

"Nee, hab ich gestern. Ich muss nur noch das Zimmer bezahlen."

"Ich übernehme das. Tig helf ihr die Tasche ins Auto zu bringen."

"Welches?"

"Yenko", antwortete Jax und ging in Richtung des Häuschens in dem der Besitzer des Motels saß und auf Bewohner wartete, nach dem ich ihn die Schlüssel für das Zimmer gegeben hatte.

Während ich mir die Handtasche schnappte, griff Tig nach meiner Reisetasche. "Ist ja nicht gerade schwer."

"Ich hab nicht viele Klamotten. Musste einiges Verkaufen, um wenigstens ein wenig Geld zu haben. Wenn man Krank bei der Arbeit gefehlt hat, wird man dafür nicht bezahlt."

"Was eine Scheiße. Weißt du schon, wie du in Charming Fuß fassen willst?"

Ich zog die Zimmertür zu und ging mit Tig zu meinem Auto. Ich öffnete diesen und Tig schmiss Reisetasche auf die Rückbank, ehe ich meine Handtasche auf den Beifahrersitz schmiss.

Ich knallte die Beifahrertür zu. "Einen Job in einem Diner, oder in einem Geschäft. Ich denke, da lässt sich schon was finden. Zur Not tanze ich wieder an der Stange."

"Du warst Stripperin?"

"Wer war das nicht schon mal gewesen?", stellte ich die Gegenfrage.

"Stimmt auch wieder. Ich denke, Jax wird dir schon dabei helfen. Ich glaub er mag dich."

"Oder er hilft einfach nur gerne."

"Ja, wer hilft denn nicht so einer hübschen Frau. Ich hab mich gerade aufopferungsvoll geopfert, um Jax begleiten zu dürfen und um einen guten Eindruck zu hinterlassen."

"Alles klar, Tig."

"Ist bezahlt und wir können abreisen", sagte Jax und kam wieder zu uns. "Dann fahren wir mal."

"Fahrt ihr vor?"

"Tig fährt vor. Ich fahre den Yenko."

"Wie wäre es, wenn du mich mal fragen tust?", fragte ich verdattert und blickte zu Jax, der sich an die Fahrertür stellte. Ich hörte Tig nur lachen, als er in den Chevrolet SUV stieg. Jax grinste mich schelmisch an, zeigte seine Grübchen und seine geraden weißen Zähne.

"Wieso darf ich nicht?"

"Ich lasse eigentlich kaum jemanden an die Karre ran."

"Ich behandel' dein Auto wie jede andere Frau auch, Kat. Bleib da mal schön locker."

"Ausnahmsweise", sagte ich und schmiss ihm die Schlüssel rüber. Er fing diese auf und steigte ins Auto ein. Ich setzte mich auf dem Beifahrersitz, nachdem ich meine Handtasche in den Fußraum fallen ließ.

Jax startete den Motor und folgte Tig, der ruhig im Geländewagen vor fuhr.

"Wie lange fahren wir jetzt?", fragte ich Jax.

"Zweieinhalb Stunden. Wir machen noch eine Pause. Du hast sicherlich noch nichts gefrühstückt."

"Nee, habe ich noch nicht. Und das wäre sau lieb."

"Also hast du Hunger?"

"Ja und ich könnte einen Drink vertragen."

"Kennst du das Sprichwort: Kein Bier vor vier?", fragte Jax belustigt.

"Ja, kenne ich. Und ich habe ja nicht gesagt, dass ich ein Bier will. Black Bush ist kein Bier", meinte ich scherzend.

Jax lachte leise und dann schwiegen wir für eine Weile. "Kaum zu glauben, dass ich mit fremden Bikern mitfahre, die illegale Geschäfte verrichten", unterbrach ich die Stille.

"So schlimm sind wir auch wieder nicht", stellte Jax klar.

"Wenn einer von euch mich töten und irgendwo in der Pampa werfen will, werd' ich euch alle die Eier abschneiden, damit das klar ist."

Jax verdrehte lachend die Augen. "Ja, Ma'am", nickte er. "Soweit wird es aber niemals kommen."

Ich nickte misstrauisch. "Ich hoffe es."

"Ich weiß, gestern war nicht dein Tag, was?", fragte Jax und blickte mich mit seinen blauen Augen an.

"Naja, ich hatte öfters schon Tage, die nicht mein waren."

"Sorry, ich weiß nicht, worüber ich sonst mit dir reden soll."

"Über das Wetter, oder so was", schlug ich vor.

"Hm, das Wetter in der Wüste. Mittags bestialisch heiß und Nachts arschkalt."

Noch bevor ich etwas erwidern konnte, klingelte Jax Handy auf. Er nahm das Gespräch an und telefonierte kurz mit Tig.

"Ja, da fahren wir raus, wenn da ein Diner ist. Ich bin am verhungern. Ja, ich denke Katherine auch", brabbelte Jax ins Telefon. Dann klappte er es wieder zu und steckte es in die Brusttasche seiner Kutte.

Nach einigen hundert Metern, fuhren wir von der Interstate auf einen kleinen Rasthof ab. Ich schaute auf den Schriftzug des Diners. Da war ein Bulle, der von einer Frau mit Cowboyhut an den Eiern gepackt wurde. Klassischerweise hieß die Bar auch noch 'Bulls By The Balls'. Draußen standen mehrere LKW's herum, als Jax neben Tig auf dem Parkplatz hielt. Der Motor verstummte und schnallte mich ab. Jax zog die Schlüssel heraus und stieg aus. Ich folgte seinem Beispiel und schnappte mir meine Handtasche, wo ich unauffällig Jax's Ausweis hineingleiten ließ, den ich ihm gerade, als er ausgestiegen war, aus der hinteren Hosentasche gezogen hatte. Ich fand ihn ja nett, aber trotzdem hatte ich immer noch ein wenig Angst vor fremden Bikern.

"Du siehst müde aus", bemerkte Tig.

"Bin ich aber nicht", sagte ich und machte die Autotür zu. Jax schloss das Auto ab und musterte mich kurz.

"Ich gebe aus, wenn Tig bezahlt", sagte ich, als wir zum Diner gingen.

"Ja klar, hey, nee", motzte Tig herum. "Ich muss sparen. Hab zwei Töchter und eine nervige Ex-Frau." Tig war als erste im Diner verschwunden. Jax war aber so nett und hielt mir die Tür auf und ließ mir so den Vortritt.

"Danke, Jax."

"Willkommen, im Bull By The Balls. Was kann ich für Sie tun, Gentlemen?", fragte die vollbusige Dame, am Empfangspult. "Oh und die Dame." Sie musterte mich argwöhnisch und wandte sich dann wieder mit funkelnden Augen zu Jax.

"Ein Tisch für drei", bat Jax höflich. Flirtete er etwa mit der billigen Kuh?

"Aber pronto", fügte ich hinzu und schnippste mit den Fingern vor ihrem Gesicht herum, damit sie sich endlich mal in Bewegung setzte. Irritiert blickte sie mich an und nickte nur.

"Ja, folgt mir. Ich liebe es, wenn starke Männer hinter mir sind."

Ich blickte genervt zur Live-Band die Country-Musik spielten, wovon ich mal so gar kein Fan war.

"Auch noch so ein Schuppen", murmelte ich.

"Was ist daran so schlimm?", fragte Tig mich.

"Die Country-Musik. Das ist doch für alte Leute, die bald das zeitliche Segnen. Wie wäre es mal mit Led Zepplin, oder Nirvana."

Tig lachte leise. "Ja, ich mag Country-Musik. Dazu habe ich meine Jungfräulichkeit verloren."

"Danke für die Information", sagte ich belustigt. Als die überschminkte Plunschkuh uns zu einem Tisch brachte, setzte ich mich direkt ans Fenster. Jax setzte sich gegenüber von mir und Tig neben Jax.

"Ich beiße nicht", sagte ich zu Tig.

"Woher soll ich das wissen?", fragte Tig spöttisch, weshalb Jax nur lachen musste.

"Die Kellnerin kommt gleich. Schade, dass ich nicht bedienen darf", seufzte die Frau.

"Jo, spielt ihr auch noch andere Musik?", fragte ich.

"Das ist ein Country-Laden, Schätzchen, wenn's dir nicht passt, kannst du dich ja auch verpissen", pflaumte mich das Früchtchen an und verließ den Tisch in Richtung Pult.

"Hat anscheinend nur fürs Dumm dastehen gereicht. Bedienen ist für dich eine zu hohe Kunst, was?", rief ich ihr sauer hinter her.

"Katherine, sitz", hörte ich Tig mahnend sagen und wurde wenig später wieder auf meinen Platz gezogen. Jax lachte leise in sich hinein.

Irritiert blickte Jax neben mir, als sich ein Typ neben mich setzte und mich flirtend anlächelte.

"Hi", meinte er.

"Bye", gab ich freundlich zurück.

"Ach, sei doch nicht so frech, Süße. Ich finde dich sehr, sehr, sehr sexy und ich bin nur ein Trucker auf der Durchreise. Wie wäre es."

"Wie wäre es, wenn du Land gewinnst?", fragte ich und blieb immer noch nett.

"Ach, komm Süße", meinte er wieder und fasste mir an den Oberschenkel. "Ein Bier."

"Was hast du nicht daran verstanden, dass du Land gewinnen sollst?", fragte Tig und stand von seinem Platz auf. Er stellte sich neben den Typen und schaute sich mit seinen großen grauen Augen um, ehe er aus seinem Hosebund eine Knarre zog und dem Trucker an den Bauch hielt.

"Alter, echt jetzt?", fragte der Trucker.

"Du hältst schön die Fresse und verpisst dich von der Kleinen, ist das klar? Sehe ich noch einmal, dass du sie ansprichst, oder auch nur anschaust, kannst du deine Hoden vom Boden aufsammeln, Kumpel."

"Ist ja gut. Ich gehe ja schon."

"Dann ist gut."

Der Trucker blickte noch mal zu mir und stand auf. Tig steckte die Waffe weg und machte ihm Platz, damit er die Bank verlassen konnte.

"Danke", sagte ich erleichtert.

"Der hat vielleicht nerven, dich anzusprechen, wenn hier Männer in Kutte sitzen", sagte Jax und schaute dem Kerl abfällig hinter her.

"Wenn man eine hübsche Frau sieht, ist die Umgebung einem egal", sagte Tig und setzte sich wieder neben dem Vize-Präsident.

"Oder ihr wirkt doch gar nicht so bedrohlich, wie ihr denkt", murmelte ich.

Die beiden sahen mich verdattert an. "So, Fräulein, das geht jetzt auf dich", meinte Tig.

"Meinetwegen", sagte ich schulterzuckend.

"Howdy", hörte ich eine Stimme links neben mir sagen. Es war eine der Kellnerinnen. Vollbusig und platinblond. Tig lehnte sich neugierig nach vorne und blieb gespannt an der Kellnerin hängen. Noch zehn Zentimeter und er konnte ihr kopfüber in den Ausschnitt klettern. "Ich bin Candy."

"Hi", sagte ich.

"Wollt ihr was trinken?"

"Kaffee mit Milch", sagte Jax.

"Kaffee, schwarz", meinte Tig.

"Verkauft ihr schon Alkohol?", fragte ich. Candy blickte mich verdattert an.

"Du weißt schon, wie spät es ist, Süße?", stellte sie die Gegenfrage.

"Ja, aber es ist kein Bier, also zählt der Spruch nicht."

"Okay, was magst du denn trinken?"

"Habt ihr Black Bush?"

"Ja."

"Dann nehm ich davon was."

"Okay. Möchtet ihr was essen?"

"Ja, auf die Frage warte ich die ganze Zeit. Ich nehme das große Frühstück", sagte Jax.

"Du, du Anstarrer?", fragte Candy und ging einen Schritt zurück, um Tig genauer anzuschauen.

"Genau das Gleiche, aber auf denen serviert", murmelte er verträumt und zeigte auf die Brüste der Kellnerin.

"Kann ich dir geben, aber nicht auf meinen Möpsen. Du, Süße?", sie blickte zu mir.

"Ich nehme das Gleiche."

"Okay." Sie schrieb alles auf. "Dann würde ich gerne deinen Ausweis haben."

"Was soll das denn werden?", fragte Jax misstrauisch, während ich in meiner Handtasche nach meiner Brieftasche kramte. Als ich die gefunden hatte, suchte ich vergeblich nach meinem Ausweis.

"Ich weiß, es ist blöd. Aber hier sind überall Kameras und wir hatten schon oft Probleme mit Minderjährigen, die älter aussahen, als einem recht war. Vorschrift. Von jedem Gast, egal welchem Alter, brauch ich die Ausweise, wenn sie Alkohol bestellen. Wir stehen unter strenger Beobachtung, sonst wird der Laden wegen eines bescheuerten Sache dicht gemacht und wer besorgt mir dann einen neuen Job?"

"Verdammt, wo ist mein Ausweis", brummte ich und durchforstete weiter meine Handtasche.

"Achja", sagte Jax und kramte in seiner Kuttentasche herum. Er zog einen Ausweis hervor. Verdattert blickte ich Jax an, als er mir meinen Ausweis entgegenhielt. Noch bevor er was sagen konnte, zog ich seinen Ausweis aus meiner Handtasche und schob diese über den Tisch.

"Der war in meiner Hosentasche", meinte er verwirrt.

"Guck nicht so blöd. Als wäre ich hier die Diebin. Du hast meinen Ausweis auch geklaut. Das war nur eine Vorsichtsmaßnahme. Nichts weiter." Ich schnappte mir meinen Ausweis und reichte ihm Candy.

"Wann hast du den genommen?"

"Gerade als du ausgestiegen bist und meinen?"

"Als ich eingestiegen bin."

"Euer Essen und das Trinken kommen gleich", sagte Candy und reichte mir meinen Ausweis. Ich ließ meinen Ausweis in meine Tasche gleiten und legte die Tasche wieder neben mir auf die Sitzbank.

"Man, die würde ich gerne mal genauer kennenlernen", seufzte Tig und blickte Candy hinter her.

"Die ist alt, passt doch zu dir", sagte Jax scherzend.

"Ha, ha, ha", grummelte Tig und schnitt eine Grimasse.

"Du musst es ja nötig haben", stellte ich grinsend fest.

"Ich bin ein Mann..."

"Stimmt, ihr habt es immer nötig."

"Für diesen Spruch bezahlst du mir den nächsten Unterhalt meiner Kinder", sagte Tig drohend und zeigte mit dem Zeigefinger auf mich.

"Hey, Tiggy. Man zeigt nicht mit dem nackten Finger, auf angezogene Menschen", machte Jax seinen Outlaw-Kollegen drauf aufmerksam und drückte seine Hand runter.

"Wer sagt, dass Kat für mich angezogen ist?"

Jax verdrehte nur die Augen. "Du musst dir echt mal helfen lassen."

"Wieso? Ist doch alles in Ordnung." Tig blickte zu mir. "Wie lange warst du mit Nolan eigentlich zusammen."

"Seit meinem 17 Lebensjahr - also seit ich hier in Amerika bin."

"Dafür, dass du aus Belfast kommst, hast du keinen irischen Akzent."

"Der kommt, wenn ich besoffen bin."

"Oh nein, eine brabbelnde Irin. Ihr seit schon schwer zu verstehen und dann auch noch besoffen", lachte Jax.

"Okay, und wie alt bist du, wenn ich fragen darf."

"Das fragt man einer Lady nicht", grummelte Jax.

"Ist schon okay, Jax. 25, ich werde im November 26."

"Du hast es neun  Jahre mit einem Nazi ausgehalten? Neun?"

"Die ersten drei Jahre wusste ich nicht, dass er einer war. Wäre ich nicht dahinter gekommen, was Brands ist, hätte ich es auch nie herausgefunden. Chris hat sich deswegen nie was anmerken lassen. Keine Tattoos, keine Bilder oder so."

"Und seit wann hast du den Entschluss gefasst, dich von Chris zu trennen?"

"Vor drei Monaten, als er von Brands gekündigt wurde. Er war Mechaniker in der Werkstatt. Die hatten irgendeinen Streit gehabt, weshalb es zum Bruch gekommen ist. Deshalb ist er Alkohol und Drogenabhängig geworden, war nur noch handgreiflicher gegenüber mir. Und ich weiß nicht, was wieder Ausschlaggebend war, dass die beiden sich wieder zusammengetan haben."

"Handgreiflicher? Er hat bevor, dass alles angefangen hat, die Hand gegen dich erhoben?", fragte Jax sauer nach.

"Ja, was soll ich sagen. Das verflixte siebte Jahr."

"Zwei Jahre lang Schläge kassieren. Wieso hast du dich nicht einfach gewehrt, Kleines?", fragte Tig besorgt.

"Wie sollte ich mich wehren? Habe ich zurückgeschlagen, stand Brands vor mir und dann habe ich richtig kassiert."

"Du meintest gestern, dass er dich auch betrogen hat?"

"Ja, hat vor zwei Jahren angefangen. Ich weiß nicht wieso er auf einmal damit angefangen hat. Da war aufeinmal die fette asiatische Vermieterin die Hüpfburg seines Vertrauens."

"Wie kann man dich nur betrügen? Du siehst sau gut aus. Oder bist du scheiße im Bett?"

"Tragger", knurrte Jax.

"Ja, was. Wie kann man über andere Frauen rutschen, wenn man Katherine als Freundin hat. Guck sie dir doch mal an."

"Zerbrech dir darüber jetzt nicht das Köpfchen, Tig", meinte ich.

"So, hier schon mal die Getränke", hörte ich Candy sagen. Sie kam an den Tisch und stellte die Pötte Kaffee bei den Jungs ab. Ich bekam ein volles Glas Black Bush. "Ich hab dir ein bisschen mehr reingeschüttet, Kleines. Hab das Gefühl das du das jetzt irgendwie brauchst"

"Oh, ja, brauche ich. Danke dir."

"Ihr gehört welchen MC an?", fragte Candy die Jungs.

"Sons of Anarchy. Aus dem Norden", antwortete Jax.

"Noch nie von euch gehört", meinte sie. "Aus Kanada?"

"Nordkalifornien", lachte Tig.

Candy blickte zu mir. "Bist du von dem Brad-Pitt-Verschnitt die Old Lady?"

"Die bitte was?", fragte ich verdattert. "Old, was?"

Candy lachte leise. "Die Frau, Freundin, Affäre von dem Schönling?"

"Aaah, nee", sagte ich kopfschüttelnd. "Nichts von dem."

"Sicher?"

"Ja, sicher", sagte ich und trank einen Schluck vom Black Bush. Boah, tat das gut.

"Und zu welchem Verhältnis stehst du dann zu den Männern? Die haben dich nicht gekidnappt oder so?"

"Woho, nope", warf Jax ein. Verdattert blickte ich Candy an und schüttelte meinen Kopf. "Haben die echt nicht. Ich bin freiwillig mit den beiden unterwegs."

"Dann ist ja gut", meinte sie.

"Candy, nicht reden!", rief ein Mann rüber.

"Ja, mein Mann verlangt nach mir", sagte sie. In Tigs Gesicht konnte ich gerade sämtliche Reaktionen hervorrufen. Während Jax sich ein kleines Grinsen nicht verkneifen konnte. Traurig blickte Tig auf dem Tisch. Oh, der Arme.

Als Candy meinen Ring am Ringfinger erwähnte, wurde dieser tonnenschwer und zog meine Hand gen Abgrund. Ich blickte auf den Ring und würgte gedanklich. Ich zog die Hand unter dem Tisch und blickte zu Candy. "Danke, Erbstück."

Ein Erbstück von Chris Mutter. Er hatte mir im Suff einen Antrag gemacht. Ich hatte den zwar abgelehnt, aber daran konnte er sich am nächsten Morgen nicht mehr erinnern. Er war der Meinung, dass ich ja gesagt habe. Manchmal nannte er mich Verlobte und manchmal vergas er es einfach, dass ich es war. Was ich ja nicht war. Ich musste ihn tragen. Hatte ich ihn einmal abgelegt, war der nächste blaue Fleck wieder vorprogrammiert.

Candy ging vom Tisch weg und ich trank einen größeren Schluck vom Whisky.

"Zeig mal das Teil", meinte Tig und hielt mir die offene Hand hin. Ich zog den Ring von meinem Finger und eine weiße Stelle zeigte sich an meinem Ringfinger. Bah. Ich legte den Ring in Tigs Hand. Der silberne Ring, schimmerte im hellen Licht, und der Diamant blinkte immer wieder auf.

"Ich dachte, ihr wart nicht verlobt?", fragte Jax mich.

"Waren wir auch nicht. Er hat mir nen Antrag im Suff gemacht, ich hab nein gesagt, aber er war anderer Meinung."

"Wieso hast du ihm nicht gesagt, dass ihr nicht verlobt seid?"

"Er hat ne ziemlich harte Rechte."

"Es ist vorbei, Kat. Er tut dir nichts mehr", sagte Jax und legte seine Hand auf meine. Er streichelte mit dem Daumen rüber und ich nickte nur.

"Wie viel ist der Wert?", fragte Tig mich. "Den kannst du bei einem Pfandleiher verschachern. Ist sicherlich ein Riese drinnen."

"Für die Kanalisation reicht er aus", bemerkte Jax und drückte kurz meine Hand.

"Ich hab ihn schon mal schätzen lassen, bei einem Experten", sagte ich.

"Und, wie viel?"

"Zehn Riesen."

"Zehntausend Dollar?", quietschte Tig.

Ich nickte. "Der Preis steigt von Jahr zu Jahr. Ist aus dem Zweiten Weltkrieg. Die Kravur, kannst du erkennen was da drinnen steht?"

Tig schaute genauer nach. "Eva Braun?"

"Hitlers Freundin?"

Ich nickte. "Wie kommt man an sowas?", fragte Tig verblüfft.

"Wie? In dem Chris ein Nachkomme Hitlers und Brauns ist."

"Ist ein Scherz. Die hatten doch kein Kind zusammen. Wie soll das möglich sein. Der Typ hatte doch nur ein Ei."

"Sie haben das Kind geheim gehalten, Tig. Für die Zukunft. Es war eine Tochter. Chris' Großmutter- die Mutter von Chris' Mutter. Marie Braun heißt seine Großmutter. Lebt hier irgendwo in Kalifornien in einem Altenheim."

"Erzählst du uns gerade Märchen?", fragte Jax mich.

"Nee. Erzähle ich nicht. Ich hab den originalen Stammbaum in meiner Reisetasche. Ich warte nur darauf, dass ich den verticken kann. Wenn ich einen Grund dafür habe, Geld zu brauchen."

"Krass."

"Den hast du doch", meinte Tig. "Deinen Neuanfang."

"Das Ersparte reicht aus", sagte ich.

"Krasse Kiste", meinte Tig und gab mir den Ring wieder.

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