45. Arme Schlumpfine
kapitel fünfundvierzig ——— Arme Schlumpfine
༄ Theodora
VOR GENAU EINER WOCHE HATTE THEODORA LESTRANGE den größten Fehler ihres Lebens begangen. Sie hatte sich betrunken — mit Sirius Black. Und zwar so richtig. Versteht sie nicht falsch: Es war lustig gewesen, aber sie hätten nicht auf die Idee kommen sollen, zusammen zur Eulerei zu gehen und einen dummen Brief zu schreiben. Wirklich nicht.
Als sie in den Osterferien durch Hogsmeade lief und niemand geringeres als ihr Bruder auf sie zukam, wusste sie, dass sie am Arsch war. Rabastan Lestrange hatte noch nie so finster ausgesehen — zumindest war dieser Blick noch nie ihr gewidmet gewesen.
„Rab." sagte sie, kleinlaut wie immer, wenn sie bei ihrer Familie oder ihren Freunden war. Das Schlucken fiel ihr plötzlich schwer. „Hallo."
„Hallo." wiederholte er langsam und musterte sie, bevor er ihr eindringlich in die Augen sah. Er hatte seine Hände in den Taschen seines Umhangs vergraben und seine braunen Haare fielen ihm in die Stirn, während er eindringlich schwieg. Ihr Vater tat das gleiche, wenn er seine Autorität zeigen wollte. Sein Schweigen war schlimmer als die Male, bei denen er seine Hand gegen sie erhoben hatte. Manchmal hätte sie letzteres bevorzugt. „Ich nehme an, der war von dir." Rabastan holte ein leicht zerknittertes Pergament aus seiner Tasche hervor und Thea atmete tief durch, als sie ihre eigene Handschrift erkannte.
Es war ein kurzer Brief gewesen. Sie wusste nicht, wer auf die glorreiche Idee gekommen war: Sirius oder sie. Ich habe keine Lust mehr auf das Ganze, hatte sie geschrieben, also brenne ich jetzt mit Sirius Black durch (der gut küssen kann).
„Das in der Klammer hat er geschrieben." sagte sie, als sie unter seinem stechenden Blick einbrach. „Und ich brenne nicht mit ihm durch."
„Also hat er dich dazu gebracht." entgegnete Rabastan, doch als seine Stimme gegen Ende seines Satzes leiser und bedrohlicher wurde, konnte Thea endlich wieder klar denken. Sie hatte die Vorlage, das zu tun, was sie wollte. Es war zu früh — und sie hasste sich selbst dafür, so dumm gewesen zu sein. Aber vielleicht musste sie diese Chance nutzen.
„Nein." antwortete sie fest und atmete tief durch, als sie sich das sagen hörte. „Es ist die Wahrheit."
„Willst du unsere Eltern wirklich so enttäuschen? Sie waren außer sich."
Thea sah auf den Boden, doch sie würde es ihrer Familie nie recht machen können, ohne sich selbst für immer zu etwas zu verdammen, das sie hassen und das sie in eine Person verwandeln würde, die sie nicht sein wollte. „Mir ist es egal, wessen Blut rein oder nicht ist. Ich will mein eigenes Leben und darüber entscheiden können, wer meine Freunde sind und wer nicht. Ich will euer rassistisches Denken nicht mehr unterstützen und—"
Als Rabastan einen Schritt auf sie zumachte, trat sie instinktiv einen zurück.
„Rabastan!" hörte sie da plötzlich eine Stimme hinter sich rufen und sie wusste nicht, ob sie Erleichterung empfinden sollte oder nicht. „Wie geht's meiner irren Cousine? Hat Rodolphus sie endlich einweisen lassen?"
Kaum, dass Sirius neben ihr stehengeblieben war, packte Rabastan ihn schon am Kragen. „Du hast sie mit deinen Flausen angesteckt." spie er aus. „Ich werde dich umbringen, wenn du meine Schwester weiter—"
„Rab." ging Thea dazwischen, als ihr Bruder sie völlig ignorierte und sich auf Sirius stürzte, der ziemlich entspannt aussah, als würde die Einschüchterung nicht wirklich wirken.
„Halt den Mund." sagte Rabastan beiläufig zu ihr und nun verengte Thea gereizt ihre Augen.
„Das habe ich lang genug." meinte sie so laut, dass er sich wieder zu ihr umdrehte und Sirius dabei losließ. Dieser tat so, als würde er sich gelangweilt Staub von seinem Kragen klopfen. „Ich wurde von niemandem beeinflusst oder überredet — ich kann nämlich selbst denken und habe eine eigene Meinung. Und genauso werde ich auch selbst über mein Leben entscheiden und weil ihr mich das nicht lasst..."
„Theodora, wir gehen da alle durch. Du wirst das hinkriegen." entgegnete Rabastan, als sie eine kurze Pause machte. „So ist das eben in unserer Position."
„Nicht, wenn ich es ändern kann."
„Ich bin mir sicher, Vater lässt dir noch ein wenig Zeit, bevor du deinen Platz einnimmst, wenn du das noch nicht möchtest." versuchte er sie weiter zu überzeugen, noch einmal darüber nachzudenken, was sie tat. „Vergiss nicht, dass Mutter auch erst mit sechsundzwanzig geheiratet hat, weil sie vorher arbeiten wollte. Und sie arbeitet immer noch fürs Ministerium, seit du in der Schule bist. Wir sind nicht so primitiv wie Muggel, was das angeht — wir haben Hauselfen."
Thea atmete tief durch und sah ihn mit einem beinahe traurigen Blick an. „Wir sind doch trotzdem noch eine Familie. Du könntest auch..."
Rabastan schnaubte.
„Du wirst immer mein Bruder sein, den ich liebe." Als sie erkannte, dass es nichts brachte, sah sie enttäuscht zur Seite und fing Sirius' Blick auf, der sie ungewöhnlich ruhig und abwartend betrachtete. Er lächelte aufmunternd, als wolle er sagen, dass alles wieder gut werden würde — und das gab Thea unglaublich viel Kraft.
„Theodora..." begann Rabastan und sah sie ernst an. „Wenn du jetzt gehst, wird Vater dir sicher noch eine Chance geben, wenn du wieder... zu Sinnen kommst."
Zwiegespalten sah sie ihn an. Sie liebte ihre Familie so sehr — vor allem ihren Bruder — aber sie wusste nicht, ob sie das länger konnte. Ihr Blick fiel erneut auf Sirius und er sah sofort in ihrem Blick, wofür sie sich entschieden hatte.
„Dora... lass uns gehen." begann Sirius und hielt ihr seine Hand hin. Thea sah mit einem schwachen Lächeln von ihm zu Rabastan und schluckte, in der Hoffnung, nicht den größten Fehler ihres Lebens zu begehen.
Und dann nahm sie Sirius' Hand, ohne den Blick von ihrem Bruder abzuwenden.
Rabastan sah sie an und sein Kiefer verhärtete sich, bis er nickte. „Hoffen wir, dass du das nicht bereust. Ich werde unseren Eltern sagen, dass sie dich nicht in den Ferien erwarten müssen."
Ihr Mundwinkel hoben sich und ihr Ausdruck wirkte dadurch verzweifelt verzerrt. Sie hätte am liebsten laut losgelacht. Es war die einzige Möglichkeit, die Tränen zurückzuhalten, die sich in ihre Augen schleichen wollten. Es war die einzige Möglichkeit, stark zu bleiben.
Sirius begann, an Rabastan vorbeizugehen und mit einem letzten, unsicheren Blick zu ihrem Bruder, ließ Thea sich von ihm mitziehen. Sie sah noch einmal über ihre Schulter, um zu sehen, dass er sich zu ihr umgedreht hatte und sie missbilligend beobachtete, wie sie mit Sirius die Straße entlangging.
Sie konnte es kaum glauben. Als sie sich wieder nach vorne drehte, entwich ihr ein ungläubiges Lachen. Thea... hatte es geschafft. Sie war frei.
„Es ist Thea." brachte sie ein wenig atemlos hervor. „Nicht Dora. Thea." Sie grinste breit. „Ich bin Thea."
Sirius runzelte mit einem belustigten Grinsen die Stirn. „Nicht Dorrie? T.T? Dollie?"
„Soll ich dich umbringen?" fragte sie, als er stehenblieb und warf ihm einen genervten Blick zu. Sie hätte ihm am liebsten noch mehr an den Kopf geworfen, aber sie fühlte sich wie die Königin der Welt — sie konnte alles tun, wenn sie wollte. Sie streckte ihre Arme aus und drehte sich ein paar Mal im Kreis. Einige Schüler mussten ihr ausweichen, aber wen kümmerte es schon? Sie zumindest nicht. Es war alles egal — sie war frei.
Sie fühlte sich, als könnte sie sich fünf Stunden drehen und durch jeden Korridor von Hogwarts rennen, ohne dass sie müde werden würde. Ihr Lachen wurde immer lauter und als sie sich etwas schwindelig an Sirius abfing, indem sie ihre Arme um seinen Hals legte, um ihn wie über allen Wolken anzugrinsen, dachte sie daran, dass sie wirklich alles tun kannte.
Sie könnte Sirius Black küssen, wenn sie wollte. Sie könnte jeden küssen. Aber sie wollte Sirius küssen, genau jetzt, genau hier. Weil er so ein Idiot war und sie ihn und seine perfekt sitzenden Locken absolut nicht ausstehen konnte.
Also tat sie es.
Ohne ihm Zeit zum Reagieren zu geben, stellte sich auf die Zehen und drückte ihre Lippen auf seine. Es fühlte sich nicht einmal so an, als wäre er überrascht. Kaum, dass sie ihn küsste, spürte sie, wie er eine Hand an ihren Kopf legte und sich zu ihr herunterbeugte, als hätte er schon längst darauf gewartet.
Thea konnte nicht einmal sagen, wie lange sie dort standen. Sie wusste nur, dass sie nie damit aufhören wollte und es ihr völlig egal war, wie viele Schüler vorbeikamen. Sirius sorgte dafür, dass sie alles vergaß und dass es ihr nicht genug war, egal, wie nah sie sich auch gegen ihn drückte und wie hungrig sie ihn küsste. Es fühlte sich beinahe so an, als hinge ihr Leben davon ab.
„Ich hasse dich wirklich, weißt du das?" fragte sie atemlos, als sie sich kurz von ihm löste und Sirius lachte schwer atmend auf, ohne sich von ihr zu weit zu entfernen.
„Ich weiß." sagte er, was Theas Augen zum Funkeln brachte. Und dann küsste sie ihn wieder. Und wieder. Weil sie nun alles tun durfte, was sie wollte — und was sie wollte, war Sirius Black zu küssen, so verrückt das auch war. Bei Salazar Slytherin, er wusste ja nicht, wie sehr sie ihn dafür hasste. Oder eben auch nicht.
. . .
Thea war nie gut darin gewesen, neue Leute kennenzulernen, vor allem, wenn es sich um eine ganze Freundesgruppe handelte. Und dann waren es auch noch drei Gryffindors und eine Ravenclaw — Ravenclaws gingen ja noch, aber Gryffindors waren bestimmt nicht so froh über eine Slytherin als Begleitung von Sirius.
„Ladys, das ist Thea." Sirius zeigte beiläufig auf sie, als er vor der Eisdiele in Hogsmeade stehenblieb und sich auf einen der freien Stühle neben einer blonden Gryffindor setzte. Etwas zögerlich setzte Thea sich neben ihn und sah so neutral wie möglich in die Runde.
Lupin, den sie ja zum Glück schon etwas kannte, sah auf und schaute etwas überrascht zu Thea, weshalb er Sirius einen fragenden Blick zuwarf. „Soll ich mich da jetzt auch angesprochen fühlen?" meinte er.
„Moony, hier sind drei Frauen und du bist alleine mit ihnen — hätte nie gedacht, das mal sagen zu können — also spreche ich die an, die in der Überzahl sind." entgegnete Sirius.
„Und was hättest du gemacht, wenn wir gleich viele gewesen wären?" fragte die Ravenclaw, während sie ihr Schokoladeneis löffelte. Sie hatte schulterlange, dunkelblonde Haare und sah Sirius mit einer hochgezogenen Augenbraue an. Thea sah gespannt zu ihm und Sirius grinste ihr nur gelassen zu.
„Loring, Loring..." begann er. „Wer hat dich eigentlich eingeladen und wo hast du Lancaster gelassen?"
Sie antwortete etwas Undeutliches, während sie ihr Eis weiter aß.
„Ich übersetze, was sie sagen wollte: Hannah arbeitet." meinte ein anderes der anwesenden Mädchen. Sie hatte dunkle Haut und hübsche braune Augen, die belustigt funkelten. „Ich bin Dorcas." stellte sie sich schließlich vor und wandte sich mit einem Seitenblick zu den anderen an Thea. „Weil es ja scheinbar niemand anderes für nötig hält, sich vorzustellen."
„Ich bin Marlene." sagte die Blondine neben ihr etwas langsamer, offensichtlich verwirrt und auch ein wenig skeptisch.
„Remus." fuhr Lupin mit dem Vorstellen fort und Sirius erwiderte die fragenden Blicke von Marlene und ihm nicht.
Theas Aufmerksamkeit richtete sich auf die Ravenclaw neben ihr. „Jo." stellte diese sich vor, als sie bemerkte, dass die Blicke nun auf ihr lagen, und sah zu Sirius. „Was machst du mit jemandem, der solche Sonnenbrillen trägt?" fragte sie Thea, die leicht lachte und deren Anspannung etwas von ihr abfiel.
„Hey, das sagst du?" entgegnete Sirius. Da es nur komische Blicke und keine Fragen gab, strich Thea sich erleichtert eine Locke zurück, die sich aus ihrem Pferdeschwanz gelöst hatte.
„Aber mal von der Sonnenbrille abgesehen..." fuhr Jo fort und Thea nickte amüsiert.
„Du musst mir nicht sagen, dass er ein Idiot ist." meinte sie und schlug Sirius auf den Oberschenkel. „Das weiß ich schon."
„Du bist sehr sympathisch." sagte Jo offen und wedelte mit ihrem Eislöffel herum. Erst, als Remus neben ihr zusammenzuckte, sah sie nach neben und hielt sich mit einem Lachen eine Hand vor den Mund. „Ups."
Ohne offensichtlich länger darüber nachzudenken, streckte sie schon ihre Hand nach ihm aus und fuhr mit dem Finger über seinen Nasenflügel, wo sie ihn mit ihrem Eis getroffen hatte und lutschte ihren Finger beiläufig ab. Als sie merkte, dass sie noch etwas vergessen hatte, wiederholte sie ihre Geste und Remus kratzte sich verlegen am Hinterkopf, als Sirius die Augenbrauen hob und ihr einen befremdlichen Blick zuwarf. Jo schien gar nichts aufzufallen, was sie für Thea noch sympathischer machte.
„Das Eis muss ja ganz schön gut sein." merkte Sirius an.
Jo nickte. „Das Nusseis hier ist auch echt gut, aber Schokolade toppt alles." meinte sie und Sirius schüttelte verzweifelt mit dem Kopf, als sie seine Anspielung nicht verstand.
„Hiiii", hörte Thea plötzlich eine gehetzte Stimme hinter sich und sah Lancaster aus dem gleichen Jahrgang der anderen hinter sich, die ziemlich schick gekleidet aussah und ihre Haare ordentlich zurückgebunden hatte. „Tut mir leid, ich wollte schon längst zurück sein."
„Es ist Karsamstag." sagte Sirius verständnislos. „Solltest du nicht eigentlich nur unter der Woche ins Ministerium?"
Die Ravenclaw atmete tief durch. „Ich wäre sonst nicht fertig geworden." Sie wirkte eindeutig gestresst und sah überrascht zu Thea, als sie sie erkannte. „Hi." wiederholte sie.
„Hey." entgegnete Thea und sah dabei zu, wie sie einen Stuhl heranholte und hinter Jo stehenblieb, damit sie zur Seite rückte. Jo sah überrascht zu ihr, als sie bemerkte, was sie wollte und rückte nach links näher an Remus heran. Es war klar, dass Lancaster gedacht hatte, sie würde in die andere Richtung rutschen, aber sie sagte nichts und setzte sich zwischen Thea und sie.
„Loring hat gerade Remus abgeleckt." meinte Sirius und Hannah sah ihn irritiert an.
„Hä?" entgegnete sie, während Jo die Stirn runzelte und Remus mit dem Kopf schüttelte. „Ich frag' besser gar nicht." Thea beobachtete aufmerksam, wie sie sich mit Remus verhielt. Thea hatte die beiden mit Sirius ja in ziemlich offensichtlicher... Situation miteinander gesehen. Aber gut, es war einen guten Monat her. Sie tauschten nur ein kurzes, verhaltenes Lächeln aus.
„Hiya." mischte sich eine neue Stimme ein und Thea drehte sich zu niemand geringerem als James Potter um, der in Begleitung von Peter Pettigrew, Lily Evans und einer anderen braunhaarigen Mitschülerin vor ihrem Tisch stehenblieb. „Woah, Lestrange, falscher Tisch, oder?"
Thea verzog das Gesicht. „Müsstest du bei dem ganzen Helium in deinem Kopf nicht eigentlich den ganzen Tag fliegen, Potter?"
James sah anerkennend zu Sirius, als er diese Erwiderung hörte. „Man kann sich offensichtlich doch mit dir unterhalten, Lestrange." stellte er fest.
„Thea." entgegnete sie.
„Sirius, lass uns doch mal kurz ein Eis bestellen." sagte James an Sirius gewandt, während Lily, Peter und ihre Freundin sich Stühle holten und sich zu Marlene und Dorcas setzten.
„Du kannst auch einfach den Kellner zu dir winken — oder die andere nette Kellnerin." warf Jo ein.
James sah sie an. „Wir wollen sie doch nicht unnötig mehr arbeiten lassen, hm?" fragte er und Thea sah, wie er Hannah einen kurzen Blick zuwarf, die ihn schluckend erwiderte und anschließend von Marlene abgelenkt wurde, die sie etwas fragte. James sah zurück zu Sirius und nahm seufzend Jos leeren Eisbecher entgegen, den sie ihm sofort bei seinen Worten hinhielt.
Ein paar Sekunden später waren die beiden verschwunden und ohne Sirius fühlte Thea sich etwas unsicherer bei seinen Freunden.
„Darf ich fragen, warum genau du bei uns bist?" fragte Marlene und so direkt ihre Worte auch waren, fühlte Thea sich bei ihrer Frage nicht unwohl. Sie sah nicht aus, als würde sie sie im Vorhinein verurteilen.
„Ich habe wohl gerade meiner Familie mitgeteilt, dass sie mich aus ihrem Stammbaum streichen können." antwortete Thea sachlich und zuckte mit den Schultern, als sie ein paar betroffene Blicke zugeworfen bekam. Sie wollte wirklich kein Mitleid. Besonders die Schulsprecherin, Lily, sah sie mit einem sanften Lächeln an, das Thea am liebsten ausgeblendet hätte.
Plötzlich richteten sich ein paar Blicke auf etwas hinter sie und Thea drehte sich um, um ein paar der Mädchen aus ihrem Schlafsaal zu sehen, die angeregt miteinander tuschelten. Schließlich trat eine von ihnen, Celeste Bulstrode, vor und bahnte sich ihren Weg zu dem Tisch, an dem sie saß. Auf ihrem Gesicht konnte sie die Missbilligung sehen, die sie beim Anblick der Gryffindors und Ravenclaws empfand.
„The— Lestrange." begann sie und räusperte sich. „Falls du dich so überhaupt noch nennen darfst."
Thea war nie sonderlich eng mit den Mädchen aus ihrem Schlafsaal gewesen, aber sie hatten Zeit miteinander verbracht, geredet und über den neusten Klatsch aus der Hexenwoche gesprochen.
„Wir haben dich mit dem Blutsverräter gesehen und—"
„Ich denke, wenn du schon an unseren Tisch kommst, solltest du ein wenig höflicher sein." unterbrach Remus sie und hob die Augenbrauen.
Celeste presste die Lippen zusammen und sah ihn finster an. „Sei froh, dass ich überhaupt zu diesem Tisch gehe."
„Wirklich froh sind wir darüber nicht." entgegnete Lily.
„Dass du mit Schlammblütern an einem Tisch sitzt, sagt ja aus, dass wir anscheinend recht mit unserer Vermutung hatten."
„Hey, pass auf, was du sagst." James war mit Sirius zurückgekehrt und ohne, dass er viel von der Unterhaltung gehört hatte, funkelte er Celeste so finster an, dass sie leicht zurückzuckte.
„Ich möchte dir nur mitteilen, dass wir—" Als Celeste das Wort wieder an Thea richtete, deutete sie auf ihre Freundinnen, „—es für klüger halten, wenn du nicht mehr mit uns in einem Schlafsaal wohnst."
„Ach, und wo soll ich dann schlafen? Auf dem Boden?" entgegnete Thea kühl.
„Naja, das Bett der Gryffindor, die sie beseitigt haben, ist bestimmt noch frei." Peter sah getroffen auf die Tischplatte. „Aber der Boden hört sich auch nicht schlecht an, der ist Dreck ja schon gewöh—" Celeste schrie auf, als Jo gereizt aufstand und sie an den Haaren zurückzog. Niemand hielt sie auf.
„James und Sirius halten sich vielleicht zurück, weil du ein Mädchen bist, aber ich bin auch ein Mädchen und werd das nicht." versprach sie, während sie Celeste in den Schwitzkasten nahm und sie so von der Terasse der Eisdiele zog und in Richtung ihrer Freundinnen schubste, die mit großen Augen zusahen. „Wollt ihr auch?" fragte Jo, doch Celeste rannte schon so schnell wie sie konnte, wobei sie auf dem Boden fast wegrutschte. Ihre Freundinnen folgten ihr hastig.
Thea teilte Jos Überraschung, als Remus seine Hände auf ihre Schultern legte. Sie hatte so gebannt zugesehen, dass sie gar nicht gemerkt hatte, wie er aufgestanden war, um sie zurückzuholen, da sie ihnen noch hinterherschrie. Als sie ihm wieder etwas ruhiger folgte, sah Thea auf die Tischplatte. „Danke." murmelte sie, doch sie konnte das Grinsen nicht erwidern, dass Dorcas und James ihr stolz zuwarfen.
„Ich hab' mich ja noch zurückgehalten." murmelte Jo.
„Das war genial." meinte James.
Thea hatte nicht erwartet, dass es sie tatsächlich so hart treffen würde — vor allem so früh. Eigentlich war ihr klar, dass sie unechten Freunden nicht hinterher trauern musste, aber ihr Magen zog sich zusammen, als sie an Regs Reaktion dachte. Sie hatte so schreckliche Angst, dass er sie genauso fallen lassen würde wie jeder andere. Thea musste nicht aufsehen, um zu erkennen, dass Sirius sie stumm ansah. Ich habe es dir gesagt, schien sein Blick auszudrücken. Vielleicht war es auch nur das, was sie sich selbst sagen wollte.
Sie hatte gewusst, was auf sie zukam und jetzt fragte sie sich, ob sie nicht auch einen guten Weg mit ihrer Familie gefunden hätte. Rabastan hatte recht: Ihre Mutter hatte auch nicht geheiratet, bis sie auf einer Feier von Theas Vater angesprochen worden war und Gefallen an ihm gefunden hatte — so sehr, dass sie ihn geheiratet hatte. Früher hatte Thea diese Geschichte an Liebe in solchen Familien glauben lassen, heute fragte sie sich, ob ihre Mutter nicht nur die beste Option gesehen und sie ergriffen hatten. Ihr Vater war kein schlecht aussehender Mann gewesen, hatte Geld und Ansehen und hatte nach einer Frau gesucht. Thea wusste nicht, ob sie nicht irgendwann genauso pragmatisch denken würde, wenn sie bleiben würde — dass ihre Mutter kein unglückliches Leben führte, machte es ihr jedoch nicht leichter, die ersten Zweifel zu verdrängen.
Sie wurde von der Kellnerin aus ihren Gedanken gerissen, die neben dem Tisch stehenblieb und nach Bestellungen fragte. „Hey." grüßte sie diejenigen, die dazugekommen waren. Sie sah jung aus und Thea glaubte sich an ihr Gesicht zu erinnern. Hatte sie nicht letztes Jahr ihren Abschluss gemacht?
„Hey." entgegnete Sirius und sah sie so direkt an, dass sie errötete. Thea warf ihm einen Blick zu. In ihrem Magen zwickte es bei seiner Antwort ein wenig, doch er sah ihre Reaktion nicht — nach seinem plötzlichen Grinsen zu urteilen, hatte er das aber wohl jetzt. Blödmann.
„Sie hatten neben dem normalen Schokoeis auch dunkles Schokoeis, oder?" fragte Marlene und die Kellnerin.
„Das hätte ich gerne." sagte Jo schnell und Remus warf ihr einen kurzen Blick zu.
„Du hattest doch gerade schon—"
„Ich bin Sportlerin." unterbrach sie ihn, als würde das alles erklären. „Ich darf das."
Hannah schnaubte.
„Wir haben auch weißes Schokoladeneis."
„Das nehm ich." sagten James und Hannah gleichzeitig und in dem Moment, in dem sie das sagten, tauschten sie einen seltsamen Blick aus. Thea bekam manchmal das Gefühl, dass sie über ihre Gedanken kommunizierten, wenn sie sie beobachtete. „Mit extra vielen Streuseln." fügte James hinzu, als er seinen Blick von ihr losriss. „Und diesen Keksstangen. Am besten zwei. Und in die Sahne—"
„Wenn du mir eine Galleone Trinkgeld gibst, kannst du mit all deinen Extrawünschen gerne ankommen." unterbrach die Kellnerin ihn trocken und James zuckte mit den Schultern.
„Gut." antwortete er und Lily schüttelte mit dem Kopf.
„Merlin, James." sagte sie. „Du bist so ein Angeber."
„Aber es gefällt dir." entgegnete er selbstgefällig.
Sie erwiderte seinen Blick schweigend, bis er mit den Zähnen knirschte, was sie mit einem Grinsen kommentierte.
Als alle ihre Bestellungen aufgegeben hatten und sie ihr Eis bekamen — Thea hatte etwas einfallslos Vanille bestellt — warf Remus einen skeptischen Blick auf Hannahs Eis. James freute sich derweil über seine extra Portion Streusel.
„Jetzt machen sie auch noch ein Eis aus weißer Schokolade." meinte er kopfschüttelnd und Hannah, die nicht in der Stimmung für solche Scherze zu sein schien, bei denen es sich offensichtlich um einen Insider handelte, verdrehte die Augen.
„Dich zwingt ja keiner, es zu essen." entgegnete sie etwas schroff.
„Ist ja gut." Er hob seine Hände. „Ich wollte nur, dass du nicht mehr so angespannt wegen deines Tags sein musst."
„Ich will einfach nur nach dieser Woche in Ruhe mein Eis essen und keine blöden Sprüche dazu hören, okay?"
„Ja, okay." entgegnete Remus knapp und murmelte leise vor sich hin, dass er sie demnächst gar nicht mehr fragen würde, wie ihr Tag gewesen sei, wenn sie sowieso nicht darüber reden wolle. Hannah aß weiter ihr Eis, während James ungewöhnlich ernst dabei zusah.
Dorcas räusperte sich leise bei der plötzlichen unangenehmen Stimmung und warf Marlene einen kurzen Blick zu. Thea sah Sirius an, doch er zuckte nur mit den Schultern.
„Okay." sagte Jo plötzlich laut und schob ihren Eisbecher zu Remus neben sich. „Wenn ich sowas hätte hören wollen, wäre ich über Ostern wirklich zu meinen Eltern gegangen. Nimm mein Eis, das macht glücklich. Du hättest dir auch ein neues bestellen sollen."
Remus sah sie an und blickte schließlich auf ihren Eisbecher hinab. Für einen kurzen Moment glaubte Thea, dass er Nein sagen würde, doch plötzlich lächelte er. „Waren die drei Kugeln doch zu viel?" fragte er herausfordernd und Jo zuckte mit den Schultern.
Sie hielt ihm ihren Löffel hin. „Keine Fragen." entgegnete sie. „Ich muss von dir eh noch wissen, was für Allergien James und Sirius so haben."
Sirius sah sie fragend an.
„Für das Quidditchspiel." erklärte sie und James schnaubte.
„Ich würde selbst ohne Arme gewinnen." verkündete er.
„Sag das nicht zu laut." sagte Dorcas. „Sonst hast du bald keine mehr."
Jo grinste gefährlich und Remus nahm endlich ihren Löffel und begann, ihr Eis zu essen.
„James?" fragte Lily plötzlich, als James weiter völlig vernarrt sein eigenes aß. „Hast du je Schlumpfeis gegessen? Weil du genau so jemand wärst, der es nur wegen der Farbe lieben würde."
James winkte ab, als wäre das total absurd. „Wieso sollte ich bitte ein Eis wegen seiner Farbe toll finden?" fragte er.
„Es ist blau." antwortete Hannah für Lily und James riss begeistert die Augen auf.
„Es ist blau?" Er sah Hannah an, als wolle er sie begeistert küssen. Plötzlich hielten sie inne und James drehte sich wieder zu Lily, als er merkte, dass ihre Blicke sich schon wieder ineinander verhakten.
„Was sind Schlümpfe?" fragte Sirius.
„Das sind so blaue kleine Männchen." antwortete Mary.
„Und dann gibt es Papa Schlumpf, Clumsy, Schlaubischlumpf..." begann Lily zu erklären.
„Und es gibt nur ein einziges Mädchen im ganzen Dorf: Schlumpfine." fuhr Mary fort. „Sie ist von Gargamel erschaffen worden und kam als Neue zum Dorf. Gargamel ist der Böse."
„Er ist ein bisschen wie Filch. Rennt immer mit Katze rum." schloss Lily.
„Arme Schlumpfine." meinte Marlene. „Wie viele leben da in dem Dorf?"
„Äh..." Lily überlegte angestrengt. „Hundert, oder so?"
„Stell dir vor, du bist von neunundneunzig Kerlen umgeben, die nie ein Mädchen gesehen haben." Marlene setzte einen Blick voller Horror auf.
„Marlene, das sind einfach kleine süße Schlümpfe." meinte Mary und Thea wurde immer verwirrter. Muggelkultur verwirrte sie allerdings immer.
„Die sind nicht so hormongesteuert." stimmte auch Hannah zu.
„Also ich würde mich nicht beschweren, wenn ich der einzige Kerl in einem Dorf mit hundert Frauen wäre." sagte Sirius und Thea biss sich auf die Unterlippe.
Er war Sirius Black — natürlich sagte er so etwas. Sie wusste nicht, warum es sie störte. Sie hatte keine Ansprüche auf ihn, nur weil sie ihn einmal geküsst hatte.
„Natürlich würdest du das nicht." meinte Marlene.
„Ich denke nicht, dass das so gut wäre, Tatze." murmelte James in sein Eis und Lily sah ihn überrascht an.
„Stell dir vor, du bist Schlumpfine und stehst auf Mädchen." warf Dorcas ein. „Da bist du auch am Arsch."
James schien ihr gar nicht zuzuhören. „Stell dir vor, da sind plötzlich zwei aus diesem Dorf, die du toll findest. Das macht alles nur unnötig kompliziert."
Hannah warf ihm einen seltsamen Blick zu, als wünsche sie sich, dass er aufhörte zu reden und Lily runzelte die Stirn, was Thea ihr gleichtat. Sie hatte das Gefühl, dass hier ein riesengroßes Chaos herrschte und jeder zu blind dafür war, um es zu sehen. Und sie war froh, dass sie in diese Geschichte nicht involviert war.
▃▃▃▃▃▃▃▃▃▃▃▃▃▃▃▃
Thea, hun, du bist schon involviert xD
Hier ist das erste Kapitel für die Lesenacht und ich bin jetzt schon schrecklich inkonsequent und würde euch am liebsten alle Kapitel geben, als es noch auf Samstag aufzuteilen 🥲
Wer weiß, vielleicht entscheide ich mich noch spontan um, wie ich mich kenne xD
Ein wenig aus Theas Perspektive, wir sind ja auch einen Monat gesprungen 👀
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