Kapitel 35 : Einladung

Entspannter denn je arbeite ich an meinem Stoff, den ich nun schon vor ein paar Tagen angefangen habe.

Da es seit Tagen keine Strafen mehr gab ist die Stimmung in Mountry schon viel besser geworden. Die Leute grüßen sich öfter, es wird einem zugelächelt und während der Arbeit ist es gelassener.

Durch meinen Vorteil, dass ich den neuen Stoff früher anfangen konnte, als die anderen, arbeite ich noch präziser, um so wenige Löcher wie möglich zu fabrizieren. Bisher bin ich mit meinem grauen Stoff auch sehr zufrieden.

Das kräftige Stapfen von Schuhen auf dem sandigen Boden zieht meine Aufmerksamkeit von meinem Stoff in die Ferne. Eine große Menge an Offiziersmännern schlendert an unserem Arbeitsplatz vorbei, allerdings bleiben auch einige davon an unserem Platz stehen.

Alle hören auf zu arbeiten und sehen zu, wie die gekommenen Offiziersmänner mit denen reden, die schon vorher da war. Die Gesichter der Männer sind alle streng und ernst.

In der Menge erkenne ich ein vertrautes Gesicht. Herr Hernandez steht mit den angekommenen Offiziersmännern in einer Reihe und sieht durch die Menge, wobei sein Gesichtsausdruck genauso ernst ist, wie der von den anderen, soweit ich das mit seiner Sonnenbrille erkennen kann. 

Ein großer, breitgebauter Offiziersmann holt einen Zettel heraus, den er einen der anderen Männer zeigt. Augenblick werden Finger auf Personen gezeigt und jeweils zwei Männer gehen auf die gezeigte Person zu.

Aus der Stille ertönt das Schreien von Männern und Frauen, die unsanft von den Offiziersmännern an den Armen gepackt werden. Aber nicht nur von hier kann man es Aufschreien hören. Von überall in Mountry ertönen Hilferufe und einige werden bereits fortgebracht, zur Tür neben der Scheune oder sogar schon direkt in die Container.

So langsam begreife ich, was hier los ist und automatisch schleicht sich die Panik in mir hinein. Ich lasse all meine Sachen los und sehe mit offenem Mund zu, wie Personen fortgeführt werden. Darunter die Frau, die ich vor ein paar Tagen noch beobachtet hatte, als die für ihren nicht sehr makellosen Stoff keine Strafe bekommen hat.

Ein strenger Griff an meinen rechten Oberarm zieht mich aus meiner Starre und zwingt mich aufzustehen. Hektisch versuche ich mich zu wehren, bis die Person anfängt an mir zu rütteln.

„Madeline, du musst mir vertrauen! Ich bringe dich in Sicherheit!"

„Was?", frage ich verwirrt und starre in das Gesicht von dem Offiziersmann, der mir sehr vertraut ist.

„Komm' mit!", befiehlt Herr Hernandez und zieht mich an meinem Arm mit.

Das Gekreische und Geheule von den Leuten um mich herum wird langsam zum Terror, weshalb ich so gut es geht mit Herr Hernandez' Tempo mithalte, um hoffentlich davon wegzukommen.

„Moment Mal!", ruft plötzlich eine lautstarke Stimme. Die Person stellt sich vor uns hin und hält die Hand ausgestreckt, weswegen Herr Hernandez stoppen muss.

Bei dem Anblick dieser Person fällt mir das Atmen plötzlich schwer.

„Brauchen Sie nicht eigentlich zwei Personen, um jemanden fortzubringen? Immerhin ist diese hier besonders zynisch.", faucht der Offiziersmann aus seinem dichten Bart.

„Hambols....", fletsche ich leise zwischen meinen Zähnen hervor, sodass er es jedoch nicht hören kann.

Herr Hernandez spannt sich direkt an und verengert den Griff um meinen Oberarm, weshalb ich scharf die Luft einziehe. Leider trifft er genau die Wunde, die schon Tage her ist, aber noch nicht vollständig verheilt ist.

„Ich kümmere mich darum.", spricht der Mann an meiner Seite harsch.

„Sind Sie sicher? Ich kann euch beide auch einfach begleiten, um sicher zu gehen, dass sie hier auch einen schönen Platz und eine angemessene Strafe bekommt.", äußert sich Sir Hambols, während er mich böse anblitzt.

„Ich bin mir sicher, Sir. Und wenn sie mich jetzt entschuldigen, ich muss sie fortbringen.", besteht Hernandez weiter darauf und bleibt immer noch in seiner angespannten und strengen Haltung.

Sir Hambols sieht mich und ihn skeptisch an.

„Sehr wohl!", sagt er zuletzt, ehe er endlich einen Schritt zur Seite rückt.

„Noch einen schönen Abend Sir.", wünscht ihm Herr Hernandez, der ihm kurz zunickt, bis er einen Schritt nach vorne setzt.

„Ebenso.", entgegnet Sir Hambols.

Langsam, aber dennoch bewusst, gehen wir weiter, als Sir Hambols auf einmal nach meinem linken Handgelenk greift.

Mein Herz beginnt so schnell zu schlagen, dass man es von außen bestimmt sehen kann. Abrupt bleiben ich und Herr Hernandez stehen.

Sir Hambols' Mund kommt meinem Ohr immer näher und meine Nackenhaare stellen sich direkt auf.

„Dir natürlich nicht. Du bekommst die Hölle.", verkündet er mit düsterer Stimme.

Der Kloß in meinen Hals wird immer größer und es wird für mich immer schwerer zu Atmen, bis er endlich mein Handgelenk loslässt und sein Gesicht von meinem Kopf entfernt.

Ohne ihn anzusehen gehe ich mit Herrn Hernandez weiter, der nun einen noch schnelleren und strengeren Gang eingeschlagen hat.

„So ein Arschloch!", flucht er, wo ich ihm nur zustimmen kann. Würde mir der Offiziersmann an meiner Seite gerade nicht eine gewisse Art von Sicherheit geben, dann wäre ich nach dieser Aktion schon komplett verzweifelt.

Anders als erwartet werde ich allerdings nicht in den alten Pferdestall gebracht, stattdessen bringt mich Herr Hernandez mich zu einem der unteren Container. Hektisch fummelt er an dem Schlüsselbund, den er aus seiner Hosentasche geholt hat, bis er den richtigen Schlüssel findet, mit diesem die Tür aufschließt und mich hinein schubst.

Ehe ich in dem Container bin höre ich schon, wie die Tür wieder ins Schloss fällt.

Panik kriecht sich wieder ihren Weg in mir hinauf, doch dann dreht sich eine Person am hinteren Fenster um und sofort fällt all die Last von meinen Schultern ab.

Wie gesteuert gehen meine Beine auf diese Person zu, sowie er auch auf mich zu geht.

Sein Mund ist etwas offen und es sieht so aus, als würde er sprechen wollen, doch er wüsste nicht was.

Voreinander bleiben wir stehen und beobachten unsere Gesichter gegenseitig, wobei mir eine Platzwunde an seinem Mund auffällt, sowie auch eine Schürfwunde auf der Höhe seines linken Wangenknochens. Doch bevor ich irgendwie darauf reagieren kann zieht er mich in seine Arme.

Etwas irritiert verharre ich in meiner Position. Es ist komisch von dem Meister umarmt zu werden, doch schließlich schlinge ich meine Arme um seinen kräftigen Oberkörper und atme tief seinen Geruch ein.

Eine Weile bleiben wir so stehen, bis wir uns langsam voneinander lösen.

„Geht es dir gut? Ist dir etwas passiert?", erkundigt sich Gordon.

Seine braunen Augen springen besorgt herum und suchen an mir nach einer Verletzung ab.

„Mir geht es gut, aber was ist mit dir?", frage ich nun besorgt und hebe meine Hand, um nach seiner Wunde zu sehen, doch sofort zieht er meine Hand wieder nach unten, wobei unsere Hände einander verharren.

„Nicht so wichtig.", entgegnet er und senkt leicht seinen Blick.

„Gordon, was ist hier los?", möchte ich wissen.

Augenblicklich hebt er seinen Kopf wieder und sieht mir erneut direkt in die Augen.

„Mein Vater ist wieder zurück.", gibt er als Erklärung und drückt meine Hand ein wenig fester.

Sein Vater? Der Maestro!

„Er war weg?"

„Ja, für ein paar Tage, weshalb ich Mountry in der Zeit übernommen habe. Doch jetzt ist er wieder da."

Er ist wieder da.

Hab ich den Satz nicht letztens schon gehört.

Auf einmal macht es klick in mir und ich weite meine Augen.

„Deshalb musste ich gehen...", spreche ich meine Gedanken leise aus.

Gordon nickt leicht mit eingefallenen Augen.

Mein Blick schweift zur Seite, wobei ich versuche das alles zusammenzusetzen.

„Denk' nicht, dass ich...", beginnt er zu sprechen, doch unterbricht sich selber, "Ich musste nur ein paar Sachen mit ihm besprechen und die habe ich jetzt besprochen, weshalb ich schon von vornherein mit dir sprechen wollte, doch es ging nicht früher.", erklärt er sanft.

Neugierig sehe ich ihn wieder an.

„Worüber?"

Bevor Gordon beginnt zu sprechen verengert er den Griff von unseren Händen noch ein wenig. 

„Mein Vater hat bald Geburtstag und dann veranstalten wir immer eine große Feier im Hauptgebäude. Ganz viele Menschen reisen extra dafür an. Jedenfalls wollte ich dich fragen, ob du mich dort begleiten willst?"

„I-Ich?", stottere ich fragwürdig und zeige mit dem Zeigefinger meiner freien Hand auf mich. Gordon nickt vorsichtig.

„Ich.. äh... also..." Angestrengt versuche ich einen Satz von meinen Lippen zu bringen, doch ich weiß nicht wie oder was ich sagen soll.

„Du musst nicht gehen und du musst dich auch zu nichts verpflichtet fühlen, aber es würde mir-"

„Okay.", unterbreche ich ihn.

Verunsichert sieht er mich an. „Okay, was...."

„Ich geh mit dir dahin."

Seine Mundwinkel bewegen sich sofort nach oben und seine Augen strahlen so viel Empathie und Freude aus.

„Danke.", haucht er, woraufhin ich auch Lächle, aber meinen Kopf schüttle. 

Eigentlich möchte ich ihm danken, aber ich bin mir dabei etwas unsicher. Immerhin ist er immer noch der Meister und hat schreckliche Dinge gemacht, aber er hat mir ein paar schöne Tage bereitet, auch wenn er kaum da war.

Ich versuche gerade einen Satz hervorzubringen, da kommt er mir zuvor. 

"Ich muss wieder gehen, aber du kannst noch ein bisschen bleiben und dich ausruhen, wenn du möchtest. Es wäre glaube ich sogar besser, wenn du noch eine Weile hier drin bleibst, bevor du den Container verlässt."

Unglaubwürdig sehe ich ihn an, wobei er unseren Griff an den Händen lockert und Anstalten macht zu gehen, doch ich greife wieder nach seiner Hand, weshalb er mich überrascht ansieht.

"Geh' nicht bevor du mir genau erklärt hast, was hier vor sich geht.", sage ich etwas drohender, als geplant. Auf einmal schleichen sich ein paar Tränen in meine Augen, die ich sofort weg blinzle. 

Die Situation gerade in Mountry mit den ganzen hilflosen Menschen wird mir von Sekunde zu Sekunde klarer, aber um sie genau zu verstehen brauche ich eine genaue Erklärung von ihm. 

Gordon atmet aus und sieht in die Ferne.

"Es ist kompliziert...", gibt er von sich.

"Dann erzähl' mir die einfache Version. Ich möchte wissen, was hier vor sich geht und was dein Vater mit dem Zustand gerade zutun hat!"

Seine braunen Augen, in denen Angst zu erkennen ist, sehen mich wieder an, doch von seinen Lippen kommt kein Wort.

"Gordon, bitte!", flehe ich ihn an, lege meine linke Hand auf meine Brust und schaue ihm direkt in die Augen.

"Na gut, aber möchtest du dich vielleicht setzen?", fragt er und deutet auf das Bett neben uns. Energisch schüttele ich meinen Kopf. Auf dieses Bett werde ich mich nie freiwillig raufsetzen. 

"Ich bleibe lieber stehen.", erwidere ich darauf.

Er nickt kurz, bis er erneut einmal ausatmet und beginnt zu sprechen, wobei er seinen Blick nach unten gerichtet hat.

"Mein Vater war, wie schon gesagt, ein paar Tage weg und ich habe dann die Kontrolle übernommen. In der Zeit habe ich angegeben, dass keine Strafen vollzogen werden dürfen, lediglich eine Ermahnung. Es lief auch alles gut, bis mein Vater vor drei Tagen wieder kam. Zuerst hat er nichts bemerkt, doch er hat ein paar treue Offiziersmänner, die ihm natürlich alles erzählen müssen."

Mit seiner freien Hand fährt er sich durch die Haare, ehe er fortfährt.

"Jedenfalls hat er es erfahren und hat dann diese Aktion geplant."

"Wie, also, ich meine.... warum..."

"Ich weiß du hast sicherlich viele Fragen, aber es würde zu viel Zeit einnehmen dir alles zu erklären und ich muss jetzt wirklich gehen.", versichert er mir und ich sehe ihn etwas verwirrt an, doch nicke etwas verträumt.

Unsere Hände trenne sich voneinander und Gordon geht zur rechten Tür, hinter der sich das Badezimmer befindet.

"Gehst du nicht durch die Tür?", frage ich vorsichtig, wobei Gordon die Tür zum Badezimmer bereits geöffnet hat.

"Manchmal braucht man auch einen anderen weg, um unentdeckt hineinzugelangen.", spricht er, ehe er auch schon die Tür schließt und ich höre, wie er sie von innen wieder verschließt. 

Der Drang in mir, ihm hinterher zu gehen, wird immer größer, doch ich kämpfe dagegen an. 

Gibt es einen geheimen Eingang?

Trotzig lasse ich mich auf dem Stuhl am Tisch nieder  und überdenke jede Zeile, die er zu mir gesprochen hat, doch nichts davon löst mein Rätsel. 

Wieso spricht er so verschlüsselt? Warum kann er mir nicht einfach alles erzählen?

Das Gefühl nicht genug zu sein kommt plötzlich in mir auf, doch ich versuche es abzuschütteln. Er ist der Meister und ich nur eine Gefangene. Ich kann nicht erwarten, dass er mir alles verrät.

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Ich hatte beim schreiben einen lustigen Gedanken... Der geheime Durchgang führt durch die Toilette haha

Spoiler - das ist er natürlich nicht lol 
Wäre aber witzig! 

Allerdings muss ich mich Maddy anschließen. Gordon redet nur in Rätseln.

Auch wenn nur das letzte Kapitel ohne Gordon war, habe ich es trotzdem vermisst von ihm zu schreiben. Crazy wie schnell ich mich daran gewöhnt habe, dass er da ist, obwohl er Anfang so selten vor kam. 

Habt ihr auch schon Ferien bzw. frei? 

Adios amigos !  

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