Kapitel 34 : Unglaubwürdig
„Wo zur Hölle warst du? Was ist passiert?", fragt mich eine aufgebrachte Alina, die mich zu unseren Schlafplatz gezerrt hat, nach dem wir schweigend zu Abend gegessen haben.
„Geht es dir gut?", kommt eine weiter Frage dazu, die dieses mal von Jennifer kommt.
„Was wollte der Offiziersmann von dir?", möchte nun auch Lucy wissen, die sich mit den anderen alle in einen Kreis um mich gestellt hat.
Total überfordert sehe ich jeden an und versuche die best möglichste Antwort zu dem allen zu finden.
„Warst du die ganze Zeit in der Box eingesperrt?", fragt Jennifer erneut.
„Nein...", gebe ich kleinlaut bekannt.
„Was ist denn dann passiert?"
„Ich... also..."
Noch einmal sehe ich in die Runde und bemerke, dass die Jungs bemerkenswert ruhig sind. Oliver ist sowieso eher ruhig, mit Dennis habe ich seit Wochen nicht mehr gesprochen und Cole... Hat es ihn nicht interessiert, dass ich weg war?
„Ich glaube wir überfordern sie gerade ein wenig.", bemerkt Lucy, woraufhin ich leicht nicke.
„Na gut, dann lassen wir das.", beschließt Jennifer, obwohl sie ein bisschen enttäuscht aussieht. Auch wenn sie eine gute Freundin ist und solche Sachen respektiert möchte sie meistens immer alles wissen. Entweder, damit sie mehr lernt oder weiß, wie sie mit etwas umgehen soll.
Irgendetwas muss ich allerdings sagen. Ich kann meine Freunde ja nicht im leeren lassen.
„Es ist nichts schlimmes passiert. Wirklich!", versuche ich sie alle zu beruhigen.
„Das sieht man.", ertönt eine Stimme von der Seite, welche sich als Coles herausgibt.
Fragend sehe ich ihn an, doch stattdessen antwortet Alina darauf.
„Du siehst so gepflegt und gut aus."
Sieht man mir die entspannten zwei bis drei Tage an? So sehr?
Sprachlos starre ich sie alle einfach nur an. Soll ich ihnen doch alles erzählen? Aber etwas in mir sträubt sich dagegen.
„Madeline, jetzt mach doch nicht so eine große Sache daraus und sag einfach, wo du warst. Wir sind hier alle in Mountry und uns passiert allen das selbe, also sprich es aus.", nörgelt Dennis nun.
Ich fühle mich wie eine Zielscheibe. Wo ist dieses Gefühl des Beschütztseins, dass ich vorhin noch empfunden hatte?
Ich atme tief durch, bis ich nun beginne zu sprechen.
„Ich war in der Wohnung von Go-, also von dem Meister.", erzähle ich ihnen schließlich. „Ich habe dort die letzten Tage verbracht und ich habe dort auch geschlafen."
Überrascht starren mich alle an.
„Der Meister? Also DER Meister?", hakt Alina nach, worauf ich nicke.
„Was? Wieso? Hat er etwas schlimmes mit dir gemacht?", möchte Jennifer erneut wissen.
„Leute, mir geht es wirklich gut. Macht euch keine Sorgen, es ist nichts passiert, okay?", versuche ich erneut meine Freunde zu beruhigen.
„Das merkt man.", kommentiert Dennis nuschelnd weshalb ich ihn böse anblitze. Anstatt dass er es endlich sein lässt kassiere ich einen noch böseren Blick von ihm.
„Aber wieso?", fragt Jenny immer aufdringlicher.
Ja, wieso eigentlich?
„Ich.., ich weiß es nicht.", gestehe ich ehrlich und und zucke mit meinen Schultern. „Aber können wir das Thema jetzt bitte sein lassen?" Ich muss selber erstmal auf alles klar kommen...
Immer noch etwas irritiert nicken zumindest fast alle.
„Wollen wir den Feuerkorb anmachen?", spricht plötzlich die leise Stimme von Oliver.
Ohne zu antworten setzen sich alle um die Feuerstelle. Erleichtert von dem Themenwechsel schnaufe ich aus, ehe ich mich neben Alina und Lucy auf den Boden setze.
Jennifer, Dennis, sowie auch Cole, kümmern sich um das Feuer, bis es endlich brennt.
Eine kuschelige Wärme durchquert die kalte Luft.
Um es mir noch gemütlicher zu machen ziehe ich die Ärmel aus meiner Jacke, bis diese meine Hände überdecken.
„Ist das von ihm?", fragt eine leise Stimme an meinem rechten Ohr.
Ich drehe mich zur Seite und sehe wie Alina abwechselnd ihre Augen von meinem Gesicht und meinen Händen bewegt.
Nach ein paar Sekunde verstehe ich was sie meint und sehe auf meine Hände, die von Gordons schwarzen Pullover umhüllt sind. Es ging alles so schnell, dass ich gar nicht daran gedacht habe die Sachen nochmal auszuziehen und ihm zurückzugeben.
Mit dem Wissen, dass ich auch hier draußen seine Sachen trage, schleicht sich unbewusst ein Lächeln auf meine Lippen.
Schnell überkreuze ich meine Arme, um den Stoff vor den anderen zu verstecken, aber nicke Alina noch zu.
„Er scheint wohl doch nicht so ein schlechter Mensch zu sein.", bestaunt sie und bewegt ihre Augenbrauen etwas nach oben.
„Nein, das ist er nicht.", kommt es automatisch von meinen Lippen, ohne wirklich über eine Antwort nachgedacht zu haben.
...
Nach den letzten drei Tagen mit dem aller besten Essen schmeckt das Essen in der Scheune zehn mal scheußlicher! Ich gebe alles um dieses trockene Brot hinunterzuwürgen, doch ich tue mich sehr schwer damit.
War es schon immer so unappetitlich? Oder spielen meine Geschmacksnerven verrückt?
Als ich das Brot runterbekommen habe, stehen wir auf, bringen das Geschirr weg und gehen zu unserer Arbeitsstelle.
Von nun an beginnt wieder mein gewohnter Alltag. Konzentriert arbeite ich an meinem Stoff, während die anderen ziemlich gestresst aussehen, da sie offenbar heute den Stoff fertig bekommen müssen.
Ich weiß nicht, ob ich ihn heute auch fertig bekommen muss, doch in dieser kurzen Zeit werde ich es sowieso nicht schaffen. Da brauche ich mich gar nicht erst hetzen.
Die Zeit bis zur Mittagspause verging schnell, so wie auch von der Mittagspause bis zur Abgabe.
Offiziersmänner gehen von Tisch zu Tisch, um sich die Stoffe anzugucken und mitzunehmen.
Ein Schluchzen vor mir zieht meine Aufmerksamkeit auf sich. Eine Frau mit dunkelblonden Haaren steht zitternd vor einem Offiziersmann, der gerade ihren Stoff ansieht.
„Der Stoff sieht aber nicht sehr gut verarbeitet aus.", spricht der Mann in der Uniform.
„Ich weiß, aber es war nicht mit Absicht. Nächstes Mal werde ich viel besser arbeiten, versprochen!", erklärt die Frau, während die die Hände vor ihr Gesicht flehend faltet. „Bitte glauben Sie mir."
Der Mann sieht erneut auf den Stoff, dann wieder zu der Frau, ehe er den Stoff auf seinen Arm legt.
„Nächstes Mal muss das besser aussehen.", gibt er von sich und geht zum nächsten Tisch.
Erleichtert atmet die Frau aus und schlendert von ihrem Arbeitsplatz fort.
Wie angewurzelt bleibe ich sitzen und beobachte den Platz vor mir, wo sich gerade das Szenario abgespielt hat.
Sie hat den Stoff nicht perfekt fertig gemacht und bekommt keine Bestrafung?
Das ist doch in Mountry noch nie passiert. Zumindest nicht, seit dem der Maestro die strengeren Regeln angekündigt hatte.
Eine Gestalt vor mir versperrt mir die Sicht und ich schaue hoch, um zu erkennen, wer es ist.
Herr Hernandez sieht mich erwartend an, weshalb ich sofort aufstehe.
„Ich hatte nicht genug Zeit, um-"
„Ich weiß!", fällt er mir ins Wort,"Du brauchst nichts abgeben. Arbeite einfach die nächsten Tage weiter daran und vielleicht hast du ihn ja zur nächsten Abgabe fertig."
Überrascht von seiner Gelassenheit in der Stimme ziehe ich die Augenbrauen nach oben.
„O-okay, danke...?", flüstere ich, da ich nicht ganz weiß, wie ich darauf antworten soll.
Eine kurze Weile bleibe ich hier noch stehen und sehe ihn an. Etwas ist anders an ihm. Er hat neue Abzeichen. Nicht nur eins, sondern mehrere. Interesseirt starre ich auf die linke Seite seiner Brust, auf der sich die Abzeichen befinden.
„Ist noch etwas?", fragt er mit erhöhter Stimme.
Schnell ziehe ich meinen Blick von seiner Brust ab zu seinem Gesicht und schüttele meinen Kopf.
„Dann kannst du deine Materialien wegbringen und zur Scheune gehen."
Ich nicke daraufhin, schnappe mir meine Sachen und tue, was er mir gesagt hat. Lucy ist zur gleichen Zeit fertig, wie ich, weshalb ich mit ihr zur Scheune gehe.
„Lucy?", spreche ich ihren Namen aus, um ihre Aufmerksamkeit zu haben.
„Hmm?"
„Ich habe eben etwas merkwürdiges gesehen."
„Echt? Was denn?", fragt sie aufgeregt.
„Eine Frau hatte ihren Stoff nicht wirklich fertig gehabt und der Offiziersmann hat das bemerkt, aber er hat es einfach so durchgehen lassen und meinte, dass sie es einfach beim nächsten Mal besser machen soll. Kannst du das glauben? Sie wird dafür nicht bestraft!", erzähle ich ihr von meinen Beobachtungen.
Doch, anders als erwartet, scheint Lucy nicht überrascht zu sein. Lediglich ihr rechter Mundwinkel bewegt sich nach oben.
„Was ist?", frage ich verwirrt.
„Hast du davon nichts mitbekommen?", reagiert sie darauf, weshalb ich sie nun fragend ansehe.
„Wovon?"
„Seit dem du weg warst, also bei dem Meister, gab es keine weiteren Bestrafungen. Naja, abgesehen von denen, die noch bestraft werden mussten. Es wurden aber seit dem keine neuen Leute in diesen dunklen Raum hinter der Scheune gesperrt.", erklärt sie und abrupt bleibe ich stehen, als sie zu Ende gesprochen hat.
„Im Ernst?"
Lucy bleibt ebenfallss stehen und sieht mir direkt in die Augen.
„Es ist mein Ernst! Ich konnte es zuerst auch nicht glauben, aber seit 3 oder 4 Tagen gab es keine neuen Bestrafungen mehr."
Überrascht und fassungslos fahre ich mit meiner Hand durch mein Gesicht und meine Haare.
„Aber warum?", hake ich nach, nach dem eine kurze Stille aufgekommen ist.
„Ich hatte gehofft das könntest du mir erklären.", antwortet Lucy und zuckt mit ihrer rechten Schulter.
„Was? Wieso ich?"
Lucy verdreht die Augen, ehe sie beginnt zu sprechen. „Es ist okay, wenn du nicht darüber sprechen willst, was der Meister mit dir gemacht hat oder warum du bei ihm warst, aber dann stell' dich bitte nicht so dumm dar."
Sie geht weiter, doch ich schnappe nach ihrem Handgelenk und ziehe sie wieder zurück.
„Lucy, ich hab keine Ahnung, wieso, weshalb, warum der Meister das gemacht hat! Glaub mir doch bitte!", flehe ich sie an und schaue ihr tief in die Augen, in der Hoffnung, dass sie mir glaubt.
Ein paar Sekunden herrscht Stille, bis sie laut ausatmet.
„Okay, ich glaube dir. Aber er scheint dich doch zu mögen. Vielleicht schaffst du es doch ihn zu überreden uns hier raus zu lassen.", sagt sie und ich lege meinen Kopf schief.
„Mmh, ja klar. Ich, Madeline Sophie Rose, schaffe es die zweit mächtigste Person hier zu überreden uns gehen zu lassen. Wenn er das wollen würde, dann wären wir alle doch gar nicht erst hier drin, oder?", entgegne ich.
„Aber vielleicht schaffst du es so weit zu kommen wie Katharina, bloß, dass du es besser machst, als sie."
Sofort reiße ich meine Augen auf.
„Woher kennst du die Legende von Katharina?"
Statt einer Antwort lacht meine braunhaarige Freundin und geht in Richtung Scheune.
„Lucy!", rufe ich ihren Namen empört aus, doch sie reagiert nicht mehr darauf.
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Was nicht alles so in ein paar Tagen passieren kann.🙊
Ob es so bleiben wird?
Bis nächste Woche XX
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