Kapitel 26 : Katharina
Begeistert sehe ich mir meinen grauen Stoff an. Trotz des streichens, der Bestrafung und Thanksgiving habe ich den Stoff rechtzeitig fertig bekommen. So langsam kann ich Stoffe im schlaf machen. Stolz bildet sich ein Lächeln auf meinen Lippen.
Thanksgiving ist nun 3 Tage her und seit dem habe ich mich jede freie Sekunde an den Stoff gesetzt und habe Abends so lange daran gearbeitet, bis die Wachmänner zu mir kamen und meinten, dass nun Bettruhe ist.
Da der eine Offiziersmann noch nicht verkündet hat, dass wir den Stoff bereits abgeben sollen, bleibe ich hier noch sitzen. Dabei schweift mein Blick auf Judith und mir fällt wieder ein, dass sie ja meinte, dass ich zu ihr ins Haus kommen soll. Sie hat gemeint es ist dringend. Ich hoffe, dass es nicht zu spät ist, wenn ich heute erst zu ihr gehe. In den letzten Tagen hatte ich keine Zeit und ehrlich gesagt habe ich auch nicht mehr daran gedacht oder mit Judith gesprochen.
Dann werde ich die freie Zeit, die ich heute Abend habe, weil wir die Stoffe abgegeben haben, dafür nutzen zu ihr zu gehen, und nicht um duschen zu gehen. Wer braucht schon eine Dusche? Naja, ich eigentlich schon, aber auf dieses eiskalte Wasser kann ich gerne verzichten.
Erleichtert atme ich auf, als der Offiziersmann verkündet, dass wir die Stoffe abgeben sollen. Von ein paar Plätzen höre ich etwas entsetzen, da die Personen wohl nicht fertig geworden sind. Ich stehe auf, stelle mich neben meinem Tisch und warte, bis einer der Männer kommt und meinen Stoff mitnimmt. Erst danach werde ich meine Materialien wegräumen. Sonst zerschneidet mir vielleicht noch jemand meinen Stoff.
Nach ein paar Sekunden kommt ein Wachmann auf mich zu, guckt meinen Stoff an, nimmt ihn weg und nickt mir zu. Daraufhin geht der Mann wieder weg und ich bringe meine Materialien fort.
Judith geht gerade von dem Schrank für die Materialien weg, während ich hingehe, weshalb ich sie an den Arm fasse und etwas beiseite ziehe.
„Kann ich heute zu dir ins Haus, weil du meintest ja....", beginne ich zu sprechen, doch ich brauche es gar nicht auszusprechen. Judith weiß sofort wovon ich rede und nickt ihren Kopf.
„Kannst du heute Abend kommen? Am besten nicht so früh, damit Moritz schon schläft, wenn du kommst."
„Mach ich."
Moritz soll schlafen, wenn ich komme? Ist es so schlimm, dass er nicht dabei sein darf? Judith macht mir echt Angst.
Ich lasse ihren Arm wieder los, lege meine Materialien in den Schrank, ehe ich mich auf den Weg zu meinen Freunden mache, die vor dem Container stehen.
„Wollen wir mal losgehen?", frage ich, weil alle wie angewurzelt stehen bleiben.
Cole schüttelt seinen Kopf und deutet auf die Richtung vor sich. Erst jetzt bemerke ich, dass alle zu den Arbeitsplätzen gucken.
Ich gucke in die selbe Richtung und erblicke Jennifer, die noch an ihrem Arbeitsplatz steht und mit zwei Offiziersmännern redet. Dabei fühle ich mich ganz unwohl. Hat sie einen Fehler gemacht? Wird sie bestraft?
Jennifer schaut nach unten während sie mit den Männern. Dann blickt sie zu ihnen auf und nickt, bis die Männer fortgehen und sie zu uns kommt. Fragend sehen wir sie alle an.
Würde sie eine Strafe bekommen, dann hätten die Männer sie schon längst mitgenommen.
„Was wollten die von dir?", frage ich direkt und stelle mich neben sie hin.
Jennifer guckt einmal in die Runde, ehe sie anfängt zu reden.
„Sie haben mir gesagt, dass sie mit meiner Arbeit und meiner Einstellung sehr zufrieden sind. Ich hatte bisher auch nur eine Strafe und das nicht wegen meinem Stoff, sondern wegen dem einen Mal, als ich ja hingefallen bin und das Geschirr kaputt gegangen ist."
Daran kann ich mich noch gut erinnern. Als wir in den letzten Wochen erneut Abwaschdienst hatten, hat sich Jennifer mit dem Geschirr etwas überschätzt. Sie konnte nicht richtig vor ihre Füße gucken und ist dann gstolpert. Noch nie hatte ich sie so verängstigt gesehen.
„Das wars?", hakt Lucy nach, woraufhin Jennifer ihren Kopf schüttelt.
„Sie haben gesagt, dass sie mich noch ein bisschen beobachten werden und ich dann wahrscheinlich in Sektor 5 komme."
Staunend sehen wir sie alle an.
"Das ist was gutes, oder?", frage ich nach, weil ihre Erklärung mir nicht so fröhlich rüber kam.
"Ja, theoretisch schon. Ich wäre dann tagsüber von euch getrennt."
"Das ist doch egal! Hauptsache da sind bessere Konditionen.", erwidere ich.
"Ich weiß aber gar nicht, was man in Sektor 5 macht.", gibt Jennifer zu.
"Es muss aber besser sein, als in 6.", antwortet Alina daraufhin, weshalb wir alle zustimmend nicken.
"Das stimmt, aber ich will da jetzt nicht mehr drüber nachdenken. Lasst mal lieber zum Essen gehen. Ich habe einen riesen Hunger!"
...
Schlussendlich hab ich nun doch geduscht, da ich ja erst später zu Judith gehen soll, weshalb ich doch noch Zeit dazu hatte. Allerdings waren die Duschen wirklich voll von Leuten und es hat ewig gedauert, bis ich an eine rankam. So konnte ich wenigstens ein bisschen Zeit verplempern, sodass Moritz schon schläft, wenn ich bei Judith angekommen bin.
Mit nassen Haaren, die hoffentlich von der etwas kälteren Luft am Abend nicht erfrieren, und meine neuer ergatterten Jacke gehe ich zu Judiths Haus. Ich bin immer noch so glücklich, dass ich die bekommen habe.
Ab und zu bekomme ich neidische Blicke von anderen, besonders die, die ebenfalls kein Haus haben. Davon gibt es mehrere Gruppen hier. Auf meine Jacke muss ich gut aufpassen.
Ich bin mir ehrlich gesagt nicht sicher, ob es wirklich die Jacke ist, weshalb ich angeguckt werde, oder wegen meines Tanzes mit dem Meister. Seit dessen fangen sie immer an zu tuscheln, wenn ich an ihnen vorbeilaufe.
Die anderen sitzen gerade gemütlich am Feuerkorb, damit deren Haare auch schnell trocknen. Das würde ich jetzt am liebsten auch, aber Judith meinte es ist dringend. Dann nehme ich mir meine freie Zeit für sie.
An Judiths Haus angekommen bleibe ich vorne kurz stehen. Durch das Fenster beim Esstisch schaue ich hinein und erkenne die Kerze auf dem Tisch, die brennt.
Vorsichtig steige ich auf die Veranda und klopfe leise an der Tür. Falls Moritz schon schläft, was ich hoffe, dann möchte ich ihn ja nicht aufwecken.
Die Tür knarrt als Judith sie öffnet und ich husche schnell in das Haus, ehe sie die Tür wieder schießt. Ich blicke durch den Raum, doch ich erkenne keinen Moritz.
"Schläft er schon?", frage ich nach.
"Ja, seit ein paar Minuten. Schöne Jacke übrigens.", erwidert Judith.
"Danke! Die konnte ich in der Scheune ergattern."
Judith zeigt auf den Tisch und wir beide setzen uns hin. Schweigend sehen wir beide auf die Kerze, bis ich das Wort ergreife.
"Warum wolltest du mich sprechen? Du meintest ja, es ist dringend. Bin ich schon zu spät? Ist etwas mit dir? Oder Moritz? Kommt ihr in einen anderen Sektor oder-"
Judith hält den Zeigefinger hoch und schüttelt den Kopf.
"Entschuldige, aber ich habe mir so viele Szenarien ausgedacht, was es sein könnte.", entschuldige ich mich für meinen Redefluss.
"Alles gut, aber es geht nicht um mich oder um Moritz.", beginnt Judith zu erzählen.
Fragend sehe ich sie an.
"Es geht um dich!"
Ich lege meinen Kopf schief und sehe Judith mit zusammengezogenen Augen an.
"Um mich? Das verstehe ich nicht so ganz...", gebe ich zu und runzle ein wenig die Stirn. Was sollte Judith über mich wissen, was ich nicht weiß?
"Also es geht nicht ganz um dich, sondern auch... Ach, egal! Lass mich einfach anfangen das zu erklären und dann ergibt es Sinn."
Langsam nehme ich wieder meine normale Position ein, nicke, und lehne mich etwas zurück an den Stuhl.
"Wie soll ich anfangen....", kurz räuspert sie sich, bis sie mich direkt ansieht, "Du hast ja mit dem Meister an Thanksgiving getanzt, richtig?"
Ach, darum geht es. Können die Leute nicht mal aufhören mich dauernd darüber auszufragen? Zuerst Alina, dann kamen noch die anderen aus meiner Gruppe und sogar Leute von meinem Arbeitsplatz haben mich danach gefragt. Es sind erst 3 Tage vergangen und ich bin schon total genervt. Ich weiß nicht einmal, was ich darauf antworten soll, wenn mich Leute darüber fragen, weil ich es mir selber immer noch nicht erklären kann.
"Judith, falls du mich jetzt fragen willst warum, dann-"
"Das möchte ich dich gar nicht fragen.", unterbricht sie mich und erneut runzele ich meine Stirn.
"Du bist nicht die erste Person, mit der der Meister an Thanksgiving getanzt hat."
Schockiert, verunsichert, neugierig und skeptisch reiße ich meine Augen auf und setze mich etwas auf.
"Wie?"
"Es gab da mal eine Person, Katharina. Sie ist quasi eine Legende hier in Mountry. Es hatte mit ihr und dem Meister bei einem Tanz bei Thanksgiving vor 5 Jahren angefangen, allerdings hat es mit ihr nicht so gut geendet...", erläutert sie.
In meinem Kopf sind lauter Fragezeichen. Katharina? Nicht gut geendet? Was?
"Wie... also... was...", brabbele ich vor mir hin.
Ein kleines Schmunzeln umgibt Judith Lippen, was aber schnell wieder verschwindet.
"Das erzähle ich dir jetzt alles, okay?"
"Okay."
Gespannt und auch aufgeregt sehe ich sie genau an, um auch kein Detail zu verpassen.
"Katharina hat in Mountry einige Jahre gelebt. Genau wie lange weiß ich allerdings nicht. Ich hatte mit ihr nie Kontakt gehabt, was daran lag, dass sie in Sektor 2 war. Es war sogar davon die Rede, dass sie in Sektor 1 kommen soll, weil ihre Arbeit so gut und präzise war. Katharina war bekannt für ihre harte Arbeit, aber auch wegen ihrer Loyalität gegenüber des Maestros. Sie war das Musterbeispiel einer perfekten Mountry-Bürgerin."
"In welchem Sinne?"
"Sie hat stets gearbeitet, hat sich immer an die Regeln gehalten, war unheimlich respektvoll gegenüber den Offiziersmännern, aber vor allem war sie das nicht gegenüber jeder anderen Person in Mountry. Wenn einer Person auch nur ein kleiner Fehler passiert ist oder sie sich nicht an die Regeln gehalten hat, und Katharina das mitbekommen hat, dann hat Katharina diese Person verraten. Und das bei jeder kleinsten Sache. So viele Menschen wurden wegen dem kleinsten Fehler bestraft oder sogar in einen niedrigeren Sektor gesteckt, während Katharina immer mehr gelobt wurde und Sektoren im nu hinaufgeklettert ist."
Sprachlos und fasziniert horche ich Judith weiter zu.
"An dem Thanksgiving Abend von vor 5 Jahren geschah es dann. Der Meister trat inmitten der Menge auf, suchte nach Katharina und tanzte mit ihr. Das war der Anfang."
"Der Anfang von was?", frage ich direkt hinterher.
"Der Anfang von allem. Der Anfang von der Legende."
Bei Judiths Worten muss ich ein wenig schlucken.
"Dann fing es an,", fährt sie fort," dass sie von Wachmännern abgeholt wurde und in das Hauptgebäude gebracht wurde. Zu ihrer Arbeit erschien sie kaum noch, und wenn, dann kam sie erst in der Mitte des Tages oder wurde während der Arbeit von Wachmännern abgeholt. Sie verbrachte Tage in dem Hauptgebäude und jeder fragte sich, was dort drin mit ihr gemacht wurde. Es sah aber nicht sonderlich gefährlich aus, da sie immer sehr gepflegt aussah. Sie wurde auch zu dem Geburtstag des Maestros eingeladen. Dort, wo eigentlich nur Personen mit hohem Status eingeladen sind. Es fahren extra Menschen nach Mountry um den Geburtstag des Maestros zu feiern. Der Geburtstag von ihm ist bald, fällt mir dabei ein."
"Wann denn?"
"Nächster Monat."
Ich nicke daraufhin. Das ist so viel Informationen, dass ich keinen klaren Durchblick habe.
"Das wichtigste kommt aber jetzt.", weist sie mich hin und gespant höre ich ihr zu.
"Es gab wieder eine Ansprache. Ich meine, dass das tatsächlich am Weihnachtsabend war. Der Maestro kam wie gewohnt zum Platz, gefolgt von seinem Sohn, dem Meister. Das ungewöhnliche daran war, dass Katharina hinter ihm war und mit ihm auf dem Podest stand. Es wurde gemunkelt, dass sie seine Frau werden sollte und für einen Nachfolger sorgen sollte. Immerhin muss das Kind, oder eher der Sohn, trainiert werden und erwachsen werden. Da braucht es schon viel Zeit, besonders, bis das Kind erwachsen ist. Ich meine, dass der Meister damals Anfang 20 war. Was ja eigentlich noch sehr jung ist."
Judith stockt kurz, wischt sich eine Strähne hinters Ohr, und atmet einmal tief durch, bis sie fortfährt.
"Ein paar Tage später, um genau zu sein an Silvester, wurde sie bei den Duschen gefunden. Tod."
Bei ihren letzten Worten muss ich heftig schlucken und mein Atem stockt.
"Tod? Aber warum? Was ist passiert?", hake ich nach.
"Niemand weiß es, aber die Legende besagt, dass der Meister sie nicht haben wollte und sie sehr Herrschaftssüchtig war, was wohl nicht sehr gerne gesehen war. Immerhin haben besonders Frauen hier kaum bis gar nicht das sagen."
Total geschockt und überfordert lehne ich mich zurück und schaue ins Leere.
Was ist, wenn mir genau das selbe passiert? Ich bin aber absolut nicht Herrschaftssüchtig oder gar gut in meiner Arbeit.
Ich fang an zu zittern und meine Augen werden ganz glasig.
"Ich möchte damit nicht sagen, dass dir genau dasselbe passiert, aber ich wollte es dir nur erzählen, damit du es im Hinterkopf hast. Es muss ja auch nichts passieren. Vielleicht war der Meister einfach nur gut gelaunt und fand, dass du gut Klavier gespielt hast, weshalb er mit dir getanzt hat. Außerdem bist du absolut nicht wie Katharina. Ich wollte dich einfach nur wissen lassen, dass sowas schon einmal passiert."
Behutsam legt sie eine Hand auf meinen Arm und fährt diese hoch und runter.
"Danke, dass du es mir erzählt hast.", flüstere ich.
Ich hoffe der Meister war wirklich nur gut gelaunt, denn ich möchte nicht die zweite Katharina werden.
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Wird Maddy die zweite Katharina?
Ihr glaubt nicht wie lange ich mich mit dem Kapitel rumgeschlagen habe 😅 Aber dafür ist meine Motivation wieder 100% da^^
Danke an alle, die im Moment so fleißig Voten und kommentieren! Das bedeutet mir sehr viel 💕
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