Kapitel 25 : Der Feuerkorb

"Maddy? Maddy wach auf!" Jemand rüttelt an mir und mit geschlossenen Augen versuche ich mit meinen müden Armen nach der Person zu schlagen. "Maddy lass das!", protestiert die Person und rüttelt erneut an mir. 

Frustriert öffne ich meine Augen, jedoch schließe ich sie sofort wieder, da die Sonne viel zu sehr scheint, für meinen Geschmack. "Lass mich schlafen.", entgegne ich und möchte mich gerade auf die Seite rollen, da zieht mir Cole meine Decke weg. "Cole... Warum? Gestern Abend war anstrengend genug und ich will einfach nur schlafen!"

"Na gut, aber dann beschwer dich nicht, wenn du nichts vom Stand mit den Sachen abbekommst, der sich in der Scheune befindet."

Sofort öffne ich wieder meine Augen und setze mich auf. "Wirklich?" Cole nickt.

"Aber wenn du jetzt nicht aufstehst und mitkommst sind die besten Sachen vielleicht schon weg.", antwortet er. 

Auf einmal wird mein Körper überseht mit Energie und ich springe auf. "Auf geht's!"

Zu sechst machen wir uns mit schnellen Schritten auf zur Scheune. 

"Wo ist Jennifer?", erkundige ich mich.

"Sie ist bereits in der Scheune und schaut nach den besten Sachen.", antwortet Lucy. 

"Ich frage mich, was es alles abzugreifen gibt." Freudig reibe ich meine Hände zusammen. Von meiner Müdigkeit kann ich gar nichts mehr spüren. Die wird später aber bestimmt noch wiederkommen. Immerhin war das eine sehr lange und aufregende Nacht.

Endlich kommen wir bei der Scheune an und stürmen hinein. Auf den Tischen, auf denen gestern noch das Buffett lag, liegen jetzt ganz viele Sachen. Wachmänner stehen drumherum und schauen uns ganz genau an. Bisher sind wir die einzigen in der Scheune.

"Oh mein Gott, sind wir die ersten?", stößt Alina hervor und die Wachmänner nicken. Alina und ich schauen uns an, grinsen und wir alle gehen zügig auf die Tische zu, an denen bereits Jennifer steht.

"Okay, Leute. Jeder darf nur zwei Sachen nehmen, also nehmt am besten eins, das ihr selber gut gebrauchen könnt, und eins, das für andere vielleicht auch nützlich wäre. Los!", kommandiert Jennifer. Sofort beginne ich die Sachen unter die Lupe zu nehmen.

Es gibt hier so eine große Auswahl. Ich weiß gar nicht, wofür ich mich entscheiden soll. 

Es gibt Essen in eingepackten Dosen, Kleidungsstücke, Kuscheltiere, Schmuckstücke, Decken, einen Stuhl, Mützen, Handschuhe, Kartenspiele und so viel mehr!

Das erste wonach ich greife ist eine grüne Jacke. "Du darfst nur Kleidungsstücke nehmen, die zu deinem Sektor passen.", spricht einer der Wachmänner zu mir. Ich nicke ihm entgegen, lege die Jacke wieder zurück und suche nach einer grauen Jacke. Schnell werde ich fündig und halte sie hoch.

Die Farbe ist etwas heller als der Grauton meiner Kleidung und sie sieht so hochwertig aus. Es ist eine richtige wetterabweisende Jacke. Innen drin ist sogar ein wenig Fell. Eine Kapuze enthält sie ebenfalls. Ich drücke sie ganz schnell an mich, während ich nach meinem zweiten Objekt Ausschau halte. 

Ich höre bereits ein paar Schritte von draußen. Sie kommen bereits.

Schnell Maddy! Denk nach!

Ich durchsuche die ganzen Tische, bis ich ein gutes Objekt gefunden habe. Sofort greife ich danach, doch plötzlich liegt ebenfalls eine andere Hand da drauf. Ich schaue hoch um zu sehen, wer diese Person ist. Nein... Das darf nicht war sein!

"Sorry Man- Me-, ach, wie auch immer dein Name war, aber das gehört mir.", spricht Leonie harsch und zieht an dem Band der Armbanduhr. 

"Leonie, lass los!", zische ich und ziehe auch an der Uhr. 

"War ja klar, dass du meinen Namen noch weißt. Immerhin bin ich einfach viel besser, als du. Ich schaue auf dich hinab, verstanden?"

Verwirrt schaue ich sie an. "Das ist das bescheuertste, das ich jemals gehört habe.", entgegne ich, "Der Grund, warum ich mir deinen Namen gemerkt habe, aber du nicht, ist, dass ich ein Gehirn habe, im Gegensatz zu dir!", kontere ich. 

Leonies Gesichts Ausdruck wird immer wütender und sie sieht mich mit zusammengeschlitzten Augen an.

"Ich bin mittlerweile in Sektor 5, also zieh dich zurück und überlass mir die Uhr.", bringt sie zwischen zusammengebissen Zähnen hervor. Protestierend schüttele ich meinen Kopf. Plötzlich holt sie mit ihrem anderen Arm aus und schubst mich nach hinten. 

Überrascht von ihrer Handlung lasse ich die Uhr los und stolpere nach hinten, gegen andere Menschen, die mich böse anschauen. "Tut mir leid.", entschuldige ich mich bei ihnen und richte meinen Blick wieder zu Leonie, die grinsend die Armbanduhr in um ihr Handgelenk legt. 

"Vergiss nie, mit wem du dich anlehnst.", droht sie und geht dann weiter. 

Diese behinderte Kuh. 

Wütend schaue ich mich erneut auf dem Tisch um. Es sind bereits schon einige Sachen weg und die Scheune wird immer voller. 

"Maddy, hast du noch eine Sache frei?", höre ich Jennifers Stimme von links rufen. Sehen kann ich sie nicht, weil hier zu viele Leute sind, doch ihre bestimmende Stimme, wenn es ums Planen geht, erkenne ich immer. Früher hat sie immer unseren Stand für das Sommerfest in der Schule organisiert und jedes Mal hat mich ihre bestimmende Art angekotzt. Doch heute nicht.

"Ja, habe ich.", rufe ich zurück. 

"Nimm die Streichhölzer! Schnell!"

Blitzschnell suche ich den Tisch nach Streichhölzern ab und nach ein paar Sekunden werde ich tatsächlich fündig. Schnell greife ich nach diese, umklammere meine Hand fest darum, und quetsche mich aus der Menge heraus. 

Jennifer kommt auf mich zu und glücklich zeige ich ihr die Streichholschachtel. 

"Perfekt! Wir haben bereits Holz und sogar einen Feuerkorb ergattert. Jetzt kann uns Abends nicht mehr so leicht kalt werden.", erzählt Jennifer. 

"Mama, ich möchte ein Kuscheltür!", spricht eine kleine Mädchenstimme neben mir. Ich drehe mich zur Seite und entdecke in  kleines Mädchen mit einer Frau in brauner Kleidung. Bei dem Anblick fallen mir sofort Judith und Moritz ein. 

"Geht zu unserem Platz! Ich komme gleich wieder!", gebe ich Jennifer bescheid. Ohne auf ihre Reaktion zu warten renne ich in Richtung Judiths Haus. Ich habe sie noch nicht in der Scheune gesehen und könnte es nichts übers Herz bringen die beiden ohne etwas von den Sachen aus der Scheune zu sehen.

So schnell wie ich kann laufe ich zu deren Haus. Total außer Atem klopfe ich hektisch an der Tür. Nach ein paar Sekunden öffnet Judith die Tür.

"Die Sachen... Scheune... schnell...", keuche ich und zeige Richtung Scheune, in wessen Richtung sich schon viele Leute aufgemacht haben.

Als Judith begreift, was ich meine, reißt ihre Augen auf und ruft nach Moritz, der sofort an die Tür kommt. "Zur Scheune.", sagt sie zu ihm, nimmt ihn an die Hand und läuft los. "Danke Maddy!", ruft sie schnell, ehe sie auch schon fort ist mit Moritz.

Kurz bleibe ich hier noch stehen um wieder Luft zu holen, bis ich beschließe entspannt zurück zu gehen. Von überall höre ich Leute aufgeregt quatschen. Viele erzählen von dem schönen Abend oder von den tollen Sachen, die sie ergattert haben. 

Nach ein paar Metern erkenne ich wieder die Scheune, die von Menschen gefüllt ist. Ich hoffe so sehr, dass Moritz und Judith noch etwas abbekommen!

...

"Und? Was sagt ihr?", fragt Jennifer freudestrahlend. Dennis und sie haben früher aufgehört an ihrem Stoff zu arbeiten und sind bereits früher zum und vom Abendessen gegangen, um die Feuerschale mit den Stöckern vorzubereiten. Ich komme mit den anderen gerade erst vom Essen wieder und bestaunen deren Werk.

"Das sieht nach gemütlichen Abenden aus.", kommentiert Cole. 

"Wann machen wir es an?", fragt Lucy in die Runde. 

"Wenn es etwas dunkler ist.", antwortet Dennis, wobei ich ihm nicht in die Augen gucke. Seit dem Vorfall mit ihm habe ich ihn kein einziges Mal angesehen, geschweige denn überhaupt gesprochen. 

"Madeline?", ruft plötzlich eine vertraute Stimme meinen Namen und ich drehe mich um. Judith kommt mit Moritz an der Hand auf mich zu und sofort fange ich an zu Lächeln. 

"Hey ihr beiden! Konntet ihr noch etwas ergattern?", frage ich nach. 

"Ja, deshalb sind wir hier.", sagt Judith und verwundert sehe ich die beiden an. "Ohne dich hätte ich verschlafen und wir hätten nichts mitbekommen. Wirklich vielen Dank, dass du uns Bescheid gegeben hast!"

Moritz lässt Judiths Hand los, geht auf mich zu und umarmt mich. Er ist so klein, dass er nur meine Beine umarmt, doch trotzdem rührt mich die Geste so sehr, dass Tränen in meinen Augen aufsteigen. 

"Ihr müsst euch nicht bedanken. Für euch mache ich das selbstverständlich immer wieder.", sage ich. Judith sind ebenfalls Tränen in die Augen gestiegen. Sie kommt auf mich zu und zieht mich in eine herzliche Umarmung. Ich möchte mich eigentlich aus ihrer Umarmung wieder losreisen, doch sie hält mich immer noch doll fest.

"Komm bitte in den nächsten Tagen zu mir ins Haus. Es ist dringend!", flüstert sie mir ins Ohr. Judith zieht ihren Kopf zurück und schaut mir direkt in die Augen.

"Mach ich.", erwidere ich etwas verwirrt. Wir lösen uns aus der Umarmung und Moritz hat meine Beine auch wieder losgelassen. Ich beuge mich zu ihm herunter. "Und? Was hast du abgesahnt?", erkundige ich mich bei ihm.

"Ein Kuscheltieraffen und ein kleines Haus für meine Puppen.", erzählt er freudestrahlend. 

"Wow, das klingt ja richtig gut. Und was hat Mama abbekommen?"

Ich schaue hoch zu Judith, die mich und Moritz anlächelt.

"Ich habe noch eine große Dose mit Nudeln abbekommen und ein Kissen.", antwortet sie.

"Das klingt ja so als ward ihr doch sehr erfolgreich."

 "Ihr ward wohl auch sehr erfolgreich.", sagt Judith und deutet auf die Feuerschale hinter mir. Ich stehe wieder auf und drehe mich kurz zur Feuerschale, ehe ich mich wieder zu Judith wende.

"Wir waren die ersten in der Scheune und haben daher versucht das beste daraus zu machen. Jennifer hatte die Feuerschale bekommen, Oliver hat einen großen Karton mit Holz abgekriegt und ich habe noch die Streichholzschachtel bekomme.", erzähle ich. Wir waren echt ein gutes Team.

"Dann geht gut sparsam damit um.", weist Judith hin und ich nicke. 

"Werden wir!"

"Wir müssen mal wieder zurück." Judith greift die Hand nach Moritz und er hakt seine in ihre ein. 

"Dann bis morgen.", verabschiedet Judith sich und ich winke den beiden noch zu.

Ich drehe mich wieder zu meinen Freunden um, die alle um den Feuerkorb stehen.

"Okay, ich halte es nicht mehr aus. Lasst uns jetzt schon anfangen. Bitte!", bettelt Lucy, wobei sie bittend ihre Hände zusammengefaltet hat.

"Na gut.", erwidert Jennifer und sieht mich an. Ich greife in die Tasche meines Kleides und hole die Streichholzschachtel heraus. Ich reiche diese zu Jennifer und gespannt setzen wir uns alle auf den Boden, außer Jennifer, die das Streichholz angezündet hat und es in den Feuerkorb legt. 

Aufgeregt sehen wir alle zu, wie die kleine Flamme immer größer wird und sich immer weiter ausbreitet. 

"Das ist das spannendste, das ich seit langem gesehen habe.", kommentiert Oliver, der links neben mir sitzt und gebannt aufs Feuer schaut. 

"Das kann ich nur bestätigen.", sage ich und nicke. 

"Ich glaube, das können wir alle.", äußert sich Alina, die rechts neben mir sitzt und ein wenig weiter an mich heranrückt. 

Die anderen fangen alle an zu quatschen, jedoch bleiben ich und Alina hier ruhig sitzen. Die Flamme hat sich im Feuerkorb schon stark ausgebreitet und ein loderndes Feuer brennt nun im Feuerkorb. 

"Maddy?", höre ich Alinas Stimme leise neben mir. 

"Ja?" Ich drehe meinen Kopf zur Seite um sie ansehen zu können.

"Ich weiß, wir haben noch nie über die ganzen Strafen und so geredet, und für mich ist das immer noch komplett in Ordnung, aber kann ich dich trotzdem was fragen?" 

Mit großen Auge sehe ich sie an. Was soll ich darauf antworten? Einerseits ist sie meine beste Freundin und ich konnte bisher mit ihr über alles reden. Dazu kommt noch, dass sie hier mit mir ist und genau dasselbe wie ich hier erlebt. Bin ich aber bereit über die Strafen zu reden?

Schon eine ganze Weile sind wir hier in Mountry und langsam muss ich mich an diese Lebensumstände gewöhnt haben und muss die Strafen ebenfalls akzeptieren.

Unsicher sieht Alina mich an, bis ich meinen Kopf langsam nicke. 

"Eigentlich hat meine Frage nur indirekt etwas mit den Strafen zutun.", erwähnt sie, da sie meine Unsicherheit mitbekommen hat.

"Frag ruhig.", antworte ich ruhig und leise. Theoretisch wüsste ich eh nicht, was ich wissen sollte und sie nicht.

"Was war das gestern Abend mit dem Meister?"

Ruckartig halte ich meinen Atmen an. Ich hätte selber darauf kommen können, dass sie mir diese Frage stellt. Aber diese Frage habe ich mir auch immer wieder gestellt und habe keine Antwort gefunden. 

Verzweifelt zucke ich mit meinen Schultern. "Ich habe wirklich keine Ahnung."

Ich lenke meinen Blick wieder aufs Feuer und denke über meinen Tanz mit dem Meister nach. Seit dem habe ich ihn nicht mehr gesehen, aber ich meine eine Person an einem Fenster des Hauptgebäudes gesehen zu haben, nach dem er gegangen ist. Es könnte jede andere Person gewesen sein, aber vielleicht hat er sich auch dahin gestellt. Gänsehaut breitet sich bei der Erinnerung an Gestern über meinen ganzen Körper aus.

"Ich habe noch nie erlebt, dass er so nett zu einer Person war. Bei den Strafen ist er immer so hartherzig und gemein und er nimmt echt keine Rücksicht auf einen." 

Bei Alinas Erzählungen überkommt mich plötzlich ein mulmiges Gefühl und ich verkrampfe in meiner Position. Misstrauisch sieht Alina mich von der Seite an. 

"Hat er dir sowas auch angetan, oder war er immer nett zu dir?", hakt sie nach und sofort sehe ich sie wieder an, mit Tränen in den Augen. Der Meister war immer nett zu mir?  Nur im Traum. Okay, er war einmal kurz nett zu mir - zwei Mal, wenn man den Tanz von gestern mitzählt - , aber sonst war er der kaltblütigste Mensch, dem ich begegnet bin. Abgesehen vom Maestro.

"Du glaubst doch nicht ernsthaft, dass er mir nichts angetan hat.", stoße ich empört mit brüchiger Stimme hervor. Ohne es kontrollieren zu können rollt mir eine Träne über die Wange. Viel zu sehr schmerzt mich die Erinnerung an die Bestrafungen. 

"So meinte ich das nicht... Ich wollte nur wissen, ob vielleicht irgendwas vorgefallen ist, weil ich von ihm etwas anderes erwartet hätte, als das er mit dir - oder irgendjemanden- ruhig tanzt.", spricht sie leise und streich vorsichtig mit ihrer Hand über meinen Rücken. Schnell streiche ich mir meine Träne aus dem Gesicht. 

"Nein, nichts ist vorgefallen.", lüge ich. Ja, es ist etwas vorgefallen, aber ich habe keine Ahnung warum das überhaupt passiert ist, und was das mit dem Tanz zutun haben soll. Außerdem habe ich nicht das Bedürfnis danach es Alina jetzt hier zu erzählen. Das ganze muss ich erstmal für mich verarbeiten. 

"Okay.", flüstert Alina und schwingt ihre Arme um mich. "Ich wollte dich nicht in Verlegenheit bringen." 

Ich schlinge meine Arme ebenfalls um sie. Umarmend sitzen wir hier und beobachten das Feuer, welches uns mit Wärme einhüllt. Die ganze Zeit schwirren Alinas Sätze in meinem Kopf herum und sie können nicht aufhören mich zu beschäftigen.

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Da waren alle doch ziemlich Erfolgreich. Abgesehen von Maddy, die vielleicht die Armbanduhr gehabt hätte...

Ziemlich miese Aktion von Leonie.

Ist es gut, dass sie einen Sektor aufgestiegen ist?

Ich hoff ihr habt einen schönen Abend!


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