Kapitel 4 : Konversation
Verwirrt guckt mich Herr Heck blinzelnd an.
„Haben Sie mich gehört?, hake ich nach und ziehe eine Augenbraue nach oben. Noch ein paar Mal blinzelt er, bis er sich wieder normal aufrichtet, kurz räuspert und dann auf mein Aussage reagiert.
„Ja ja, nur... ich bin nur ein wenig überrascht.", gibt er zu und packt irgendwas in dem Schrank zur Seite, was ich durch die offene Tür zu meiner Seite hin nicht erkennen kann.
„Ich muss wirklich dringend mit ihm reden." Ungeduldig warte ich darauf dass etwas passiert und wippe auf meinen Füßen hin und her.
„Einen Moment.", äußert sich der Arzt schließlich und kramt weiter in dem Schrank rum, bis er die Tür schließt und ihn verschließt. „Ich bin mir nicht sicher wo er ist, oder ob er gerade Zeit hat, aber wir können ja bei seinem Zimmer nachschauen."
Bei dem Gedanken an seinen Raum kommen die Ereignisse von unserem letzten Treffen dort wieder in meinen Kopf geschossen. Ein Kloß breitet sich in meinem Hals aus, welchen ich versuche hinunterzuschlucken.
Einverstanden nicke ich dem Arzt zu und gemeinsam machen wir uns auf den Weg. Jeder Schritt, den ich in Richtung Gordons Zimmer setze, wird immer schwerer. In dem großen Flur angekommen sehe ich direkt zu der Tür und erkenne Walter, der vor der Tür wacht. Sein Anblick gibt mir etwas beruhigendes, was allerdings leider nicht gegen meinen rasenden Puls hilft.
„Ist der Meister in seinem Zimmer?", erkundigt sich Herr Heck bei Walter, nach dem sich die beiden gegrüßt haben und wir bei ihm angekommen sind.
„Ja, das ist er.", gibt Walter kurz und knapp als Antwort von sich.
„Madeline würde gerne mit ihm sprechen." Walter sieht mich einige Sekunden an, ohne zu blinzeln, bis er sich wieder Herrn Heck zuwendet.
„Ich erkundige mich kurz, ob er Zeit hat."
Der Türsteher klopft an der Tür und geht ohne groß zu warten auch schon hinein, aber schließt die Tür direkt hinter sich. Nervosität steigt in mir auf und ich fange automatisch an an meinen Fingern zu spielen. Wo ist die Selbstsicherheit hin, die ich eben noch hatte?
Wir müssen nicht lange warten, da wird die Tür auch schon wieder geöffnet und Walter hält sie für mich auf.
„Kommen Sie rein.", bittet er.
Einen unsicheren Blick gebe ich Herrn Heck noch, bis ich kleine Schritte mache und in Gordons Reich eintrete. Kurz nach dem ich drin bin geht Walter schon wieder raus und schließt die Tür. Mein Magen zieht sich in mir zusammen und mein Puls rast noch schneller.
Ich atme tief durch und gehe weiter den Raum entlang. Bisher habe ich ihn noch nicht gesehen, doch ich wende meinen Kopf nach rechts und sehe ihn dort stehen. Dort, wo er auch beim letzten Mal stand. Zwischen dem Bett und dem Sofa. Mein Körper wendet sich ihm automatisch zu, doch meine Füße bewegen sich nicht mehr vom Fleck. Wie erstarrt stehen wir beide im Raum und gucken uns an.
Er trägt eine schwarze Jeans und ein weißes Hemd, welches er oben nicht zugeknöpft hat. Seine Haare sind perfekt zurecht gemacht. Seine Erscheinung wirkt makellos, abgesehen von seinem Gesicht, welches durch dunkle Ringe unter seinen Augen erschöpft aussieht.
„Hi.", haucht er hervor und geht einen Schritt nach vorne. Sofort geht mein Körper auf Spannung und ich verspüre den Drang einen Schritt nach hinten zu machen.
„Wie geht es dir?", möchte er wissen und kommt immer weiter auf mich zu, weshalb ich schließlich dem Drang nachgehe und drei Schritte nach hinten mache, sodass ich fast gegen die Wand pralle.
Etwas erschrocken von meiner Geste bleibt er stehen und begutachtet meine Körperhaltung von oben bis unten. Meine Hände, die zu Fäusten geballt sind, habe ich mittlerweile in die Ärmel meiner Jacke geschoben.
„Madeline, ich... ich kann verstehen, dass-"
„Du verstehst gar nichts.", presse ich unter dem Kloß in meinem Hals hervor. Meine Unterlippe beginnt zu zittern, weshalb ich mit meinen Zähnen darauf beiße. Ich darf nicht Schwach wirken.
Überrumpelt von meiner Aussage bricht er unseren Blickkontakt und versucht auf dem Fußboden passende Worte zu finden, wobei er seine Hände in seine Hosentaschen verschwinden lässt. Kurzerhand räuspert er sich, sieht mich wieder an und beginnt monoton zu sprechen. „Du wolltest mit mir reden?"
Ja und nein. Von wollen kann man nicht sprechen. Es ist ein müssen, was mich hierher gebracht hat. Doch soll ich direkt mit meiner Bitte ankommen? Kommt das nicht komisch, zumal ich so eiskalt zu ihm bin?
Erwartungsvoll zieht er die Augenbrauen hoch, wobei sich Falten auf seiner Stirn bilden.
„Herr Heck hat mir erzählt, dass du mit mir reden möchtest.", erinnere ich ihn an die Nachricht, die mir Herr Heck noch vor fünf Tagen übermittelt hat und die ich damals noch so überzeugend verneint habe. Nun stehe ich doch hier, vor ihm, in seinem Apartment.
„Nun, ich wollte nur...", er unterbricht sich um sich erneut zu räuspern, „wissen, wie es dir geht." Ein wenig Verunsicherung höre ich aus seiner Stimme heraus und ich bemerke, wie er sein Gewicht immer wieder von einem Bein auf das andere verlagert. Ist er etwa nervös? Wo ist der sonst so bestimmende und selbstsichere Gordon hin? Oder soll ich lieber Meister sagen?
„Den Umständen entsprechend ganz gut.", antworte ich ohne viel Detail. Verständnisvoll nickt er und schaut wieder auf den Boden. Diese erdrückende Leere zwischen uns scheint mich zu zerquetschen, weshalb ich die Augen schließe, tief durchatme und ihm schließlich eine Frage stelle, „Und wie geht es dir?"
Als ich meine Augen wieder öffne sieht Gordon mich zunächst noch skeptisch an, doch dann stellt er sich wie gewohnt Gerade hin.
„Letztens ging es mir noch besser.", gesteht er, was mich mit einem kleinem Stechen in meiner linken Brust zurücklässt.
„Wir wissen beide, an wem das liegt.", zische ich hervor und verfinstere meinen Blick.
„Das kannst du so nicht sagen.", meint er, spannt seinen Unterkiefer an und holt seine Hände aus seinen Hosentaschen wieder heraus.
„Ach, kann ich nicht? Wer ist denn einfach so ausgerastet und hat mich geschlagen?" Meine Stimme wurde am Ende immer lauter und kräftiger, da die Wut den Schmerz überrollt.
„Ich hatte meine Gründe.", spricht er mit fast geschlossenen Mund, weshalb es fast wie ein Zischen klang. Seine Augen funkeln böse auf, bis sie mich kurz darauf sanft ansehen. „Gib mir bitte eine Chance, dass wir das klären!"
Überfordert mit meinen Gefühlen und Gedanken kaue ich an meiner Unterlippe. Wie verplant sehe ich den Mann an, welcher mir so viel Leid, aber auch so viel Sicherheit gegeben hat.
Möchte ich es klären? Mein Herz schreit Ja, aber mein Kopf sagt Ich weiß es nicht. Dieser Mann trägt so viele Geheimnisse mit sich. Wohin soll das alles führen? Wird er sich mir öffnen? Was möchte ich überhaupt von ihm?
Ich drifte immer mehr mit meinen Gedanken von der eigentlichen Situation ab und schaue auf den Boden.
Was möchte ich von ihm? Dieser Frage habe ich mich noch nie gestellt. Letztens habe ich Alina erst gesagt, dass ich ihn mag. Mag ich ihn wirklich? Mein Herz schreit erneut Ja!, aber er ist so unberechenbar...
Ein paar schwarze Schuhe durchkreuzt mein Sichtfeld auf den Fußboden. Erschrocken sehe ich auf und sehe in das sanfte Gesicht von Gordon, der nun direkt vor mir steht. Sofort muss ich schlucken und mein Atmen wird immer schwerer.
Langsam nähert er seine Hände meinen, die nun nicht mehr in meinen Ärmeln verschwunden sind, und nimmt meine Hände in seine. Mein Herz rast schneller und überfordert starre ich auf seine Brust, während er seine Stirn auf meinen Kopf auflegt und hörbar ausatmet.
Meine Augen schließen sich wie von Hand gesteuert und ich nehme tief seinen maskulinen, sicheren und vertrauten Duft ein.
„Bitte...", haucht er und mein Mund öffnet sich automatisch um ihm zu antworten, doch ich halte inne.
Sein Geruch hat noch eine neue Bedeutung für mich. In meinem Kopf gehe ich jedes Wort durch, bis ich es gefunden habe. Angst. Mein Herz beginnt erneut wie wild zu rasen und schlagartig öffne ich meine Augen.
„Nein!", rufe ich aus und stoße ich ihn von mir, doch ich gehe trotzdem noch ein paar Schritte von ihm weg, sodass ich vor der Tür stehe.
Meine Reaktion hat er nicht kommen sehen, denn er sieht mich perplex und mit offenem Mund an. Seine Augen zeigen mir aber deutlich, dass er verletzt ist. Doch das bin ich auch von ihm.
„Du kannst nicht einfach erwarten, dass plötzlich alles wieder gut ist, nur weil du dich jetzt auf einmal beruhigt hast.", sage ich schluchzend, während ich mit meinen Armen herumfuchtele und meine Augen glasig werden, doch ich kämpfe gar nicht erst gegen die Tränen an. Er hat mich verletzt und das kann er nicht ändern.
„Ich möchte, dass du mir wieder vertraust.", spricht er sanft und macht Anstalten wieder auf mich zuzugehen, doch ich halte meine Hand hoch, weshalb er doch stehen bleibt.
„So einfach ist das aber nicht!" Einzelne Tränen laufen mir die Wangen hinunter.
„Dann sag mir, wie ich es wieder gut machen kann! Bitte Madeline, ich möchte es versuchen. Für dich und mich. Für uns."
Für uns. Unglaubwürdig starre ich ihn an. Gab es jemals ein uns? Wird es jemals ein uns geben?
Verzweifelt greife ich mir durch die Haare und breche unseren intensiven Blickkontakt ab, wobei meine Augen durch die ganze Wohnung wandern. Jetzt wäre die perfekte Gelegenheit die Sache einzuwerfen, weshalb ich überhaupt hier bin. Ich wische mir meine Tränen weg und gucke Gordon erneut an. Um stark zu wirken hebe ich mein Kinn und räuspere mich noch einmal, bis ich selbstbewusst beginne zu sprechen.
„Na gut. Wenn du mein Vertrauen haben willst und möchtest, dass es zwischen uns wieder besser wird, dann gibt es da etwas, was du für mich tun könntest.", teste ich meine Idee langsam an.
Mit großen Augen sieht er mich aufmerksam an.
„Ich höre.", äußert er sich sanft und versteckt seine Hände wieder in seinen Hosentaschen.
„Es gibt da einen kleinen Jungen, Moritz heißt er, und er hat Morgen Geburtstag. Er bedeutet mir sehr viel, sowie seine Mutter auch. Ihr geht es aber gerade nicht so gut und kann ihm Morgen keinen besonderen Tag verschaffen."
Fragend legt er seinen Kopf schief. „Und ich soll jetzt was genau machen?"
Seine Aussage kommt mir ziemlich spöttisch rüber. Enttäuscht schüttle ich meinen Kopf. „Wenn du das nicht ernst nimmst, dann können wir es auch gleich sein lassen."
Ich zucke mit den Schulter und gehe weiter ein paar Schritte nach hinten, in Richtung Tür.
„Nein, nein - ich meine das Ernst!" Gordon geht wieder auf mich zu, doch ich habe schon aufgehört mich zu bewegen. „Sag mir, was ich machen soll."
Jetzt, da er mir wieder näher ist, kann ich in seinen Augen erkennen, das er es ernst meint. Etwas erleichtert atme ich tief durch, bis ich ihm von meiner Idee erzähle.
„Ich hatte nur Gedacht, dass du ihm vielleicht ein paar Geschenke oder so geben könntest und ihn vielleicht kurz hier ins Hauptgebäude holen könntest. Es muss nichts großes sein, aber ich möchte ihn Lachen sehen und die Freude in seinen Augen an seinem Geburtstag sehen."
„Wie alt wird er denn?", möchte er wissen.
„Sechs wird er." Überzeugt beginnt er zu nicken und ein kleines Lächeln schleicht sich auf meine Lippen.
„Das kann ich hinbekommen. Mach dir da keine Sorgen."
„Danke!", hauche ich beruhigt.
Er spiegelt mein Lächeln wieder, wobei sich kleine Grübchen bei ihm bilden. Meine Augen versinken in seinen sanften braunen Augen und für einen kurzen Moment vergesse ich jeden Grund, weshalb ich ihn hassen sollte.
Doch dann klopft es an der Tür und der ruhige Moment verfliegt. Gordons Gesichtsausdruck verändert sich wieder zu seiner gewohnten Starrheit.
„Ja?", ruft er zur Tür, die direkt danach von Walter geöffnet wird.
„Entschuldigung für die Störung, aber der Maestro-"
„Kann das nicht noch warten?", unterbricht er seinen Türsteher und sieht kurz zu mir, bis er ihn wieder ansieht.
„Leider nicht."
„Ist in Ordnung. Ich muss sowieso wieder gehen.", werfe ich in den Raum und wende mich kurz noch Gordon zu. „Gibst du mir morgen Bescheid, wenn alles fertig ist? Ich kann auch gerne helfen."
„Mache ich!", versichert er mir. Nickend drehe ich mich um, gehe an Walter vorbei und mache mich auf dem Weg zu meinem Bett.
Erschöpft von diesem anstrengenden Abend lasse ich mich auf das Bett fallen. Meine Gedanken kreisen ständig um Cole, Gordon und den morgigen Tag, bis ich schließlich einschlafe.
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Ob Moritz einen schönen Geburtstag haben wird?
Wird die Aktion die beiden wirklich näher bringen?
Ich hoffe ihr seid alle Gesund und euch geht es gut!
Habt noch eine schöne Woche!
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