Kapitel 3 : Draußen
Ganze fünf Tage liege ich schon im wachen Zustand auf diesem Bett herum und ich kann diesen Raum nicht mehr sehen. Das ganze weiß engt mich ein und ich Sehne mich nach dem sandigen hellbraunen Boden und den Menschen mit grauen Klamotten. Ich würde auch lieber wieder zurück zur Arbeit, als hier noch weiter herumzuliegen.
Langsam stehe ich vom Bett auf und gehe zur Tür, nur um festzustellen, dass diese wie üblich verschlossen ist. Frustriert schnaube ich aus und möchte gerade gegen die Tür treten, als ich höre, wie jemand diese aufschließt. Schnell sprinte ich so gut ich kann zurück zu meinem Bett und ziehe die Decke über meinen Körper. Die Tür wird geöffnet und Herr Heck kommt wie gewohnt mit seinem weißen Kittel und einem Lächeln im Gesicht hinein.
„Guten Tag! Wie geht es Ihnen heute?", erkundet er sich und geht zu einem der Schränke.
„Sehr gut!", sage ich und zwinge mich dazu zu lächeln, auch wenn mir nicht danach ist.
„Das freut mich zu hören. Wie ich sehe haben Sie auch alles aufgegessen.", bemerkt er, als er vor meinem Bett steht und auf das lehre Geschirr sieht. Wie üblich nicke ich auf seine Bemerkung. „Hier sind Ihre Tabletten."
Ohne groß nachzudenken nehme ich die drei Tabletten aus seiner Hand, schnappe mir ein Glas Wasser und schlucke diese hinunter.
„Darf ich nun endlich raus?", frage ich die selbe Frage, wie ich sie auch schon die letzten fünf Tage gestellt habe und stelle das Glas wieder ab.
Skeptisch sieht mich der Arzt an, bis er schließlich vorsichtig nickt. Mit großen Augen sehe ich ihn an. „Wirklich?"
„Ja, aber erst heute Abend.", betont er, „Und Sie müssen auch wieder hierher zurückkommen."
Bei seinen Redewendungen fühle ich mich wie ein Kind, doch das ist mir egal. Hauptsache ich komme hier raus.
„Ich weiß nicht mal, wie ich hierher gekommen bin.", weise ich ihn darauf hin.
„Machen Sie sich darum keine Gedanken. Sie werden den Weg wissen, nach dem sie hier raus gekommen sind."
...
Ungeduldig sitze ich schon auf meinem Bett und warte, dass die Tür auf geht und mich jemand nach draußen bringt. Um die Zeit vergehen zu lassen spiele ich wie immer mit meinen Fingern. Die Schuhe habe ich schon längst angezogen, sowie auch meine Jacke.
Haben die mich vergessen? Was ist, wenn Herr Heck das gar nicht ernst gemeint hat? Zweifel steigen in mir auf und ich verspüre den Drang mich wieder hinzulegen, doch ich halte dagegen an. Nein, das würde er nicht machen. Ich werde heute noch diesen Raum verlassen.
Endlich bewegt sich die Tür und Herr Heck sieht mich grinsend an. „Los gehts."
Alle Zweifel vergehen und freudig gehe ich zu Herr Heck. Ich trete aus dem Raum und kann nicht glauben, in welchem Raum ich nun stehe. Das ist der dunkle Flur neben der Scheune, welcher mir schon viel zu vetraut ist. Rechts erstreckt sich die Treppe zum Hauptgebäude und gerade aus ist die große Tür, welche in den alten Pferdestall führt.
„Wieso ist mir diese Tür nie aufgefallen?", frage ich mich selber und schaue die dunkle Tür an, aus der ich eben hinausgetreten bin.
„Wollen Sie nun raus?", hakt Herr Heck nochmal nach, der Mittlerweile an der Tür angelangt ist, die nach draußen führt.
„Ja!", stoße ich laut hervor und husche zu der anderen Tür.
Herr Heck öffnet die Tür und sofort kommt mir kühler Wind entgegen.
„Wir sehen uns später wieder.", erinnert er mich, woraufhin ich nicke.
Ich trete nach draußen und hinter mir wird die Tür geschlossen. Tief atme ich die frische Luft ein. Was nun? Die ganze Zeit wollte ich nach draußen, doch ich habe mir kaum Gedanken darüber gemacht, was ich als Erstes tun würde.
Zum Schlafplatz, zu meinen Freunden, ist das Erste, was mir gerade einfällt. Sofort gehe ich in die Richtung, doch ein mulmiges Gefühl schleicht sich in meinen Magen. Was ist, wenn Cole da sitzt und er mich erneut angreift? Oder er die anderen so weit gebracht hat, dass sie mich auch hassen?
Meine Schritte werden immer kleiner und immer langsamer, je länger ich darüber nachdenke.
Auf einmal umarmt mich eine Person von hinten und geschockt verharre ich in meiner Position. Vorsichtig drehe ich mich um, bis ich in die Augen von Jennifer gucke, die ganz glasig sind. Ihre Lippe fängt auf einmal an zu beben und, bevor sie anfängt vor meinen Augen zu weinen, nehme ich sie richtig in den Arm. Ein leises Schluchzen kommt von ihr, weshalb ich ihren dünnen Körper noch enger an mich drücke.
„Es tut mir so leid...", flüstert sie an meinem Ohr. Behutsam streiche ich ihr über den Rücken.
„Dir braucht nichts leid zu-"
„Doch!", unterbricht sie mich harsch, zieht sich aus unserer Umarmung heraus und sieht mir direkt in die Augen. „Ich hätte ihn festhalten sollen, oder auch schlagen, aber ich.. ich... ich wusste nicht..."
„Es war seine Schuld, nicht deine!", versuche ich sie zu beruhigen, während meine Sicht allmählich verschwommen wird, doch ich versuche gegen die Tränen anzukämpfen. Ich habe schon zu viel geweint in den letzten Tagen.
„Trotzdem, ich...", verzweifelt versucht sie Worte zu finden und schaut in alle Richtungen.
„Es ist okay."
„Oh mein Gott, Maddy!", höre ich auf einmal eine weitere Stimme und ich werde schon wieder in eine Umarmung gezogen. „Geht es dir gut?" Alina schaut mich von oben bis unten an, doch durch meine dicke Jacke und der Hose die ich trage kann man sowieso nichts erkennen. Ein paar Schrammen an meinem Gesicht lassen vielleicht noch etwas erahnen.
„Mir geht es schon wieder besser.", versichere ich meiner Freundin.
„Bleibst du oder musst du wieder gehen?", hakt sie nach.
„Ich muss später wieder gehen, aber ich kann ein bisschen bleiben, also wenn ihr möchtet."
„Natürlich möchten wir das! Wieso sollten wir das nicht? Wir haben uns Sorgen um dich gemacht.", äußert sich Alina erneut, die an mir rüttelt, was mich ein wenig Schwindelig macht.
„Ich dachte nur Cole hätte euch vielleicht mit auf... seine Seite geholt.", erläutere ich meine Aussage so gut ich kann. Hektisch schütteln meine beiden Freundinnen ihren Kopf.
„Natürlich nicht! Außerdem haben wir seit dem kein Wort mit ihm geredet."
Fragend sehe ich Alina an, doch Jennifer redet schon direkt weiter.
„Sie haben ihn in Sektor 11 verlegt."
Geschockt schaue ich sie an. „In 11?"
„War die Anordnung vom Meister.", erklärt Jennifer weiter die Situation. Automatisch ballen sich meine Hände in Fäuste um und Wut steigt in mir auf, doch ich entspanne mich schnell wieder.
„Achso..." Ich versuche entspannt zu klingen, doch das ganze Beschäftigt mich doch mehr, als mir lieb wäre.
„Wie viel hast du denn noch mitbekommen?", möchte Jennifer wissen, dessen Tränen längst wieder getrocknet sind.
„Nicht viel. Ich habe noch Sirenen gehört, doch dann wurde alles schwarz.", gebe ich ehrlich zu und zucke mit meinen Schultern. Alina und Jennifer schauen sich an, weshalb Nervosität in mir aufsteigt. „Wieso?"
„Weißt du, wer dich geholt und getragen hat?", fragt Jennifer, woraufhin ich meinen Kopf schüttele. „Der Meister. Er hat dich vor all den Blicken der Leuten in seinem Arm getragen und ins Hauptgebäude gebracht."
Mein Herz macht kleine Hüpfer und wird ganz warm, doch ich versuche dieses Gefühl zu unterdrücken. Ich bin so hin und her gerissen in mir drin, dass ich gar nicht weiß, was ich antworten soll.
„Ich dachte nur, dass du das wissen solltest. Er sah wirklich besorgt um dich aus."
„Er hat mich davor geschlagen.", erinnere ich sie daran. Wut steigt erneut in mir auf und meine Hände sind ebenfalls wieder zu Fäusten geballt. „Wenn er wirklich um mich besorgt wäre, dann hätte er das nicht getan." Verbitterung lässt sich in meiner Stimme erkennen, sowohl als auch Schmerz und Enttäuschung.
Etwas geschockt von meinem Tonfall geht Jennifer einen kleinen Schritt nach hinten und nickt sachte.
„Möchtest du noch zum Schlafplatz? Die anderen freuen sich bestimmt auch dich zu sehen.", wechselt Alina das Thema, wofür ich ihr sehr dankbar bin.
„Klar.", erwidere ich und atme tief aus, um all die schlechte Energie loszuwerden.
Als ich bei den anderen angekommen bin ist diese ein Glück komplett verflogen. Das Thema mit Cole kommt nur kurz auf, doch dann kommen wir schnell zu anderen Themen, was mich sehr erleichtert. Entspannt sitzen wir alle auf dem Boden, reden und lachen sogar ein wenig über einen komischen Traum, den Lucy wohl letztens hatte. Selbst Dennis wirkt lockerer als sonst und lächelt mich ab und zu an. Ich bin froh, dass wir sechs uns wieder gut verstehen, doch trotzdem frage ich mich, was Cole dazu gebracht hat mir das anzutun und wie es ihm in Sektor 11 geht. Hier in 6 ist es schon scheiße. Da möchte ich mir 11 gar nicht ausmalen.
Nach einer Weile stehe ich auf und verabschiede mich, da die Sonne schon untergegangen ist und es immer dunkler wird. Immerhin habe ich Herr Heck versprochen nicht zu lange weg zu bleiben. Schnell werde ich von allen noch sachte gedrückt und mache mich wieder auf Richtung Hauptgebäude, als mich plötzlich eine Person anrempelt.
„Entschuldigung...", nuschelt diese hervor. In dem schlechten Lichteinfall kann ich das erschöpfte Gesicht der person vor mir kaum erkennen, doch die Person kommt mir bekannt vor.
„Judith?" Skeptisch beobachtet sie mich, bis sich ihre Gesichtsmuskeln schließlich entspannen.
„Madeline.", spricht sie meinen Namen beruhigt aus. „Ich habe dich lange nicht mehr gesehen. Jenifer hat mir erzählt was passiert ist... Geht es dir gut?"
„Ja, um mich brauchst du dir keine Sorgen machen, aber wie geht dir?" Beunruhigt schaue ich sie an. Ihr schmales Gesicht sieht eingefallen aus und ihre Haare sind zerzaust.
„Momentan ist es etwas anstrengend und ich muss ständig an den Arbeitsplatz zum arbeiten. Kurz vor der Weihnachtzeit ist es immer so stressig. Dazu kommt noch, dass ich mich um Moritz kümmern muss, was ich im Moment nicht so schaffe und er hat auch morgen Geburtstag. Jedes Jahr versuche ich ihm seinen Geburtstag besonders zu machen, doch dieses Jahr sieht es nicht so gut aus." Enttäuscht lässt sie den Kopf hängen.
„Das tut mir wirklich leid! Ich wünschte ich könnte irgendwas tun, aber-"
„Nein, lass nur. Du hast deine Pflichten und ich habe meine.", unterbricht sie mich und hebt ihren Kopf, um mir in die Augen zu sehen.
„Ich versuche morgen vorbei zu schauen, in Ordnung?", schlage ich vor, woraufhin sie zufrieden nickt.
„Ja, das würde ihn sicherlich freuen. Ich muss jetzt aber weiter."
„Gute Nacht, Judith."
„Gute Nacht.", erwidert sie schläfrig und geht fort.
Mit meinen Gedanken bei Judith und Moritz trete ich an die kleine Tür neben der Scheune, wo wie immer ein Wachmann steht. Ohne das ich etwas zu sagen brauche öffnet er schon die Tür und ich trete hinein. Die rechte Tür steht bereits offen und langsam tapse ich in das Krankenzimmer hinein. Herr Heck ist schon wieder am Schrank zugange und zwei Frauen mit blauer Kleidung treten nach mir hinein. Die eine trägt ein Tablett mit Essen und die andere hält Klamotten in ihren Armen.
Ich trete an Herr Heck heran und tippe ihm zwei Mal auf die Schulter. Er dreht sich in meine Richtung und sieht mich von oben bis unten an, ehe er beginnt zu sprechen. „Hatten Sie einen schönen Abend?"
Doch ich gehe gar nicht erst auf seine Frage ein, denn ich komme gleich zum Punkt.
„Ich muss mit dem Meister sprechen." Überrascht sieht er mich mit großen Augen an. „Sofort!"
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Hat Cole seine gerechte Strafe bekommen?
Was wird bei dem Gespräch zwischen Maddy und Gordon passieren?
Bis nächste Woche my friends <3
Danke für alles! (Hatte das Gefühl das musste mal wieder gesagt werden.)
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