Kapitel 24 : Weihnachten
Völlig aufgewühlt komme ich zurück in Gordons Wohnung an, das Handy fest in meiner Hand. Immer noch fassungslos starre ich es an. Ich kann nicht glauben, dass ich gerade tatsächlich mit meinem Vater gesprochen habe. Nach all diesen Monaten.
Am Ende habe ich herausgefunden, dass anscheinend jemand über meine Hand ihm eine Nachricht geschickt hat, in der stand, dass ich länger in Amerika bleibe und auf mich alleine gestellt sein möchte.
Fassungslos über diese Aktion schüttele ich meinen Kopf, allerdings fand ich es gut, dass mein Vater nicht komplett in Unwissenheit geraten ist, obwohl diese Nachricht trotzdem viele Fragen aufweist.
Die Tür öffnet sich mit einem lauten quietschen und erschrocken drehe ich mich zu dieser um. Gordon ist hereingetreten und ich gehe mit großen Schritten auf ihn zu. Sofort öffnet er seine Arme und umhüllt meinen Körper mit seinen kräftigen Armen.
Ich drücke mich an seinen Oberkörper und schließe die Augen. „Danke.", sage ich erneut. Am liebsten würde ich ihm das eine Million Mal sagen.
„Konntet ihr viel reden?", möchte er wissen. Langsam öffne ich meine Augen und starre die kahle Wand an, wobei mir eine Träne die Wange hinunterläuft.
„Ich konnte ihm nicht sagen, wo ich wirklich bin und was passiert ist. Ich konnte es nicht über mein Herz bringen, ihm es jetzt zu gestehen. Er würde sich nur noch mehr Sorgen machen."
Noch enger umgreift Gordon meinen Körper.
„Sie haben ihm damals eine Nachricht über dein Handy geschrieben, nicht wahr?", spricht er leise.
Leicht nicke ich. „Ich habe einfach mitgespielt." Es hat sich so falsch angefühlt. Ich wollte es nicht, aber ich konnte einfach nicht anders.
...
Ich öffne die Tür und sofort steigt mir ein zimtiger Geruch in die Nase. Schnüffelnd trete ich in den Flur und versuche, genau herauszufinden, welche köstliche Spezialität gebacken wird.
„Das riecht gut, nicht wahr?", ertönt Walters Stimme hinter mir. Erschrocken drehe ich mich zu ihm um, da ich ihn gar nicht bemerkt habe, als ich aus Gordons Zimmer getreten bin.
„Und wie!", erwidere ich mit einem breiten Grinsen, nach dem ich mich wieder gefasst habe.
Mittlerweile ist Gordon auch schon hinausgetreten und schließt die Tür hinter sich. „Meinst du, ich kann beim Backen helfen?", frage ich Gordon und ziehe die Augenbraue hoch.
Zur Weihnachtszeit war mein Lebenselixier das Backen. Die Wohnung, in der ich und mein Vater wohnen, war zwar den meisten Dezember über unordentlich und voll mit Mehl, aber es war immer eine schöne Zeit. Das meiste von dem Gebackenem mussten wir an die Nachbarn abgeben, da wir so viel gar nicht essen konnten.
„Wir können auch bei mir in der Wohnung backen.", schlägt er vor und zieht sich die Ärmel seines Pullovers herunter. Ich tue es ihm gleich, da mir ein kalter Luftzug von hinten entgegenkommt. Neugierig drehe ich mich um und entdecke, dass die große Tür aufsteht und drei blau-gekleidete Menschen eine Gerlande hineintragen.
„Das stimmt.", beginne ich zu sprechen und wende mich wieder Gordon zu. „Aber ich möchte gerne irgendwie mithelfen. Ich möchte den Leuten da draußen, die in der Kälte verweilen müssen, etwas Gutes tun."
Unsicher kratzt sich Gordon mit einer Hand am Nacken. „Vielleicht schaffen wir es heute, noch vor der Rede meines Vaters, etwas zu backen und nach draußen zu bringen."
Freudig reiße ich meine Augen auf und klatsche einmal in die Hände. „Oh ja, das wäre toll!"
Angespannt schaut er auf die Uhr an seinem Handgelenk. „Dann kann Walter mit dir runtergehen, in die Küche, und die Dinge holen, die wir brauchen. Ich überlasse die Auswahl dir. Ich muss jetzt dringend zu meinem Vater."
Ich wollte zwar eigentlich mitkommen, aber da ist es mir doch lieber, etwas Gutes zu tun, als nutzlos rumzustehen.
Er hinterlässt noch einen flüchtigen Kuss auf meiner Stirn, eher er auch schon die große Treppe hinunterläuft. Einen Moment lang starre ich ihm noch hinterher, bis ich mich an Walter wende und eine Augenbraue nach oben ziehe. „Gehen wir?"
Der Türsteher nickt, schließt noch die Tür ab, und beginnt dann einen Fuß vor den anderen zu setzen.
Wie gewohnt gehen wir nicht die große Treppe hinunter, sondern eine kleinere im hinteren Eck des Hauses. Auf dem Weg dorthin laufen blau-gekleidete Menschen an uns vorbei, die recht gestresst aussehen. An der Treppe angekommen müssen wir auch einen Moment warten, da eine Truppe von Menschen diese eilig hinauf rennt. Gordon hatte mir mal erzählt, dass Weihnachten nicht so groß wie Thanksgiving gefeiert wird. Dann möchte ich gar nicht wissen, wie groß das Chaos an Thanksgiving im Hauptgebäude ist.
Nachdem die Treppe endlich frei ist, gehen wir ein Stockwerk nach unten, wo wir in einem Zwischenraum landen. Hier wird der Geruch jedoch intensiver und als Walter die Tür rechts neben ihm aufmacht und mich hinein begleitet, komme ich im Paradies der Düfte an. Grelles Licht erwartet uns in der riesen großen Küche. So genau kann ich mich gar nicht umgucken, weil ständig jemand hektisch an mir vorbeirennt und ich mich zur Seite stellen muss. Ein Glück bin ich mit Walter hier, der den Weg anscheinend weiß. Während ich ihm folge, bemerke ich ein paar neugierige Blicke der Menschen, die aus Sektor 1 stammen. Sie mustern mich von oben bis unten, doch wenn ich zurückschaue, senken sie schnell ihren Blick und konzentrieren sich wieder auf die Arbeit.
„Nein, die müssen in den großen Kühlschrank, nicht nach draußen!", schreit eine dominante Frauenstimme, die den ganzen Lärm übertönt. „Siehst du nicht, dass die noch nicht fertig sind? Mon Dieu! Ouvre tes yeux..."
Erst jetzt fällt mir ihr französischer Akzent auf, nach dem ich überlegen musste, in welcher Sprache sie gesprochen hat. Die Frau muss um die 50 Jahre alt sein, jedoch hat sie schon einen ziemlich gekrümmten Rücken für das Alter. Wie die anderen trägt sie die blaue Uniform, die bereits fast komplett weiß ist durch das ganze Mehl. Um ihre Hüften hat sie allerdings eine Schürze gebunden. Schnaufend wischt sie sich mit dem Handrücken die Stirn und fährt sich danach durch die hellblonden Haare. Diese erscheinen ebenfalls teilweise weiß, aber ich kann nicht sagen, ob das graue Strähnen sind oder das Mehl, welches sich nun auch in ihren Haaren befindet.
„Louise!", stößt Walter freudig hervor. Die buckelige Frau dreht sich zuerst grimmig in unsere Richtung, doch als sie Walter erkennt, werden ihre Gesichtszüge weicher. Sie legt ihren Kopf schief und breitet ihre Arme aus, doch lässt diese schnell wieder sinken, als sie an sich hinunterguckt und ihr das ganze Mehl auffällt. „Ach, mein lieber Walter. Was verschafft uns deine Ehre?" Durch ihren nun freundlichen und nicht so lauten Tonfall ertönt ihr Akzent noch deutlicher und ich frage mich, wie lange sie hier ist, sodass der Akzent noch so erkennbar ist.
Wir bleiben vor ihr stehen und Walter dreht sich kurz zu mir um, bis er sich wieder zu Louise wendet.
„Das hier ist Madeline und sie hätte gerne ein paar Zutaten, um zu backen.", erzählt er kurz und knapp.
Einen Moment lang herrscht eine Stille, in der Louise mich bloß beobachtet, bis ihre Pupillen sich blitzschnell weiten. Ob sie mich auf einmal erkannt hat?
„Da muss ich einmal nachschauen, wie viel wir noch da haben, aber es lässt sich bestimmt noch etwas fin- Sag mal, was ist hier denn los?", unterbricht sie sich selber auf einmal und verfinstert ihren Blick, als sie auf die Theke hinter uns schaut, die Mitten im Raum steht und befüllt ist mit Tabletts voller Essen. „Die Hälfte davon sollte schon längst draußen in der Scheune sein! Vite, vite!" Kopfschüttelnd wendet sie sich wieder zu uns, während zwei Frauen angerannt kommen und sich jeweils ein Tablett schnappen und damit verschwinden. „Entschuldige Liebes, aber es ist gerade ziemlich stressig. Ich versuche dir etwas zusammen zu suchen und-"
„Nein, das muss nicht sein. Wenn es geht, würde ich hier lieber mithelfen. Da mache ich mich lieber hier nützlich, als noch weiter Probleme zu schaffen."
Skeptisch und überrascht schauen mich Walter und Louise an. „Mädchen, das ist doch kein Problem, ich muss bloß-"
„Ich würde das wirklich gerne machen.", unterbreche ich sie erneut und schaue ihr dabei direkt in die Augen. Kurz hält sie meinen Blick stand, bis sie fragend Walter anblickt und dann wieder mich.
„Bien, wie du möchtest. Dann lass mich dir aber eine lange Schürze geben, damit deine Kleidung nicht dreckig wird. Hier!" Sie greift hinter sich an eine Wand, an der ganz viele Haken hängen, von denen aber die meisten leer sind. Sie zieht mir eine über den Kopf, ehe sie die zwei Bänder an meinem Rücken verknotet. Die Schürze bedeckt jetzt nicht meine Arme, aber wenigstens die Vorderseite meiner Kleidung. „Nun, wie gut kennst du dich denn hier aus?"
„Ich werde sie begleiten, somit wird sie sich schon nicht verlaufen.", erwidert Walter, bevor ich überhaupt den Mund auf gemacht habe. Mit einer leicht angehobenen Augenbraue schaue ich zu dem großen Mann hinauf, welcher mich allerdings nicht ansieht.
Louise nickt und dreht sich zu den Theken, was ich ihr gleich tue. „Das Essen, welches sich auf den goldenen Blechen befindet, gehört in den großen Saal hier im Hauptgebäude. Das Silberne kommt in die Scheune. Bei beiden ist eine Reihe an Tischen aufgebaut. Im großen Saal gibt es eine bestimmte Ordnung dafür, also gib es am besten jemanden, der dort wartet und es dann abstellt. Draußen ist es egal. Lege es einfach irgendwo ab, wo platz ist."
Schnell verarbeite ich die Informationen, bedanke mich bei Louise und greife dann nach einem silbernen Blech, auf dem sich gebrannte Mandeln befinden. Automatisch geht Walter voraus und ich folge ihm.
„Du kannst mir auch einfach den Weg zeigen und dann gehen.", spreche ich in Walters Richtung, während wir durch ein paar Gänge im Erdgeschoss gehen und schließlich im Flur ankommen, wo die große Treppe nach oben führt. Die Tür nach draußen, auf die wir zulaufen, steht offen und es kommen drei Männer aus Sektor 1 uns entgegen. Angst davor, jemanden von diesen zu erkennen, oder auch andersherum, halte ich meinen Kopf geduckt und konzentriere mich darauf nichts vom Blech zu verschütten. Erst nach dem sie vorbei sind, nehme ich den kalten Windstoß von draußen wahr.
„Das kommt nicht in Frage.", kommentiert Walter meine Aussage, als wir unter dem Bogen des Hauptgebäudes hervorkommen und auf die Scheune zulaufen. „Gordon hat mich ausdrücklich darauf hingewiesen, dich nicht aus den Augen zu lassen, da es schon mehr als genug Vorfälle gab, als du dich alleine durch Gebäude bewegt hast."
Schnaufend nicke ich leicht, weil er Recht hat. Aber zu meiner Verteidigung waren die Hälfte davon nicht meine Schuld! „Na gut.", hauche ich hervor, wobei meine Augen die blau-gekleideten Männer beobachten, die versuchen den großen Tannenbaum in der Mitte des Platzes aufzustellen. Mit angebrachten Seilen ziehen sie den Baum vertikal nach oben. Dahinter erkenne ich grau-gekleidete Menschen, die versuchen zu helfen. Die Offiziersmänner stehen mal wieder nur blöd herum und gucken zu.
In der Scheune angekommen stelle ich das Blech auf die leeren Tische, wo sonst immer das gewohnte Frühstück, Mittagessen und Abendessen steht. Braun-gekleidete Menschen sind gerade dabei die Tische zu putzen. Nur wenige tragen Jacken, was mir direkt einen Schauder über den Rücken laufen lässt. Ich bin zwar gerade auch ohne Jacke draußen, aber für mich geht es dafür gleich wieder rein.
Auf dem Weg zurück, kommt mir ein Gedanke auf, den ich Walter mitteile. „Dann bist du ja sozusagen für mich zuständig und nicht mehr für Gordon."
„So kann man das sehen.", reagiert er und zwinkert mir zu, woraufhin ich ihn anlächele.
Im Hauptgebäude angekommen schnappe ich mir direkt ein neues silbernes Blech, auf dem dieses Mal Besteck liegt, und gehe erneut nach draußen. „Um wie viel Uhr beginnt das Fest hier denn?", frage ich Walter, als ich das Besteck abgestellt habe und mir die bereits relativ vollen Tische in der Scheune angucke.
„Um 19 Uhr."
„Und wie viel Uhr haben wir es jetzt?"
„11 Uhr."
Geschockt reiße ich die Augen auf. „11 Uhr? Und das Essen steht jetzt schon draußen? Das ist bis dahin ja schon eiskalt."
Anscheinend habe ich ein wenig zu laut gesprochen, denn es haben sich einige Köpfe zu mir umgedreht. Ein Glück zieht allerdings jemand anderes die Aufmerksamkeit auf sich, da einer der braun-gekleideten Menschen angefangen hat zu husten und die anderen ihm helfen sich hinzusetzen. Walter platziert eine Hand auf meinen Rücken und schiebt mich wieder zurück in Richtung Hauptgebäude.
„Ja, das stimmt.", spricht er ruhig, nach dem wir weiter weg von der Scheune sind. „Allerdings hat unsere Küche nicht die Kapazitäten alles kurz vorher fertig zu bekommen, damit es frisch ist. Somit hat der Maestro sich vor langer Zeit entschieden, dass das Essen fürs Hauptgebäude so zubereitet, dass es noch warm ist. Das der anderen nicht."
Ich kaue auf meiner Wangeninnenseite, um mir einen Kommentar zu verkneifen. Aber sollte ich das überhaupt kommentieren? Ich sollte froh sein, dass es hier überhaupt etwas zu feiern gibt, und, dass es für die Gefangenen mal vernünftiges Essen gibt.
...
So sehr ich dieses aufstylen am Anfang doch genossen habe, tu ich dieses mittlerweile nicht mehr. Mich nervt die vielen Schichten Make-up auf meinem Gesicht, das ziepen an meinen Haaren und diese unfassbaren vielen plüschigen Kleider, zwischen denen ich versuche ein normales, nicht so pompöses, Kleid herauszufischen. Von dem ganzen Wachsen fange ich gar nicht erst an.
Mit einem Bademantel umhüllt und Lockenwicklern in meinen Haaren gehe ich gerade die ganzen Kleiderstangen durch. Auch wenn die Frauen aus Sektor 1 mir eine Kleiderstange vorgeführt haben mit Kleidern, die perfekt zum heutigen Fest passen, war ich nicht überzeugt.
Widerwillig haben sie jedoch zugelassen, dass ich mir auch die restlichen Kleider ansehen darf.
Gedankenversunken streiche ich durch die Auswahl von Kleidern, während ich mich Frage, warum hier überhaupt so viele hübsche Kleider sind, wenn es doch so wenige Feierlichkeiten gibt, und man diese Kleider nur in dem Hauptgebäude trägt.
Schlussendlich greife ich nach einem schlichten dunkelgrünen Kleid. Die Farbe erinnert mich an einen Tannenbaum, also wird es ja wohl zum Anlass passen. Spektakulär wirkt das Kleid nicht, abgesehen davon, dass es so aussieht, als wäre es sehr anliegend, und es hat kurze Ärmel. Mit Schmuck kann man das Ganze bestimmt noch aufwerten.
Mit dem Kleid in der Hand komme ich aus dem Nebenraum heraus und zeige den fünf Damen in der blauen Kleidung, was ich gefunden habe. Begeistert sehen sie von der Auswahl nicht aus, aber ich werde trotzdem gebeten, es hinter der Abtrennung anzuziehen.
Meine gemütlichen Klamotten, welche aus einem Pullover und einer lockeren Hose bestehen, habe ich mit bedacht bis jetzt angelassen. Da der Abend unbequem genug wird, wollte ich, so lange es geht, dieses hinausschieben.
Schließlich befreie ich mich von den Klamotten und schlüpfe in das grüne Kleid. Ich steige mit den Füßen in das Kleid und ziehe es allmählich nach oben.
An meinen Hüften muss ich doller ziehen, da das Kleid anscheinend enger geschnitten ist, als ich dachte. Mit Wucht ziehe ich es nach oben und ziehe die Ärmel über meine Schultern. Leider komme ich mit meinen Händen nicht an meinen Rücken, um den Reißverschluss hochzuziehen.
Ich trete aus der Ecke und die Frauen sehen mich gespannt an. „Könnte mir jemand mein Kleid zumachen?", frage ich nach und sofort stürmt eine Frau auf mich zu.
Der Reißverschluss bewegt sich ein Stück, doch dann nicht mehr.
„Ella, hilf' mir mal.", bittet die Frau hinter meinem Rücken und eine blonde Frau tritt ihr zur Seite.
Sie ziehen den Stoff enger, um es dem Reißverschluss leichter zu machen, sich zu bewegen. Für ein kleines Stück hilft es auch, aber dann bleibt er erneut stecken.
„Versucht es nochmal.", sage ich, ziehe meinen Bauch ein und halte die Luft an.
Kräftig ziehen sie am Reißverschluss und ich bewege mich kein Stück.
Die Tür wird geöffnet und eine Frau tritt herein, die jedoch keine blaue Kleidung trägt.
Die beiden Frauen, die an meinem Kleid beschäftigt sind, bemerken den Eintritt dieser Person gar nicht, und schenken ihr daher gerade keine Beachtung, im Gegensatz zu den anderen, die einen kleinen Knicks machen.
Skeptisch schaue ich die Frau an, die mir bekannt vorkommt, aber ich kann sie gerade nicht zuordnen.
„Guten Tag, Frau Mountbatten. Wie können wir ihnen behilflich sein? Brauchen Sie ein Kleid?", beginnt eine der Frauen höflich zu fragen.
Frau, wer? Auf einmal macht es klick und ich weiß, wer da in den Raum getreten ist. Clarissa, Gordons Stiefmutter.
„Nein, nein, das habe ich schon. Ich brauche nur jemanden, der meine Haare hochsteckt.", spricht sie mit klarer, dominanter Stimme.
Die Frauen, die sich nicht um mich kümmern, sind sofort dabei Fotos aus einem Katalog zu suchen, um die Frisur zu bestimmen. Genauso sucht eine Frau nach dem Zubehör für eine Hochsteckfrisur.
Clarissa sieht zufrieden aus und schaut zu mir, während ich immer noch stark die Luft anhalte und die beiden Frauen am Reißverschluss ziehen, der sich kaum bewegt.
„Oh, Madeline, was ein Zufall, dich hier anzutreffen.", beginnt sie mit mir zu reden, was mich überrascht, da sie mich, glaube ich, noch nie angesprochen hat.
Ich lächle ihr bloß zu, da ich nicht genug Luft in mir habe, um zu sprechen.
„Es tut mir leid, aber es scheint, als würden wir das Kleid nicht zubekommen. Würden Sie sich nach einem anderen umschauen?", fragt die Frau hinter mir zögerliche und tritt zur Seite.
Der Reißverschluss, den sie nun losgelassen hat, rutscht automatisch ein Stück nach unten und ich hole tief Luft. „In Ordnung."
Ein kleines Kichern lässt mich in Clarissas Richtung schauen. „Du scheinst es dir ja ziemlich gutgehen zu lassen, beim lieben Meister. Vielleicht ein bisschen zu gut." Provozierend schaut sie meinen Körper ergiebig von oben bis unten an und legt ihren Kopf schließlich schief, mit einem Grinsen auf ihren Lippen.
In mir beginnt sich Wut aufzubauen. Hat sie gerade meinen Körper beleidigt? Im Gegensatz zu ihr bin ich eigentlich froh zugenommen zu haben, nach dem Mountry mich so ausgehungert hat. Ich kann nicht glauben, dass sie Bodyshaming betreibt.
Fassungslos starre ich sie an und überlege, wie ich klug darauf antworten kann, aber ein Glück wird sie von den Frauen abgelenkt, die sie auf einem Stuhl setzen, um ihr die Haare zu flechten.
Kopfschüttelnd verschwinde ich hinter die abgeschirmte Ecke, ziehe das Kleid aus, schlüpfe schnell in meine davorigen Klamotten und suche nach einem neuen Kleid, was mir dieses Mal hoffentlich auch passt. Währenddessen wird sich um Clarissas Haare gekümmert, mit der ich kein Wort mehr rede.
Anscheinend gilt Clarissa die Priorität vor mir fertiggemacht zu werden, weshalb ich eine Ewigkeit in meinem neu gefundenen Kleid warte, ehe sie zufrieden mit ihrer Frisur ist und mich mit den Frauen alleine lässt.
„Oh je, wir haben kaum noch Zeit übrig. Kommen Sie, schnell!", kommandiert eine der Frauen und zieht mich hektisch auf den Stuhl, auf dem Clarissa bis eben noch saß.
Ohne, dass ich großartig einen Kommentar abgeben kann, wird auch schon an meinem Gesicht gefuchtelt und jemand nimmt meine Haare in Anspruch und zieht mir abrupt die Lockenwickler aus den Haaren. Allerdings lasse ich die Frauen auch einfach ihren Job verrichten.
Alles verging jetzt ziemlich zügig, sodass ich verhältnismäßig schnell wieder im Flur stehe. Meine Haare sind leicht wellig, mein Make-up dezent, bis auf mein Lippenstift, der knallig rot ist und somit der Kontrast zu meinem Kleid.
Mein Kleid ist ziemlich schlicht mit dem Babyblauton. Obenrum ist es komplett geschlossen und enganliegend, an meiner Taille wird es jedoch lockerer und luftiger, bis es an meinen Knien aufhört. Eine etwas dickere silberne Kette fiziert das ganze, sowie auch die silbernen, schimmernden High Heels an meinen Füßen.
Ich treffe Walter vor Gordons Zimmer an, wie üblich.
„Guten Abend, Madeline.", begrüßt er mich und inspiziert kurz mein Outfit. „Gordon ist bereits im Saal und begrüßt die Gäste, die angereist sind."
„Danke.", antworte ich schlicht und trete zur Treppe. Ob ich Angst habe, den Saal alleine zu betreten? Ein wenig, ja, aber es beruhigt mich zu wissen, dass wir hier bald raus sind, wenn alles nach Plan läuft.
Vorsichtig trete ich die Treppe hinab und gelange in den Flur des Erdgeschosses, direkt gegenüber der großen Tür. Wachmänner stehen vor dieser und als sie mich erblicken wird sofort die Tür geöffnet und der Flur wird mit Helligkeit und lauten Gesprächen durchflutet.
Mit etwas wackligen Beinen betrete ich den großen Saal. Sofort halte ich Ausschau nach Gordon, der nicht weitentfernt mit einigen Männern redet, die alle einen schwarzen Anzug tragen, im Gegensatz zu Gordon, der einen Blauen trägt, der ihn unfassbar gut steht. Sein Gesichtsausdruck verrät mir, dass es sich um ein ernsteres Gespräch handelt, weshalb ich noch nicht zu ihm hinüber gehen werde. Mein Blick schweift weiter durch den Raum und an einer Wand entdecke ich ein großes, buntes Buffet, an dem bereits ein paar Leute zugange sind. Augenblicklich erinnert mich mein Magen daran, dass ich heute nur gefrühstückt habe und somit dringend etwas essen muss.
Freudig gehe ich hinüber zum Buffet, um mir all die Leckereien anzuschauen. Augenblicklich stechen mir die Quarktaschen in die Augen. Sofort greife ich nach einer und das klebrige Gefühl des Zuckergusses macht sich schon auf meinen Fingern breit, aber das ist mir egal.
Gerade, als ich abbeißen möchte, fällt mir Clarissa in mein Augenwinkel, die mich ausgiebig vom anderen Ende des Raumes, neben dem Tannenbaum, beobachtet. Provozierend schaut sie mich an, während ich immer noch die Quarktasche vor meinem Mund halte.
Für einen Moment nehme ich meine Hand runter und erinnere mich an ihren Kommentar. Sollte ich es lieber nicht essen? Was, wenn Gordon mich nur so dürr mag? Habe ich zu viel zugenommen?
Nein, das ist absoluter Quatsch! Ich bin stolz auf meine zurückgewonnenen Kurven. Jedes Gramm mehr auf meinen Hüften macht mich stärker und alles, was ich zugenommen habe, wird mir besonders beim Tag helfen, an dem wir kämpferisch aus Mountry treten. Diese extra Kilos machen mich stolz auf die Stärke, die ich gewonnen habe.
Schmunzelnd Blicke ich Gordons Stiefmutter an, erhebe wieder meine Hand und beiße genießerisch in die Leckerei hinein. Clarissa starrt mich weiterhin stur an, während sie ihren Kopf leicht schüttelt, aber ich beschließe, nun zu Gordon zu gehen, der mittlerweile nicht mehr von Menschen umzingelt ist.
Ich nehme einen weiteren kräftigen Bissen und stelle mich vor ihm hin. „Die schmeckt phänomenal!", schwärme ich mit vollem Mund.
Gordon lacht und tritt näher an mich heran. „Du bist phäomenal.", sagt er und haucht mir einen Kuss auf die Stirn. „Walter hat mir erzählt, was du heute getan hast." Verträumt greift er nach meiner Hand. „Du bist viel zu gut für diesen Ort."
Verlegen gucke ich zur Seite und versuche, mein Grinsen zu verkneifen. Ich verpasse ihm einen flüchtigen Kuss auf die Wange, wobei ich mich kurz auf die Zehenspitzen stellen muss. Danach esse ich den Rest des Essens auf.
Die Türen schwingen auf und Sir Hambols tritt hinein. Voller stolz bleibt er inmitten der offenen Türen stehen und wartet, bis der Raum leise geworden ist. Mit einem zufriedenen Grinsen beginnt er zu sprechen; „Die Rede fängt in Kürze an. Ich bitte alle Personen, die mit eingebunden sind, nach draußen zu treten."
Gordon hakt meinen Arm in seinem ein und hält danach meine Hand wieder fest. Versichernd lächelt er mir zu, bis er einen Fuß vor den anderen nimmt und mich mit sich zieht. Zuerst bin ich etwas überfordert, doch dann laufen meine Füße mit ihm mit und wir treten als Erste aus dem Raum. Sir Hambols tritt zur Seite und als wir an ihm vorbeigehen, schenke ich ihm keine Beachtung. Im Flur stehen einige Offiziersmänner sowie auch Walter, der zwei dunkelgraue Mäntel in der Hand hält. Gordon nimmt diese entgegen und legt den einen sofort um meine Schulter. Einen oberen Knopf schließt er, ehe er seinen Mantel anzieht.
Sofort nimmt er wieder meinen Arm und legt ihn in die vorherige Position. Ein Offiziersmann öffnet für uns die Tür und kalte Luft empfängt uns, als wir hinaustreten. Hinter uns folgen noch ein paar wichtige Offiziersmänner, doch darauf achte ich nicht, denn meine Konzentration liegt auf dem leuchtenden riesen Baum, welcher nun aufgestellt ist. Die Lichterketten lassen ihn erstrahlen und erhellen gleich den ganzen Platz um ihn herum. Darunter liegen einige Geschenke, die hübsch eingepackt sind. Um den Baum herum stehen vermutlich alle, die hier leben müssen, zumindest sind es unzählige Augenpaare, die auf mir und Gordon liegen. Dabei wird mir ein wenig unwohl und ein Kloß bildet sich in meinem Hals. Was die bloß von mir halten müssen? Wenn sie wüssten, was Gordon und ich geplant haben... So gerne würde ich es jetzt erzählen. Besonders bei deren glasigen Augen und den erschöpften Gesichtern. Kann es sein, dass die Menschen noch müder aussehen, als sonst?
Wir gelangen vor dem Eingang der Scheune an und bleiben stehen. Zu uns gesellen sich die restlichen Personen, die uns aus dem Hauptgebäude gefolgt sind. Ein kleines Wispern ertönt aus der Menge. Ich schaue über die Köpfe und erkenne relativ weit vorne meine Freunde. Alle stehen sie zusammen. Ich winke ihnen zu und gehe jede Person mit meinen Augen durch. Jennifer, Lucy, Oliver, Alina, Dennis und... geschockt reiße ich die Augen auf. Meine Körperhaltung versteift sich und ich klammere mich an Gordons arm fest, während mein Atem schneller wird.
„Was ist los?", fragt Gordon direkt und drückt meine Hand fester. Ich merke, wie er zu mir hinunterguckt, doch ich schaue auf die Person, dessen Anwesenheit ich die letzten Wochen komplett gemieden habe. Dabei habe ich mir gar nicht überlegt, ob ich ihn überhaupt nochmal sehen möchte und wenn ja, wo, wann und wie wird es sein? Doch diese Entscheidung wurde mir gerade abgenommen.
„Madeline? Rede mit mir!", fleht Gordon mich an. Auf einmal Ertönen Trompeten und alle werden wieder leise, doch ich kümmere mich gerade nicht um das Ankommen des Maestros oder seiner Frau.
Zittrig versuche ich, einen Satz zu formen. „Da v-vor-orne bei meinen F-Freunden st-steht Cole."
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Hallöchen ihr Lieben,
Ja, dieses Kapitel hat schon mal existiert, aber ich habe nochmal eine neue Version geschrieben, da ich nicht ganz zufrieden war und ich es damals unüberlegt geschrieben habe. Ab Montag geht es wieder regelmäßig weiter!
Ich hoffe es geht euch gut!
Bis Montag, xx
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