Kapitel 12 : Unruhe

"Was ist mit ihm hier?" Mit meinem Finger zeige ich auf den Bildschirm, der das Dokument eines blonden, jungen Offiziersmannes zeigt.

Gedankenversunken starrt Gordon auf das Bild des Mannes, während seine Hand sein Kinn umspielt, welches einen deutlicheren Bart als sonst hervor weist.

"Eventuell, ja."

Mit dem Stuhl drehe ich mich zur Seite und schaue Gordon fragwürdig an. "Kein eventuell. Wir brauchen ein klares ja oder nein."

"Maddy, ich kann es dir wirklich nicht genau sagen. Ich kenne nicht jeden Offizier in und auswendig."

"Ist schon in Ordnung.", erwidere ich ruhig und schreibe den Namen des Mannes auf die Liste der Leute, die uns eventuell helfen könnten.

Nach dem Mann kommt das nächste Dokument zum Vorschein. Bloß bei dem Bild schüttele ich meinen Kopf und schreibe Hambols zu der Liste für die Leute, die uns definitiv nicht helfen werden. "Ein fettes nein würde ich sagen."

Gordon möchte gerade darauf erwidern, da klopft es an der Tür. Wir beide schauen uns geschockt an, bis ich die Liste auf die Tastatur packe, den Laptop schließe und zum Bett husche, während Gordon auf die Tür losgeht und ein lautes fragendes "Ja" ruft.

Von meiner Position aus kann ich nicht erkennen, wer hineintritt, doch an Gordons entspannenderer Körperhaltung, kann ich mir schon denken, wer es ist, weshalb ich den Laptop unter einer Bettdecke verschwinden lasse und mit zur Tür gehe.

„Entschuldigt für die Störung", beginnt Walter zu sprechen, „allerdings möchte Herr Heck Madeline noch einmal zur Untersuchung bei sich haben, bevor er wieder geht."

Überrascht schaue ich den alten Mann an. Damit habe ich nun wirklich nicht gerechnet.

„Jetzt?", fragt Gordon für mich nach und Walter nickt.

„Ich hoffe es ist kein falscher Zeitpunkt..."

„Nein, ist schon in Ordnung.", erwidere ich, bevor Gordon mir ins Wort fallen kann, doch ich drehe mich noch einmal zu ihm. „Wenn du willst kannst du alleine weitermachen."

„Werde ich.", versichert er mir und streicht mit einer Hand behutsam meine Wange. Noch einmal lächle ich ihn zaghaft an, bis ich mit Walter aus dem Raum gehe und wir uns zum Krankenzimmer bewegen.

Gerade als wir in den dunklen Flur gelangen kommt mir eine frische Brise entgegen, doch die kleine Tür nach draußen schließt sich schnell wieder. Mit der Zeit habe ich das Leben draußen total vergessen.

Walter öffnet mir die Tür zum Krankenzimmer, weshalb ich mich bei ihm bedanke und in das Zimmer hineintrete. Herr Heck ist gerade damit beschäftigt einem Mann ein Verband um das Bein zu wickeln. Sofort kommt mir der Mann bekannt vor, doch die Situation woher ich ihn kenne macht mich eher traurig. 

Herr Heck schaut in meine Richtung und lächelt mir zu, als er mich erkennt. „Hallo Madeline. Komm' doch gerne schon mal rein. Ich bin gleich bei Ihnen."

„Lassen Sie sich ruhig etwas Zeit.", erwidere ich darauf und trete bis vor die Schränke.

Genauestens beobachte ich die beiden Männer. Nach dem der Arzt mit dem Verband fertig ist redet er sehr vorsichtig mit dem Mann, der schwarze Klamotten trägt. Ich überlege zu welchem Sektor er wohl gehört, aber ich vermute durch die schwarze Kleidung nichts gutes.

Der Mann beginnt sich auf einmal zu bewegen und geht humpelnd zur Tür, wo er sich noch einmal von dem Arzt verabschiedet, ehe er aus dem Raum geht.

„Wohin geht er?", frage ich besorgt.

„Zu seinem Sektor.", antwortet Herr Heck flach und räumt die herumliegenden Sachen wieder ein.

„Aber... aber... aber er kann doch unmöglich so arbeiten.", protestiere ich etwas lautstark.

Herr Heck dreht sich zu mir um und sieht mich mitfühlend an. „Ich mache leider nicht die Regeln.", sagt er schulterzuckend und fährt mit seiner Arbeit fort.

„Ja, leider...", flüstere ich zu mir selbst.

Ich setze mich auf das erste der vier Betten und Herr Heck beginnt einfache Tests mit mir zu machen.

„Wie geht es Ihnen?", fragt er, während er meinen Rücken abtastet.

„Ganz gut. Von dem Vorfall merke ich kaum noch etwas." Das ist teilweise wahr aber dennoch auch irgendwie eine Lüge. Ich merke nichts von meinen Wunden oder Prellungen, was aber an dem Adrenalin liegen kann, welches schon seit einigen Tagen durch mich hindurch rauscht. Vom Vorfall merke ich dennoch die Lücke in meinem Herzen, die es mit sich gerissen hat.

Nach dem er meine Wirbelsäule abgetastet hat, tastet er sich an meiner Rippe entlang, wobei ich ein kleines bisschen die Luft einziehe. „Da ist glaube ich noch ein blauer Fleck.", erwähne ich.

„Könnten sie einmal ihr Shirt an der Seite hochziehen? Ich würde es gerne nochmal anschauen.", bittet er mich und ich stimme ein, in dem ich langsam mein langärmliges Shirt an der rechten Seite hochziehe.

Genauestens beobachtet der Arzt die Stelle, bis er mit dem Kopf schüttelt. „Blauer Fleck ist einfach gesagt. Der sieht für mich eher lila aus."

„Es kommt auf das selbe hinaus.", sage ich schroff und ziehe mein Shirt wieder herunter. Wegen dem Wutanfall von Cole und den darauffolgenden Verletzungen kann ich jetzt nicht aussetzen. Gordon und ich fangen doch gerade erst mit unserem Plan an.

„Sie sollten es trotzdem nicht so über die leichte Schulter nehmen.", erwidert er, doch ich zucke nur mit den Schultern. Ein Glück hakt er nicht weiter nach und macht mit weiteren Untersuchungen weiter, aber es scheint alles soweit in Ordnung zu sein.

„Gut, Sie bekommen von mir eine Tablette verschrieben, die Sie am besten einmal täglich nehmen sollten, um die inneren Verletzungen beim Heilen zu unterstützen.", beschließt er und geht zu dem ganz rechten Schrank, öffnet die Türen und zieht eine große breite Schublade heraus, in der verschiedene Medikamente gelagert sind.

Genauestens liest er die Verpackungsüberschriften durch, als plötzlich unsere beider Aufmerksamkeit nach draußen in den Flur gelenkt wird. Wir starren auf die geschlossene Tür, während lautes Geschrei durch diese hindurchdrängt. Geschockt sehen wir uns an, als noch eine laute Männerstimme hinzukommt, die das Geschrei übertönt.

Automatisch stehe ich auf und bewege mich zur Tür.

„Madeline, nicht!", äußert sich Herr Heck warnend, jedoch etwas heiser. Allerdings liegt meine Hand schon an dem Türgriff. Mit weit aufgerissenen Augen sieht er mich an, weshalb ich beschließe vorerst nur zu lauschen.

"So etwas in inakzeptabel!", schreit eine empörte Stimme, "In Mountry geht es nicht um das Vergnügen, sondern um die Arbeit und Solidarität. Vergnügen gibt es an von mir ausgewählten Tagen und nicht dann, wenn euch danach ist."

Neugierig presse ich mein Ohr ganz nah an die Tür.

"Wo wurden die zwei entdeckt?"

"Hinter einen der Container, Maestro."

Maestro? Warum habe ich mir das bei dem lauten Tonfall nicht schon gleich gedacht?

"Madeline, kommen Sie jetzt bitte wieder zurück.", fleht Herr Heck, doch ich schenke ihm keine Beachtung.

Genervt atmet Herr Heck hörbar aus, bis er sich neben mich stellt und beginnt zu flüstern. "Sie kennen Mountry doch schon sehr gut, nicht wahr?" Vorsichtig nicke ich, wobei mein Ohr immer noch mit der Tür verbunden ist. "Dann muss ich Ihnen ja wohl nicht sagen, dass es immer besser ist, wenn man sich aus Angelegenheiten heraushält."

Langsam entferne ich meinen Kopf von der Tür. Eine zweite laute Stimme ertönt, die meinen Blick wieder auf die Tür richtet und ich mich kein Stück weiter bewege.

"Madeline!"

"Pst!", zische ich den Arzt an und halte meinen Zeigefinger vor meine Lippen.

"Mein Herr, was sollen wir mit den beiden Anstellen?"

Eine Pause setzt ein, in dem alles still wird, bis der Maestro wieder beginnt zu reden. "Am liebsten würde ich die beiden in ein Gefängnis stecken."

"Das ist doch hier wie ein Gefängnis.", spricht eine weibliche Stimme klar und deutlich.

Ich höre starke stampfende Schritte und eine Stille ertönt, in der ich versuche zu entziffern, wer diese Person ist, denn die Stimme kommt mir so bekannt vor. Ein helles aufschreien lässt mich durchdrehen und ruckartig öffne ich die Tür. Was mich hier erwartet habe ich allerdings nicht kommen sehen.

Vier Offiziersmänner stehen um einen Mann und eine Frau herum, die komplett zerzaust aussehen. Vor der blonden Frau steht der Maestro. Auf ihrem Gesicht zeichnet sich ein Handabdruck ab und geschockt reiße ich die Augen auf.

"Maddy?", spricht der Mann unglaubwürdig und alle Augenpaare werden auf mich gerichtet.

Mit leicht offenem Mund stehe ich da, während ich begreife, wer diese Frau und dieser Mann sind. Das sind Alina und Dennis.

"Was ist hier los?", möchte ich wissen und trete weiter aus dem Raum hinaus. Alina wendet ihren Blick auf mich und sieht mich hilfesuchend an. Ihre Klamotten sehen halbangezogen aus, sowie auch die von Dennis.

Eine große breitgebaute Person stellt sich auf einmal vor mich und versperrt mir die Sicht auf die Situation.

"Schaff' sie hier raus.", knirscht der Maestro zwischen seinen Zähnen hervor. Die Person drängt mich zurück in den Raum und ich versuche mich zu wehren, aber das ist aussichtslos. Die aufgebaute Person schließt hinter sich die Tür und greift nach meinen Handgelenken, die davor panisch herum gewedelt sind.

"Madeline, was denkst du dir dabei?", schreit mir die Person ins Gesicht. Etwas geschockt von dem Tonfall reiße ich meinen Kopf zur Seite. "Madeline, sieh mich an!"

Vorsichtig drehe ich meinen Kopf zurück, um die Person vor mir anzusehen. So sehr wundert es mich nicht, dass ausgerechnet Gordon vor mir steht.

"Du kannst nicht einfach irgendwo rein stürmen. Nicht hier!"

"Aber das sind meine Freunde!", protestiere ich und weise mit meiner Hand auf den Flur. "Ich kann da nicht anders."

Für zwei Sekunden schließt Cole seine Augen und als er sie wieder öffnet nehmen seine schwarzen Pupillen fast sein ganzes braun ein. "Ich weiß, dass dir deine Freunde wichtig sind, aber die haben sich das gerade selber verdorben. Ich versuche mein bestes ihnen daraus zu helfen."

"Versprochen?"

"Versprochen.", antwortet er ruhig. Er lässt meine Handgelenke los und ich lasse sie an meinem Körper zur Seite fallen.

"Kannst du mir sagen, was passiert ist?", frage ich flehend.

Gordon schaut zur Seite zu Herr Heck, der uns mit großen Augen beobachtet hat, doch er bewegt sich auf einmal und kramt im Schrank herum.

"Na gut, aber du darfst nicht austicken. Wir werden das klären!"

Gespannt und dennoch neugierig nicke ich, bis Gordon mich wieder anschaut. "Man hat die beiden erwischt, wie sie hinter einem der Container Geschlechtsverkehr hatten."

Weit reiße ich meine Augen sowie meinen Mund auf. Unglaubwürdig blinke ich langsam mit meinen Wimpern und versuche irgendwie Klarheit in die Situation zu bekommen. "Alina... Dennis... Geschlechts... was?"

Ich halte mir die Hände vor mein Gesicht und schüttele den Kopf. "Wieso? Warum? Seit wann...?"  Nie habe ich mir Alina und Dennis als Paar zusammen vorgestellt. Dafür sind die beiden zu sturköpfig. Meine Gedanken rattern ohne Ende, bis ich schließlich wieder zu Gordon aufblicke. "Ist das verboten in Mountry?"

"Ja, ist es.", antwortet Gordon ohne groß nachzudenken.

"Warum? Der Maestro kann die beiden doch nicht bestrafen, weil sie miteinander geschlafen haben. Kann er sich doch glücklich schätzen, dass die beiden für eventuellen Nachwuchs sorgen."

"Dafür sind doch mit die Strafen gedacht. Damit es nur nachkommen von den guten gibt, also Sektor 1. Außerdem befürchtet mein Vater, dass eine Liebe die Konzentration bei der Arbeit stört."

"Das macht aber absolut keinen Sinn!", gebe ich wieder und verschränke meine Arme vor der Brust.

"Ich habe nie gesagt, dass das Sinn ergeben soll." , erwidert er leicht genervt.

Ein Aufschrei von Alina lässt mich meine Aufmerksamkeit wieder auf die Tür richten. "Was machen die mit denen?"

"Ich werde es herausfinde, aber du musst solange hier bleiben und du wirst den Raum ohne mich nicht mehr verlassen, verstanden?" Drohend sieht er mir tief in die Augen.

Zögerlich nicke ich und Gordon geht mit bestimmten Schritten aus dem Raum hinaus.

Immer noch geschockt und voller Fragen im Kopf greife ich mit einer Hand durch meine Haare. Ich kann mir die beiden zusammen einfach nicht vorstellen.

"Alles in Ordnung?", erkundigt sich Herr Heck behutsam und geht ein paar kleine Schritte auf mich zu.

"Ich habe keine Ahnung.", gebe ich ehrlich zu.

————
Was eine verzwickte Situation... War es wirklich überraschend oder hat Maddy einfach mit der Zeit die Aufmerksamkeit auf ihre Freunde verloren?

Ich plane eventuell dieses Jahr noch mehr Kapitel zu veröffentlichen, als es Montage gibt... Hat jemand Bock auf extra Kapitel? 😌

Bis denne penne my friendzzzz

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