Kapitel 11 : Gefühle & Gedanken
Während ich durch die dunklen Gänge husche muss ich mich immer wieder versichern, dass mich keiner sieht. Mit der blauen Kleidung in meiner Hand bleibe ich hinter einer Wand stehen und gucke, ob in dem großen Flur mit der großen Treppe jemand herumläuft. Tatsächlich steht ein Offiziersmann vor der großen Tür, die in den dunklen kleinen Flur neben der Scheune führt.
Fluchend lege ich meinen Kopf gegen die Wand, starre an die Decke und überlege, wie ich ungehindert in Gordons Zimmer gelange. Ein schneller Blick auf Gordons Tür lässt mich meine Hoffnung größer werden. Wie angewurzelt steht Walter vor seiner Tür und guckt gerade aus. Er scheint mich noch nicht entdeckt zu haben, aber wie schaffe ich es, dass er mich bemerkt und der andere Mann nicht?
"Pssst.", gebe ich leise von mir in die Richtung, in der Walter steht. Es scheint wohl zu leise gewesen zu sein, denn er reagiert kein Stück.
Genervt rolle ich die Augen und versuche es noch einmal, aber dieses Mal etwas lauter. "Pssst!"
Geschockt schaut er mit den Augen hin und her, bis er seinen Kopf bewegt und mich endlich entdeckt. Ich lege meinen Zeigefinger auf meinen Lippen, um ihm zu zeigen, dass er leise sein muss und weise ihn auf den Mann vor der großen Tür hin. Schnell zeige ich noch auf die Tür hinter ihm,in der Hoffnung, dass er meinen Plan versteht.
Sachte nickt der alte Mann und bleibt noch einige Sekunden stehen, bis er mit bewussten Schritten auf den anderen Mann zu geht. Ein leises Geräusch von tiefen Männerstimmen ertönt, was für mich nur ein Getuschel ist. Kaum ein Wort kann ich verstehen, doch ich horche weiter und höre schließlich eine Tür zuknallen und es wird still. Vorsichtig blicke ich um die Ecke und erkenne, dass die Luft rein ist.
Auf Zehenspitzen laufe ich zu Gordons Tür, öffne sie zügig und mache sie genauso zügig wieder zu, nach dem ich drinnen bin. Erleichtert atme ich aus, da alles geschafft ist und die Mission erstmal geschafft ist.
"Hallo?", ertönt Gordons Stimme aus der Ferne.
"Gordon? Ich bin's.", erwidere ich und trete weiter in die Wohnung hinein, bis ich Gordon auf dem Bett erkenne, der irgendeinen Ordner auf seinem Schoß aufgeschlagen hat. Erwartungsvoll sieht er mich an, bis ich nach dem USB-Stick greife und ihm diesen grinsend präsentiere.
"Du hast es geschafft?", fragt er aufgeregt wobei seine Augen glitzern. Bedacht legt er den Ordner auf dem Bett ab und kommt auf mich zu.
"Ja, das habe ich.", gebe ich stolz von mir wieder und nicke überzeugt. Unglaubwürdig schüttelt Gordon seinen Kopf.
"Du bist unglaublich." Ich beginne zu lachen und übergebe ihm den Stick. Bevor ich etwas erwidern kann liegen seine Lippen bereits schon auf meinen. Meine blauen Klamotten fallen auf den Boden, während meine Arme sich um seinen Hals schlingen und ich seinen Kuss erwidere.
Voller Gefühl vertiefen wir unseren Kuss und in mir beginnt es zu kribbeln. Am liebsten würde ich diesen Moment bis in alle Ewigkeit genießen, doch er löst seine Lippen bereits von meinen.
"Hat alles gut geklappt?", fragt er nach und sieht mir tief in die Augen.
"Am Ende war es ein bisschen knapp, aber ich denke keiner hat etwas mitbekommen. Es hat nur lange gedauert, bis keiner mehr in der Toilette war, damit ich mich umziehen und flüchten konnte."
"Vielleicht hätte ich dir noch ein blaues Kleid mitgeben sollen. Dann wäre das ganze einfacher gewesen.", sagt Gordon.
"Egal, es hat ja geklappt. Allerdings musste ich Walter dazu bringen mir zu helfen hier rein zu kommen. Ich glaube wir sollten ihm irgendwas geben als Dankeschön, weil er wirklich nett ist.", erwähne ich und ein leichtes Lächeln bildet sich auf seinen Lippen.
"Ich werde mir schon was einfallen lassen.", erwidert er. "Wollen wir reinschauen?" Er hält den Stick hoch und ich nicke. Wir lösen uns voneinander und gehen zu der Kücheninsel, auf dem immer noch der silberne Laptop steht. Jeder setzt sich auf einen der Hocker und gespannt schaue ich zu, wie Gordon den Laptop anmacht und den Stick hineinschiebt.
"Wie lief eigentlich die Versammlung?", frage ich nach und schaue Gordon von der Seite an.
"Ganz in Ordnung, denke ich. Müssen die Tage sehen, was daraus geworden ist.", erwidert er Schulterzuckend. "Jedenfalls hat mein Vater mir jetzt jede meine Sachen gegeben, die ich als seinen Nachfahrer wissen muss."
Mein Blick schweift kurz rüber zum Bett, auf dem immer noch der aufgeschlagene Ordner liegt. "Weißt du nicht schon ziemlich viel?"
"Nicht genug für meinen Vater. Am liebsten hätte er es, dass ich jeden kleinsten Winkel und jedes kleinste Detail von und über Mountry weiß."
Ein Fenster öffnet sich auf dem Screen des Laptops, welcher auf den Anschluss des Sticks weist. Gordon klickt mit der Maus auf das Feld 'öffnen' und ein Ladebildschirm erscheint. Wartend lege ich meine Ellbogen auf dem Tisch ab und meine Hände halten meinen Kopf. Der Balken zum Laden scheint noch langsamer zu sein, als der von unten. "Ich hoffe es ist alles drauf. Ich musste ihn schnell aus dem Computer ziehen, weil die Männer direkt in den Raum kamen, als er 100 Prozent geladen hat."
Ruhig streicht Gordon mit seiner Hand über meinen Rücken. "Es wird schon alles gut gelaufen sein."
Erst 19% sind geladen. Auf einmal ertönt das grummeln meines Magens in der Stille und geschockt sehe ich runter zu meinem Bauch.
"Ich glaube da hat jemand hunger.", äußert Gordon grinsend. "Du kannst dir ruhig was machen." Mit seinem Kopf weist er auf die Küche vor uns und ich nicke dankend, während ich aufstehe und zum Kühlschrank laufe. Vor lauter Aufregung habe ich heute morgen kaum etwas runterbekommen.
"Wird deine Idee eigentlich weiter ausgeführt?", erkundige ich mich bei ihm und richte die Konversation wieder auf das Meeting von Gordon, seinem Vater und den ganzen Offiziersmännern.
"Könnte gut sein. Mein Vater setzt sich nochmal mit den wichtigen Offiziersmännern zusammen und diskutiert alles durch."
"Klingt doch so, als würde er es abkaufen.", erwidere ich und hole Beeren, sowie auch Joghurt aus dem Kühlschrank und schließe diesen wieder.
"Ein bisschen zu sehr.", gesteht Gordon und verschenkt seine Arme auf dem Tisch. "Er hat mich lautstark gelobt und sieht zuversichtlich in die Zukunft von Mountry, wenn ich einmal der Maestro bin." Er rollt seine Augen, doch ich schaue ihn skeptisch an.
"Also übernimmst du die Position von ihm, wenn er nicht mehr ist?", hake ich nach und greife nach einer Schüssel und einem Löffel.
"Ganz richtig. Irgendwann bin ich der große mächtige Maestro." Stöhnend legt er seinen Kopf in den Nacken.
Ich lege meinen Kopf schief, während ich meine Frage ausspreche. "Und dein Kind wird dann der neue Meister?"
Ruckartig guckt Gordon mich wieder an. "Das ist der Plan meines Vaters."
"Kann es auch eine Meisterin sein?" Fragend hebt er eine Augenbraue. "Ich meine ja nur, falls es eine Tochter wird."
Protestierend schüttelt er seinen Kopf. "Das wäre inakzeptabel."
"Für dich oder für deinen Vater?", hake ich weiter nach und vermische den Joghurt mit den Beeren in meiner Schüssel. Währenddessen bleiben meine Augen hartnäckig auf Gordon gerichtet.
"Beides, aber aus unterschiedlichen Gründen.", antwortet er und stockt kurz, ehe er fortfährt. "Für ihn wäre es inakzeptabel, weil Frauen für ihn kaum bis hin zu gar keine Bedeutung haben. Ich glaube er hat noch nicht einmal einen Plan, was passieren würde, wenn er eine Enkelin hätte. Naja, bestimmt weiter für Nachwuchs sorgen, bis ein Junge geboren wird. Keine Ahnung, was er mit dem Mädchen dann vor hätte."
Sein Blick richtet er wider auf den Bildschirm und seine Augen weiten sich. "Er ist fertig geladen."
Ich lasse mein Essen einfach stehen und gehe schnell zu ihm auf die andere Seite und starre auf dem Bildschirm. Gespannt schaue ich zu, wie er von oben bis unten die Namen durchschaut. "Es sind alle 347! Du hast es geschafft!", gibt er begeistert von sich und klatscht einmal freudig in die Hände.
Ein leichtes Lächeln zeichnet mein Gesicht. Ich freue mich sehr darüber, dass der erste Plan so gut aufgegangen ist, aber das Thema von eben hat mich noch nicht verlassen.
Wie wild tippt Gordon auf dem Bildschirm herum und schaut sich ein Dokument nach dem anderen an. Ich gehe wieder zu meinem Essen und nehme genüsslich einen Löffel Joghurt mit Beeren, wobei ich Gordon weiter anstarre.
Zügig esse ich den Inhalt der Schüssel auf und stelle die Schüssel wieder ab. Meine Augen liegen weiter auf Gordon, der gebannt auf seinen Laptop schaut.
"Und für dich?", frage ich schließlich und warte gebannt auf eine Antwort, doch von ihm kommt keine Reaktion. "Gordon?"
Seine Augenbrauen gehen in die Höhe, bis er mich endlich anguckt. "Ja?"
"Und für dich?", wiederhole ich meine Frage. "Warum wäre eine Tochter für dich inakzeptabel?"
Für ein paar Sekunden herrscht schweigen. Er scheint genauestens zu überlegen, was seine nächsten Wörter sind. "Wenn es nach mir ginge, dann würde ich am liebsten gar keine Kinder wollen. Egal ob Mädchen oder Junge. Niemand sollte jemals Meister oder Maestro werden und besonders sollten eigentlich keine Kinder hier aufwachsen."
Ich könnte ihm zu jedem Wort zustimmen, doch da ist so ein Stich in meiner Brust, der mich von diesem abhält. Natürlich haben Kinder hier nichts verloren, doch wer wäre ich manchmal hier gewesen, ohne Judith und Moritz? Hätte ich vieles anders gesehen mit meinem Kind? Hätte ich besser aufgepasst? Hätte ich aufgehört so sturköpfig zu sein?
Zwei starke Arme umarmen mich plötzlich und ziehen mich zurück in die Realität. "Tut mir leid, falls ich etwas falsches gesagt habe.", entschuldigt er sich bei mir sachte.
Hartnäckig schüttele ich meinen Kopf und sehe hoch in seine Augen. "Hast du nicht. Alles gut." Ich zwinge mich zu einem unechten Lächeln.
Behutsam legt er eine Hand auf meine Wange. "Wir können gerne nochmal darüber reden, aber natürlich nur falls du möchtest. Wenn das Thema für dich abgehakt ist, dann ist das auch völlig in Ordnung."
Der Gedanke an mein verlorenes Kind ist immer etwas, was mich traurig machen wird. Verarbeiten konnte ich es noch nicht und ich weiß auch nicht, ob ich es jemals verarbeiten kann. Zu viele Fragen sind dafür offen, die selbst Gordon nicht beantworten kann.
Leicht nicke ich und lege meinen Kopf auf seinem Brustkorb ab. Seine Arme umschlingen meinen Körper fester und ich schließe meine Augen.
"Ich bin für dich da, Madeline. Ich möchte dich unterstützen und dir helfen.", haucht er leise und streicht mit einer Hand sachte meinen Kopf.
Langsam greifen meine Arme um seinen Oberkörper und mir kommt es so vor, als würden wir ineinander verschmelzen. "Danke.", hauche ich nach einer Weile zurück und spüre einen Kuss von Gordon auf meinem Scheitel.
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Was wohl der nächste Schritt zur Freiheit sein wird?
Ich hoffe ihr habt die letzten zwei Montage ohne neue Kapitel überstanden :D Solange ich keine großen Klausuren in nächster Zeit schreiben muss wird es die nächsten Montage wie gewohnt weiter gehen.
Übrigens mache ich beim NaNoWriMo mit und was soll ich sagen... 20.000 Wörter hinterher zu liegen ist schon eine Leistung...
Habt einen schönen start in die Woche!
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