Kapitel 34

Mottenflügel starrte Schwinge verwirrt an. Wieso nannten diese Katzen sie ständig so komisch? "Ich...Ich weiß nicht, wovon du redest.", antwortete die goldene Kätzin und fuhr nervös die Krallen ein und aus. Schwinger schoss vor und stieß ihr die Schnauze vors Gesicht. "Tu doch nicht so! Du bist hier, um uns alle zu vernichten. Also nenn mir einen guten Grund, warum ich dich nicht auf der Stelle töten sollte."

Schwinge strich dem grauen Kater beruhigend mit dem Schweif über den Rücken. "Darüber haben wir doch schon gesprochen. Es ist nicht sicher, wie alles enden wird. Vielleicht kann sie..." Die Kätzin stoppte, als hätte sie vergessen, dass Mottenflügel noch im Raum ist.

Diese folgte aufmerksam dem Gespräch und versuchte, irgendetwas zu verstehen. Schwinger zögerte kurz, ehe er antwortete: "Du hast ja recht, aber wir können doch auch nicht einfach nur zusehen."

Ohne den Blick von Mottenflügel abzuwenden, tappte Schwinge auf den kleinen Teich in der Mitte des Raumes zu. "Das hier ist der Sternensee. Mit seiner Hilfe können wir mehr sehen, als jede andere Katze. Manchmal hilft er uns auch, zu verstehen oder zu erkennen, was eigentlich schon längst klar ist." Während Mottenflügel interessiert zuhörte, beugte die fragwürdige Kätzin sich etwas über die Wasseroberfläche und berührte diese mit einer Pfote. "Komm, und sie hin.", forderte sie die ehemalige Heilerin auf.

Ehrfürchtig tappte Mottenflügel an ihre Seite. Das Spiegelbild der Decke verschwamm langsam zu hellen Farben, bis es letztendlich ein Bild zeigte. Am Anfang hatte Mottenflügel Schwierigkeiten, etwas zu erkennen, doch dann wurde die Abbildung immer klarer. Erschrocken starrte sie auf das Wasser. Eine Menge von Katzen hatte sich vor einem Steinhaufen versammelt und sah gebannt zu einem Kater hinauf, der etwas zu sagen schien. Neben ihm hockte ein kleinerer Kater, der jedoch etwas unsicher wirkte. Plötzlich wurde die Versammlung ganz unruhig und eine weitere kleine Kätzin sprang hervor. Ihre Augen funkelten wild. Mottenflügel kannte dieses Funkeln.

"Blütenjunges!"

Schwinge sah die goldene Kätzin mit dem langen Fell überrascht an. "Du erinnerst dich an sie?"

Mottenflügel ignorierte die Tatsache, dass die rätselhafte Kätzin schon wieder mehr wusste, als ihr zuzutrauen war, und nickte heftig. "Aber natürlich. Das ist meine Tochter." Sie beugte sich über den Rand und rief: "Blütenjunges! Kannst du mich hören? Ich lebe, ich komme zurück."

Schnell zog Schwinge sie zurück und starrte sie an. "Was machst du denn da? Bist du wahnsinnig?", fauchte sie wutentbrannt. Schwinger sprang an ihre Seite. "Du bringst den Lauf der Dinge so völlig durcheinander."

Mottenflügel zog die Lippen kraus. Sie hatte genug von der Geheimnistuerei der beiden Katzen. Also zischte sie: "Ich werde erst aufhören, wenn ihr mir erklärt, was genau hier vor sich geht. Und zwar alles, keine Lügen oder Ausreden." Schwinge warf Schwinger einen beunruhigten Blick zu. "Vielleicht hat sie recht." Der graue Kater kniff seine Augen zusammen, wodurch die Narbe in seinem Gesicht verzerrt wurde. "Damit sie uns nur noch schneller vernichtet? Nein, danke!", schnaubte er.

"Entschuldigst du uns kurz.", miaute Schwinge Mottenflügel zu, ehe sie ein paar Schritte weitertappten und dort wild diskutierten.

Mottenflügel spitzte die Ohren, um etwas zu verstehen, aber trotz der gespenstischen Ruhe in der sogenannten Sternenhöhle, konnte sie nichts verstehen. Nur einmal hörte sie etwas heraus, als Schwinge den Kopf drehte und "das liegt nicht in unserer Macht" murmelte. Nachdem die beiden Katzen sich noch eine Weile etwas zugeflüstert hatten, drehten sie sich schließlich um und kamen auf Mottenflügel zu. "Wir haben eine Entscheidung getroffen.", miaute Schwinge mit einem nachdenklichen Blick. "Wir werden dir alles erklären."

Sie führte Mottenflügel zum Sternensee und wischte mit ihrer Pfote über die Wasseroberfläche. Die Kätzin spürte, wie ihr Herz anfing, schneller zu schlagen, als das Bild von zwei Katzen erschien.

"Das sind Schwinge und ich.", miaute Schwinger. "Schwinges Mutter war gerade gestorben und sie wurde zur Wächterin ernannt. Für gewöhnlich erhalten frische Nachfolger eine Botschaft von dem Grauen, unserem Hüter. So auch dieses Mal." Mottenflügel beobachtete gespannt, wie die frühere Schwinge sich langsam über den Sternensee beugte und das Wasser betrachtete. Plötzlich wurde die Wasseroberfläche rot gesprenkelt. "Ich erhielt damals eine Prophezeiung", fuhr Schwinge fort "Dass eine Katze, die nicht von hier stammt, unseren Stamm ins Verderben stürzen würde. Aber sie könnte uns auch retten. Diese Katze, warst du."

Für einige Herzschläge herrschte Schweigen. Mottenflügel starrte mit leerem Blick auf das Geschehen, das vielleicht schon mehrere Blattwechsel zurücklag. "Ich begreife nicht.", flüsterte sie. "Letzten Sonnenaufgang habe ich noch nicht einmal von euch gewusst und jetzt stellt sich heraus, dass ich das Schicksal eures gesamten Stammes besiegeln soll? Ich meine...Dafür gibt es doch nicht mal einen Grund."

Schwinger nickte knapp. "Du magst recht haben, aber denk daran, was alles in den letzten Monden passiert ist."

Überrascht riss Mottenflügel den Kopf zu ihm herum. "Was?" Schwinge seufzte schwer und fügte hinzu: "Seitdem wir diese Prophezeiung erhalten haben, beobachten wir jeden deiner Schritte. Und als du vor einigen Monden zu den Verstoßenen kamst, ahnten wir, dass du bald kommen würdest."

Der Schock saß der goldenen Kätzin tief in den Gliedern. Es stimmte, sie hatte schon vieles erlebt. Sie hatte einen Gefährten und eine Freundin gefunden, einen Stamm der sie akzeptierte und zwei Junge geboren. Der Gedanke an ihre Familie schmerzte. Es fühlte sich an, als hätte sie sie seit Ewigkeiten nicht mehr gesehen. Wann werde ich sie wohl wiedersehen?

"Das ist vermutlich schwer für dich zu verstehen, aber wir benötigen nun mal deine Hilfe.", brach Schwinge die Stille. Mottenflügel blinzelte sie verblüfft an. "Trotz der Prophezeiung?"

Schwinger trat an die Seite der getüpfelten Kätzin. "Ja, wir wissen vielleicht nicht, wie alles enden wird. Doch wir wissen, wer das Ende beginnen wird." Ohne Mottenflügel eine Chance zum antworten zu geben, fuhr er fort. "Es gibt da jemanden, der etwas von uns möchte. Jemanden, den du gut kennst. Und wir glauben, dass er schon bald kommen wird."

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