Kapitel 30

Ein Schlag. Eine Wunde. Blut. Ein stechender Schmerz in der Schulter. Im Bauch. Im Gesicht. Ein Leuchten in der Dunkelheit. Es wurde heller. Es wurde größer. Der Umriss einer Katze war erkennbar. Ihr langes weißes Fell glich den Sternen selbst. Ihre Augen funkelten weise. Ein Ruf ertönte.

"Lass dich nicht von den Schatten leiten. Sie täuschen dich nur."

Wieder ein Leuchten. Diesmal auf der anderen Seite. Es wurde heller. Es wurde größer. Eine zweite Katze trat heraus. Weiß-grau getigertes Fell, lang und leuchtende Augen wie Feuer.

"Ich habe Wissen. Ich habe Träume. Ich habe Kontrolle."

Die Stimmen klangen nun gemeinsam.

"Hilf uns. Rette uns. Wir können die Zeit umkehren, zurück auf den Anfang. Den Anfang von allem."

Ein Knall. Ein gleißendes Licht. Alles verstummte. Alles verschwand. Einfach so. Als wäre nichts je da gewesen.

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Kalte Luft umhüllte Blütenpfote und sie öffnete ihre Augen. Zu ihrer Überraschung fiel ihr das schwerer denn je. Gerade als sie sich erheben wollte, durchzog sie ein stechender Schmerz in den Hinterbeinen. Sie öffnete ihren Mund zu einem Schrei. Doch es kam kein Ton heraus. Sie riss ihre Augen auf, aber es war finster.

Sie fing an zu zittern. Was war passiert? Sie hob den Kopf, aber die Qualen in ihrem Nacken schienen dies unmöglich zu machen. Wo bin ich? Was...Von einem Moment auf den anderen fiel ihr alles wieder ein. Dämmerwolke! Wut brodelte in ihr hoch und ihre Gedanken formten sich zu Erinnerungen zusammen. Sie hat mich angegriffen. Sie wollte mich aus dem Weg räumen! Nur wegen Mondfeder.

Dämmerwolkes funkelnde Augen fielen ihr wieder ein und ein Schauer lief ihr den Rücken hinunter. Sie wollte mich töten...Oder hat sie mich getötet? Angst umklammerte ihr Herz.

Auf einmal durchzog sie ein Gefühl wie ein Blitz, ihre Muskeln versteiften sich und der Boden unter ihr schien sich zu lockern. Was passiert hier? Sie riss erneut ihren Mund zu einem tonlosen Schrei auf. Voller Panik fiel Blütenpfote in die scheinbar endlose Tiefe unter ihr.

Plötzlich, wie von Geisterhand, landete Blütenpfote sanft. Nur worauf? Sie wusste es nicht. Zu ihrer Erleichterung tauchten aus der Dunkelheit Farben auf. Sie wirbelten umher, bis sie sich zu einem Bild zusammensetzten. Die Schülerin fand sich in dem ihr so vertrauten Wald wieder. Ihre Schmerzen waren verschwunden und frische Luft strömte durch ihre Lungen. Da streifte Fell ihre Flanke. Sie wollte ihren Kopf drehen, sehen wer das war.

Doch sie konnte nicht.

"Hast du es getan?" Die Stimme gehörte scheinbar der Katze, die neben Blütenpfote stand. Zu ihrem Entsetzen war es die von Mondfeder. Wut kochte in ihr hoch. Sie wollte diesem Verräter die Augen auskratzen!

"Ja." Was? Blütenpfote war verwirrt. Hatte sie ihrem Vater gerade geantwortet? Und wenn ja, was war mit ihrer Stimme?

Mondfeder schnurrte. "Gut. Dann komm, ich zeige dir den weiteren Teil meines Plans."

Blütenpfotes Pfoten trugen sie von selbst hinter dem silbergrauen Kater mit den weißen Flecken und der schwarzen Brust hinterher. Ich will ihm nicht folgen! Sie versuchte zwanghaft, sich zum Umkehren zu befehlen. "Was geschieht mit Adlerpfote?" Die Worte kamen einfach aus ihr heraus.

Mit einem hinterhältigen Lächeln drehte Mondfeder den Kopf. "Ich werde ihn schon überzeugen. Er ist naiv und es wird wohl kaum ein Problem sein, ihn zur Rache zu bringen. Nachdem seine Schwester nicht mehr da ist, wird er keinen Sinn mehr sehen, zu bleiben."

Blütenpfote konnte ihren Ohren nicht trauen. Was geschah hier? War ihr Verschwinden nicht nur notwendig gewesen, sondern auch geplant? Und was hatte Adlerpfote mit dem ganzen zu tun?

"Und wer wird gegen ihn antreten?" Blütenpfote war inzwischen nicht mehr ganz  so verwundert, dass sie gegen ihren Willen mit Mondfeder sprach. Der Krieger ringelte vor Belustigung seinen Schweif. "Ich hatte da an eine bestimmte Katze gedacht, die..." Er hielt inne. "Dämmerwolke, was hast du?"

Dämmerwolke? Blütenpfote erstarrte. Er sah sie also als Dämmerwolke? Aber wie ist das möglich? Plötzlich sackten ihre Beinen in sich zusammen und sie schlug auf dem Boden auf.

"Es ist sie.", wisperte Blütenpfote Mondfeder zu.

"Du meinst..." Der Kater schwieg kurz. "Dann habe ich eine viel bessere Idee."

Der Boden unter Blütenpfote schien zu schwanken und sie fiel wieder in die Tiefe. Ein seltsames Gefühl durchströmte sie, als sie durch die Finsternis glitt. Doch nach wenigen Herzschlägen fand sie sich wieder an der Stelle wieder, an der sie kurz davor aufgewacht war. Es war immer noch stockdunkel und ihre Wunden schmerzten unaufhörlich. Zwar war es um sie herum ruhig und leise, doch ihre Gedanken wirbelten wie in einem Sturm hin und her.

War ich gerade in Dämmerwolkes Körper? Nein, das ist nicht möglich. Aber was ist dann passiert?

Plötzlich zog jemand an ihrem Nackenfell. Erschrocken strampelte sie mit ihren Beinen und versuchte verzweifelt, den Angreifer abzuwehren. Der Geruch von Pilzen strömte ihr in die Nase. Er hat seinen Geruch verdeckt!

"Halt still, oder willst du noch einen Kratzer ernten!", zischte eine Stimme. Blütenpfote keuchte. Dämmerwolke? Was Wollte sie hier? Wieder willens ließ sie sich von der Kätzin davonschleifen. Wo bringt sie mich hin?

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Nachdem Blütenpfote gefühlt einen ganzen Mond von der kleinen, hellroten Kätzin herumgeschleift wurde, hielten sie endlich. Die Schülerin hatte inzwischen ihre Augen geschlossen, um der Dunkelheit, die sich als einzige in ihrem Sichtfeld abzeichnete, zu entkommen. "Du bist jetzt da, wo du vorerst bleiben wirst, verstanden?", fragte Dämmerwolke kalt.

"Sei doch nicht so hart. Sie wird uns schließlich noch sehr nützlich sein." "Ja, Mondfeder."

Blütenpfote konnte ihren Ohren nicht trauen. Sie befand sich in der Nähe dieses Verräters? Voller Zorn wollte sie aufspringen und ihm die Kehle zerfetzten, aber das konnte sie nicht. Ihre Wunden plagten sie allein beim liegen, wie also sollte sie aufstehen?

Dämmerwolke trat jetzt zurück, Mondfeder machte jedoch ein paar Schritte auf sie zu. "Wenn du gleich deine Augen öffnest, wirst du nichts sehen können.", flüsterte er ihr zu. Blütenpfote fing an zu zittern. "Du wirst auch nicht sprechen können. Aber das können wir verhindern. Tu einfach das, was wir dir sagen und du kannst wieder zurück zu den Verstoßenen." Die Schülerin jaulte innerlich vor Wut, aber sie wusste, dass sie so keine Chance gegen Mondfeder hatte. Also nickte sie.

"Gut." Ihr Vater schien zufrieden. "Dämmerwolke?" Die hellrote Kätzin kam wieder näher. Zu Blütenpfotes Verwunderung, murmelte sie ein paar unverständliche Worte. Ein seltsames Gefühl durchströmte sie. "Öffne deine Augen.", befahl Mondfeder ihr knapp.

Blütenpfote gehorchte. Gleißendes Licht blendete sie für einige Herzschläge, bis es sich zu der Gestalt von zwei Katzen formte. Dämmerwolke funkelte sie an. "Jetzt hör genau zu..."

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