Kapitel 25
Mottenflügel blinzelte schläfrig. Warme Luft erfüllte die Kinderstube und sie schloss ihre Augen wieder. Plötzlich fühlte sich ihr Bauch ungewohnt kalt an. Erschrocken fuhr sie hoch. Ihre Jungen waren nicht im Nest! Wo sind sie? Die goldene Kätzin sah sich hektisch um. Nur Bienenschweif lag in ihrem Nest und schlief gemächlich.
Sie erhob sich. Die Stelle, an der ihre Jungen zuvor noch geschlafen hatten, war kalt. Sie müssen schon länger weg sein! Sie sah sich weiter um. Und was, wenn sie draußen waren? So schnell sie konnte, eilte sie auf die Lichtung. Die Sonne stand noch nicht einmal senkrecht am Himmel und nur ein paar Katzen - vermutlich für die Morgenpatrouille - versammelten sich auf der Lichtung. Ein Kater mit braunem Fell und spitzem Maul, den Mottenflügel als Nachtgeflüster identifizierte, saß vor dem Kriegerbau. Sein Blick wanderte hoch in den Himmel, wo ein Schwarm Kraniche vorbeizog. Die Heilerin lief zu ihm. Sofort sah er zu ihr. Über sein Gesicht huschte ein freundliches Lächeln und er neigte den Kopf.
"Sei gegrüßt Mottenflügel. Was führt dich zu mir?", miaute er.
Die Angesprochene riss verzweifelt die Augen auf. Schlagartig veränderte sich Nachtgeflüsters Blick und er knetete betreten den Boden. "Hast du etwas auf dem Herzen?"
Sie nickte heftig. "Ich kann Adlerjunges und Blütenjunges nicht finden! Hast du sie gesehen?" Der Krieger machte ein besorgtes Gesicht und erklärte: "Eine hellbraun, dunkelgrau-getigerte Kätzin und ein dunkelbrauner Kater?"
Mottenflügels Herz machte einen Sprung, doch dann setzte es wieder aus. Der andere Kater war nicht Adlerjunges, sondern Froschjunges! Das schien auch Nachtgeflüster zu bemerken, denn er legte den Kopf schief. "Ich habe nur die beiden gesehen, tut mir leid."
"Das muss dir nicht leidtuen!", rief Mottenflügel aus und zuckte unsicher mit den Ohren. Was wollten Blütenjunges und der ein Mond ältere Kater? "Weißt du, wo sie hingegangen sind?" Der dunkelbraune Kater sah an ihr vorbei. "Ja, sie sind glaube ich aus dem Lager gegangen." "Aus dem Lager?" Mottenflügel schnappte nach Luft. Der fragende Blick von dem Kater - vermutlich verwirrt, weil sie seine Worte wiederholte - ruhte noch kurz auf ihr, dann wandte er ihn ab. "Ich dachte, du hättest es ihnen erlaubt?" Bitte? Sie sind doch noch so klein! Am liebsten hätte Mottenflügel ihm das ins Gesicht gesagt, doch das war jetzt nicht wichtig.
Egal, ich muss jetzt Mondfeder finden!
Sie sah sich um, den Blick aufgeregt hin und her schweifend. Dann entdeckte sie den silbergrauen Kater mit den weißen Flecken, schwarzer Brust und grünen Augen. Ihre Pfoten trugen sie zu ihm herüber und als er sie bemerkte, blinzelte er überrascht. "Warum bist du denn hier draußen? Tauspitze meinte doch, du sollst dich ausruhen!"
Mottenflügel fauchte wütend. Sie wusste, dass ihr Gefährte nichts für das Verschwinden ihrer Jungen konnte, doch seine Gelassenheit regte sie auf.
Sofort wich Mondfeder zurück.
"Sie sind weg. Blütenjunges und Froschjunges sind aus dem Lager geschlichen und wer weiß, wo Adlerjunges sich rumtreibt!"
Sofort verdunkelte sich Mondfeders Blick und er wirbelte herum. "Eulenstern", jaulte er zum Anführerbau hinauf. Der Kater streckte seinen Kopf aus dem Eingang, sein Gesicht grimmig verzogen. "Was?", murrte er. Der Krieger warf Mottenflügel noch einen flüchtigen Blick zu, ehe er rief: "Meine Jungen sind verschwunden."
Der weiß-graugetupfte Anführer riss die Augen auf und sprang von den Felsen hinunter. "Wirklich? Bist du dir sicher?"
Mottenflügel sträubte wütend ihr Fell. "Natürlich! Oder behauptest du-" "Nein, selbstverständlich nicht.", unterbrach Eulenstern sie rasch, ehe er sich an Mondfeder wandte. "Seit wann werden sie vermisst?" Mottenflügels Gefährte warf ihr einen fragenden Blick zu. "Genau weiß ich es auch nicht.", erklärte sie dem Anführer. "Nachtgeflüster meinte, er hätte Blütenjunges aus dem Lager schleichen sehen."
Panik brodelte in Mottenflügel hoch. Ihre Lunge schien sich zuzuschnüren und der Boden schwankte.
"Ganz ruhig, wir werden sie finden." Mondfeder schmiegte sich an sie und schnurrte beruhigend. Zitternd nickte Mottenflügel. Aber was, wenn nicht?
Die Sonne stand tief am Himmel als Mottenflügel aufgeregt vor dem Eingang des Lagers hin und her lief. Gerade war Dämmernase zu ihr gekommen und hatte ihr berichtet, dass Mondfeder Blütenjunges und Adlerjunges gefunden hatte und jeden Moment wiederkommen würde. Die Königin hielt es vor Freude gar nicht mehr aus.
Da ertönte das ankündigende Pfotengetrommel, dass die Suchpatrouille wieder da war. Vorne weg Mondfeder, ihm folgten Fuchsherz, Dachsfang und Weidenkralle. Jeder der drei Katzen trug ein zappelndes Fellbündel im Maul.
Voller Glücksgefühle stürmte Mottenflügel auf ihre Jungen zu, die jetzt von den Kriegern abgesetzt wurden. "Ihr lebt. Den Adlern sei dank.", keuchte sie und presste ihre Schnauze nacheinander an die kleinen Kätzchen. Froschjunges hingegen saß allein saß allein mit betrübtem Blick ein paar Schwanzlängen entfernt.
Sein Verhältnis zu seiner Familie ist nicht so gut., dachte Mottenflügel.
"Natürlich leben wir.", miaute Adlerjunges aufmüpfig. Blütenjunges nickte bestätigend.
"Was habt ihr euch dabei gedacht?" Mondfeder kam jetzt auf sie zu, seine Augen blitzten. "Ihr hättet sterben können! Was, wenn ein Fuchs euch erwischt hätte?" Als die beiden Jungen nicht antworteten, fuhr er fort. "Geht jetzt in die Kinderstube. Bleichgesang wird auf euch aufpassen." Er deutete auf die schwarz-weiße Kätzin, die mit freundlichem Gesicht am Rand der Lichtung saß.
Adlerjunges öffnete den Mund zum Protestieren, doch Mottenflügel strich ihm mit dem Schweif übers Gesicht. "Alles gut.", murmelte sie ihm zu.
Sie wusste, dass Mondfeder übertrieben hatte, aber dennoch stimmte es. Blütenjunges und ihrem Bruder hätten so viele Dinge passieren können. Traurig beobachtete sie, wie Bleichgesang ihre Jungen in die Kinderstube führte und Mondfeder sich schnaubend zu Brandwind, der ihn schnurrend begrüßte, wandte.
Was hat er mit diesem Mäusehirn zutun?
Doch Mottenflügel war zu müde, um darüber nachzudenken. Plötzlich fühlte sie sich allein. Mehr als je zuvor, obwohl sie von jedem den sie liebte umgeben war. Aber etwas fehlte. Nur was?
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Hallo meine lieben Leser und Leserinnen. Ich habe lange nicht mehr an dieser Geschichte geschrieben, aber jetzt habe ich wieder neuen Ehrgeiz gefasst. Ich hoffe, ich kann in nächster Zeit wieder öfter aktualisieren.
Eure Wurzellicht_06 :)
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