Kapitel 22
Ein lauter Donnerschlag riss Mottenflügel aus ihrem Schlaf. "Hört das denn nie auf?", knurrte Mondfeder und funkelte durch einen kleinen Spalt des Baus. "Zwei Sonnenaufgänge regnet es jetzt schon durch. Nicht zu vergessen das Gewitter."
Mottenflügel musste ihm recht geben. Keiner hatte erwartet, dass der Sturm solange über den Territorien herrschte. Wasser kroch bereits in kleinen Flüssen unter den Wänden in die Baue und durchnässte die Pfoten der Katzen. Auf einmal trat Eulenstern herein. Sein Fell war durchnässt und seine Beine waren von der wenigen Bewegung ganz versteift. "Guten Morgen.", miaute er. Sein Blick wanderte weiter zu Tauspitze. "Könntest du mir bitte etwas gegen Husten geben? Ich befürchte, die Kälte macht Schellbeere zu schaffen."
"Sie hätte doch in der Kinderstube bleiben sollen.", seufzte der beige Kater und trottete zum Kräutervorrat.
"Außerdem", fügte Eulenstern hinzu. "Brauchen wir mehr Frischbeute. Möchtest du mit auf eine Jagdpatrouille kommen, Mondfeder?" Mondfeder sah auf. "Gerne. Hier verlerne ich noch jegliches Gefühl in meinen Beinen." Der Anführer nickte zufrieden, dann wanderte sein Blick zu Mottenflügel und seine gelben Augen funkelten sie durchdingend an. Für einen kurzen Moment wurden ihre Beine wackelig und sie hatte das Gefühl, der Kater würde ihr jegliches Leben aus dem Körper saugen. Schließlich drehte er den Kopf wieder weg. "Gewitterflügel, Brandwind und Weidenkralle begleiten uns ebenfalls.", miaute er. Mondfeder neigte förmlich den Kopf. "Ich freue mich schon." Mit einem liebevollen Blick auf Mottenflügel verschwand er mit seinem Anführer, der von Tauspitze eine weiße Blüte und ein hellgrünes Blatt gereicht bekam, aus dem Bau.
Roggenpfote blinzelte verschlafen. "War Eulenstern gerade hier?" "Ja, dass war er.", schnurrte Dämmerwolke ihm zu. Mutlos ließ er den Kopf wieder auf die Pfoten sinken.
Plötzlich kniff Tauspitze die Augen zusammen und musterte Mottenflügel sorgfältig, bis seine Augen aufblitzten. "Ist das-? Nein, warum ist mir das nicht früher aufgefallen?"
"Wovon redest du?", fragte die goldene Kätzin verwirrt. Dämmerwolke trat mit scheinbar der selben Frage neben sie, denn in ihren Augen lag der gleiche Blick. "Du", sagte der Heiler feierlich. "erwartest Junge. Vermutlich von Mondfeder."
Mottenflügel erstarrte. Sie fühlte sich, als würde der Boden unter ihren Pfoten weggezogen werden und sie in ein endloses Loch fallen lassen. In ihrem Bauch braute sich ein Gefühl zusammen, genauso wie das Gewitter am Himmel. Sie erwartete Junge von Mondfeder? Aber wann- Ihr fiel die Nacht ein, in der sie erfahren hatte, dass sie den Verstoßenen angehörte.
"Das freut mich für dich.", schnurrte Dämmerwolke, auch wenn ihre Augen leicht schimmerten.
Mottenflügel war nie entgangen, dass die hellrote Kätzin Gefühle für Mondfeder hegte und eifersüchtig auf sie war. Dennoch hatte sie sich nicht beschwert, was zeigte, was für eine gute Freundin sie war. "Ich...ich, bist du dir sicher?", fragte Mottenflügel und sog scharf die Luft ein. Sie war eine Heilerin. Sie durfte keine Junge haben! Nicht einmal einen Gefährten. Würde sie je in den Sternenclan kommen? Doch ihr fiel ein, dass sie gar nicht in den Sternenclan kommen konnte. Nicht einmal in den Wald der Finsternis.
Tauspitze trat an ihre Seite. "Es wird alles gut.", tröstete er sie. "Junge sind ein Geschenk."
Der Schüler Roggenpfote seufzte. "Das ist ja alles schön und gut, aber wenn Mondfeder das erfährt, dann-" "Sei still!", zischte Dämmerwolke drohend. Doch Mottenflügels Interesse war geweckt. "Was meinst du?", hakte sie nach.
"Das ist nicht wichtig.", erklärte Dämmerwolke rasch, doch Tauspitze schnitt ihr mit einem Schwanzwedeln den weiteren Satz ab. "Sie muss es erfahren. Früher oder später." Damit setze er sich vor Mottenflügel. "Bist du bereit?" Dämmerwolke wollte widersprechen, doch mit einem strengen Blick des Katers verstummte sie. Nur noch einmal fauchte sie Roggenpfote etwas zu, der daraufhin kleinlaut den Kopf einzog.
Mottenflügels Herz schlug vor Spannung immer schneller. Es ging um ein Geheimnis, um Mondfeder. Was war wohl so wichtig?
Tauspitze wartete auf ihr Nicken, dann begann er. "Vor vielen Blattwechseln hatte Mondfeder eine andere Gefährtin. Ihr Name war Sonnnenblumenschweif." Ein Anflug von Neid und Überraschung durchfloss Mottenflügel. Den Namen hatte Grünauge in dem ersten Treffen mit Eulenstern erwähnt. Und sie war Mondfeders Gefährtin gewesen?
"Sie sollte uns eigentlich helfen, um gegen die dunklen Mächte des Sternenclans vorzugehen. Damals töteten wir uns schon gegenseitig, um diesen zu entkommen. Genau wie bei dir, suchte Mondfeder sie in ihren Träumen auf und bat sie um Hilfe. Doch eine Nacht, nachdem Sonnenblumenschweif bei uns ankam, war sie schwanger. Mondfeder freute sich zuerst, doch als die Jungen da waren, tötete ein eifersüchtiger Krieger namens Staubfetzen die Kätzin, samt ihren Jungen. Mondfeder hat sich geschworen, niemals wieder Jungen wegen einer Kätzin in solche Gefahr zu bringen. Jetzt wiederholt sich alles mit dir." Tauspitze zog Mottenflügels Blick auf sich, die geschockt nach Luft rang.
"Wenn er erfährt, dass du Junge erwartest, könnte ihn das vermutlich um den Verstand bringen.", fügte Dämmerwolke hinzu.
Die goldene Kätzin erhob sich. Was sollte sie jetzt tun? Alles verheimlichen? Nein. Sie musste es Mondfeder sagen, egal wie er reagierte. "Du schaffst das schon.", miaute Tauspitze heiter und neigte aufmunternd den Kopf. Schaffe ich das wirklich?
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Ein grauer Kater wischte mit einer Pfote über das Wasser und das Bild mit der goldenen Kätzin und den drei anderen verschwand. Verärgert schlug er mit seinem ungewöhnlich langem Schweif.
"Beruhige dich, Schwinger.", miaute eine getüpfelte Kätzin mit weißen Pfoten, die in der Ecke des finsteren Raumes saß. "Du kannst es ihnen nicht sagen, das weißt du." Schwinger sträubte sein Fell. "Natürlich weiß ich das. Aber sag, was willst du jetzt machen?" Die Getüpfelte zuckte mit den Schultern. "Vielleicht warten. Wir können es nicht ändern, nur diese Kätzin. Sie wird Verderben und Erlösung bringen, so hat es der Graue gesagt."
"Wir können doch nicht darauf warten, dass sie uns vernichtet.", fauchte Schwinger und funkelte die Kätzin an. "Bitte, Schwinge. Wir können das nicht zulassen."
"Ich bin genauso machtlos wie du.", erwiderte diese schroff. "Außerdem wird sie uns nicht durch ihre eigenen Pfoten vernichten." "Wir müssen den anderen davon erzählen. Oder zumindest Federflug." Schwingers Stimme wand sich unter Qualen. "Ich würde das so gerne machen.", gestand Schwinge und trat an ihn heran. "Doch die Gesetze verbieten es. Wir müssen die Geheimnisse der Adler waren. Diese Mission haben uns unsere Vorfahren auferlegt."
"Sie lastet aber so schwer.", seufzte Schwinger traurig.
Schwinges Blick trübte sich. "Ja, das tut sie. Jetzt müssen wir nur warten. Sag dem Stamm, sie sollen sich vorbereiten."
"Warum machst du das nicht?", fragte der graue Kater überrascht. "Ich habe noch etwas vor.", antwortete Schwinge geheimnisvoll und er verschwand geschlagen. Die getüpfelte Kätzin ließ sich nun selbst an dem Wasserbecken nieder, welches mit einem Steinkranz umhüllt war. Noch einmal erschien das Bild der vier Katzen.
"Du wirst ersticken, in den grauen Waben des Rauches. Sie werden dich verschlingen, bis das Feuer endlich aufsteigen kann. Die sanfte Glut ist schon längst erwacht."
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