Kapitel 20

"Möchtest du mit Kräuter sammeln?" Tauspitzes Miauen riss Mottenflügel aus ihren Gedanken und sie drehte den Kopf. "Heute nicht. Ich fühle mich zur Zeit nicht so gut.", entschuldigte sie sich rasch. Es war ein Mond vergangen seit Mottenflügel erfahren hatte, dass sie tot war. Die Verstoßenen gaben sich große Mühe sie als ihres Gleichen zu behandeln, was ihnen sichtlich schwer fiel. Die meiste Zeit war Mottenflügel mit Mondfeder, Dämmerwolke, Blumenfuß und Tauspitze unterwegs.

"Soll ich dir etwas Gänsefingerkraut geben?", bot der beige Kater an und sah sie erwartungsvoll an. "Oder vielleicht etwas Kerbelwurzel?" Mottenflügel riss die Augen auf. "Wieso denn Kerbel?"

"Du beklagst dich in letzter Zeit doch öfters über Bauchschmerzen.", erklärte Tauspitze knapp und fischte eine Wurzel aus dem Kräutervorrat. "Hier." Er schob sie ihr zu. Mottenflügel seufzte. "Du hast ja recht." Schnell nahm sie den Kerbel in den Mund und kaute. Der seltsame Geschmack der Flüssigkeit berührte ihre Zunge. Doch sobald sie ihn geschluckt hatte, minderte sich der Schmerz in ihrem Magen und sie atmete erleichtert ein und aus. "Danke. Ich möchte dennoch nicht unbedingt mitkommen. Ich hoffe, du verstehst?"

Tauspitze nickte verständnisvoll. "Aber natürlich. Könntest du trotzdem etwas für mich tun?", fragte er und spähte nach draußen. Mottenflügel spitzte neugierig die Ohren. "Gerne, was gibt es denn?"

"Holunderblüte hat Gelenkschmerzen. Angeblich von einem zu feuchten Nest.", schnaubte der Heiler amüsiert. "Könntest du dich bitte um sie kümmern?" Die goldene Kätzin schnippte mit der Schwanzspitze. "Mache ich. Wenn du widerkommst, kannst du sie ja noch mal überprüfen.", schlug sie vor und neigte höflich den Kopf. Tauspitze rollte mit den Augen. "Du bist genauso gut wie ich." Damit wandte er sich zum gehen. Nur noch einmal blieb er stehen. "Ach ja. Erwähne vor Holunderblüte niemals ihr Alter." Dann schlüpfte er aus dem Bau und es wurde still.

"Dann mache ich mich lieber auf den Weg.", murmelte Mottenflügel zu sich selbst. Nachdem sie sich die gebrauchten Blätter herausgesucht hatte, tappte sie herüber zum Ältestenbau. Schlangenschweif lag draußen in der Sonne und döste. Als er sie kommen sah, hob er den Kopf. "Die letzten warmen Tage muss man auskosten, bevor die Blattleere komplett einsetzt."

Mottenflügel nickte ihm respektvoll zu. "Das stimmt. Ich möchte nach Holunderblüte sehen. Sie ist doch im Bau, oder?" Der getigerte Kater streckte seine Beine müde aus. "Ja, aber sie schläft.", gähnte er und sah warf ihr einen zweifelnden Blick zu. "Ich würde sie nicht stören." "Es ist wichtig.", drängte Mottenflügel. "Sie hat Gelenkschmerzen." "Na dann." Schlangenschweifs Augen leuchteten auf. "Wenn sie aufhört zu klagen, ist mir alles recht. Neulich hat sie sogar Apfelpfote die Schuld gegeben und behauptet, sie würde ihr absichtlich nasse Moospolter geben. Ich musste eingreifen. Vielleicht hätte Holunderblüte ihr sonst das Fell über die Ohren gezogen." "Ähm, ja danke. Die Geschichte würde ich gerne später hören. Dürfte ich?", fiel Mottenflügel ihm dazwischen, ehe er sich in einen Rausch reden konnte.

Der Älteste blinzelte entschuldigend. "Sicher doch." Er rückte beiseite und schnurrte. "Ich freue mich schon."

Mottenflügel neigte dankbar den Kopf, dann trat sie in den Ältestenbau. Es war angenehm warm, genau richtig für den Anfang der Blattleere. In der Ecke des Baus lag eine gefleckte Kätzin und schlief. "Holunderblüte?", flüsterte sie vorsichtig. Die Kätzin riss erschrocken die Augen auf. "Was suchst du hier?", fragte sie barsch und richtete sich auf, wobei ihr Gesicht verzerrt war. "Ich komme wegen deiner Schmerzen.", erklärte Mottenflügel und legte die Blätter ab. "Hier ist etwas Beinwell. Es wird sie lindern."

Holunderblüte kniff misstrauisch die Augen zusammen. "Tauspitze hat mir gesagt, er würde kommen." "Tauspitze ist Kräuter sammeln.", miaute Mottenflügel und verdrängte den Anflug von Kränkung und Erinnerungen. "Ich bekomme das aber auch hin." Die gefleckte Kätzin nickte einverstanden. "Nun denn. Aber sei vorsichtig. Am besten besorgst du mir auch noch trockenen Moospolster. Ich möchte es nicht noch einmal den Schülern überlassen." Mottenflügel neigte gehorsam den Kopf. Nur nicht das Alter erwähnen.

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Die Sonne versank hinter den Wipfeln der Bäume und warf schleierartige Schatten über das Territorium der Verstoßenen. Dunkle Wolken bäumten sich am Horizont auf und drohten, den rot-orangenen Himmel schwarz zu färben.

Mottenflügel erinnerte sich an einen gemeinsamen Tag mit ihrer Mutter, als sie noch ein Junges war. Sie hatte mit ihr vor der Scheune gespielt und ihren ersten Moosball gejagt, den Tigerstern ihnen gebracht hatte. Zuerst wollte Habichtfrost nicht mit ihm spielen, bis Mottenflügel behauptet hatte, sie könne es besser. Nach dem Spiel lag der Moosball verteilt in der kleinen Kuhle, wo sie immer Blätter und Stöcker gelagert hatten. An einem besonders sonnigen Tag hatte Sasha sie zum schwimmen im See eingeladen. Doch als Mottenflügel sich in das Wasser getraut hatte, kam Habichtfrost und hatte sie untergetaucht. Normalerweise hatten die beiden immer glücklich miteinander gespielt, bis auf dieses eine Mal. Mottenflügel hatte sich hochgekämpft und ihn angefaucht. Daraufhin hatte ihre Mutter sie zurechtgewiesen. Es war ein harter Streit und später auch mit Habichtfrost. Zwar ist Mottenflügel damals noch ein Junges gewesen, aber dieser Tag nahm sie bis heute mit. Denn kurz danach wäre ihr Bruder fast von einem Monster überfahren worden. Mottenflügel wollte sich nicht vorstellen wie es sein würde, wenn sie sich von ihm im Streit getrennt hätte.

"Verstoßenen Treffen unter dem Felsenhang." Eulensterns Ruf riss sie plötzlich aus ihren Gedanken. Die goldene Kätzin musste sich noch daran gewöhnen, dass sie hier nicht den üblichen Versammlungsspruch hatten, aber sie verstand warum. Sie wollten sich so gut wie möglich nicht an den Sternenclan erinnern. Sie selbst wollte das nicht mehr. Der Sternenclan hatte sie belogen und versucht zu töten.

Warum nur? Bloß damit ich still schweigen bewahre? Mondfeder hatte ihr erzählt, dass nur sehr wenig Katzen den Angriff des Sternenclans überlebten.

"Mottenflügel, kommst du?", miaute Blumenfuß im Eingang und betrachtete sie argwöhnisch. "Geht es dir nicht gut? Hast du wieder Bauchschmerzen?" "Nein, nein. Ich habe nur ein bisschen nachgedacht.", erklärte Mottenflügel ihr rasch. "Dann los. Eulenstern wartet nicht auf Nachzügler." Damit verschwand Blumenfuß wieder und Mottenflügel folgte ihr. Eine steife Briese riss in ihrem Fell uns sie stellte es schützend auf.

"Es ist ziemlich kalt geworden, nicht wahr?", schnurrte Mondfeder an ihrer Seite. Überrascht drehte sie sich zu ihm. Der silbergraue Kater nickte Fliegenlicht kurz zu, dann wandte er sich wieder an die Heilerin. "Sonnenhoch war es noch so schön warm." "Das stimmt.", murmelte Mottenflügel und seufzte. "Die Blattleere bringt jedes Mal wieder Kälte, Frost und Schnee." "Und nicht zu vergessen keine Beute, schlaflose Nächte und unerträgliche Patrouillen.", mischte Dämmerwolke sich belustigt ein.

"Ruhe.", zischte Dachsfang ihnen zu und tauschte einen wütenden Blick mit wütenden Blick mit Rauchpfote, die missbilligend mit der Schwanzspitze zuckte. Dämmerwolke funkelte ihn wütend an. "Farnschatten hat ihn ganz bestimmt nicht so erzogen.", knurrte sie. Dann schlenderte sie herüber zu ihrem Vater Gewitterflügel. "Setzen wir uns hier hin?", schlug Mondfeder vor und deutete auf einen Platz hinter Mausflügel. Mottenflügel neigte knapp den Kopf. Sie und Mondfeder hatten inzwischen eine engere Bindung, was auch jeder unter den Verstoßenen wusste. Die Schüler tratschten darüber, ob sie vielleicht schon Gefährten waren.

Eulenstern hob seine Nase in Richtung Himmel. "Wie ihr seht, braut sich ein Sturm zusammen." Mottenflügel folgte seinem Blick und beobachtete, wie die Wolken von dem auffrischenden Wind immer mehr zu ihnen getrieben wurden. "Ich möchte,", fuhr Eulenstern fort. "dass die Kinderstube und der Ältestenbau abgedichtet werden. Außerdem muss die Frischbeutekuhle abgedeckt werden, genau wie der Moosvorrat. Meldet sich irgendjemand freiwillig?"

Dämmernase hob ihren Schwanz. "Ich würde mich gerne die Kinderstube übernehmen." "Das ist gut. Such dir noch ein paar weitere Krieger aus und ruhig auch deine Schülerin.", antwortete Eulenstern zufrieden. "Wer noch? Grünauge, würdest du den Ältestenbau übernehmen?" Die zweite Anführerin nickte und sprang von ihrem Posten herunter. "Kann Stachelschweif mir helfen? Er drückt sich sonst nur wieder." Eulenstern schnurret belustigt. "Natürlich, aber sei nicht streng mit ihm."

Mottenflügel hörte dem Rest der Versammlung gar nicht mehr richtig zu. Der Sturm machte ihr Sorgen. Was, wenn er zu stark ist? Sie stupste Mondfeder an, der sich gerade freiwillig für den Moosvorrat gemeldet hatte. "Habt ihr öfters Sturmprobleme?", fragte sie und schielte zu den Kriegern, die ohne jegliche Furcht zu ihrem Anführer aufsahen.

Mondfeder zuckte gleichgültig mit den Schultern. "Manchmal, aber wir sind fairerweise auch schon eine ganze Zeit hier." Mottenflügel fröstelte. Werde ich auch für immer hier sein, oder früher schon gehen?

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