Kapitel 16
Tiefdunkle Finsternis umhüllte Mottenflügel. Was passiert hier? Wo bin ich? An ihrer Flanke spürte sie das weiche Fell von Mondfeder. Der Kater zitterte und sein Herz pochte.
Auf einmal meinte die goldene Kätzin ein Lichtflimmern zu sehen. Sie konnte nicht eindeutig sehen, wie weit es weg war, aber es schien sich zu bewegen. Doch nur wohin? "Was ist das?", flüsterte sie. Dabei wusste sie nicht einmal, an wen diese Frage gerichtet war. An sich, oder an Mondfeder. "Unser Ausgang.", erklärte der silbergraue Kater trotzdem und tappte los. Kälte drang an Mottenflügels Flanke, wo eben noch die von ihm gewesen war. "Wohin gehst du?", rief sie Mondfeder zu.
Dieser drehte den Kopf. "Keine Angst. Du musst mir nur folgen." Unsicher gehorchte Mottenflügel und ging ihm hinterher. Das Flimmern wurde nun immer stärker, bis es sich in kräftiges Leuchten verwandelte. "Was?" Sie sah zu Mondfeder, der zielstrebig weiterlief. Plötzlich ließ ein Jaulen die den Boden unter Mottenflügels Pfoten erzittern.
Erschrocken sträubte sie ihr Fell. "Was war das?", fragte sie und hielt den Atem an. Mondfeder wog den Kopf hin und her. "Der Vorbote. Das Jaulen soll Katzen davor warnen, in die Vergangenheit oder Zukunft zu blicken." In die Vergangen oder Zukunft blicken? Mottenflügel traute ihren Ohren kaum. Die beiden Katzen liefen immer weiter, bis sie nur noch eine Schwanzlänge vor dem Leuchten standen.
Das Licht stach Mottenflügel in die Augen und sie blinzelte mehrfach.
Mondfeder hingegen trat einen Schritt nach vorne. "Komm mit. Du musst mir einfach vertrauen.", miaute er ruhig und strich ihr behutsam mit der Schwanzspitze über den Rücken. Ein angenehmes Gefühl durchströmte Mottenflügel. "Ich vertraue dir.", flüsterte sie, ohne etwas dagegen tun zu können.
Der Kater schnurrte und machte den Schritt wieder zurück. Sein Fell streifte das ihre. Sein süßer Geruch strömte ihr in die Nase und sie erwiderte sein Schnurren. Was empfinde ich? Liebe? Nein! Ich kann ihn nicht lieben. Ich...darf nicht.
Schnell wich sie von Mondfeder ab. Dieser seufzte enttäuscht, aber nickte ihr zu. "Bereit?" "Bereit.", antwortete sie so klar wie möglich. Doch innerlich schien alles dagegen zu sein. Ich muss einfach., beharrte sie. Ich muss es einfach erfahren. Langsam trat sie mit Mondfeder auf das Leuchten zu, bis sie es mit der Nasenspitze berührte. Sie erwartete etwas wie Schmerz oder Wärme, doch stattdessen geschah nichts.
Mondfeder neben ihr schien es auch so zu gehen, nur wunderte er sich über nichts. Er sah zu ihr und zuckte mit den Ohren. "Geht es dir gut?" Seine Stimme war besorgt und Mottenflügel sah beschämt zu Boden. "Ja, alles ist in Ordnung. Was machen wir jetzt?", fügte sie hinzu. Er deutete auf etwas hinter ihr und sie drehte sich um. Plötzlich ertönte ein Kreischen. Sie zuckte zusammen, als sie zwei Katzen sah, die sich ineinander verschlungen bekämpften. "Was machen die?", fragte sie zittrig und suchte Mondfeders Blick. Dieser beobachtete die Katzen unbeeindruckt. "So ist es jedes Mal. Sie kämpfen um das Recht der Freiheit."
Mottenflügel blinzelte irritiert. "Freiheit? Aber sie bringen sich um.", entgegnete sie und sah schockiert, wie die eine Katze, eine getigerte Kätzin, der anderen, einer roten Kätzin mit schwarzen Punkten und Pfoten, ins Genick biss.
"Sie können sich nicht umbringen, wenn der Sternenclan es nicht möchte.", erklärte Mondfeder. Mottenflügel erstarrte. "Heißt das, sie sind Verstoßene?" Er neigte zustimmend den Kopf. "So ist es. Die Siegerin darf das Lager der Verstoßenen verlassen und ein vom Sternenclan unabhängiges Leben führen." Die goldene Kätzin legte den Kopf schief und überlegte. "Wie ist das möglich?", hakte sie nach. Die Neugierde packte sie mehr als die Angst vor der Antwort.
Mondfeder trat von einer Pfote auf die andere. "Die Siegerin wird ihre alte Seele in dem Teich dort drüben ertränken." Er deutete auf ein klares Gewässer am Rand des dunklen Raumes. "Doch vorher-" Er stockte und sah weg. "Doch vorher muss sie die Verliererin in diesem ertränken, damit sich der Weg für sie öffnet. Die Macht des Sternenclans ist in diesem Fall zwecklos." Mottenflügel riss den Kopf zu ihm herum. "Was?" Sie schnappte nach Luft. Mondfeder nickte verdrossen. "Nur eine von beiden kann in die Freiheit."
Freiheit...Was ist eigentlich diese Freiheit? Ist sie es wert, dass man dafür sein Leben verlieren könnte? "Und was ist mit der Siegerin? Was meinst du mit alter Seele?", fragte die Heilerin weiter.
"Die Siegerin wird ein neues Leben beginnen. Sie wird alles vergessen, ihren Namen, ihre Familie und alles andere. Aber ihr Schicksal wird nicht mehr in den Pfoten des Sternenclans liegen. Sie wird den sogenannten Adlern beitreten, einer Gruppe von Katzen, die von den Verstoßenen abstammt.", erklärte Mondfeder geduldig und seufzte traurig. "Ich würde ihnen auch so gerne beitreten."
"Aber dann könntest du sterben!", rief Mottenflügel erschrocken aus. Seine Augen blitzten amüsiert auf. "Du sorgst dich um mich?", schnurrte er und schnippte zufrieden mit der Schwanzspitze. Mottenflügel starrte beschämt auf ihre Pfoten. Ich Mäusehirn. Kann ich nicht aufpassen, was ich sage? Zum Glück wandte der Krieger sich wieder ab. Seine Augen leuchteten überrascht auf. "Flügelherz hat gewonnen."
Mottenflügel folgte seinem Blick. Tatsächlich. Die rot-schwarze Kätzin stand keuchend vor der getigerten Kätzin, die regungslos am Boden lag. Aus unzähligen Wunden floss Blut und ihrer Flanke fehlten mehrere Fellbüschel. Beinahe hätte Mottenflügel vermutet, die Verliererin sei tot.
"Wie heißt die andere Kätzin?", wisperte sie. "Streifengesicht.", antwortete Mondfeder knapp. "Sie ist die Halbschwester von Bleichgesang, einer Königin aus unserem Lager." Mottenflügel musterte ihn neugierig. Er klang traurig, doch sein Gesicht war hart und verriet nichts. Plötzlich ertönte ein Kreischen. "Nein, bitte lass mich gehen." Mottenflügel wirbelte herum und sah entsetzt, wie Flügelherz Streifengesicht am Nackenfell packte und grob zu dem kleinen Teich schleppte. Doch die Getigerte wehrte sich verzweifelt.
"Sie wird nichts machen können.", klärte Mondfeder sie auf. Mottenflügel schluckte schwer und ein Frösteln durchzog sie. Sie ist völlig machtlos. Der Versuch zu fliehen, hat sie in den Tod getrieben. Der Sternenclan hat sie in den Tod getrieben.
Sie unterdrückte ein Wimmern und sah weg, als Flügelherz ihrer Gegnerin einen heftigen Schlag verpasste. Mondfeder verschlang seinen Schweif mit ihren, um sie zu trösten. Mottenflügel spürte, wie seine Wärme in sie herüberfloss und sie verdrängte ihre Sorgen. Es fühlt sich irgendwie richtig an. Es ist aber falsch und das weiß ich auch. Traurig ließ sie ihren Blick wieder zu den beiden Katzen schweifen. Flügelherz hielt Streifengesichts Kopf jetzt über die Wasseroberfläche. "Gleich geht es los. Gleich wird sie in die Welt der Adler übergehen."
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