Kapitel 11
Tauspitze kniff verwirrt die Augen zusammen. "Das stimmt." Mottenflügels Augen weiteten sich ängstlich und sie wich zurück. "Du...du bist tot?", stotterte sie. Der beige Kater schnurrte belustigt. "Ja und Nein.", antwortete er ruhig. Mottenflügel fauchte verärgert. "Das ist nicht lustig." Doch Tauspitze schien das anders zu sehen, denn er fischte ein Blatt aus dem Baumloch und reichte es ihr mit zuckenden Schnurrhaaren.
"Jede Katze unter den Verstoßenen ist sozusagen tot. Wir sind alle gestorben, aber nie im Sternenclan oder gar im Wald der Finsternis angekommen.", erklärte er ihr. Mottenflügel starrte ihn fassungslos an. "Das ist unmöglich. Du lebst, da gibt es keinen Zweifel."
Tauspitze nickte. "Genau, aber ich war tot.", miaute er, als wäre damit alles geklärt. "Iss diese Kräuter. Eulenstern wird dir später alles erzählen." Die goldene Kätzin murrte noch einmal, dann leckte sie das Mutterkraut vom Boden auf und schluckte es hinunter. Ein bitterer Beigeschmack überwältigte sie. "Welche Stellung hast du eigentlich unter den Clans? Und welchem gehörst du an?", mischte Tauspitze sich wieder ein.
Mottenflügel drehte den Kopf zu ihm. "Ich bin die Heilerin des Flussclans.", sagte sie knapp und beobachtete, wie der Kater überrascht aufsah. "Du bist auch Heilerin?" "Ja." Sie schnurrte. "Dann verstehst du sicher viel vom Sternenclan?", hakte Tauspitze interessiert nach. Mottenflügel zuckte zusammen. Sie wollte ihm nicht sagen, dass sie bis vor kurzem noch gar nicht an den Sternenclan geglaubt hatte. Erst seit der mystischen Botschaft von Streifenstern hatte sie es wieder getan. "Das stimmt. Schließlich leitet er unsere Pfoten auf den richtigen Pfad.", gab sie ihm trotzdem als Antwort.
Er legte den Kopf schief und schien zu überlegen. "Dann wird es für dich leichter zu verstehen, aber schwerer aufzufassen." Mottenflügel blinzelte irritiert. Wovon redet er jetzt schon wieder? Sie versuchte diese Gedanken zu verdrängen. Bestimmt kann dieser Eulenstern mir nachher alles erzählen.
Sie hockte sich hin. "Sind alle Verstoßenen von den Clans?", fragte sie neugierig. Tauspitze neigte zustimmend den Kopf. "Allerdings. Jede unter uns war in einem der vier Clans."
Auf einmal spaltete sich der Ausgang erneut und ein dunkelgrauer Kater trat ein. Seine Augen ruhten kurz auf Mottenflügel, dann wandte er sich an den Heiler. "Ist sie bereit, um mit Eulenstern zu sprechen?" Tauspitze bejahte. Der Kater drehte sich zurück zu ihr. "Mein Name ist Stachelschweif. Ein zweiter Anführer der Verstoßenen.", stellte er sich höflich vor und sein Blick verriet, dass Mottenflügel es ihm gleich tun sollte. "Ich heiße Mottenflügel. Ich bin Heilerin des Flussclans."
In ihrem Kopf wirbelten jede Menge Fragen. Warum ein zweiter Anführer? Was Eulenstern wohl möchte? Sie schüttelte sich, um Klarheit zu fassen. Stachelschweif deutete mit einem Schwanzschnippen auf den Ausgang. Mottenflügel begriff, dass sie als erste gehen sollte. Vorsichtig schob sie sich an dem Kater vorbei und musste zuerst einmal die Augen zukneifen, als die Sonnen ihr entgegenschien.
Sie war gerade aufgegangen, denn rote Schleier schwebten über den Himmel. Doch dann erkannte sie ihre Umgebung. Sie stand auf einer großen Lichtung, in deren Mitte eine tiefe Kuhle war. Auf ihrer rechten Seite zog sich eine mit Dornen verflochtene Hecke entlang. Groß genug für einen Bau. Daneben prangte ein langer Weidentunnel und zog sich von der Lichtung davon. Auf Mottenflügels linken Seite lag die Krone des liegenden Baumstamms. Seine Blätter waren mit Büschen verstärkt. Auf der anderen Seite der Lichtung sah Mottenflügel einen großen Haufen Steine. Auf ein paar besonders großen stand ein aus frischen Zweigen gesteckter Kreis, der einem gigantischen Moosball ähnelte. Neben dem Moosball waren über einen Teil der Steine lange Stöcker gelegt und mit Ranken und Blättern bedeckt. Ein gespalteter Baum, der nur noch an wenigen Fäden hing, stand an der rechten Seite des Lagers. Um ihn herum jede Menge Brombeerbüsche.
Doch das seltsamste war, dass es überall nach Katzen roch. Eigentlich nicht seltsam., schärfte Mottenflügel sich ein. Das hier scheint ja ein Lager zu sein.
Auf einmal tauchte die grau-getigerte Kätzin mit den stechend grünen Augen wieder auf, die sie vorhin schon mal gesehen hatte. "Das ist Grünauge. Eine zweite Anführerin des Clans.", flüsterte ihr Stachelschweif zu, der an ihre Seite getreten war. Mottenflügel sah ihn an. "Ich denke, du bist der zweite Anführer?" Er nickte amüsiert. "Stimmt ja auch. Aber nicht nur ein zweiter Anführer wird verbannt, weil er Feinde hat."
Sie legte den Kopf schief. Konnte diese Katzen nicht einmal normal reden?
Grünauge kam auf sie zu und neigte knapp den Kopf. "Mein Name ist Grünauge. Komm mit, sonst wird Eulenstern sauer.", miaute sie. Stachelschweif schnippte mit den Ohren in Richtung des übergroßen Moosballs. "Das ist der Anführerbau." Er lief los. Grünauge folgte ihm. Mit einem kurzen Seufzer tat auch Mottenflügel es ihnen gleich.
Während sie die Lichtung überquerte, fiel ihr eine weitere Hecke neben dem Anführerbau auf. Sie war hol, aber trotzdem bis auf einen Spalt zugearbeitet. Plötzlich lugte ihr ein grünes Augenpaar entgegen, dann verschwand es wieder. Mottenflügel erschauderte. "Der Kriegerbau." rief Grünauge ihr zu und sprang, genau wie Stachelschweif, die Felsbrocken hinauf. Die Heilerin wandte sich von der Öffnung ab. Als sie ebenfalls den Steinberg hinauf geklettert war, nickte Stachelschweif ihr zu.
Sie sträubte unsicher ihr Nackenfell und trat ein. Kühler Schatten fiel auf sie hinab. Das Licht in dem Bau war schwach und der Boden viel weicher als erwartet. In der Ecke saß ein weiß-grau getupfter Kater. Seine gelben Augen leuchteten erwartungsvoll. "Du bist also die eine.", murmelte er. Mottenflügel unterdrückte ein Fauchen. Sie hatte diese Bemerkung so langsam satt. "Ich bin Mottenflügel.", erklärte sie deshalb rasch und wartete auf eine Antwort.
"Mottenflügel also? Hast du schon einmal von uns gehört?", fragte Eulenstern förmlich. Sie überlegte. "Ja, irgendwie schon. In meinen Träumen hat mich ein Kater namens Mondfeder aufgesucht und-" "Also doch Mondfeder.", unterbrach Grünauge sie knurrend. "Ich werde ihn auf der Stelle her holen." "Mach das. Aber sei nicht zu grob mit ihm. Du weißt, wie er letztes Mal reagiert hat.", warnte Eulenstern. Grünauge nahm den Befehl an, dann sprang sie aus dem Bau.
"Mondfeder ist hier im Lager?" Mottenflügel traute ihren Ohren kaum. "Ja, wieso?", hakte Stachelschweif nach und setzte sich neben seinen Anführer. "Na ja. Er hat mich in meinen Träumen aufgesucht, also müsste er doch tot sein, oder etwa nicht?" Sie schaute von einem zum anderen. Oder?
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