Kapitel 1

Die Sonne warf schales Licht durch die Lücken des Heilerbaus. Mottenflügel blinzelte verschlafen und drehte sich weg. Dann schoss es ihr durch den Kopf.

Graunebels Junge. Sofort sprang sie auf und schlüpfte aus dem Heilerbau. Da kam ihr Maulbeerglanz entgegen. Die hellgraue Kätzin riss überrascht die Augen auf. "Mottenflügel. Bist du etwa erst jetzt aufgestanden? Du wolltest dich doch um die Jungen von Graunebel kümmern.", miaute ihre ehemalige Schülerin.

Mottenflügel trat ertappt von einer Pfote auf die andere. "Ich weiß. Ich habe nur verschlafen.", entschuldigte sie sich rasch.

Maulbeerglanz nickte knapp. "Nur ein bisschen? Es ist schon Sonnenhoch.", tadelte sie und deutete zum Himmel hoch. Dann lief sie an der goldenen Kätzin vorbei.

Mottenflügel seufzte. So bin ich kein gutes Vorbild. schnell lief sie zu der Kinderstube und steckte den Kopf durch den Eingang. Graunebel lag ausgestreckt am Boden, während ihre Jungen sich an ihrem Bauch tummelten.

"Verzeihung für die Verspätung.", meldete Mottenflügel sich zu Wort. Die getigerte Kätzin fuhr hoch und starrte die Heilerin verwirrt an. Dann kniff sie wütend ihre Augen zusammen. "Du wolltest doch schon längst hier gewesen sein.", knurrte sie.

Mottenflügel neigte den Kopf. "Es tut mir wirklich leid, aber ich war so beschäftigt.", log sie. Doch Graunebel schien sie zu durchschauen. "Du hast verschlafen, oder?", entgegnete sie spitz.

Mottenflügel wurde heiß unter ihrem Pelz. Sie hatte ihre Pflicht verletzt, das war ganz klar. Aber das konnte sie Graunebel unmöglich zeigen.

"Wie gesagt, es tut mir leid. Ich hatte so viel zu tun.", beharrte sie und schlug energisch mit dem Schwanz.

Graunebel schnaubte. Dann deutete sie auf ihre beiden Jungen. "Was ist jetzt?"

Mottenflügel nickte eifrig. "Genau. Du sagtest, irgendetwas stimmt nicht mit Malvenjunges?", fragte sie. "Allerdings. Die Blätter, die du ihm gegeben hast, haben nicht geholfen. Heute morgen hat er immer noch gehustet.", beschwerte sie sich und funkelte Mottenflügel erbost an. "Was stimmt in letzter Zeit nur nicht mit dir?"

Diese Worte trafen die Heilerin wie ein Schlag. Im letzten Mond hatte sich ihr Clan häufiger über sie beschwert. Mottenflügel wusste, dass sie Fehler machte, aber trotzdem war es hart. Einmal hatte Kiefernfell eine verdrehte Pfote und sie hatte ihm das falsche Kraut gegeben. Maulbeerglanz hatte sich anschließend darum gekümmert.

Was mache ich nur falsch? Mottenflügel seufzte. "Das war etwas anderes.", erklärte sie Graunebel höflich. Doch die getigerte Kätzin schnippte abwehrend mit den Ohren. "Unsinn. Wie kann ich darauf vertrauen, dass du dich gut um meine Jungen kümmerst, wenn du dich nicht wie eine vernünftige Heilerkatze benimmst.", fuhr sie Mottenflügel an.

Diese zuckte zusammen. Sie musste sich jetzt beherrschen. Nur mit Mühe hielt sie ihr Fell glatt und antwortete mit klarer Stimme: "Ich kann dir oder Malvenjunges nicht helfen, wenn du mir nichts erzählst."

"Ich möchte, dass du jetzt gehst.", knurrte Graunebel und nickte in Richtung Ausgang. "Ich lasse Maulbeerglanz nach ihm sehen. Sie weiß wenigstens, was sie tut."

Mottenflügel erstarrte. Wurde sie gerade von ihrer eigenen Clangefährtin davongeschickt? Unsicher neigte sie den Kopf, dann drehte sie sich um und wollte aus dem Bau treten. In den Moment murmelte Graunebel etwas vor sich hin. "...richtige Heilerkatze..." So viel konnte Mottenflügel verstehen.

Verwirrt und enttäuscht verließ sie die Kinderstube. Draußen liefen Krieger hin und her, um sich für die Patrouillen zu bewerben. Nebelfuß stand auf dem Weidenstamm, bemüht die Scharr unter Kontrolle zu behalten.

Mottenflügels Blick wanderte weiter. Vor dem Ältestenbau lag Schwalbenschweif weit ausgestreckt, neben ihr Kieselbach. Die beiden Katzen plauderten fröhlich und teilten sich einen Fisch.

Weiter hinten zeigte Feldzahn Fischpfote eine Kampftechnik. Die Schülerin sah ihm angestrengt zu, wobei ihr Blick versuchte, den einzelnen Zügen zu folgen.

Mottenflügel wandte sich ab. Sie hatte jetzt wichtigeres zu tun. Also lief sie zurück zum Heilerbau. Doch als sie dort eintrat, fand sie zu ihrer Überraschung Buchenpelz dort auf. Der hellbraue Kater lag in einem der Nester und leckte sich seinen Ballen.

"Buchenpelz? Was ist passiert?", fragte sie irritiert. Erschrocken sah er auf. In seinem Gesicht zeigte sich ein nervöses Zucken.

"Ich...also...ich meine-" Er stockte, als Maulbeerglanz in den Heilerbau trat. "Es ist alles in Ordnung.", miaute sie Mottenflügel zu. "Er hatte einen Dornen im Fuß. Ich habe ihn aber bereits entfernt."

Mottenflügel legte den Kopf schief. "Sonst noch etwas?" Maulbeerglanz zuckte mit Schultern. "Was soll noch sein? Ich habe ihn gebeten, die Wunde zu säubern und heute nicht mehr das Lager zu verlassen." Sie nickte Buchenpelz zu. "Du kannst gehen."

Der Kater erhob sich mühsam, verzog kurz das Gesicht und humpelte schließlich aus dem Bau.

Als er weg war, wandte Mottenflügel sich wieder an Maulbeerglanz. "Was war denn das?", fauchte sie. Die hellgraue Kätzin warf ihr einen besorgten Blick zu. "Du bist in letzter Zeit so abwesend. Beschäftigt dich irgendetwas?"

Mottenflügels Zorn verrauchte und sie blinzelte überrascht. "Was meinst du?", fragte sie.

Maulbeerglanz fuhr fort. "Na ja, du verwechselst Kräuter, verschläfst und heute hast du Graunebel vergessen." Sie schüttelte den Kopf. "So kann das nicht weitergehen."

Mottenflügel fixierte ihre ehemalige Schülerin. "Ich weiß, dass ich Fehler mache.", verteidigte sie sich und drehte sich weg. "Aber die macht schließlich jeder."

"Nicht du.", warf Maulbeerglanz ein. "Du hast mich gelehrt, den Clan an die erste Stelle zu setzen. Doch was du machst, ist das Gegenteil." Sie rückte zu Mottenflügel auf. "Du kannst es mir sagen."

"Ich weiß es wirklich nicht.", seufzte diese und schlug frustriert mit dem Schwanz. "Was soll ich deiner Meinung nach machen?" Maulbeerglanz starrte nachdenklich auf den Boden. "Momentan fällt mir nichts ein. Ich wecke dich morgen und dann sehen wir, wie der Tag klappt. Ansonsten könnten wir dir auch etwas Thymian zur Beruhigung geben."

Mottenflügel sprang auf. "Das ist es. Ich hole sofort etwas.", rief sie aufgeregt, doch bevor sie zum Kräutervorrat laufen konnte, trat Leopardenstern in den Bau.

"Ist alles in Ordnung?", fragte die Anführerin mit einem bedächtigen Blick auf Mottenflügel. Maulbeerglanz legte verwirrt den Kopf schief. "Ja, Mottenflügel und mir ist nur etwas eingefallen. Was können wir für dich tun?"

Leopardenstern wandte sich an die junge Heilerin. "Kräuselschweif ist gerade mit einer Nachricht gekommen. Angeblich hat Kleinwolke an der Grenze auf euch gewartet.", erklärte sie. "Die Patrouille geleitet ihn gerade ins Lager."

Mottenflügel und Maulbeerglanz tauschten einen überraschten Blick. "Pfützenglanz? Hat er gesagt, was er möchte.", hakte die goldene Kätzin nach.

Leopardenstern schüttelte den Kopf. "Das hat er verschwiegen." "Wir sind sofort bei euch.", miaute Maulbeerglanz rasch. Leopardenstern nickte knapp und trat aus dem Bau heraus.

"Was denkst du will er hier?", fragte Mottenflügel. Maulbeerglanz spähte der Anführerin hinterher. "Ich weiß nicht. Vielleicht braucht er Hilfe?"

Mottenflügel überlegte. Vielleicht. Aber was wenn nicht? Sie schlängelte sich an ihr vorbei und folgte Leopardenstern auf die Lichtung, die bereits von mehreren Kriegern befüllt war. Die Nachricht hat sich wohl schnell verbreitet. Sie tappte zu Minzfell, die sich aufgeregt mit Regensturm unterhielt.

"Wisst ihr genaueres?", fragte sie die beiden Krieger. Minzfell drehte sich überrascht zu ihr um. "Mottenflügel?" Ihre Augen weiteten sich. "Ich dachte, du würdest Kräuter sammeln." Mottenflügel runzelte irritiert die Stirn. "Nein, ich war den ganzen Tag im Lager.", teilte sie der Kätzin mit.

"Aber Moospelz hat gesagt, dass er dich beim Kräutersammeln gesehen hat.", mischte Regensturm sich ein. "Genau.", pflichtete Minzfell ihrem Bruder bei.

Mottenflügel sah die beiden Katzen kurz an, dann nickte sie ihnen zu. "Ich werde sie nachher darauf ansprechen.", miaute sie ihnen zu und wandte sich ab.

Seltsam...Warum sollte Moospelz lügen? Dazu hat sie keinen Grund, oder doch? Mottenflügel schob diese Gedanken beiseite. Schließlich kam Kleinwolke gleich, weshalb auch immer. Auf den Punkt strömte ihr der bittere Geruch des Schattenclans entgegen.

Angestrengt sah Mottenflügel zum Eingang herüber. Schilfbarts Patrouille trat ins Lager. Er an der Spitze. Hinter ihm liefen Drosselpfote und Kiefernfell und zwischen den beiden Kleinwolke.

Der Heiler sah erschöpft aus. Sein Fell war struppig und über seine Flanke ging ein langer Kratzer.

Mottenflügel riss entsetzt die Augen auf. Was ist denn mit Kleinwolke passiert?

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