Kapitel 11 - Der Beweis
PoV Casey
Die nächsten Tage waren ohne große Ereignisse verlaufen und bei mir hatte sich allmählich mein gewohnter Alltag eingespielt. Ich bin jeden Morgen wie immer um zehn vor fünf aufgestanden, um sieben ins Büro gefahren und abends gegen neunzehn Uhr wieder nach Hause gekommen, wo ich nichts Anderes wollte, als mich in mein Bett zu legen und nicht an irgendwelche Analysen zu denken. Allein schon, wenn ich Zahlen nur sah bekam ich innerlich schier die Krise. Theodore war unterdessen fleißig am Schreiben. Entweder in der Wohnung oder er nutze die Pausen zwischen den Vorlesungen an der Universität, in der er jetzt mehr Zeit verbrachte, da die Prüfungen bevorstanden und er seine Studenten so gut wie möglich darauf vorbereiten wollte. Sie lagen ihm wirklich alle unglaublich am Herzen und er ließ sie immer nur schweren Herzens gehen. Und genau deshalb sahen wir uns sehr selten. Ab und zu morgens, wenn ich auf dem Sprung ins Labor war und er gemütlich seinen Kaffee trank. Den einen oder anderen Entwurf seiner Kapitel drückte mir dabei beiläufig in die Hand, sodass ich in einer freien Minute im Labor die Zeilen schnell überfliegen konnte. Alles in einem war ich wieder voll in meinem normalen stressigen Leben.
In der ganzen Zeit hatte ich von Jackson lediglich eine kurze Nachricht erhalten, in der er sich entschuldigt hatte, dass er nicht wie abgemacht angerufen hatte und dass er verreisen würde und dann vermutlich nicht erreichbar sein wird. Aber er versprach sich sobald er zurück war nochmal persönlich bei mir zu melden. Um ehrlich zu sein hatte ich mich im ersten Moment darüber gefreut, wenigstens etwas von ihm zu hören, da ich langsam die Hoffnung aufgegeben hatte, dass ich jemals wieder was von ihm hören würde. Aber jetzt...naja, so kurz angebunden wie die Nachricht war und so...unpersönlich...war ich zugegeben schon etwas enttäuscht.
Elisabeth hatte sich ebenfalls bei uns gemeldet und sich nach dem derzeitigen Zustand des Buches erkundet. Sie und Theo haben meines Wissens nach fast über zwei Stunden telefoniert, ehe ich die Möglichkeit bekam, mich nach allen anderen außer Jackson zu erkunden. Irgendwie wollte ich daraus keine große Sache machen, so war ich einfach nicht. Ich musste schließlich schmerzlich erfahren, dass es sich nicht lohnt anderen hinterher zu trauern und dass hat mich in der Vergangenheit nur unnötige Zeit gekostet. Und außerdem ist zwischen uns ja auch eigentlich nichts gewesen. Klar wir haben uns ausgesprochen gut verstanden und haben gerne Zeit mit dem anderen verbracht. Wenn überhaupt, war das eine einfache Freundschaft. Nicht mehr und nicht weniger. Das versuchte ich mir jedenfalls immer öfter einzureden, obwohl ich tief in mir drin etwas Anderes wollte. Vermutlich wollte ich mich einfach nur darauf vorbereiten, dass die Wunden nicht so tief werden würden.
Und der Zeiger sprang...auf die zwölf. Innerlich explodierte ein Feuerwerk vor lauter Freude darüber, dass ich jetzt Feierabend hatte. Fröhlich sprang ich auf und trug den vorletzten Ordner in den Karton. Thomas betrachtete das ganze Schauspiel grinsend und pfefferte ebenfalls seinen Ordner von sich. »Meine Güte. Zum Glück haben wir's bald geschafft. Das ist sowas von langweilig diese blöden Zahlen in die Tabellen zu übertragen. Da hätten die auch eindeutig einfache Hausfrauen für nehmen können, statt uns. Was würde ich dafür geben meinen Kittel anzuziehen und die Untersuchungen der Hautproben zu machen«, verträumt sah aus dem Büro. Ja, ich würde auch lieber etwas Anderes machen. »Noch zwei Wochen, dann gehört der Flügel wieder uns und keine unfreundlichen Mitarbeiter von Raiden belegen ihn.« Das war wirklich so. Irgendwie hegte ich die Vermutung, dass die sich für was Besseres hielten. Wenn wir vorbeiliefen und freundlich und höflich grüßten, kamen nur düstere böse Blicke zurück. Mal ehrlich, was hatten wir denn getan. Am ersten Tag haben wir uns schon darüber aufgeregt, aber mittlerweile machten wir uns einfach nur noch lustig. Man durfte sich eigentlich über nichts von Raiden aufregen, denn es half sowieso nicht. Wir wussten jetzt nach mehreren Tagen Arbeit noch genauso wenig wie zu Beginn. Einfach komisch. Ich zog meinen Mantel an und nahm meine Tasche und meinen Schlüssel und verließ mit Thomas das Büro. Wir schlenderten gemütlich aus dem Gebäude heraus und liefen zu unseren Wagen. »Oh Casey das hätte ich ja beinahe vergessen«, verwundert sah ich zu ihm, während er in seinem Rucksack wühlte und ein Blatt rauszog. Lächelnd hielt er es mir hin. »Das haben die Mädchen für dich gemacht.« Das Bild war voll mit Glitzer und Stickern von Tieren und in der Mitte prangte groß und fett mein Name. Die Beiden waren einfach zum Anbeißen. »Oh, sag ihnen vielen Dank. Das ist wirklich wunderschön und bekommt einen Ehrenplatz.« Ich verstaute es in meiner Tasche. »Wenn du Lust hast, am Samstag wollten wir mit den Nachbarn grillen. Clary und die Kids würden sich freuen, wenn du kämst.« In mir machte sich ein unwohles Gefühl breit. Ich mochte seine Familie und ihn ja, aber ich war nicht so gerne dabei, wenn es um Freunde von ihnen oder so ging. Ich fühlte mich dann einfach fehl am Platz. »Theo und ich wollten noch ein paar Sachen in der Bibliothek besorgen, aber ich schau mal ob ich am Sonntag zum Kaffee vorbeikommen kann.« »Sehr schön, da werden sich die beiden freuen.«
Ich startete den Motor und betete, dass er mich nicht im Stich ließ. Er lief zwar nicht glatt, aber ich fuhr einfach los. Erleichtert, dass der Tag endlich vorbei war, drehte ich das Radio etwas lauter als sonst und klopfte im Takt der Musik aufs Lenkrad. Meine gute Laune war in vollem Schwung, selbst als ich dem dunklen Waldstück näherkam, durch dass ich absolut gar nicht gerne fuhr.
Ich kam dem Waldstück immer näher und war schließlich mittendrin, als Rauch aus der Motorhaube kam und der Wagen immer langsamer wurde, bis er schließlich stehen blieb. Verzweifelt und genervt zugleich versuchte ich ihn von neuem zu starten, aber er wollte einfach nicht mehr anspringen. Hätte ich ihn doch bloß gestern in die Werkstatt gebracht und wäre lieber mit dem Bus gefahren, dann hätte ich den ganzen Salat jetzt nicht. Ich raufte mir die Haare, stieg aus und lief nach vorne und öffnete die Haube, worauf ich sogleich von einer dunklen großen Wolke Rauch umgeben wurde. Hustend wedelte ich mit meiner Hand mein Sichtfeld frei und warf einen Blick auf das Innenleben, von dem ich rein gar nichts kannte. Mit Autos hatte ich wirklich nichts am Hut.
Seufzend ließ ich mich wieder auf meinem Sitz nieder und griff nach hinten um meine Tasche nach vorne zu holen und nahm mein Handy raus, damit ich den Abschleppdienst anrufen konnte. Zum Glück gab es hier Netz und ich konnte bei der Auskunft anrufen, die mich weiter verband. Der Mann vom Abschleppdienst meinte es würde schon so ungefähr eine dreiviertel Stunde dauern, bis er da sein könne, aber ich konnte ja nicht ablehnen, also sagte ich zu und versicherte ihm mich bei meinem Wagen aufzuhalten, damit er mich ja nicht suchen müsse. Als würde ich jetzt eine Wanderung durch den Wald machen. Also saß ich da, starrte nach draußen in den Wald und beobachtete die Vögel, bis ich in der Ferne eine Person entdeckte. Sofort verschloss ich das Auto und machte mich kleiner. Wer weiß, was das für Typen sind, die sich hier rumtreiben. Doch je näher die Person kam umso mehr konnte ich erkennen, dass es eine Frau war.
Es war eine Joggerin, die panisch auf mein Auto zu rannte und wie verrückt an die Scheibe klopfte. Sie schrie und war total panisch. Ihr Gesicht war von Schrammen und blutigen Kratzern geziert. Ich bekam es mit der Angst zu tun. Was war das? »Sie kommen! Sie kommen!« Erschrocken und auch leicht panisch entdeckte ich, dass die Frau verfolgte wurde, von Füchsen, die wild fauchend und zähnefletschend auf sie zu rannten. Geistesgegenwärtig entriegelte ich das Auto und ließ die Frau einsteigen. Kaum hatte sie die Türe hinter sich zugezogen und ich hatte das Auto wieder verriegelt, sprangen sieben oder vielleicht sogar zehn Füchse wie wild auf das Auto, kratzen und fauchten. Sie waren überall über uns, neben uns, hinter uns. So hatte ich Füchse in freier Wildbahn noch nie erlebt. Das komische war, sie hatten auch keinen Schaum vorm Mund, sodass man darauf hätte schließen können, dass sie tollwütig wären. Die Frau schrie und klammerte sich verzweifelt an meinen Arm. Ich wusste nicht was ich machen sollte. Fortfahren konnte ich ja nicht, also blieb uns nichts Anderes übrig, als zu hoffen, dass entweder Hilfe kam oder dass die Füchse von alleine gehen würden. Beruhigend sprach ich auf die Frau ein, und schaute nach draußen auf die Motorhaube, auf der die Füchse saßen und gegen die Scheibe sprangen. Verwundert beugte ich mich nach vorn um die Augen des Fuchses vor mit besser sehen zu können. Ich wollte nicht glauben was ich sah, aber das sah aus wie...der trotzige Blick. Der trotzige Blick, von dem Jackson und Theo behaupteten, dass er nicht existierte. Konnte das sein? Oder spielte mir mein Verstand einen Streich? Nein, denn die anderen Füchse, hatten ihn ebenfalls. Schnell nahm ich mein Handy und fotografierte es. All diese Angriffe, konnten kein Zufall sein. Erst die Löwen, dann die Vögel und jetzt das? Vor allem gab es um diese Jahreszeit nie so viele Füchse.
»Was sollen wir jetzt machen?«, fragte die Frau verzweifelt neben mir, während ich immer noch gebannt nach vorne starrte. Sie rüttelte an meinem Arm und ich sah zu ihr. »Ich weiß es nicht. Wir sollten Hilfe rufen.« Schnell wählte ich den Notruf. »Notrufzentrale, was kann ich für sie tun?«, meldete sich eine freundliche Frauenstimme. »Hallo? Hier ist Casey Morgan. Ich sitze mit einer weiteren Frau in meinem Auto fest. Wir werden von Füchsen angegriffen. Sie müssen schnell kommen, ich weiß nicht was wir machen sollen.« Am anderen Ende war es kurz still. »Gut Miss Morgan ich schicke ihnen Hilfe. Wo befinden sie sich genau?« Ich gab ihr unseren Standort durch und legte dann auf. Die Frau neben mir fing an zu weinen. Sie war komplett am Ende. Vorsichtig legte ich ihr eine Hand auf die Schulter und wollte versuchen, sie zu beruhigen. Ich hatte nicht wirklich eine Ahnung, was ich mit ihr machen sollte. Normalerweise mied ich solche Situationen. Die Füchse wurden immer wilder und sprangen noch heftiger gegen die Scheibe. Hoffentlich hält die das aus, bis Hilfe kommt.
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