Kapitel 10 - Zurück an die Arbeit

PoV Casey
Müde nippte ich an dem frisch aufgebrühten Kaffee und strich mir eine lose Haarsträhne hinters Ohr, die sich aus meinem Dutt gelöst hatte und mir immer wieder ins Gesicht fiel. Ich gähnte unterdrückt und lief mit meinem Kaffee zurück ins Labor. Wäre ich doch gestern Abend bloß früher ins Bett gegangen. In diesem Moment verfluchte ich meine Fehlentscheidung. Theo und ich sind gestern noch stundenlang bis tief in die Nacht an den Unterlagen und Fotos gesessen und haben eine grobe Struktur für den Erstentwurf seines Buches erstellt. Nicht, dass es keinen Spaß gemacht hätte. Im Gegenteil, es war so interessant und spannend und bei jedem Foto, konnte ich Theo einiges erzählen, das ich von Jackson und Abraham erzählt bekommen habe. Nur leider hieß es heute Morgen wieder früh raus aus den Federn und gutgelaunt im Labor zu erscheinen. Sonderlich viel Lust hatte ich nicht, grad weil heute die Zusammenarbeit mit Raiden begann. Normalerweise hielt ich mich bei solchen großen Sachen heraus um nicht im Mittelpunkt zu stehen oder so. Aber die Draufzahlung des Gehaltes war nun mal nicht nur ein paar Hunderter und das Geld konnte ich für die Reparatur meines Autos gut gebrauchen. Auch wenn es dafür hieß: Augen zu und durch.
Ich stieß die schwere Türe auf und starrte fassungslos auf den riesigen Stapel Ordner und Akten. »Was ist das denn?«, sagte ich leicht erschüttert in den Raum und hatte eigentlich keine Antwort erwartete. Aber hinter den Stapeln tauchte auf einmal das verwunderte Gesicht von Thomas auf, meinem Laborpartner und besten Freund. »Casey! Du meine Güte!« Strahlend sprang er auf, eilte zu mir und schloss mich fest in seine Arme. Im ersten Moment war ich etwas überrumpelt, aber dann musste auch ich bis über beide Ohren grinsen, denn ich freute mich unheimlich ihn zu sehen. Dann würde der Tag wenigstens nicht ganz so trist werden. »Ich wusste gar nicht, dass du heute schon wiederkommst. Aber ich freu mich. Wie war's in Botswana?« »Botswana war großartig. Das wäre genau das Richtige für dich, Clary und die Kinder«, meinte ich zu ihm und löste mich aus seiner Umarmung. Dann drückte ich mich an ihm vorbei zu meinem Schreibtisch. Oder besser gesagt zu dem, was noch von meinem Schreibtisch zu sehen war. Verzweifelt fasste ich mir an die Stirn. »Das alles sollen die Unterlagen für Raiden sein? Haben die schon mal daran gedacht, dass sie all ihre Daten auch digital verwalten könnten? Für was soll das eigentlich alles sein?« Neugierig nahm ich wahllos einen der Ordner in die Hand und schlug die erste Seite auf. Schnell überflog ich die ersten paar Zeilen und stellte verwundert fest, dass mehrere Zeilen unter der Parabeldarstellung geschwärzt wurden. Thomas trat neben mich und warf einen Blick über meine Schulter. »Mhh, sieht aus wie eine Analyse«, stellte er nachdenklich fest. Ja, da hatte er recht, aber außer der Darstellung und ein paar Zahlen, waren gar keine Daten angegeben. Ich blätterte ein wenig in dem Ordner herum, aber nirgends war auch nur mehr als ein Wort lesbar. »Wie soll ich das denn auswerten, wenn hier nichts steht? Schau.« Ich hielt ihm dem Ordner hin und er ergriff ihn, während ich einen anderen Ordner aufschlug. Auch hier waren zwar die Ergebnisse aufgeführt, aber keine Informationen.
Thomas zuckte mit den Schultern und gab mir den Ordner wieder, als plötzlich die Tür aufging und Mister Jefferson, der Leiter des Labors, mein Chef, hereinkam. Er lächelte künstlich. »Ahh, schön sie zu sehen Doktor Morgan. Ich hoffe sie haben ihren Urlaub genossen. Wie ich sehe haben sie sich bereits ein wenig mit den Unterlagen vertraut gemacht.« Der weißhaarige, ältere Mann kam auf uns zu und begrüßte uns mit einem Handschlag. »Guten Morgen, Mister Jefferson. Ja, ich bin grad dabei mir einen kleinen Eindruck zu verschaffen. Aber...« Ich öffnete eine Seite in dem Ordner und zeigte sie ihm. Er rückte seine Brille zurecht und sah mich abwartend an. »ähm, wie sie hier sehen, stehen hier keinerlei Angaben, Daten oder Informationen zur Experiment- oder Analysedurchführung. Nicht einmal die Untersuchung von verschiedenen Proben ist beschriftet. Deshalb weiß ich nicht, wie ich das ohne die zugehörigen Daten auswerten soll.« Er warf einen kurzen Blick drauf und nickte dann verständnisvoll. »Keine Sorge Doktor, ich habe ihnen per E-Mail die Auswertungstabellen weitergeleitet, die Raiden Global für diese Experimente und Untersuchungen aufgestellt hat. Sie sollen lediglich die Werte ablesen und in die bereits vorgefertigten Dokumente übertragen.« Fragend runzelte ich die Stirn und schaute zu Thomas, der genauso verwirrt schien wie ich. Was sollte das denn? Um das alles besser zu verstehen hakte ich nochmal nach. »Wie? Sie meinen, dass ich einfach die Tabellen benutzen soll und fertig? Dürfen wir denn gar nicht erfahren, was wir da auswerten? Entschuldigen sie, wenn das jetzt etwas aufdringlich oder so rüberkommt, denn das soll es keineswegs. Aber ich denke wir haben doch ein Recht darauf zu wissen, an was wir da mitarbeiten, oder?« Mister Jeffersons Miene wurde düster und rasch zog er mir den Ordner aus der Hand und legte ihn zurück auf meinen Schreibtisch. »Sie haben Aufträge und daran halten sie sich auch! Sie stellen keine Fragen und halten sich an die Vorgaben. Haben sie mich verstanden? Sie beide!?« Wir nickten einfach, ehe Jefferson aufgebracht den Raum verließ. »Was war das denn?« Thomas sprach laut aus, was wir beide dachte. So hatte ich meinen Chef noch nie erlebt. Er war eher von der ruhigeren Sorte und pflegte immer ein sehr gutes Verhältnis zu seinen Mitarbeitern. »Keine Ahnung«, meinte ich schulterzuckend.
Ein paar Stunden später stand ich vor dem Laboreingang und lauschte nervös und Fingernägel kauend auf das Verbindungssignal meines Handys. »...hier ist die Mailbox von Jackson Oz. Bitte hinterlassen sie eine Nachricht nach dem Tonsignal...« Enttäuscht nahm ich mein Handy vom Ohr und legte auf. Ich lief zurück zu Thomas, der am Imbiss auf mich wartete. »Alles klar?«, fragte er mit einem Nicken in Richtung Handy. Ich wehrte ab. Ich wollte daraus keine große Sache machen. In der Savanne gab es nun mal kein sehr gutes Handysignal, das hatte ich ja am eigenen Leib erfahren. Jackson würde sich garantiert noch melden und immerhin bin ich ja erst vor drei Tagen abgereist. Ich machte mir einfach viel zu viele Gedanken. Es war wirklich grauenvoll. Ich verhielt mich wie eines dieser total verknallten Mädchen, die täglich ihrem Schwarm hinterher telefonierten. Dabei war das bei uns ja nur eine einfache Freundschaft. Nicht mehr und nicht weniger.
»Hier«, Thomas reichte mir eine dampfende Portion frisch ausgebackener Pommes, »eine Portion von Dudleys besten Pommes in ganz Standford. Lass es dir schmecken«, meinte er freudestrahlend und voller Vorfreude wie ein kleines Kind. Ich konnte nicht anders und musste loslachen. Keine sehr gute Wahl, vor allem weil ich eigentlich kein Fan von Fast Food war. Aber was anders gab es in der Nähe des Labors nicht und um in die Stadt zu fahren, war die Mittagspause einfach viel zu kurz. Meistens brachten wir uns deshalb was von zu Hause mit. Ich tunkte meine Pommes in den Ketchup und wollte gerade abbeißen, als zwei wütende Männer streitend aus dem Laborgebäude kamen. Einer von ihnen war dunkelhäutig und regte sich besonders über den anderen Mann auf. »Was haben die denn?«, verständnislos schaute Thomas zu den beiden und ich aß gemütlich weiter. »Wahrscheinlich irgendwelche Probleme bei den Experimenten, der Bezahlung oder so« meinte ich schulterzuckend.
»Sag mal«, begann ich zögernd, »hast du das mit dem Löwenangriff in LA mitgekriegt?« Ich musste einfach darüber sprechen, denn ich fand die ganze Sache irgendwie seltsam. Vielleicht redete ich mir da auch nur etwas ein, aber trotzdem ließ es mich nicht los. Thomas nickte und schluckte eine Pommes hinunter. »Ja, echt schlimm. Stell dir das mal vor: Du gehst nachts mit deinen Freunden in die Stadt, denkst dir nichts dabei und...plötzlich greifen dich zwei Löwen an. Und dass in LA, der Partystadt.« »Was du nicht sagst. Mir tun die Familien leid. Sie werden nie eine richtige Erklärung dafür bekommen, weshalb ihre Söhne sterben mussten. Dass wird sie sicher ihr ganzes Leben lang verfolgen. Wieso sie?«, meinte ich und musste unwillkürlich aufsteigende Tränen zurückhalten und verdrängte die aufkommenden Erinnerungen. Sie sollten dort bleiben wo ich sie hin verbannt hatte. »Dich nimmt das alles anscheinend mehr mit, hab ich Recht? Es gibt bestimmt eine einfache Erklärung.« »Sicher«, antwortete ich, obwohl ich anderer Meinung war und wechselte das Thema. Nachdem wir fertig gegessen hatten bezahlte ich das Essen an der Bude.
»Komm wir gehen wieder rein. Die Pause ist sowieso in zwei Minuten vorbei. Sonst macht uns Mister Jefferson noch die Hölle heiß.« Wir liefen auf den Eingang zu und ich warf unauffällig noch einen kurzen Blick auf mein Handy. Hoffentlich war Jackson nichts passiert.

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