Kapitel 6
Das Erste was ich fühlte waren schmerzende Augen, als würde ich die Nacht durchgeweint haben. Vorsichtig öffnete ich sie, wissend, dass ich bald in den Unterricht musste, doch was ich sah, war nicht mein Zimmer sondern ein anderes. Träumte ich? Wieso fühlte der Schmerz an meinen Augen so echt an? Ich sollte nicht länger daran denken, sollte lieber aufstehen. Je länger ich meinen Blick durch den Raum, in dem ich mich befand, schweifen lies, desto sicherer war ich, dass etwas nicht stimmte. Die Bettdecke war nicht meine, sie roch auch ganz anders. Auch wenn mir der Geruch fremd war, lies er mein Herz laut klopfen. War ich etwa krank? Ich zog die Decke von meinem warmen Körper weg und stellte fest, dass nichts davon mir gehörte. Die Pyjamahose, das weite Tshirt. Alles Sachen von einem Fremden. Besser ich stand erstmal auf.
Ich drehte meinen Kopf nach links und sah direkt in eine kleine Postkarte, die an Nachtkästchen befestigt war: 'Engel müssen immer hübsch sein und lächeln'. Ich runzelte mit der Stirn. So eine Postkarte besitze ich nicht mal, trotzdem lies es mich irgendwie an Felix denken lassen. Mein Herzschlag beschleunigte sich, als ich an den hübschen Jungen denken musste. Wie es ihm wohl geht? Bestimmt gut. Nachdem ich mich aus dem Bett gequält hatte, fielen mir blonde Strähnen ins Gesicht und irgendwie fühlte ich mich viel leichter, als würde ich kaum etwas essen. Vorsichtig strich ich mir mit der Hand über das Shirt, wo ich deutlich die Rippen spüren konnte. Was war nur los? Das war nicht ich. Vielleicht wusste jemand anderes, was mit mir passiert war. Wem gehört der viel zu dünne Körper mit den blonden Haaren und den verweinten Augen? Langsam lief ich durch das Zimmer und sah, das überall Zeichnungen von Engeln hingen. Die Flügel so weiß und groß gezeichnet. Sie hatten etwas Friedliches an sich, wenn man nicht in ihre Gesichter schaute, denn diese waren nicht friedlich gestimmt. In ihnen lag eine tiefe Traurigkeit, als würden sie nur Schmerz kennen. Wer auch immer die Person ist, sie muss bestimmt traurig sein, denn glückliche Menschen zeichnen nichts trauriges. Das Zimmer erinnert mich so sehr an Felix.
Mein Blick fiel auf einen kleinen Wandspiegel neben der Tür. Wenn ich schon nicht weiß, wer ich bin, will ich wenigstens wissen, wie mein 'Neues Ich' aussieht, deswegen lief ich in Richtung des Spiegel. Was ich darin sah, raubte mir den Atem. Mein Spiegelbild zeigte Felix. Was bedeutete das? Vorsichtig berührte ich sein Gesicht und jede Berührung spürte ich, als würde ich in sein Körper gekrochen sein und ihn verdrängt haben. Als würde ich Felix sein. Das ist nur ein Traum. Ein trauriger Traum, denn wenn ich Felix bin, dann ist das sicher auch sein Raum. Deswegen fühlte ich mich wohl, als ich seinen Duft in seinem Bett gerochen hatte, deswegen schlug mein Herz dort so heftig. Alte Filme von solchen Situationen tauchten in meinem Kopf auf. Was ist wenn wir den Körper getauscht hatten und Felix steckte jetzt in meinem? Das klang einfach zu unrealistisch als dass es wahr werden könnte, aber ich steckte hier in Felix Körper. Wenn das so war, und das bezweifelte ich einfach, wie lange musste ich dann in seinem Körper bleiben? Wieso war das passiert? Weil ich mir gewünscht habe Lee Felix zu sein?
Auch wenn ich Felix bin, musste ich zur Schule und deswegen suchte ich nach einem Schrank, um mich umzuziehen. Vergebens. Anstelle einem Schrank fand ich aber zwei weitere Türen in meinem Zimmer, die sich als Badezimmer und als begehbarer Kleiderschrank herausstellte. Felix Familie besaß wohl Geld. Ich lief rein und suchte mir etwas von Felix hübscher Kleidung aus. Wie wäre es mit einer ripped Jeans und die rote Lederjacke? Ich würde bestimmt richtig gut aussehen damit. Okay, Felix würde gut damit aussehen. Gab es noch Accessoires hier? Der Raum war noch nicht zu ende, deswegen lief ich tiefer rein. Meine Lippen verformten sich zu einem Lächeln, als ich sah, das Felix auch Rosenschmuck besaß. Da war eine schöne Kette mit einem roten Rosenanhänger und einen Rosenring. Den streifte ich mir über. Wenigstens fühlte ich mich etwas mehr nach mir, obwohl ein Traum für mich wahr geworden war. Ich war Felix, mein Schwarm, der für mich immer unerreichbar war. Stundenlang könnte ich seine Schönheit im Spiegel betrachten und meine Hände über seinen hübschen Körper gleiten lassen aber das traute ich mich nicht. Nachdem ich die kleine Schublade mit dem Schmuck schließen wollte, bemerkte ich einen kleinen Zettel, der fast rausflog, als ich die Schublade zu machen wollte. Vorsichtig hielt ich in in meiner Hand. Dort stand was drauf geschrieben: 'Rette mich, Rosenjunge'.
Mein Herz spielte verrückt, nachdem ich das gelesen hatte. Felix wollte, dass ich ihn rette. Ich, Hyunjin. Der unscheinbare Junge, der Rosen mehr mochte als Menschen. Nervös biss ich auf meine Lippen, weil mich meine Gefühle für Felix im Moment zu sehr mitnahmen. Felix hat nie mit mir geredet, aber diese Nachricht bewies mir, dass er auf mich geachtet hatte und sich meine Hilfe wünschte aber vor was soll ich ihn denn retten? Es gab nichts, was Felix fehlte. Er hatte alles. Außer einem gesunden Körper. Als ich mich umziehen wollte, sah ich, dass ich vorher untertrieben habe. Er war so stark abgemagert, dass ich jeden Knochen unter meiner Berühren spüren kann. Deswegen hatte er so eine hübsche Figur.
Weil er sich schön gehungert hatte.
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