14
"Was??! Er will dich wegen Beihilfe melden? Das ist doch irre!", ertönte Devans entsetzter Tonfall aus dem Schlafzimmer.
Ich hob die Schultern, erhob mich von meinem Stuhl und räumte unser benutztes Frühstücksgeschirr ab. Ich lief barfuß nur mit einem Nachthemd bekleidet in die Küche und stellte es klappernd auf den Tresen.
"Das sieht ihm so gar nicht ähnlich", meinte er plötzlich und stand unvermittelt im Türrahmen, als ich mich umdrehte. Er war oberkörperfrei und gut bemuskelt, musste ich zugeben, und ich war diesem Anblick nicht abgelehnt. Im Gegenteil.
Als ich wieder ins Schlafzimmer gehen wollte, versperrte er mir den Weg. Der Ausdruck in seinen Augen kam mir sehr bekannt vor. Viel zu bekannt.
Ich seufzte. "Weißt du, gestern sah er so gar nicht reuevoll oder mitleidig aus", meinte ich und verschränkte die Arme vor meiner Brust und musterte ihn. "Du denkst, es ist ernst."
Er legte den Kopf schief, machte aber keine Anstalten, mich vorbei zu lassen. "Was ich denke, spielt keine Rolle." Sein Blick war intensiv, aufrichtig. "Er hat dich echt gern, das muss dir doch aufgefallen sein."
Ich betrachtete ihn eine Weile, wie er da stand, ehe ich mich an ihm vorbeidrängelte. Er konnte echt süß sein, wenn er wollte. "Das glaubst du doch selbst nicht."
Ich konnte förmlich hören, wie er die Augen verdrehte. "Er würde dir sowas nie antun. Du bist doch sein Küken."
Entsetzt drehte ich mich zu ihm um. "Was?!", fragte ich entgeistert.
Er seufzte und stieß sich vom Türrahmen ab. "Komm' schon, dir ist doch sicher aufgefallen, wie sehr er versucht dich zu beschützen. Immerhin bist du die Jüngste unter uns."
Ich rollte mit den Augen. Klar, Devan war vor mir schon drei Jahre beim FBI gewesen und Lou war auch 1 Jahr länger da als ich. Trotzdem war ich schon 28 und sie erst 26. Devan war natürlich mit Abstand der Älteste mit 35. Marc selbst war 34. Er hatte zwar immer versucht es geheimzuhalten, aber wir waren halt Ermittler. Gute Ermittler, um das nochmals zu betonen.
"Lou ist aber noch jünger als ich", widersprach ich und sammelte meine Kleider ein, die ich gestern Abend einfach fallen gelassen hatte.
"Lou ist aber nicht seine direkte Untergebene."
Jetzt war es an mir zu seufzen und ich hielt inne. Er hatte ja Recht. Trotzdem glaubte ich ihm nicht. Ich konnte und wollte ihm nicht glauben.
Genervt drehte ich mich zu Dave um, der mit verschränkten Armen im Zimmer stand. "Dass er jemanden mag, hat ihn noch nie davon abgehalten, ein Arsch zu sein."
Dave's Mundwinkel zuckten amüsiert. "Sei bloß vorsichtig, das klingt mir stark nach Frust. Läuft da was zwischen euch, von dem ich nichts weiß?"
Ich schnappte entsetzt nach Luft und riss die Augen auf. "Niemals! Er ist mein Boss."
Dave's Grinsen wurde zu einem teuflischen Schmunzeln, als er abschätzend die Augen zusammenkniff. "Klingt eher, als könnte das aufregend werden."
Ich verdrehte die Augen in seine Richtung und widmete mich wieder meinen auf dem Boden verteilten Klamotten. "Du kennst doch seine Regeln."
Er schien seine Position im Zimmer verändert zu haben, denn seine Stimme kam aus einer anderen Richtung. "Regeln sind da, um gebrochen zu werden."
Mit Schwung wandte ich mich um und schleuderte eine fast leere Cola-Flasche in seine Richtung, die er überraschenderweise sogar fing. "Du bist bescheuert!"
Dave's Lippen umrandeten seine weißen Zähne, als er den Mund zu einem Lachen formte und die Cola-Flasche aufschraubte. Er nickte in meine Richtung und prostete mir mit der aufgeschraubten Flasche zu. "Ich bin immer bereit für hilfreiche Beziehungstipps." In ein paar Zügen hatte er die Flasche geleert.
Ich beobachtete, wie sein Kehlkopf hüpfte, wenn er schluckte, und das Spiel seiner Muskeln. "Jaja, red' mit der Hand, ich gehe jetzt duschen."
Ich kam heute wieder nicht dazu joggen zu gehen. Devan hatte bei mir gesschlafen und wollte das weiterhin tun, bis er ein Zimmer hatte. Ich hatte kein Problem damit. Wir hatten uns beide schon öfter nackt gesehen als unsere (zeitlich mehr oder weniger begrenzten) Sexualpartner. Vielleicht war das ein Grund, warum wir beide noch single waren. Bei Observationen oder Undercover-Missionen teilten wir uns oft ein Zimmer. Wir hatten sogar bis vor kurzem zusammen gewohnt. Seit fünf Jahren war ich beim FBI und bei meiner Ankunft hatte mich Devan sofort unter seine Fuchtel genommen. Marc... Wenn ich so überlegte, war er in der Zeit echt komisch gewesen. Nach dem, was mir Devan erzählt hatte, könnte ich fast glauben, er wäre eifersüchtig auf Devan gewesen. Aber das konnte ich nicht glauben. Marc's Verhalten war von Natur aus echt merkwürdig.
Devan und ich waren recht schnell beste Freunde und ich musste zugeben, dass Devan mich am Anfang auch ziemlich umworben hat, aber ich hatte ihn eiskalt abblitzen lassen. Er war einfach nicht mein Typ. Nach den ersten Jahren ging auch das vorbei und ab da hatten wir auch öfter mit Alex zusammen gearbeitet. Dann hatte sich auch Marc mir gegenüber geöffnet. Aber er war eben Marc und vieles um ihn blieb ein Rätsel. Das zu lösen hatte ich nach weiteren zwei Jahren aufgegeben und widmete mich von da an voll und ganz den Fällen, die reinkamen.
Vier Jahre lang war ich Agentin auf Probe, bis ich meine finale Prüfung bestand. Zu der Zeit war auch das mit dem Verdächtigen passiert, in den ich mich verliebte. Angewidert verzog ich das Gesicht, als hätte ich auf eine Zitrone gebissen. Ich erinnerte mich nicht gerne an meine Fehler. Aber Devan zog mich nur allzu gerne damit auf. Und auch Marc pflegte mich regelmäßig daran zu erinnern, wenn ich Mal wieder was vermasselt hatte.
Wie in diesem Fall. Ich verdrehte die Augen und spielte an meinem Blusensaum herum, an dem sich langsam, aber sicher ein Faden löste, und lauschte gelangweilt Marc's Standpauke, von wegen "er erwarte mehr Loyalität von seinen Untergebenen während solch einer wichtigen Ermittlung". Man könnte meinen, wenn er es ernst meinen würde, würde er seine Moralpredigten immer der jeweiligen Situation anpassen, aber tatsächlich glich sie fast wortwörtlich den anderen, die ich mir schon hatte anhören dürfen.
Nachdenklich betrachtete ich seine Hände und dachte darüber nach, wie sie sich wohl an der Haut meines Gesichtes anfühlten. Ich biss mir auf die Unterlippe. Verdammt, seit wann hatte ich solche Gedanken? Vor allem im Bezug auf meinen Boss? 'Seit mir Devan heute morgen die teuflische Idee in mein Hirn gepflanzt hat', wusste ich mir selbst zu antworten.
"Wenn Sie nicht damit aufhören, reiße ich sie Ihnen runter." Marc starrte mich unverhohlen lüstern an.
Ich blinzelte verwirrt und biss mir vor Verlegenheit auf die Innenseite meiner Wange. "Wie... Wie bitte?"
Das Bild wurde wieder klarer und Marc stand noch genauso lässig wie ein paar Minuten zuvor vor mir und musterte mich unbeteiligt. Nur der lüsterne Ausdruck in seinen Augen war verschwunden.
"Ich sagte, wenn Sie mir nicht zuhören, werde ich Sie gleich wieder in den Flieger zurück nach Amerika setzen und Ihnen keine zweite Chance geben."
Ich presste meine Lippen aufeinander. Ohoh, er klang wirklich nicht begeistert.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top