Wendepunkt
Wortfetzen. Es waren keine netten Worte. Für mich ,in diesem Moment, akzeptabel. Sogar erwünscht, versprachen sie doch meine Sehnsucht zu erfüllen. Meinen Drang nach Anerkennung endlich zu stillen.
Niemand mochte mich, weil niemand mich kannte. Ich war nichts weiter als eine lästige Krankheit, es nicht wert beachtet zu werden. Ich wollte so sein wie „sie" und war doch nur ein ewiger Schatten. Ein Schoßhündchen. Ich war „ihr" Laufbursche und diesen Titel verteidigte ich mit Zähnen und Klauen. Wenn ich auch zu „ihren" Füßen, in „ihrem" Dreck kauerte, so gab es dennnoch die kleinste Hoffnung zu „ihnen" aufsteigen zu können. Eine von „ihnen" zu werden. Vor allem, da ich mit einer Hälfte verwandt war. So rechnete ich mir Chancen aus und merkte nicht wie hoffnungslos meine Träumereien in Wirklichkeit waren.
Darum war ich auch töricht genug, mich über die Geburtstagseinladung zu freuen. Eine Freundin von „ihnen" lud mich, ebenso wie „sie" ein und ich war ganz hibbelig. Meine Augen leuchteten und mein Mundwerk wollte einfach nicht ruhen, als der Tag gekommen war. Der Tag, an dem sich alles ändern sollte.
Fein zurechtgemacht, frisiert und gewaschen, läutete ich an der Haustür und wurde eingelassen, das Haus war groß, hell und noch feiner zurechtgemacht als ich. Blitzblank war der Boden gewischt, ich konnte mein Spiegelbild darin sehem. Säuberlich angeordnet standen die Blumen auf einer Kommode neben der Stiege in den zweiten Stock. Kein Spielzeug oder Gerümpel lag irgendwo am Boden oder in eine Ecke gestopft.
Mit Unglauben schlich ich durch das Haus, ich traute mich nicht allzu fest aufzutreten, aus Angst ich könnte dieses schöne Gegenteil zu meinem Zuhause zerstören. Auf der Terrasse angelangt bekam ich sofort den von „ihnen" am weitesten entfernt gelegenen Platz zugewiesen, doch immerhin hatte ich „sie" von dort aus gut im Blick. „Sie" alberten umher, lachten viel. Für mich war es weder albern noch konnte ich lachen, doch ich machte gute Miene zum bösen Spiel und lachte, obwohl meine Mundwinkel davon schmerzten.
Meine Füße taten weh, vom vielen „Ihnen"-Hinterherlaufen, dennoch ließ ich mich nicht beirren. Krampfhaft versuchte ich weiter in „ihre" Fußstapfen zu treten. Doch „sie" waren mir immer einen Schritt voraus.
Einem entkräftenden Nachmittag folgte eine enttäuschende Nacht. Ich durfte nicht bei „ihnen" liegen.Ich bettelte und flehte. Aber erst als ich „ihnen" versprach Dinge zu tun, die ich unmöglich tun könnte, durfte ich mich zu „ihren" Füßen, meinem Stammplatz, legen. Dieses Mal gab ich mich aber nicht nur mit dem stillem Beobachten zufrieden, vor allem auch, weil es zu dunkel war um irgendetwas zu sehen. Ich wollte mehr! Ich wälzte mich hin und her, tat einen Schritt in die gewünschte Richtung und wieder zurück, ich sprach mir selbst Mut zu und widersprach mir im selben Moment, bis mir meine eigene Unentschlossenheit zuviel wurde, ich meinen Gedanken befahl, still zu sein und ,aus dem Bauch heraus, nach der Socke von „ihr", meiner Cousine, griff. Keine Reaktion. Ich hatte es geschafft! Mein Bauch grummelte: „Weiter, Mädchen, weiter!" Mein Gehirn schrie: „Sei nicht dumm, hör auf!" Bevor ich überhaupt in Aktion treten konnte, egal welcher Art, öffnete sich plötzlich langsam die Tür. „Das ist deine Chance! Zeig „ihnen", dass du so bist wie „sie" !", forderte mein Bauch. Ich folgte. Wenn „sie" schrien, schrie ich auch. Wenn „sie" vor Angst zitterten, tat ich das auch. Obwohl mir gar nicht danach war.
Ich spielte „ihnen" und mir vergeblich etwas vor. Für „sie" war ich nie wichtig, egal wie ich mich verbog, da „sie" mich, als mich selbst, noch weniger mochten. „Sie" waren niemals meine Freunde.
Das Versprechen, das ich „ihnen" gegeben hatte, brach ich. Ab diesem Moment durfte ich „ihnen" nicht einmal mehr die Schuhe küssen. Ich war allein. Verstoßen. Geächtet. Ignoriert...
Dann wechselte ich die Schule und konnte aufatmen. Endlich frei Luft holen.
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