⏳ III - Levia ⏳
Das kollektive Luftanhalten der Anwesenden ließ Levia die Stirn runzeln. Was war das eigentlich für ein Vortrag, über dessen Thema bis vor ein paar Sekunden niemand Bescheid gewusst hatte?
"Die Zeit eines menschlichen Lebens", fuhr Horlan nach einer wirkungsvollen Pause fort, "ist, wie wir alle wissen, begrenzt. Ein paar Jahre haben wir. Mehr nicht."
Diesmal ertönte das zustimmende Gemurmel. Levia beugte sich angespannt vor, als der junge Mann leichtfüßig von dem Podest sprang und in das erleuchtete Rechteck trat. Seine zuvor so freundlichen und offenen Gesichtszüge waren einer herrschaftlichen Miene gewichen, die Levia scharf die Luft einziehen ließ.
Die farbigen Schwaden umwaberten seinen Körper und ließen ihn noch größer erscheinen, als er ohnehin schon war.
"Aber wenn wir die Barriere des Raums überwunden können... warum dann nicht auch die der Zeit?"
Lange, schneeweiße Finger malten abstrakte Muster auf die Seite des in der Mitte postierten Geräts. "Den ersten Schritt haben wir getan. Morpheus hat ein geniales System entwickelt, das Ihre Zeit im Verhältnis zum Alterungsprozess Ihres Körpers kontrollierbar macht."
Neugieriges Raunen erfüllte die Luft. In Levias Kopf ratterten die Rädchen, während sie den Satz zerstückelten und seine Bedeutung analysierten.
Zeit im Verhältnis zum Alterungsprozess...
...kontrollierbar macht.
Alterungsprozess des Körpers...
...kontrollierbar macht.
Die Zeit des Alterns...
...kontrollierbar macht.
Stirnrunzelnd fingerte sie an ihrem Holoprojektions-Armband herum. Sie vermochte sich keinen Reim auf die Sache zu machen... aber ihre Augen hingen hungrig an der nebelumwaberten Gestalt des Mannes, der sich augenscheinlich in der Reaktion seiner Zuhörer sonnte.
"Dieses Gerät wuchs im Rahmen eines Projekts von Morpheus unter dem Namen 'iQaster' heran. Der Gedanke dahinter war, dass so viele Menschen so viel Wichtiges verpasst haben- Künstler, denen die Zeit die Möglichkeit geraubt hat, ihr Werk als Millionengemälde zu sehen, zum Beispiel.
Kranke, für die Tage nach ihrem Tod eine Heilung möglich geworden wäre."
Er schüttelte bekümmert den Kopf.
Unter anderen Umständen hätte er dabei wie ein mäßig talentierter Laienschauspieler gewirkt, doch so verspürte Levia erstaunt einen Anflug von Mitleid für die Menschen, von denen er gesprochen hatte.
Seine Worte gruben sich wie gefräßige Würmer durch ihre Gedanken und nisteten sich in allen Zellen ein, sie plätscherten durch ihre Seele wie erfrischendes Wasser und nährten und stillten ihren unermesslichen Hunger gleichermaßen.
"Und weiters wurde überlegt... tagaus, tagein verschwendeten sie so viel Zeit für Tätigkeiten, durch die sie unerfüllt blieben! Sie schliefen, sie dösten, kochten, lasen, putzten- suchen Sie sich etwas aus. All das sind Aktionen, die bereits alltäglich erscheinen, und dadurch wird uns nicht einmal bewusst, wie unendlich viel Zeit unseres Lebens wir durch sie einfach wegwerfen." Horlan liebkoste weiterhin mit den Fingerspitzen das matte Metall der Apparatur. Der Blick, der das verkabelte Kopfende streifte, war schon beinahe zärtlich.
"Diese Zeit verschwindet. Täglich verlieren wir Stunden, in denen wir einfach nichts tun- in denen wir schlafen. Stunden, die uns Tropfen für Tropfen das Leben aus dem Körper saugen wie blutrünstige Vampire."
Er wandte sich seinem Publikum zu. Die grünen Augen glänzten in fiebrigem Enüthusiasmus.
"Haben wir das wirklich verdient? Das wir komplett von etwas abhängig sind, das uns mit quälender Langsamkeit dahinsiechen lässt und uns damit das Einzige nimmt, das uns voll und ganz gehört- unser Leben?"
"Nein", hauchte Levia geistesabwesend, während vor ihrem inneren Auge Bilder vorbeizogen. Bilder von riesigen, mächtigen Uhren, die, sobald man den Blick von ihnen abwandte, nicht nur unbarmherzig weitertickten, sondern ihre Zeiger plötzlich auch noch doppelt so schnell bewegten...
"Haben wir es verdient, dass unsere ohnehin schon so begrenzte Zeit dadurch noch weiter zusammenschrumpft?"
"Nein", wiederholte Levia leise und hob den Kopf leicht an.
"Haben wir es verdient, dass wir sterben, ohne so viele Dinge erlebt zu haben, weil wir zu viel geschlafen haben?"
Das Nein, das diesmal ertönte, rollte gleichzeitig durch unzählige Kehlen.
Denn natürlich- natürlich hatte er Recht, schoss es Levia durch den Kopf, natürlich-
"Und hier", rief Horlan, und seine Stimme hallte mächtig in dem Saal wieder, "hier haben wir begonnen."
Er breitete die langen Arme weit aus, und das nebulöse Licht, das sein Gesicht von unten erleuchtete, verlieh ihm ein gebieterisches Aussehen.
"Mit dem iQaster überwinden wir erstmals diese Mauern.
Er basiert auf eben diesem Prinzip: Zeit, die ansonsten mit Nichtstun vergeudet würde, wird aufgespart und das eigene Leben somit verlängert."
In ihrer Brust machte Levias Herz einen Sprung, und mit einem Blick in die Runde der starrenden Männer konnte sie sich vergewissern, dass es ihnen allen gleich erging.
"Ja!" Horlan stieß triumphierend die Faust in die Luft. Er spürte es, genauso wie alle anderen.
Diesen Erfolg.
Diese... Hoffnung.
"Gehen wir von dieser Situation aus- es wird Abend, Sie sind müde, unter allen anderen Umständen würden Sie sich jetzt für ein paar Stunden ins Bett legen.
Aber anstatt eines Betts ist Ihr Ziel der iQaster. Diese Elektroden hier-"
Er deutete auf die Verkabelungen.
"-finden Anschluss an Ihr Gehirn. Sie legen sich hin, betätigen diesen Knopf hier und dann... sind Sie weg."
Ein leichtes Lächeln.
"Ihr Körper liegt von der Isolierung geschützt da, Ihr Bewusstsein hingegen bleibt im Wachstadium und wird mit einem Strom aus Informationen besorgt. Basierend auf diesen können Sie dann entscheiden, wann Sie Ihren Körper wieder in Betrieb nehmen wollen.
Ein paar Knopfdrücke- und Ihr Leben hat sich um sechs oder sieben Stunden verlängert.
Stellen Sie sich nur vor- was für Möglichkeiten! Gehen wir von einer Lebenserwartung von einhundert Jahren aus und einer durchschnittlichen Schlafzeit von sechseinhalb Stunden täglich, die Sie jeweils im iQaster verbringen würden- Sie gewännen allein damit sage und schreibe 234000 Stunden."
Eine wirkungsvolle Pause voller nach-Luft-Schnappern.
"Das sind fast siebenundzwanzig Jahre.
Denken Sie nur daran- siebenundzwanzig Lebensjahre, die einfach verschlafen werden!"
"Unerhört!", stieß ein korpulenter, bärtiger Mann aus dem Publikum wütend hervor, nur um sich sofort die Hände vor den Mund zu schlagen und peinlich berührt umherzusehen.
Aber auch um ihn herum gerieten die Menschen in Aufruhr.
Die ersten hatten bereits ihre Holocomputer hochgefahren und waren fieberhaft mit den Rechnern beschäftigt.
"Wenn ich von einer Lebenserwartung von 96 Jahren ausgehe... und ich schlafe durchschnittlich sieben Stunden- das wären 28 Jahre!"
"Meine 108 Jahre und sechs Stunden verbrauchen insgesamt- siebenundzwanzig Jahre?!"
Entsetzt starrte der Mann auf sein Hologramm.
"Ich schlafe ungefähr sechs ein viertel Stunden... sechsundzwanzigeinhalb Jahre!"
Die teils nervösen, aber vor allem aufgeregten Stimmen wiegten Levia in eine Art stille Trance. Tatsächlich war die Idee, so erschien es ihr, einfach nur genial.
Sie warf einen Blick zu Aidan Morpheus Horlan, der sich mit einem selbstsicheren Lächeln auf der erleuchteten Fläche in der Reaktion auf seine Worte sonnte.
Das verheißungsvolle Kribbeln, das sie kurz zuvor noch verspürt hatte, schrumpfte beim Anblick seines selbstgefällig-zufriedenen Gesichtsausdrucks zu einem leisen Kitzeln zusammen.
Er war ein Rätsel.
Wie sollte sie nur mit ihm umgehen?
Zögerlich ergänzte sie die Liste.
Dr. Aidan Morpheus Horlan
-offen... selbstverliebt?
-Anspielung auf persönliche Leistungen
-hört sich gern reden
-vergleichsweise unerfahren im Zweiergespräch?
-in die Mangel nehmen
-darauf einstellen, abgelenkt zu werden!!
-unaufmerksam bei Mimik?
Verzweifelt starrte Levia auf die Worte- außer Notizen für sich selbst stand hinter fast allen Feststellungen ein Fragezeichen.
Inzwischen war Horlan zum Pult zurückgekehrt und erhielt dadurch erneut die Aufmerksamkeit der Zuhörer.
"Aber das ist nur ein Aspekt, der den iQaster zu dem macht, was er heute ist.
Einen viel größeren Nutzen erhoffen wir uns-" Er nickte den grün gewandeten Ärzten zu- "in der Medizin. Sollte ein Patient so schwer verwundet sein, dass Zeit eine Rolle bei der Operation spielt- warum nicht die Zeit aufschieben?
Bettet man den Patient in den iQaster, während man ihn operiert, wirkt das wie eine Vollnarkose.
Braucht man Zeit, um Antikörper oder Gegengifte zu schaffen- iQaster.
Steht der Patient kurz vor dem tödlichen Ende einer unheilbaren Krankheit- iQaster.
Schlafen und abwarten."
Erneut wurde er von aufgeregtem Raunen belohnt.
"Sie haben Fragen? Ich wage zu behaupten, dass der iQaster Ihre Antwort sein dürfte.
Und in diesem Sinne bedanke ich mich für Ihre Aufmerksamkeit."
Für einen Moment gähnte grenzenlose Stille in dem Saal...
Dann donnerte tosender Applaus.
Minutenlang schlugen Hände gegeneinander. Einer nach dem anderen erhob sich und zollte Horlan seinen außerordentlichen Respekt. Und selbst als die scheinbar endlose Lobesbekundung abflaute, erfüllte die Aufregung der Männer noch als pulsierende Energiequelle den Raum.
Begeisterungsstürme wogten durch ihre Reihen, während sich Levia abseits vom zentralen Geschehen hielt und nochmals fieberhaft ihre dürftigen Notizen überflog. Edlich flutete wieder taghelles Licht den Saal.
"Ich bitte Sie, meine Herren!" Einmal noch erhob sich Horlans Stimme über den allgemeinen Trubel.
"Am Eingang werden noch Broschüren zum Thema verteilt. Eventuelle Fragen bitte an den offiziellen Account von Morpheus. Und nun eine angenehme Heimreise."
Bis Levia sich zu ihm durchgekämpft hatte- von einem heftig schnaufenden Rudolph Castell verfolgt- hatte sich die Menge bereits ein wenig gelichtet. Horlan lehnte seitlich am Pult, den Blick selbstvergessen auf seine Notizen geheftet, mit den Gedanken augenscheinlich ganz woanders.
Von nah verlor seine zuvor so beeindruckende Erscheinung ein wenig von seinem Zauber. Obgleich die jadegrünen Augen noch immer lebhaft funkelten, konnte Levia plötzlich die Müdigkeit sehen, die sie umrandete. Seine Nase war leicht vorspringend und eindeutig zu groß, und seine Schultern beugten sich unter der Last der endlosen Arbeiten, die er zu verrichten gezwungen war.
Sobald sie näher an ihn herantrat, wischte ein neuer Ausdruck über sein Gesicht- wie ein Dia wechselte er von Erschöpfung zu geschäftsmäßigem Eifer.
"Was kann ich für Sie tun, Miss?"
Levia räusperte sich. "Ich bin vom Daily Pass. Wegen des Interviews."
Seine Miene hellte sich weiter auf und ließ ihn noch sympathischer wirken. "Endlich mal jemand, der etwas von Grammatik versteht. Sie wissen nicht, wie viele von diesen Doktortitelträgern nach 'wegen' noch immer einen Dativ setzen." Er lachte leise, bevor er auf Knopfdruck zwei Sessel aus dem Boden fahren ließ und ihr mit einer eleganten Handbewegung einen der beiden anbot.
"Nun... eine Viertelstunde, nicht wahr?"
Automatisch schälte sich neben ihm das perfekte holografische Abbild einer altmodischen Sanduhr aus der Luft.
Levia machte einen tiefen Atemzug.
Anspielung auf persönliche Leistungen. Selbstverliebt.
Sie zwang sich zu einem hoffentlich verführerischen Lächeln. "Nun... täusche ich mich, oder sitze ich hier dem Entwickler des iPersonal persönlich gegenüber?"
Horlans Augen leuchteten auf, und das Aufnahmegerät, das Castell installiert hatte, klickte leise.
Bingo.
Sie ließ ihn sich etwa eine knappe Minute den Ausschweifungen über dieses Gerät verlieren- das iPersonal ersetzte auf moderne Art den zuvor gültigen Chip und bildete einen in das Handgelenk implantierten Holo-Projektor, den die meisten mit einem Armband verdeckten. Es vereinte in sich alle nötigen Vorzüge wie Identitätsausweisung, Telekommunikation, Bildübermittlung, Banksystem, GPS, freien Internetzugang, Kamera, Kontrolle von MiniBots, Zugriff auf die Software von Scurios, Verbindung zum Apartment sowie allerlei anderen technischen Schnickschnack-
dann würgte sie ihn mit einem dezenten Hüsteln ab und leitete mit einigen klug dosierten Komplimenten zur Frage nach der Entstehung des iQasters über.
Im Wesentlichen wiederholte Horlan kurz die Idee dahinter, bevor er den monatelangen Entwicklungsprozess, an dem sich etwa einhundert Personen unter seiner Leitung beteiligt hatten, knapp umriss.
"Der Name", fügte er schließlich schmunzelnd an, "stammt von einem meiner qualifiziertesten Mitarbeiter, der am Ende der Phase mit einem Gedicht von Edgar Qaster das Projekt abgeschlossen hat."
Levia lächelte kurz, bevor sie wieder auf Konfrontation überging.
"Wenn der Schaffungsprozess so unglaublich lang gedauert hat, wird dann in naher Zukunft überhaupt ein erschwingliches Modell auf den Markt kommen?"
Leicht nervös tippte er sich gegen das linke Ohr. "Nun... ich vermute, dass die Lage sich relativ schnell stabilisieren wird. Tatsächlich sind bereits Projekte vorgesehen, um öffentlich iQaster zu vermieten, denn natürlich wird das Prachtstück eine nicht sonderlich billige Investition, wenn dafür auch eine durchaus lohnenswerte, denn-"
Mit einem koketten Räuspern würgte Levia ihn ab. Der Druck auf ihr schwand allmählich- Aidan Morpheus Horlan war doch einfacher zu handhaben, als sie befürchtet hatte. Ein einfacher, selbstsicherer, über die Maßen gut aussehender, vorhersehbarer Mann.
Langsam erwachte die Journalistin in ihr zum Leben.
"Heißt das, hierbei handelt es sich um etwas, von dem allein die Oberschicht profitieren wird, während die Ärmeren-"
Jetzt war es Horlan, der ihr ungestüm ins Wort fiel. "Sie verdrehen mir das Wort im Mund! Die Produktion läuft bereits auf Hochtouren, aber um die Preisfrage klären zu können, muss erst die Anfrage geregelt werden. Fest steht, dass der iQaster sich so schnell nicht als alltäglich einstellen wird. Zurzeit bewegen sich die Preise für Rohstoffe und Programmierung in verhältnismäßig hohen Gebieten."
"Also wird der Preis auf dem Börsenmarkt verhandelt?"
"Bis jetzt noch kein Fakt, aber denkwürdig."
Horlans Stimme war deutlich kühler geworden, aber Levia sorgte sich nicht darum. Er hatte haargenau mit den Emotionen reagiert, die sie sich erwartet hatte- jetzt war das Interview endlich restlos in ihrer Hand.
Ihre Ausbildung hatte auf genau das abgezielt: observieren und agieren.
Sein Verhalten ordnete ihr Unterbewusstsein automatisch Typus 27 zu- selbstgerecht, ehrgeizig, leicht arrogant, leicht jähzornig, bezieht Kritik an seiner Arbeit sofort auf sich selbst.
Auf knapp fünfzig verschiedene Typen war sie trainiert worden, sie kannte die Verhaltensmuster der Skala in- und auswendig.
Sie erinnerte sich nur zu gut an die Karteikarte von Typus 27. Unter einer kurzen Beschreibung war Folgendes zu finden gewesen:
Zu beachten Gleichgewicht zwischen Offensive und Defensive/Kritik und Unterwürfigkeit. Wechselnd. Rückzüge.
-
Tipp aus der Reserve zu locken mit Provokation
-
Schwierigkeit ●●○○○
Einfach zu handhaben.
Jetzt kam... augenblicklich lieferte ihr Gehirn den nötigen Begriff. Bewunderung.
"Und das organisiert der Konzern ohne Beihilfe durch andere Unterstützung?"
Augenblicklich schimmerte leiser Stolz durch seine Maske. "Wir haben uns von Anfang an sehr selbstständig gemacht. Tatsächlich werden bereits Aktien angeboten- allerdings mit noch relativ niedrigen Anteilen..."
Er verlor sich in verschwommenen Visionen, bis Levia kurz entschlossen einfach die nächste Frage stellte. Es behagte ihr ganz und gar nicht, so durch das Gespräch mit einer derartig einflussreichen Persönlichkeit zu hetzen, doch wenn sie die nötigen Informationen für ihren Artikel zusammenbekommen wollte, blieb ihr keine andere Wahl.
"Aber was die Kunden sicherlich wissen wollen, bevor sie diese Investition eingehen- inwiefern ist die Anwendung von dieser... Apparatur gefährlich? Wäre es beispielsweise denkbar, dass ein Bewusstsein verloren geht?"
Es entging ihr nicht, wie sein Blick kurz zur Seite schnellte, nur um wahrzunehmen, dass etwa drei Viertel der Zeit bereits verstrichen waren.
"Die... Testreihe, die bis dato ausgetragen wurde, hat gezeigt, dass dies keine realistische Befürchtung darstellt."
Mehr nicht.
Stirnrunzelnd und deutlich verwirrt senkte Levia den Blick auf ihre Notizen- bis sie sich wieder gefasst hatte, war weitere wertvolle Zeit verstrichen.
Nervös befeuchtete sie sich die Lippen. Übergangslos stolperte ihre Zunge weiter und beging den fatalen Fehler- ihre eigene Neugierde drang an die Oberfläche und brach ungestoppt aus.
"Können Sie mir etwas über die Funktionsweise des iQasters verraten?"
Horlans Blick wanderte vorsichtig über ihren Körper. Levia rekelte sich unsicher auf ihrem Stuhl.
Er öffnete den Mund, schloss ihn wieder. In seinen Augen blitzte ein undefinierbarer Ausdruck auf.
"Ich... ich-"
Plötzlich kniff er die Augen zusammen und wandte seinen Kopf ab, fast, als müsse er sich von etwas abhalten.
"Es tut mir Leid, aber ich befürchte, dass die angewandten Methoden Ihr zweifellos sehr ausgeprägtes Wissen eventuell... übersteigen könnten. Außerdem würde die Erklärung eine Zeitspanne umfassen, die uns leider..." Seine Lippen verzogen sich zu einem schmalen Lächeln- "nicht gegeben ist."
"Nun- meinetwegen könnten wir diese Zeit auch-"
"Nein, Miss."
Levia konnte einen enttäuschten Seufzer nicht unterdrücken. "Wie... bedauernswert." Eine Mischung aus Wut, kindischer Hartnäckigkeit und unangebrachtem Trotz kochte in ihr auf.
"Allerdings." Seine Fingerspitzen tanzten über ihren Unterarm. "Ausgesprochen bedauernswert."
Die Gänsehaut, die über ihren Rücken wanderte, verbunden mit der kühlen, trockenen Haut direkt an ihrer, brachte Levia erneut aus der Fassung...
Aber etwas in ihr wehrte sich. Er versucht, dich abzulenken. Du hast nur noch wenige Minuten.
"Haben Sie vor, das auch denen da zu erzählen?", platzte sie heraus und deutete mit dem Kopf in die Richtung der Männer, die lebhaft diskutierend langsam aus dem Saal tröpfelten.
Rudolph Castell sog geräuschvoll die Luft ein. Auf Horlans Stirn bildeten sich steile Querfalten.
Seine Stimme war so kalt wie Eis. "Ich wüsste nicht, was das eine Mittelklasse-Reporterin zu interessieren hätte. Wie heißen Sie eigentlich?"
Levia hätte sich selbst ohrfeigen können- heute ging wirklich jede Dummheit mit ihr durch.
"Levia Elizabeth Pernal", presste sie zwischen den Zähnen hervor und konnte spüren, wie die Röte in ihre Wangen kroch.
"Nun, Miss Pernal." Horlan fixierte sie, und nichts von der anfänglichen Sympathie war mehr in seinen Augen zu lesen. "Ganz offensichtlich sind Sie ihrer Aufgabe nicht gewachsen. Aber gibt es noch eine Frage, die Sie stellen können, ohne sich noch tiefer in diesen Schlamassel hineinzureiten?"
Ihr Blick zuckte zu der Uhr, und die letzten paar Körner rieselten durch den gläsernen Hals.
Mit schreckgeweiteten Augen fuhr sie zu Horlan herum, doch der wedelte nur kurz mit der Hand. "Um Himmels Willen, jetzt hören Sie doch auf mit diesem mitleidserregenden Getue. Lassen Sie uns Ihren peinlichen Ausrutscher einfach vergessen, und Sie stellen mir die letzte Frage, ja?"
Ein schmaler Setzling Hoffnung keimte in ihrer Brust auf. Eine letzte Frage. Er gab ihr noch eine Chance... womit hatte sie das verdient?
Egal.
Sie hob den Kopf und sah ihm direkt in die Augen. Normalerweise war ihr das unangenehm, doch die faszinierenden jadegrünen Iriden fingen sie auf, ließen zu, dass sie sich fallen ließ.
Levia holte tief Luft. "Hat der Körper überhaupt die Möglichkeit, sich zu regenerieren, wenn er sich in einem todesähnlichen Zustand befindet?"
Horlan schenkte ihr ein winziges Lächeln.
"Sie können es wohl nicht lassen. Aber hierauf gebe ich gerne eine Antwort.
Nun, in Studien konnten wir beweisen, dass das Alter nicht ausschließlich an Körper oder Geist gebunden ist. Demnach wird im iQaster zwar dem Körper weiterhin Sauerstoff zugehört, sein Herz schlägt, aber die Frequenz der Elektrizität verhindert das Zellenwachstum und somit den Alterungsprozess.
Was sich im Schlaf regenerieren muss, ist der Geist und nicht der Körper. Deshalb muss man sich um ausbleibenden Schlaf keine Sorgen machen."
Levia nahm die Antwort mit einem knappen Nicken zur Kenntnis, bevor sie ihrerseits erneut Luft holte.
"Dr. Horlan, es- es tut mir ausgesprochen leid, dass ich diesen schrecklichen Ausrutscher-" Sie verhaspelte sich. "Ich meine, ich kann Ihnen nie genug danken für-"
"Schon gut." Horlan hatte geistesabwesend sein iPersonal aufgerufen und checkte seine Nachrichten. "Alles in allem war es ein äußerst erfrischendes Treffen. Ich hoffe, wir sehen uns bei der Marktpräsentation des iQasters wieder."
Er erhob sich, worauf augenblicklich ein Scurio an seine Seite trat. Dann hob er kurz die Hand zum Abschied und verließ den Raum, komplett in sein Hologramm vertieft.
Levia blieb mit offenem Mund und einer seltsamen Gefühlsmischung aus Triumph und Verwirrung zurück.
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