I

"Hör auf! Sonst piss' ich mir noch ein!" Lachend halte ich mir den Bauch und versuche meine beste Freundin, die mir gerade von ihrem etwas peinlichen Treffen, mit ihrem Verehrer erzählt, zum Schweigen zu bringen.
Ich hole ein paar Mal tief Luft und bemühe mich, wieder ruhiger zu werden.
"Oh mann, der Arme! Er war bestimmt voll nervös, immerhin steht er seit fast zwei Jahren auf dich, dann schafft er es endlich, dass du mal mit ihm ausgehst und er blamiert sich so..."
"Er muss sich aber auch echt denken, dass er es sich bei mir verschissen hätte, oder? Dabei ist er mir jetzt noch sympathischer."
"Echt?! Uhhh!" Erwartungsvoll ziehe ich die Augenbrauen hoch und schaue sie mit einem anzüglichen Lächeln an. Meine beste Freundin verliebt zu sehen... das kann ich mir kaum vorstellen, doch beim Gedanken daran, muss ich mich wirklich zusammenreißen, um nicht wieder in Lachen auszubrechen.
"Aber klar, natürlich! Er ist über seine Schnürsenkel gestolpert und beinahe in einer Mülltonne gelandet, wenn ich ihn nicht aufgefangen hätte... und deshalb stehe ich jetzt sofort auf ihn." Genervt rollt Grace die Augen, dann lacht sie plötzlich:
"Ich mein' nur, dass es ihm zwar peinlich zu sein schien, er aber trotzdem noch über sich lachen konnte. Das macht Menschen eben sympathisch, das kann man von dir ja eher nicht behaupten, was Lecter?"
"Hör auf, mich so zu nennen!", sage ich gespielt beleidigt und stemme die Fäuste in meine Hüfte, dabei strecke ich ihr noch mit bösem Blick die Zunge raus.
"Ist ja schon gut, Aijana."
"Geht doch", nicke ich zufrieden. "Aber hör mal: es ist bald Acht. Ich muss jetzt langsam wirklich los, sonst rastet mein Stiefvater aus und verbannt mich in mein Zimmer, wo ich jahrelang leben muss, nur von Wasser und trockenem Brot ernährt...", dramatisiere ich und setzte ein betont düsteres Gesicht auf.
"Bis morgen. Und vergiss nicht, mir zu erzählen, wenn es was Neues zwischen dir und Melanie gibt!", sagt Grace und winkt mir von ihrem Bett aus noch einmal zu.
"Mach ich!", rufe ich ihr noch zu, bevor ich, meinen Beutel in der Hand, zur Haustür hinausstürme, um den Bus noch zu bekommen.
Melanie... das wohl tollste Mädchen überhaupt. -Von Grace natürlich mal abgeseh'n. Aber in sie bin ich ja auch nicht verliebt.
Melanie und ich hingegen, gehen seit fast zwei Monaten miteinander aus und ich habe vor, sie demnächst nach einer Beziehung, nach etwas Festerem zu fragen.
Ich bin so in Gedanken versunken, dass ich gar nicht bemerke, wie ich an der Bushaltestelle ankomme. Zum Glück war ich schon so oft bei Grace, dass ich den Weg im Schlaf zurücklegen könnte, denn sonst hätte ich mich sicherlich verlaufen.
Es dauert nicht lang', da kommt auch schon der Bus und ich steige ein, glücklich, dass ich ihn nicht verpasst habe und die nächsten Nachmittage in meinen Zimmer verbringen muss.

~~~

Ich schlafe noch tief und fest, als mich plötzlich mein Handy mit lautem Klingeln aus dem Schlaf reißt; es ist eine unterdrückte Nummer.
Etwas verwirrt gehe ich ran.
"Lecter am Apparat, hallo?"
"Guten Tag, Aijana. Hier ist Mrs Abbington. Ich würde mit dir gern' über dein Abitur reden.", piepst die hohe Stimme, meiner Lehrerin. "Der schriftliche Teil war wirklich sehr schlampig..."
Ich hole tief Luft, darauf vorbereitet, was sie mir jetzt sagen würde.
Doch anstatt einer schlechten Nachricht, höre ich es nur am anderen Ende der Leitung lachen. Und dieses Lachen ist mir wohl bekannt.
"Grace, du Arsch! Ich hab voll Panik bekommen, du klingst wirklich 1:1, wie Mrs Abbington!", stoße ich mit einem erleichterten Seufzer aus, bevor auch ich in ihr Lachen mit einstimme.
"Aber lustig war's.", entgegnete sie und wechselte dann plötzlich von einer, auf die nächste Sekunde, das Thema: "Also, wie willst du es machen?"
"Was?"
"Du weißt schon, was..."
"Okay, okay. Ich sag's dir. Aber hör auf, zu nerven. Ich hatte vor, sie einzuladen und sie dann zu fragen. Und mit etwas Glück bekomme ich sogar ein 'Ja' von ihr zu hören.", erkläre ich und lächle unwillkürlich, beim Gedanken an Melanie.
"Ich wünsche dir viel Glück. Wirklich. Du verdienst es, glücklich zu werden." An ihrer Stimme kann ich erkennen, dass sie lächelt.
"Ach, so sozial heute? Kein 'Wenn sie 'Nein' sagt, bist du so ein Opfer'?, ziehe ich sie lachend auf.
"Nöp. Heut' mal nicht. Ich versuche nett zu sein, weil dir das wirklich wichtig zu sein scheint. Erwarte aber kein 'Hab dich lieb!' oder irgendwelche Kosenamen von mir!"
"Aber natürlich nicht. Bevor sowas ernsthaft deinen Mund verlässt, wird die Erde schon mit der Sonne kollidiert sein."
"Gut, dass wir uns da einig sind."
Ich telefoniere noch eine Weile mit Grace, bis wir beschließen, aufzulegen. Bevor sie jedoch auflegen kann, säusle ich noch ein "Hab dich lieb, Babe...", in den Hörer, woraufhin ich nur ein gemurmeltes "Fick dich" zurückbekomme, dann legt sie auf und lässt mich allein und lachend in meinem Zimmer zurück.
Doch als mir der Grund für ihren Anruf wieder einfällt, schnappe ich mir doch noch einmal mein Handy und öffne What'sApp, wobei mir auffällt, dass es schon beinahe 1o:oo Uhr ist. Gut, dass sie mich geweckt hat.
Mit zitternden Fingern tippe ich ein "Hey". Und bevor meine Nervosität es verhindern kann, drücke ich auf 'senden'.
Nur wenige Sekunden später bekomme ich auch schon eine Antwort von Melanie:
M: Hi :)
A: Ich wollte fragen, ob du Lust hättest dich mal wieder mit mir zu treffen."
M: Klar, wann denn?
A: Heute vielleicht?
M: Heute?!
A: Ja, ich weiß, es ist etwas kurzfristig, aber heute soll doch so schönes Wetter werden und da könnten wir ja in den Park gehen.
M: Nein, nein. Heute ist toll. Ich war nur etwas verwundert, weil du die Dinge ja bisher lieber im Voraus geplant hast.
Wenn sie wüsste, dass ich sogar ein Blatt Papier mit dem Ablauf des heutigen Tages drauf und jedes einzelne Deteil in meinem Kopf auserbeitet habe, würde sie vermutlich schreiend davonlaufen.
A: Ja, die Idee ist ganz plötzlich aufgetaucht und wollt' nicht mehr verschwinden. Ist also auch für mich ganz kurzfristig :D
A: Also, 14:oo Uhr an unserer Stammeisdiele?
M: Okay, bis dann. Ich werde da sein! <3
Ich bin mittlerweile so aufgeregt, dass ich meinen Herzschlag bis in die Fuß- &' Fingerspitzen spüre, als ich mein Handy mit einem geräuschvollen Schluchzer wieder auf mein Bett werfe. Ich selbst folge nur kurz darauf.

~~~

Etwa vier Stunden später stehe ich vor der Diele und lasse meinen Blick über die Menschen schweifen, als mir plötzlich ein Mädchen mit langen, blonden Haaren und einem kurzen Rock auffällt, dass lächelnd auf mich zuläuft.
Sie sieht wie immer wunderschön aus, als sie mich lachend in den Arm nimmt und anstrahlt.
"Lust auf Eis?" Ohne meine Antwort abzuwarten, nimmt sie mich an der Hand und läuft mit mir ins Innere des Eisladens, wo ich uns sogleich welches besorge.
Kurz darauf sitzen wir, jeder eine Waffel Eis in der Hand, und reden über belanglose Themen. Als eine kurze Stille zwischen uns liegt, fällt mir auf, dass es der perfekte Moment am perfekten Platz ist.
Jetzt oder nie!, schießt es mir duch den Kopf und ich atme (wie zum gefühlt 20. Mal an diesem Tag) ein, um meine Zweifel zu vertreiben.
"Also, Melanie? Du und ich, wir kennen uns ja schon etwas länger und naja, also... Ich weiß nicht, wie es dir geht, aber ich -" noch einmal hole ich Luft. Aijana... Du bist das schon so oft im Kopf durchgegangen, lass' dich jetzt nicht, von deiner Nervosität ablenken! "Ich... Ich liebe dich. Ich liebe dich und würde auch gerne eine Beziehung mit dir führen. So, jetzt ist es raus...", ende ich schließlich und schaue ihr in die Augen. Etwas in ihnen beunruhigt mich.
"Aijana, hör zu... es ist so, dass ich dich mag. Wirklich. Aber ich habe seit ca. drei Wochen eine Freundin." Mitleidig lächelt sie mich an, was die ganze Situation allerdings nicht wirklich besser, nein im Gegenteil, sogar schlimmer machte.
Ich sollte wohl besser weglaufen und mich in meinem Zimmer verkriechen, doch ich bleibe einfach sitzen und frage:
"Warum warst du dann immer mit mir aus?"
Will ich die Antwort wirklich hören?
"Es war schön, deine Aufmerksamkeit zu genießen. Deine Familie hat Geld.
Gratis Essen in teuren Restaurants, ins Kino eingeladen werden, Tickets für Konzerte bekommen... da sage ich nicht nein zu. Du hast es angeboten, also warum nicht nutzen?"
Nein, das wollte ich nicht hören. Definitiv nicht, denn in meinen Augenwinkeln sammeln sich Tränen, die drohend immer mehr werden und beim nächsten Blinzeln über meine Wange rollen.
"Gut zu wissen.", sage ich trocken und wische die salzigen Tränen weg.
Dann stehe ich ohne ein weiteres Wort auf und lasse sie allein mit ihrem Eis auf der Bank zurück. Mein eigenes schmeiße ich im Vorbeigehen in einen Mülleimer.
Mein Handy vibriert kurz in meiner Tasche. Entweder Grace oder Melanie.
Mit zitternden Fingern fische ich das Gerät aus meiner Hosentasche;
Zwei Nachrichten von Grace, zeigt das Display mir an.
Natürlich Grace. Warum sollte Melanie mich jetzt noch anschreiben?
Schnell lese ich sie:
G: Na? Wie läuft's? Hast du sie schon gefragt?
G: Komm schon! Lass mich nicht hängen, ich sterbe hier vor Neugierde!
Ich fange an, eine Antwort zu tippen
A: Sie hat Nein gesagt. Sie hat schon eine Freundin und war nur wegen des Luxus' und der Aufmerksamkeit mit mir aus.
Sofort geht eine neue Nachricht von meiner besten Freundin bei mir ein.
G: Was 'ne Hure! Ich weiß, es hilft dir nicht, wenn ich das schreibe, aber sie hat eh nicht zu dir gepasst. Sie war das typische Girly-Girl und du bist Aijana Lecter. Mit Betonung auf LECTER! Es ist kein Zufall, dass du den selben Nachnamen hast, wie eine fiktive Horrorfigur. Du bist durchgeknallt, verrückt und manchmal ein bisschen, aber auch nur ein bisschen Psycho. Du stehst da drüber, okay?
A: Du weißt, dass ich es nicht mag, wenn du mich nur wegen meines Nachnamens mit einem Kanibalen vergleichst. Ich mag vielleicht aufgedreht und seltsam wirken, aber wenn das nicht bald aufhört, werde ich mit deinem Mord ernsthaft ein Psycho-Killer!
G: Tja, da muss man halt durch, wenn man meine Wenigkeit als beste Freundin hat○_○
Lächelnd schalte ich mein Handy wieder aus und stecke es zurück in meine Tasche.
"Da ist ja wieder meine Grace, wie ich sie kenne.", sage ich und gebe ein Geräusch von mir, das wie eine Mischung aus lachen und schluchzen klingt.
Nur wenige Meter von mir entfernt steht erneut eine Bank, auf welche ich mich nun zubewege.
Kaum sitze ich, kommt auch schon ein Mann auf mich zu.
"Mrs Lecter?", fragt er mich, sobald er in Hörweite ist.
"Ja?" Woher kennt er meinen Namen?
"Ich hätte ein paar Fragen an Sie, was die Frau, Melanie Olivia Laratins, angeht, mit der Sie gerade im Park Eis gegessen haben."
"Warum? Was geht Sie das an?"
"Wir haben Informationen dazu, dass sie für einen Geheimdienst arbeitet.", sagt der etwas dickere Mann und verschränkt seine Hände vor dem Bauch, wie die Türsteher vor Clubs es immer tun.
"Melanie ist erst 17. Ich glaube nicht, dass sie da für einen Geheimdienst arbeitet. Tut mir leid, aber ich kann Ihnen nicht helfen."
"Wir haben Informationen dazu, dass die Frau Sie sozusagen ausgenutzt hat. Mein Boss würde Ihnen gerne helfen, Rache zu nehmen. Hier ist seine Visitenkarte. Wenn Sie Kontakt zu meinem Arbeitgeber aufnehmen möchten, dann gehen Sie ins East Hospital und melden Sie sich an der Rezeption unter dem Namen Persea Phone. Einer unserer "Ärzte" wird Sie dann abholen, wo Sie in einen Raum geführt werden, wo es ihnen möglich sein wird, mit ihm in Kontakt zu treten. Der Name, den sie nennen müssen steht auch noch einmal auf der Visitenkarte."
"Das ist ja wie in einem Action Film. Wollen Sie mich danach umbringen oder wieso so viel Aufwand?", fragte ich mit fester Stimme, doch beunruhigt bin ich dennoch.
"Ich kann Ihnen leider keine Fragen beantworten, schönen Tag noch."
Und dann ist er wieder weg. Etwas Angst habe ich, doch meine Neugierde siegt im Kampf.
Ich betrachte die Visitenkarte genau. Sie sieht teuer, ja fast edel aus. Und doch strahlt sie auch etwas Unheimliches aus. Die ganze Optik ist in Dunkel angelegt und die Buchstaben sind in einem schmutzigen Gold und Silber. Ich habe Angst, sie zu beschmutzen, wenn ich sie zu sehr in der Hand halte, welche langsam zu schwitzen anfängt. Ich will das dicke Papier gerade in meiner Handyhülle verstauen, als mir etwas auffällt:
Auf der Rückseite ist, wie mit einer ganz feinen Nadel, etwas eingeritzt. Nur ganz leicht und dünn, so, dass man es beinahe hätte übersehen können, doch noch gut genug, um die Zahlen zu erkennen.
Auf den ersten Blick sieht es wie ein Code aus, doch beim zweiten Hinsehen, sehe ich, dass es eine Handynummer ist.
Bevor ich es mir anders hätte überlegen können, greife ich nach meinem Handy und tippe die Nummer ein...

[Und das 1. Kapitel!
Ich hoffe, es gefällt euch/hat euch gefallen.😂
Was die Regelmäßigkeit der Updates angeht, da bin ich mir noch nicht ganz sicher...
Wer bei meinem 1. Buch dabei ist, weiß schon, dass das, naja... nicht gerade etwas Festes ist😂.
Aber scheiß drauf! Dann ist es eben unregelmäßig, who cares?😂

"I'd better be off...",
Piv]

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top