47. Rettung

Allwissender Erzähler

Er lässt den Kopf hängen solange niemand bei ihm ist. Ihm tut alles weh, doch er ignoriert den Schmerz soweit es geht. Seine Gedanken kreisen um die einzige Person, um die sie nicht kreisen sollten. Doch es ist bereits zu spät. Melody steckt schon viel zu tief in allem drin, und das noch ohne ihr Wissen.
Am liebsten würde er schreien, sich wehren, die Leute dafür bezahlen lassen, was sie ihm angetan haben. Doch wenn er auch nur einen falschen Muskel rührt, wird es ihm danach unglaublich leid tun. Das weiß er.
Deswegen hebt er den Kopf sobald er Schritte im Gang vor der Tür hört. Keine Schwäche zeigen.
Mit ausdruckslosem Gesicht erwartet er den Menschen, der den Raum betritt, auch wenn es in ihm brodelt und kocht. Momentan kann er sich nur die Dinge ausmalen, die er gerne tun würde, doch das ist ihm nicht genug.
"Es wird Sie gewiss freuen zu hören, dass ihre... Freunde nun wissen wo Sie sich aufhalten. Sie werden bald hier sein, aber das können Sie sich schon denken, nicht wahr, James?"
Die Stimme geistert durch den Raum, so als gehöre sie nicht zu einem Körper, als hätte sie sich hierher verirrt. Sie ist zu ruhig, zu kalt, zu leblos für diesen Ort.
"Ja", antwortet Jim leise, auch wenn er eigentlich nicht auf den Namen James hören möchte.
"Ich hoffe Sie erfüllen ihren Teil unserer Abmachung, ansonsten wird das sehr unschöne Konsequenzen für Sie haben, aber das wissen Sie ja bereits."
Der Mann geht um Jim herum, seine eleganten Schuhe klacken auf dem harten Boden.
"Selbstverständlich erfülle ich ihn, für wen halten Sie mich?", versucht Jim seinem Bedürfnis nach Gegenwehr nachzugehen, doch der Mann lacht nur.
"Ich bin ehrlich zu Ihnen, James. Ich halte Sie für einen Dummkopf. Mag sein, dass Sie auf ihre Art genial sind, aber dennoch bleiben sie ein liebender Dummkopf."
Normalerweise würde niemand es wagen, so etwas über ihn zu sagen, denn jeder, der es versucht, erleidet unweigerlich die Konsequenzen. Niemand macht sich über Jim Moriarty lustig. Doch er kann nichts tun, nur die Hände zu Fäusten ballen und sich überlegen, was er am liebsten nun tun würde. Auch wenn er es niemals wird tun können.
"Nun ja, genug der Plaudereien. Es war mir eine Freude, mit Ihnen Geschäfte zu machen, James. Leben Sie wohl."
Mit diesen Worten verlässt der Mann den Raum, doch anstatt dass Jim nun wieder alleine ist, kommen zwei andere Männer herein. Es sind die, die ihm vorher schon Schmerzen zugefügt haben.
Und noch während die gedämpften Schreie beginnen, geht der Mann mit den schicken Schuhen lächelnd weg.

~×~×~×

Melody

Sobald wir im Auto sitzen, komme ich gezwungenermaßen wieder ein bisschen zur Ruhe. Zwar zittern meine Hände noch immer, aber ich schaffe es, wieder halbwegs logisch zu denken.
Wieso bin ich so erpicht darauf, mich in die wahrscheinlich gefährlichste Situation meines Lebens zu begeben, und das auch noch freiwillig? Die Antwort bleibe ich mir selbst schuldig.
Seb fährt los ohne sich anzuschnallen, aber das ist in diesem Moment nebensächlich. Seine Stirn ist in tiefe Falten gelegt, er scheint sehr in Gedanken versunken zu sein, wahrscheinlich überlegt er, was wir als Nächstes machen. Ich halte mich einfach nur am Saum meines Oberteils fest während wir durch die Straßen fahren. Seltsamerweise ist mein Kopf auf einmal wie leergefegt, ich kann an nichts wirklich denken, nichts scheint mehr wirklich wichtig zu sein. Und obwohl ich weiß, dass wir gerade auf dem Weg sind, um Jim zu holen, findet nicht einmal dieser Gedanke Platz in meinem Kopf.
Es ist, als hätte mein Gehirn einfach alle Gedanken aus meinem Kopf geworfen, oder weggesperrt.
Unwillkürlich bin ich froh, dass Seb genau weiß wo er hinfahren muss, denn in diesem Moment hätte ich ihn schlecht lotsen können.
"Keine Sorge Melody, ich bin sicher dass wir ihn lebend finden werden", meint der Sniper da plötzlich, anscheinend hat er meine Schweigsamkeit bemerkt. Als Antwort nicke ich nur, ich traue es mir nicht zu jetzt zu sprechen. Stattdessen warte ich einfach, bis wir nach einer Weile rasanter Fahrt anhalten und Seb den Motor ausstellt. Für einen Moment sitzen wir einfach nur nebeneinander da und ich nehme die Umgebung außerhalb des Fahrzeugs auf.
Wir befinden uns inmitten eines Industriegebiets ein wenig außerhalb der Stadt, Fabrik- und Lagerhallen erheben sich um uns herum. Auf den Straßen ist niemand zu sehen, und ich bin mir fast sicher, dass man auch nichts hören kann.
"Wenn du magst, kannst du auch hier bleiben, ich schaffe das auch schon alleine", bietet mir Seb sanft an und legt mir seine Hand auf die Schulter, doch ich schüttele den Kopf.
"Ich komme mit und helfe dir, wenn ich hier drin sitzen bleibe werde ich verrückt."
Er nickt verständnisvoll, auch wenn er nicht danach aussieht, als fände er meine Entscheidung gut. Allerdings geht es meinem Kopf jetzt schon wieder besser und ich beginne mich ein wenig zu erholen, sodass ich mir diese Aktion tatsächlich zutraue.
Deswegen öffne ich die Autotür und steige aus.
Die Luft um mich herum scheint kühler zu sein als vorher, vielleicht bin ich aber auch nur empfindlicher dafür. Seb steigt ebenfalls aus und kommt um das Auto herum zu mir, um mir meine Pistole zu geben.
"Hier, du hast sie liegenlassen. Hoffen wir, dass du sie nicht brauchen wirst."
"Danke", meine ich nur. Meine Finger umschließen den Griff der Waffe, die Kälte des Materials saugt mir sämtliches Gefühl aus den Fingerspitzen. Zumindest kommt es mir so vor.
"Wo müssen wir hin?", erkundige ich mich bei Sebastian und er nickt in Richtung des Gebäudes, das uns am Nächsten liegt. Es sieht aus wie ein Lagerhaus, auch wenn es nicht besonders groß zu sein scheint.
"Irgendwo hier drin, ich kann mir gut vorstellen dass es einen Keller gibt."
Gemeinsam gehen wir auf das Gebäude zu, ich meine Pistole in der Hand, während Seb seine im Gürtel stecken hat.
"Was ich dir noch sagen wollte Mel, wenn wir an eine Tür kommen öffnest du sie auf mein Zeichen, lässt mich aber zuerst hindurch, okay? So können wir sichergehen, dass du erstmal außer Gefahr bleibst, falls uns da jemand auflauert."
Ich nicke, wohl wissend dass Seb sehr wahrscheinlich damit recht hat. Es wäre zu schön um wahr zu sein wenn uns niemand in diesem Lagerhaus begegnen würde.
Nach kurzer Zeit kommen wir zu einer kleinen Tür an einer Ecke des Gebäudes, doch bevor ich schauen kann, ob sie verschlossen ist oder nicht, klingelt mein Handy in meiner Jackentasche. Erschrocken lasse ich fast die Pistole fallen und Seb runzelt irritiert die Stirn.
"Hast du etwa eine Nachricht bekommen?", fragt er, während ich das Gerät aus der Tasche hole.
"Anscheinend... vielleicht ist es Katie", vermute ich, doch glauben tue ich das nicht. Doch tatsächlich habe ich eine SMS bekommen, allerdings nicht von meiner besten Freundin, sondern von der unbekannten Nummer.

???: Nicht da entlang, noch etwas weiter, Sie wollen doch keine Zeit verlieren, nicht wahr?

Sofort schaue ich mich panisch um, ob sich vielleicht irgendjemand an uns herangeschlichen hat, aber es ist niemand in Sicht.
"Seb, ich mag das überhaupt nicht", flüstere ich nachdem der Sniper die Nachricht ebenfalls gelesen hat. Anhand seiner Bewegungen, seiner Mimik und Gestik sehe ich, dass er durch diese Nachricht fast genauso beunruhigt ist wie ich. Doch er atmet tief durch, gibt mir mein Handy zurück und strafft die Schultern, so als wolle er unserem Beobachter zeigen, dass er sich nicht einschüchtern lässt.
"Komm, gehen wir weiter. Hoffen wir mal, dass dieser Stalker die Wahrheit schreibt", meint er entschlossen. Ich versuche unwillkürlich es ihm gleichzutun, doch selbst ich bemerke das Zögern meiner Schritte als ich Seb folge.
Wir umrunden das Gebäude weiter, bis wir zu einer weiteren Tür kommen, die am Fuße einer kleinen Treppe liegt und wahrscheinlich in den Keller führt. Da ich mein Handy auf stumm gestellt habe, weiß ich nicht, ob eine Nachricht gekommen ist. Doch als ich es aus meiner Jackentasche hole, erscheint keine Nachricht auf dem Bildschirm.
"Anscheinend ist es hier", teile ich Seb gedämpft mit und er nickt.
"Wie besprochen, du kümmerst dich um Türen und bleibst immer hinter mir. Wir gehen rein, holen Jim und verschwinden wieder."
Mit einem Nicken signalisiere ich ihm, dass ich verstanden habe, dann gehe ich die Treppe hinunter. Zu meiner Erleichterung ist die Tür nicht verschlossen, denn ich habe keine Ahnung wie man ein Schloss knackt. Seb wahrscheinlich schon.
Dieser steht nun vor der Tür, mit gezogener Pistole, und nickt mir zu. Mit einem kräftigen Schubs öffne ich die Tür und der Sniper geht sofort an mir vorbei ins Innere des Gebäudes. Augenblicklich folge ich ihm hinein in den düsteren Gang, der hinter der Tür liegt. Flackerndes Licht erhellt die grauen Wände stellenweise, sonst ist nichts zu sehen.
Unsere Schritte sind das Einzige, was man hören kann, auch wenn ich das Gefühl habe, dass jeder in einem Kilometer Entfernung meinen Atem und Herzschlag hören kann.
Bereits nach wenigen Schritten befindet sich auf der rechten Seite eine Türöffnung und Seb geht vorsichtig in den Raum dahinter. Wachsam schaue ich mich um, ob nicht vielleicht jemand in unsere Richtung kommt, doch es ist nichts zu sehen. Bevor ich Seb hinterhergehen kann, taucht er wieder auf dem Gang auf, den Kopf schüttelnd. Dort ist Jim also nicht. Erneut schiebt Seb sich an mir vorbei um vor mir den Gang weiter entlang zu gehen.
Ich folge dem Sniper auf leisen Sohlen um eine Ecke, da kommen wir an eine weitere Tür. Dieses Mal ist sie geschlossen, doch durch ein Sichtfenster kann man ins Innere des Raumes sehen. Seb wagt einen Blick hindurch und legt sofort eine Hand an den Türgriff.
"Ich sehe jemanden auf einem Stuhl, aber sonst niemanden", flüstert er und Aufregung ergreift mich. Inständig hoffe ich, dass es Jim ist, der dort auf dem Stuhl sitzt. 
Mit einem Blick über meine Schulter vergewissere ich mich, dass wir nach wie vor alleine sind, da öffnet Seb die Tür. Der Geruch nach Schweiß, Blut und stickiger Luft schlägt mir entgegen, als ich den Raum betrete, er lässt mich fast würgen. Doch dann lenke ich meine Aufmerksamkeit wieder auf den Mann im Stuhl, die zusammengesunken dasitzt, die Hände hinter den Rücken gebunden. Fast schon zitternd gehe ich um den Stuhl herum, da hebt der Mann den Kopf.
"Jim", wispere ich, meine Stimme verlässt mich beinahe. Seine Augen scheinen mich kaum zu sehen, sie sind umgeben von Wunden und geschwollener Haut. Er sieht furchtbar aus, schlimmer als jemals zuvor. Blut klebt an seiner Schläfe, unter seiner Nase, die gebrochen aussieht, und seine Lippen sind gesprungen. 
"Mel."
Beinahe hätte ich seine Stimme nicht gehört über Sebs Anstrengung, die Seile um Jims Handgelenke zu lösen, so leise und heiser klingt er. Ich traue mich nicht, ihn zu berühren, aus Angst ihm noch mehr Schmerzen zu bereiten. 
"Ich bin auch noch da, falls es jemanden interessiert", meldet Seb sich, der nun wieder aufsteht, das zerschnittene Seil liegt nun am Boden. Da lacht Jim kurz auf, nur um dann vor Schmerz zusammenzuzucken. 
"Ein Glück", krächzt er und bewegt langsam seine Arme wieder, so als würde er sie kaum noch spüren. Schnell mustert Seb seinen Boss, dann dreht er sich zu mir. 
"Du stützt ihn, ich passe auf dass wir sicher hier herauskommen. Er muss sofort ins Krankenhaus", befiehlt er mir und ich nicke nur während ich meine Pistole hinten in meinen Hosenbund stecke. Behutsam lege ich meine Hand an Jims Seite, um ihm aus dem Stuhl zu helfen. Er unterdrückt jeglichen Schmerzenslaut, doch anhand seines Atems merke ich, wie sehr ihm diese Bewegungen zusetzen. Bevor er komplett steht, lege ich seinen Arm um meine Schultern und stütze ihn mit meiner anderen Hand, woraufhin er vor Schmerz zischt. 
"Tut mir leid", murmele ich, doch er schüttelt leicht den Kopf. Obwohl allein das Stehen ihn sichtlich anstrengt und er seine freie Hand auf eine Stelle auf seiner Seite presst, machen wir uns auf den Weg nach draußen. Seb wartet ungeduldig auf uns, seine Pistole im Anschlag. Mit jedem Meter, den wir uns den düsteren Gang entlang nach draußen quälen, wird das Gefühl um meine Brust enger. Ich will so schnell wie möglich weg von hier, ich will Jim in Sicherheit und auf dem Weg der Besserung wissen, außerhalb der Reichweite seiner Entführer. 
Deswegen spüre ich sein Gewicht kaum, oder meine eigene Erschöpfung, sondern konzentriere mich nur darauf, ihn nach draußen zu bekommen. Endlich, nach einer gefühlten Ewigkeit, gelangen wir zu der Treppe und ich fühle wie wieder mehr Leben in mich kommt. Bei den Treppen hilf Seb mir, auch er scheint nichts mehr zu wollen, als Jim so schnell wie nur irgend möglich hier raus zu haben. 
Ich bekomme kaum mit wie wir zum Auto gehen, noch wie wir Jim hineinsetzen, erst als ich neben ihm sitze und Seb den Motor anlässt, habe ich wieder Gedanken für das Hier und Jetzt. Jim hat die Augen geschlossen, sein Atem geht flach und er scheint jeden Moment das Bewusstsein zu verlieren. Vorsichtig lege ich einen Arm um ihn und erlaube ihm damit, sich gegen mich zu lehnen, was er auch sofort tut. Es ist mir egal dass er voller Blut und Schweiß ist, dass er seit einer Woche nicht duschen oder seine Sachen wechseln konnte, ich lege meine andere Hand an seine Wange und streiche ihm dann durch seine Haare. Jim legt eine Hand auf mein Bein, sie ist ebenso blutig wie sein Gesicht, doch auch das ist mir egal. Ich bin nur froh dass er wieder da ist. 

Hello there~
Sorry dass so lange nichts kam, eigentlich wollte ich euch nicht auf heißen Kohlen sitzen lassen... Aber irgendwie habe ich Wattpad ein bisschen vergessen 😂
Keine Sorge, ich sitze schon am nächsten Kapitel, also sollte es dieses Mal nicht allzu lange dauern 🙈

Danke für eure Geduld ❤️

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